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Stellungnahme der Naturschutzverbände zur geplanten Verlegung der B477

Stand16. November 2000

An den Stadtdirektor der Stadt Kerpen , Herrn Valkysers, Jahnplatz , 50171 Kerpen

Anregungen und Beschwerden gemäß §24 der Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalen zum Thema:

Verlegung der B 477 zwischen Elsdorf/Heppendorf und Kerpen/Blatzheim. Erläuterungsbericht zur Bestimmung der Linienführung gemäß §16 Bundesfernstraßengesetz (FStrG) einschließlich der Unterlagen nach § 6 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) sowie der Verträglichkeitsprüfung gemäß Art. 6 FFH-Richtlinie und §§ 19c, 19d BNatSchG. 

Vorschlag des Vorhabensträgers vom  September 2000. Öffentlichkeitstermine am 06/09/'00 in Elsdorf, Festhalle und 07/09/'00 in Kerpen, Jahnhalle.

Sehr geehrter Herr Valkysers,

gemäß §24 der Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalen regen wir folgendes an:

Der Planungsausschuß, der Umweltausschuß und der Rat der Stadt Kerpen möge bei seiner jeweils nächsten Sitzung folgende Punkte beschließen:

Das Linienbestimmungsverfahren zur B477 soll ruhen, bis ausreichende und den Gesamtkontext berücksichtigende Unterlagen beigebracht werden. Insbesondere müssen die Linienbestimmungsverfahren zu den geplanten Verlegungen der Hambachbahn der Autobahn 4 und der B477 ganzheitlich betrachtet werden.

Begründung:

Die im Rahmen der Linienbestimmung vom Vorhabenträger vorgesehenen Unter­suchungen und Prüfungen sind weder vollständig noch ausreichend. Sie bedürfen der wesentlichen Ergänzung und Erweiterung. Nach Ansicht der Bürgerinitiativen gegen die Verlegung der A4 ist die Bestimmung der Linienführung aufgrund einer VieIzahl von ungenügend analysierten Sachproblemen und aufgrund der aktuell in Frage stehenden Bedarfsfrage nicht entscheidungsreif. Vielmehr bedarf es vertiefender Untersuchungen, um eine sinnvolle Linienbestimmungs-Entscheidung begründen und untermauern zu können. Die Bürgerinitiativen gegen die Verlegung der A4 regen daher in erster Linie an, das derzeitige Linienbestimmungsverfahren ruhen zu lassen, bis ausreichende Unterlagen in Vorlage gebracht worden sind.

Wir bitten um die Berücksichtigung der nachfolgend aufgeführten Punkte:

I.          Vorhabensbegründung

Laut Aussagen des Vorhabensträgers soll mit dem Fortschreiten des Tagebaus ‚Hambach‘ etwa im Jahre 2017 die derzeitige Trasse der B477 erreicht und damit eine räumliche Verlegung notwendig werden. Der Vorhabensträger konstatiert damit einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der bergrechtlichen Zulassung des Tagebaus, der Genehmigung des Braunkohlenteilplanes 12/1 Hambach, der Zulassung der Verlegung der Hambachbahn gemäß AEG und der Linienbestimmung der A4 und der Linienbestimmung der B477. Von daher sind im Rahmen der Prüfung von Vorhabens- und Standortalternativen zwingend auch entsprechende Alternativ-Szenarien der Tagebauentwicklung zu berücksichtigen.

Die Fördermengen im Braunkohletagebau ‚Hambach‘ liegen mit derzeit 30,5 Mio. t/a weit unter den prognostizierten Mengen. Die alkalihaltige Hambacher Kohle kann nicht verfeuert werden. Statt dessen wurde die Förderung des auslaufenden Tagebaus Bergheim um 65% auf 12,8 Mio. t/a erhöht. Es erscheint daher höchst zweifelhaft, ob die heutige Bahntrasse zu dem vom Vorhabens­träger erwarteten Zeitpunkt erreicht wird. Im ersten Quartal wird der Bagger 288 mit einer Tagesförderleistung vom 240.000 Tonnen pro Tag aus dem Tagebau Hambach abgezogen und nach Garzweiler verbracht. Das wird unmittelbare zeitlich-verzögernde Auswirkungen auf den Fortschritt von Hambach haben. Daneben machen die gravierenden Änderungen der energiewirtschaftlichen Rahmen­bedingungen es zunehmend wahr­scheinlich, dass die gesamte Braunkohlen­planung eine grundsätzliche Änderung erfährt. Z.B. ist durchaus nicht auszuschließen, daß Rheinbraun in 10 Jahren den Tagebau nicht weiterführt, da die wirtschaftliche Grundlage fehlt. Diese Unsicherheiten sind zwingend im nachfolgenden Linienbestimmungsverfahren zu berücksichtigen. Eine irreversible Festlegung auf bestimmte Trassenvarianten der B477, die sich ausschließlich auf die fragwürdige Planungsoptionen von Rheinbraun stützt, darf es nicht geben.

Ebenso wenig darf dem Vorhaben ein präjudizierende Wirkung im Hinblick auf eine mögliche Fortführung des Tagebaus Hambach zukommen. Wenn z.B. die B477 verlegt würde, griffe das dem dritten Rahmenbetriebs­plan von Hambach (2020-2045) vor und hätte Signalwirkung für das Abbaggern von Manheim und die städtebauliche Entwicklung der Ortschaft Heppendorf.

Der Untersuchungsrahmen sollte zudem auf das gesamte Gebiet des noch nicht zugelassenen Rahmenbetriebsplans 3 des Tagebaus Hambach und auf die Flächen des Hambacher Forstes (südlich) der A4 ausgedehnt werden, da durch die Zerschneidung des Manheimer Steinheide das einzige Naherholungsgebiet der Region vernichtet wird.

Die Ortschaft Heppendorf würde durch die bei allen zur Diskussion stehenden Varianten der Trassenführung der B477 in eine nicht zu akzeptierende Lage geraten (B477, unmittelbar durch Heppendorf fließender Ersatzverkehr von Elsdorf zum Industriegebiet Sindorf-West, Autobahnanschluß Kerpen).

Insbesondere wird auch darauf verwiesen, dass derzeit keine abschließende Entscheidung über die Klage des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland LV NW e.V. (BUND) gegen das Bergamt Düren wegen der Zulassung des Rahmen­betriebs­planes zur Fortführung des Tagebaus Hambach bis zum Jahre 2020 gefallen ist. Vielmehr hat der BUND gegen das Urteil vom 10. November 1999 einen Antrag auf Zulassung der Berufung eingereicht.

Auch wird im folgenden Planfeststellungsverfahren vorrangig zu prüfen sein, ob der verlegungsbedingte Eingriff – auch unabhängig vom letztendlichen Standort – wegen der ursächlichen Abhängigkeit des Eingriffs vom tatsächlichen Fortschreiten des Tagebaus grundsätzlich vermieden werden kann (§ 4 (4) LG NW).

II.          Trassenführung

Der Vorhabensträger postuliert in seinem Vorschlag zum Untersuchungsumfang, dass aufgrund einer Voruntersuchung bestimmte Trassenführungen von vornherein aus Umwelt-, ökonomischen und technischen Gründen ausscheiden. Die Naturschutz­verbände weisen noch einmal nachdrücklich darauf hin, dass die Unterrichtung über den geplanten Untersuchungsumfang der Umweltverträglichkeits­prüfung nach Inhalt und Umfang nicht als eine Vorwegnahme des anschließenden Zulassungsverfahrens durchgeführt werden darf (vgl. Ziffer 0.4.3 UVPVwV).

Gem. § 6 (4) Nr. 3 UVPG müssen alle Standort- sowie Vorhabenalternativen Bestand­teil der UVP sein. Die seitens der Vorhabensträgers getroffene Vorauswahl und Priorisierung der sog. ‚Variante 4‘ ist deshalb unzulässig.

Ökonomische Gründe sind bei der Bewertung sowohl der Umwelt- als auch der FFH-Verträglichkeit unerheblich. Aus den o.g. Gründen ist die Prüfung der Nullvariante, d.h. das Verbleiben der B477 auf der derzeitigen Trasse zu prüfen.

III. Ermittlung, Beschreibung und Bewertung der Umwelt

Entsprechend der o.a. Notwendigkeit der Untersuchung aller vorgeschlagenen Varianten in der UVP ist der vorgesehene Untersuchungsraum entsprechend zu vergrößern. Das Untersuchungsgebiet ist grundsätzlich anhand des tatsächlich möglichen ökologischen Beeinflussungsgebietes, einschließlich der Flächen des Hambacher Forstes im noch nicht zugelassenen Rahmenbetriebsplan 3 des Tagebaus Hambach I abzuleiten und darf nicht auf einen Korridor, ohne Berücksichtigung dieser Flächen reduziert werden.

Die außergewöhnliche floristische und faunistische Bedeutung der Steinheide mit Altwaldbeständen und hohem Totholzanteil müssen bei der Bewertung der Umweltverträglichkeit einer Verlegung der B477 ganz besonders berücksichtigt werden. Der tagebaubedingte irreversible Verlust solcher Lebensräume in der Region einschließlich der natürlich gewachsenen Waldböden (sehr hohe Lebensraumbedeutung)  bedeutet einen schon jetzt nicht ausgleich- oder ersetzbaren Eingriff in Natur und Landschaft. Diese Vorschädigungen des Naturraumes und diesbezügliche Wechselwirkungen sind im Rahmen der UVP angemessen zu gewichten.

Auch müssen die Wechsel- und Summationswirkungen im Kontext mit den durch­geführten Sümpfungsmaßnahmen bei der Manheimer Steinheide und dem Hambacher Forst berücksichtigt werden.

Hinsichtlich des konkreten Untersuchungsumfanges schlagen die Bürgerinitiativen gegen die Verlegung der A4  daher vor:

        Biotoptypenkartierung nach dem LÖBF-Schlüssel; zusätzlich hierzu räumliche Konkretisierung von Lebensraumtypen der FFH-RL im Sinne des FFH-Handbuchs des Bundesamtes für Naturschutz bzw. des ‚Interpretation manuals‘ der EU-Kommission.

        in – aus ökologischer Sicht – höherwertigen Lebensräumen sind zusätzlich Aussagen zur vorkommenden Pflanzengesellschaft vorzulegen. Hierzu sollte eine pflanzensoziologische Aufnahme der einzelnen Bestände erfolgen. Eine etwaige Sonderstellung z.B. der Laubwaldbereiche innerhalb der Kölner Bucht (Vorkommen sonst fehlender Waldtypen) sollte aufgrund der Bestandserfassung ableitbar sein.

        punktscharfe Kartierung von Tier- und Pflanzenarten des Anhangs II der FFH-RL sowie von Vogelarten des Anhangs I der VSchRL sowie bedrohter Zugvogelarten i.S. von Artikel 4 (2) VSchRL.

Methodik:

ðSäugetiere: Fallenfänge zur überschlägigen Erfassung der Kleinsäuger in den unterschiedlichen Biotopkomplexen, ca. 5 Detektor- Begehungen zur Ermittlung der Fledermausfauna (mehrere Anhang II-Arten der FFH-RL). Bei Verdachtsmomenten zum Vorkommen der Bechsteinfledermaus sind Netzfänge an geeigneten Habitaten vorzusehen. Aussagen zum Vorkommen des Baummarders als typische Art größerer Laubwälder auch zur Charakterisierung des zoologischen Wertes des Gebietes (Zerschneidungseffekte).

ðVögel: flächendeckende qualitativ/halbquantitative Kartierung der Brut­ vogel­welt mit 5 Begehungsterminen. Innerhalb der ökologisch wertvollen Bereiche (z.B. Laubwälder) sollten die charakteristischen biotop­typischen bzw. besonders seltenen Arten quantitativ (Revierkartierung mit ca. 10 Begehungen) erfaßt werden. Dies gilt insbesondere für Anhang I-Arten der VSchRL

ðAmphibien: Kartierung der Laichvorkommen von Amphibien mit einer Quantifizierung der Populationsgrößen. Zudem sollten auch Aussagen zur Lage und Ausdehnung von etwaigen Wander­beziehungen gemacht werden, um die Auswirkungen von Zerschneidungseffekten auf die Amphibien beschreiben zu können. Eine flächendeckende Kartierung von Sommerlebensräumen kann u.U. auf den Kammolch (Anhang II FFH-RL) und den Springfrosch beschränkt bleiben. Eine Kartierung der Reptilien erscheint an dieser Stelle verzichtbar, es sei denn, daß das Vorkommen der Schlingnatter zu vermuten ist.

ðweitere Anhang II-Arten der FFH-RL: insbesondere ein etwaiges Vorkommen des Hirschkäfers sollten detailliert untersucht werden (Kartierung   von Flugbereichen bzw. potenziellen Lebensräumen der Art).  

ðaus Sicht der Bürgerinitiativen gegen die Verlegung der A4 ist der ökologische Wert der Wälder des Gebietes durch eine Fülle von     Fachveröffentlichungen umfangreich belegt. Aufgrund dessen kommt der Frage nach den Einflüssen einer Zerschneidung der Laubwaldbereiche auf die charakteristische und biotoptypische Fauna eine maßgebliche Bedeutung zu. In so fern ist es geboten, Zerschneidungseffekte anhand einer Auswahl typischer Arten zu untersuchen. Die Bürgerinitiativen schlagen hierzu folgende Beispielarten vor: Baummarder, Waldf­­leder­­maus­arten, Spechtarten, Kammolch, Erdkröte und Springfrosch, Hirschkäfer (falls vorhanden), biotop-typische Schmetterlinge wie  z.B. Argynnis paphia, Pararage aegaria und Lasiommata megera, flugunfähige biotoptypische Arten, wie Carabus coriaceus.

Das Ergebnis dieser Betrachtungen, die im Detail gern mit dem beauftragten Planungsbüro abgesprochen werden können, sollte in jedem Einzelfall die auch quantitative Abschätzung des Einflusses einer Zerschneidung der Waldflächen sein, die insbesondere im Hinblick auf die FFH-Thematik von großer Bedeutung ist.

Z.B. auch für das Schutzgut ‚Boden‘ sollten neue Untersuchungen nach aktuellen Standards (zumindest im Maßstab 1:5.000) erfolgen. Ein Rückgriff auf allgemein zugängliche Daten, u.a. die Bodenkarte 1:50.000, ist unzureichend.

      IV FFH-Verträglichkeitsprüfung

        Alle potenziellen FFH-Gebiete müssen in eine vollwertige FFH-Verträglichkeits­prüfung einbezogenen werden. Den Ausführungen des Vorhabensträgers, wonach z.B. für das potenzielle FFH-Gebiet DÜR 3 (‚Reste des Hambacher Forstes‘) eine geringere Untersuchungstiefe ausreiche, muss vehement widersprochen werden.

        Die beiden potenziellen FFH-Gebiete ‚Lindenberger Wald‘ und ‚Steinheide‘ gehören in die fachliche Kulisse der von der LÖBF/LAfAO aufgestellten Tranche 2. Innerhalb dieser Kulisse finden derzeit Kartierungen statt, deren Methodik noch umstritten ist. Unabhängig davon haben die NRW-Naturschutzverbände ihrerseits bereits 1998 diejenigen Gebiete nach Brüssel gemeldet, welche die fachlichen Kriterien der FFH-RL erfüllen. Da von dem geplanten Vorhaben eine erhebliche Beeinträchtigung all dieser

potenziellen FFH-Gebiete zu erwarten ist, ist eine vollwertige FFH-Verträglich­­keitsprüfung auch bezüglich dieser Flächen durchzuführen.

        Auch die Arten und Lebensräume des Anhanges IV der FFH-RL sind in der FFH-Verträglichkeitsprüfung zu berücksichtigen.

Ergänzende Ausführungen behalten wir uns vor. Um flexibel auf die Ergebnisse der Untersuchung reagieren zu können, bietet sich in diesem Zusammenhang auch die Durchführung weiterer Besprechungen mit dem Vorhabenträger an.

Wir bitten alle Parteien diesen Antrag zu unterstützen.

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