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Copyright lt. Quellennachweis Die Redaktion recherchiert nach eigenem Ermessen, ohne Anspruch auf Vollständigkeit und Richtigkeit zu erheben, in den genannten Quellen.

Stichwörter, Fragen & Antworten

 

 

 

 

 

 

 


In diesen Bundesländern gibt es Geld

Solarstromanlagen werden von Land zu Land unterschiedlich gefördert. Auszüge aus den Konditionen

Bayern

Nur für innovative Demonstrationsanlagen gibt es einen Zuschuss bis zu 30 Prozent der Anlagenkosten (in Ausnahmefällen bis 50 Prozent).
Staatsministerium für Wirtschaft, Verkehr und Technologie, Innovationsberatung, Prinzregentenstr. 28, 80538 München, Tel. (0 89) 21 62 - 27 87, www.bmwi.de/homepage/Förderdatenbank/easy.jsp

Berlin

Die "Modernisierungs- und Instandsetzungsrichtlinien" sollen ab Jahresbeginn in überarbeiteter Form zur Verfügung stehen. Im Rahmen der Wohneigentumsförderung gibt es für Bauherren oder Erwerber eines Neubaus eine Erhöhung des zinsverbilligten Förderdarlehens um bis zu 70 Prozent. Das Umweltentlastungsprogramm (UEP) sieht für besondere ökologische Investitionen von kleinen und mittelständischen Unternehmen, öffentlichen Einrichtungen, gemeinnützigen Institutionen oder eingetragenen Vereinen Zuschüsse je nach Projektgestaltung von 30 bis 90 Prozent vor. Ausgeschlossen von dieser Förderung sind Privatpersonen.
Investitionsbank Berlin, Bundesallee 210, 10719 Berlin, Tel.
(0 30) 21 25-36 32, www.uep-berlin.de

Brandenburg

Ab Januar 2001 soll eine überarbeitete Richtlinie gelten. Der bisherige Entwurf sieht vor, dass die zuwendungsfähigen Ausgaben für Solaranlagen unabhängig von ihrer Leistung bis zu 40 Prozent bezuschusst werden. Das gilt für Gemeinden und Kommunen, da sie nicht über das 100.000-Dächer-Programm gefördert werden. Die Bemessungsobergrenze liegt bei 15.000 Mark pro kW.
Investitionsbank Brandenburg, Steinstr. 104-106, 14480 Potsdam, Tel. (03 31) 6 60-15 18

Bremen

Keine Förderung. Falls der Förderbetrag für Schulen von 6.000 Mark je Anlage aus dem Programm "Sonne in der Schule" nicht ausreicht, wird im Einzelfall entschieden.
swb Enordia, Sögestr. 59, 28195 Bremen, Tel. (04 21) 3 59-24 15

Hessen

Es werden nur noch Anlagen von Betreibern gefördert, die beim 100.000-Dächer-Programm nicht antragsberechtigt sind, also in erster Linie Gemeinden und Kommunen. Sie erhalten ab 1 Kilowatt (kW) bis zu 30 Prozent der Anlagenkosten als Zuschuss, wobei die förderfähigen Ausgaben auf 15.000 Mark pro kW begrenzt sind. Maximal gibt es 20.000 Mark für eine Anlage. Das Förderprogramm soll ab Jahresmitte auf eine Festbetragsförderung von 4.000 Mark pro kW umgestellt werden.
Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft und Forsten, Abt. Energie, Mainzer Str. 80, 65189 Wiesbaden, Tel. (06 11) 8 15-15 03

Mecklenburg-Vorpommern

Bis voraussichtlich Ende des Jahres 2001 sollen Zuschüsse an kleine und mittelständische Unternehmen sowie Freiberufler gezahlt werden. Nicht antragsberechtigt sind neben den privaten Haushalten beispielsweise Großgewerbe und -handel, Kredit- oder Versicherungsinstitute, Autohäuser oder Tankstellen.
Wirtschaftsministerium, Ref. Wirtschaft und Umwelt, Joh.-Stelling-Str. 14, 19048 Schwerin, Telefon (03 85) 5 88-54 32

Niedersachsen

Es werden nur noch Pilot- und Demonstrationsvorhaben innovativer Solartechnologie natürlicher und juristischer Personen mit einem Zuschuss von bis zu 40 Prozent bedacht. Während mit anderen Landesprogrammen eine Kumulation nicht möglich ist, kann sie auf Bundesebene, sofern eine Förderhöchstgrenze von 49 Prozent nicht überschritten wird, erfolgen. Vor Antragstellung sollte man mit der jeweiligen Bezirksregierung Kontakt aufnehmen.
Ministerium für Wirtschaft, Technologie und Verkehr, Friedrichswall 1, 30159 Hannover, Tel. (05 11) 1 20-56 19, Infotel. (05 11) 1 20-55 00, www.bezreg-hannover.niedersachsen.de/dez203/home203.html

Nordrhein-Westfalen

Das REN-Programm wurde rückwirkend zum 1. Januar in Kraft gesetzt. Während Windenergieanlagen und solarthermische Systeme für Brauchwassererwärmung ohne Heizungsunterstützung jetzt leer ausgehen, wird die Markteinführung der Photovoltaik weiterhin durch einen Festbetrag unterstützt. Gefördert werden netzgekoppelte Solarstromanlagen bis zu einer Leistung von 50 kW (in Abstufungen ab 1,5 kW). Das Landesinstitut nimmt Anträge nur vom 1. Februar bis 30. September entgegen.
Landesinstitut für Bauwesen, Ruhrallee 1-3, 44139 Dortmund, Telefon (02 31) 28 68-0, Infotelefon (02 31) 28 68-5 95, www.lb.nrw.de/fr-ren.html

Rheinland-Pfalz

Keine Förderung. Für Schulen gibt es noch 50 Prozent der förderfähigen Kosten, höchstens jedoch 20.000 Mark. Dazu gehören Investitions- und Projektierungskosten.
Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau, Postfach 3269, 55022 Mainz, Tel. (0 61 31) 16-21 15

Saarland

Es ist ein neues Förderprogramm "Zukunftsenergieprogramm plus ZEPP" ab Anfang des Jahres 2001 geplant, das auch Zuschüsse für Photovoltaik bieten soll.
ARGE Solar, Altenkesseler Str. 17, 66115 Saarbrücken, Tel.
(06 81) 97 62-4 70

Thüringen

Für Photovoltaikanlagen, die im Rahmen des 100.000-Dächer-Programms nicht förderfähig sind, gibt es 7.000 Mark pro kW. Anlagen, die durch die Bundesförderung unterstützt werden, erhalten eine zusätzliche Landesförderung von 4.000 Mark pro kW. Der Höchstbetrag ist mit 100.000 Mark pro Anlage festgelegt. Für Demonstrationsvorhaben werden 40 Prozent bis zu einer Obergrenze von 300.000 Mark übernommen.
Thüringer Aufbaubank, Europaplatz 5, 99091 Erfurt, Tel. (03 61) 74 47-2 29, www.th-online.de/wirtschaft/foerdermittel

Stand: Anfang Januar 2001. Auszüge aus dem Solarstrom-Magazin "Photon", Januar 2001, Solar Verlag, Wilhelmstr. 34, 52070 Aachen, www.photon.de

Quelle: taz Nr. 6357 vom 27.1.2001, Seite 22, 193 Zeilen TAZ-Bericht , in taz-Bremen-Hamburg: S.34

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Chronik für den Handel mit Emissionsrechten

Grundlegend war der Umweltgipfel in Rio – bahnbrechend das Protokoll von Kyoto

Der Handel mit Emissionsrechten für Treibhausgase hat bereits eine lange und komplizierte Entwicklungsgeschichte. Die wichtigsten historischen Stationen und künftige Termine:

1992: Auf dem Umweltgipfel der Vereinten Nationen in Rio de Janeiro wird die Klimarahmenkonvention zum Schutz des Weltklimas beschlossen. Darin wird das Ziel formuliert, die Treibhausgas-Konzentrationen in der Atmosphäre auf einem Niveau zu stabilisieren, das eine gefährliche, vom Menschen verursachte Störung des Klimasystems verhindert.

1995/1996: Auf Vertragsstaaten-Konferenzen in Berlin und Genf wird verhandelt, in welcher Form die Klimarahmenkonvention umgesetzt werden kann. Im Vordergrund stehen allerdings noch Fragen zur Verfahrensweise.

1997: Auf der 3. Vertragsstaaten-Konferenz in Kyoto werden verbindliche Reduktionsverplichtungen für Industrieländer festgelegt. In der Periode von 2008 bis 2012 sollen insgesamt 5,2 % der Treibhausgase gegenüber dem Emissionsniveau von 1990 reduziert werden. Außerdem werden im Protokoll von Kyoto flexible Mechanismen aufgeführt, darunter das Emissions Trading, Projekte durch gemeinsame Umsetzung von Minderungsmaßnahmen (Joint Implementation und Clean Development Mechanism). In der Europäischen Union soll durch eine differenzierte Lastenverteilung (so genannte EU-Glocke) eine Reduktion von 8 % erreicht werden.

1998/1999: Auf den weiteren Klima-Konferenzen in Buenos Aires und Bonn werden über die Ausgestaltung des Handels mit Emissionsrechten keine Einigungen erzielt. Die Konferenzen werden von Umweltschützern als Enttäuschung gewertet.

18. Mai bis. 6. Juli 1999: Die Dachverbände der europäischen Elektrizitätswirtschaft Unipede und Eurelectric führen gemeinsam mit der Pariser Börse einen computergestützten Handel mit Kohlendioxid-Emissionsrechten durch. 16 virtuelle Stromerzeugunger aus 15 Staaten simulieren mehrere Handelsjahre. Ähnliche Simulationsrunden finden weiterhin statt und wurden bspw. auf der 5. Klima-Konferenz in Bonn präsentiert. An dem Testhandel nimmt auch die deutsche Hamburgische Electricitäts-Werke AG (HEW AG) teil.

Januar 2000: Die Erdöl-Konzerne BP Amoco und Shell praktizieren einen konzerninternen Handel mit Kohlendioxid-Emissionsrechten. Gehandelt wird u.a. zwischen Ölförderungs-Stellen und Tankstellen.

Januar 2000: Ein Projekt der Weltbank wird in großem finanziellen Umfang eingerichtet: Der "Prototype Carbon Fund" (PCF). Das Pilotprojekt, an dem u.a. die europäischen Unternehmen BP Amoco, Deutsche Bank, Electrabel/Suez-Lyonnaise des Eaus, Gaz de France und RWE beteiligt sind, bietet interessierten Unternehmen und Ländern Beteiligungen in der Größenordnung von je 5 bzw. 10 Mill. US-$ an. Mit dem Geld sollen Klimaschutzprojekte in Entwicklungsländern finanziert werden. Als Gegenleistung sollen die Investoren Emissionsgutschriften erhalten.

8. März 2000: Die EU-Umwelt-Kommissarin Margot Wallström legt ein "Grünbuch" zum Handel mit Treibhausgas-Emissionen vor. Rund 45 % der Industrie-Emissionen von Kohlendioxid sollen ab 2005 an Schadstoff-Börsen gehandelt werden. In den Handel sollen Unternehmen aus den Branchen Strom- und Wärme-Erzeugung, Eisen und Stahl, Raffinerien, Chemische Industrie, Glas, Keramik und Baustoffe, Papier und Druck einbezogen werden.

Juni 2000: In einem Pilotprojekt verkauft die HEW AG 24 000 Tonnen Kohlendioxid an das kanadische Energieversorgungsunternehmen TransAlta in Calgary. Mit dem Erlös werden Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energiequellen in Hamburg finanziert.

4. August 2000: Erstes informelles Treffen von Experten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik in Berlin zu einem Interessen übergreifenden Austausch zum Thema Emissionsrechtehandel in Deutschland.

Anfang Oktober 2000: Zweites Treffen der Expertenrunde unter dem Titel: "Emissions Trading Experts Group." Es sollen erste Erfahrungen der Arbeitsgruppen ausgetauscht werden.

13.-14.November 2000: Die Hoffnungen von Klimaschützern richten sich auf die anberaumte 6. Vertragsstaaten-Konferenz vom 13.-24. November in Den Haag. Experten erwarten Überraschungen insbesondere bei der Festlegung von Kriterien für die Anrechnung von Projekten, die in zwischenstaatlichem Rahmen zur Erzielung von Emissionsminderungen durchgeführt werden.

Anfang 2001: Zur Vorbereitung auf einen Handel mit Kohlendioxid-Emissionsrechten soll in Großbritannien an der Londoner Börse in Zusammenarbeit mit der International Petroleum Exchange (IPE), einem Umschlagplatz für Öl und Erdgas, mit einem Handelssystem für Kohlendioxid-Emissionsrechte experimentiert werden. Das Lizenzmodell wurde der EU-Kommission bereits präsentiert.

2002: Es wird das In-Kraft-Treten des Kyoto-Protokolls erwartet durch die Ratifizierung der an der Klimarahmenkonvention beteiligten Länder.

2005: Voraussichtlicher Beginn des Handels mit Emissionsrechten für Kohlendioxid in der Europäischen Union.

2008: Beginn der ersten Periode für den Emissionshandel weltweit. Bis 2008 müssen die Länder der EU ihre Kohlendioxid-Emissionen um 8 % reduzieren, Deutschland sogar um 25 %.

Quelle: Handelsblatt 16.8.2000

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Korruption, empirisch (Als Analogie zum rheinischen Braunkohleklüngel )

Bei Korruption handelt es sich - genauer betrachtet - um Vernetzungstechniken, die auf Entscheidungen Einfluss nehmen, auf die nach der jeweiligen Systemlogik von Politik, Wirtschaft und Bürokratie von außen gar kein Einfluss genommen werden kann

Korruption, so urteilt die Soziologie nahezu einhellig, ist das Hereinragen der Bindungsinstrumente der alten Welt in die neue Welt. Für die von uns für normal gehaltene und sogar in Verfassungsrang gehobene Entkoppelung von Politik und Wirtschaft bezahlen wir mit - je nach der Mächtigkeit der alten Welt - mehr oder weniger zahlreichen Fällen der Korruption. Wäre gar keine Korruption mehr festzustellen, hätte sich unsere neue Welt endgültig historisch losgekoppelt von der alten Welt, in der sie entstanden ist. Wie wünschenswert das ist, ist mehr als unsicher, da diese alte Welt über Mechanismen der lokalen Herstellung und Sicherung von Vertrauen und Verlässlichkeit verfügte, von denen wir nicht wissen, ob die neue Welt Ersatz für sie schaffen kann. Was wir Korruption nennen, ist nichts anderes als ein solcher Mechanismus der Schaffung von Verlässlichkeit und Vertrauen. Ironischerweise handelt es sich sogar um einen Mechanismus, der in der modernen Welt noch bindungsstärker ist als in der alten. Denn Korruption kriminalisiert, macht erpressbar und schafft damit die Basis für ein Vertrauen, das zwar auf Heimlichkeit angewiesen ist, aber genau daraus ein wie immer zeitlich begrenztes Selbstvertrauen schöpfen kann. Schaut man sich genauer an, was jeweils vorliegt, wenn etwas passiert, was wir Korruption nennen, sieht man relativ leicht, dass es sich um Vernetzungstechniken zwischen verschiedenen Systemen - meist, aber nicht nur zwischen Politik und Wirtschaft - und zwischen verschiedenen Organisationen - meist, aber nicht nur zwischen Parteien, Behörden und Unternehmen - handelt. Diese Vernetzungstechniken nehmen auf Entscheidungen Einfluss, auf die nach der jeweiligen Systemlogik von außen gar kein Einfluss genommen werden kann.Denn wir sind es ja gewohnt, politische Entscheidungen nur politisch zu begründen und wirtschaftliche Entscheidungen nur wirtschaftlich. Korruptionsfälle jedoch sind Fälle, in denen politische Entscheidungen wirtschaftlich oder auch, das wird seltener gesehen, dann aber sogar für wünschenswert gehalten, wirtschaftliche Entscheidungen politisch begründet werden. Korruption ist der Fall, wenn Systeme sich durch andere Bedingungen als die eigenen konditionieren lassen. Ein Problem ist das deswegen, weil damit die systemeigenen Konditionen der Systeme abgehängt werden. Eine korrupte Politik ist eine Politik, die sich demokratisch nicht mehr beeinflussen lässt.Eine korrupte Wirtschaft ist eine Wirtschaft, in der der Markt nicht mehr das letzte Wort hat. Korruption bricht, mit anderen Worten, die Geschlossenheit der Systeme auf und passt sie an das an, was in ihrer Umwelt für sinnvoll gehalten wird. Der entscheidende Punkt ist nun, dass das Motiv für diese Öffnung nicht in den Funktionssystemen selber liegt, sondern in Organisationen, die sich in diesen Systemen zu behaupten suchen. Nicht die Wirtschaft oder die Politik werden korrumpiert, sondern Unternehmen, Parteien und Behörden. Diese Organisationen sind systematisch in der Lage, ihre eigenen Überlebensbedingungen unabhängig von dem einzuschätzen, was das freie Spiel der Wirtschaft oder der Politik ihnen andernfalls in Aussicht stellen würde. Sie beziehen sich, könnte man auch sagen, auf die Gesellschaft insgesamt und nicht nur auf eine partielle Systemlogik. Allerdings tun sie das aus ihrem jeweils ebenfalls partiellen Blickwinkel heraus. Trotzdem sind wir aber selbst in diese Gesellschaft verstrickt, deren Korrumpierbarkeit wir befürchten. Was wir Korruption nennen, ist der Einbruch des Realitätsprinzips in geschlossene Systeme. Wer die Korruption verurteilt, kann sich auf allgemeine, also in jedem Einzelfall unrealistische Prinzipien berufen. Daher wissen diejenigen, die sich korrumpieren lassen, immer die besseren Gründe auf ihrer Seite. Aber sie können diese besseren Gründe nicht kommunizieren, weil es sich um hochgradig lokale und individuelle, eben empirisch begründete Gründe handelt, von denen wir gewohnt sind, sie auf bloßes Eigeninteresse zurückzurechnen und deswegen für verdächtig zu halten, obwohl doch auf einer wiederum prinzipiellen Ebene das Eigeninteresse in unserer Gesellschaft das letzte Wort hat.Die alte Welt schuf Vertrauen und Verlässlichkeit über Vernetzung, Patronage und Klientelbildung. Die neue Welt setzt dagegen auf die Ausdifferenzierung der Funktionssysteme und die möglichst unbeschränkte, nur von den ebenfalls ausdifferenzierten Massenmedien beargwöhnte Realisierung der jeweiligen Systemeigenlogiken. Unsere Organisationen jedoch stehen nach wie vor mit einem Bein in der alten Welt und mit dem anderen in der neuen. Unternehmen, Parteien und Behörden erden, wenn man so will, die abstrakten Systemlogiken. Und sie berufen sich dazu auf Mitarbeiter, die im Gegensatz zu dem, was die Systemlogiken leisten, Augen im Kopf haben und zu sehen glauben können, was sich um sie herum abspielt. Was wir Korruption nennen, ist, so gesehen, nichts anderes als die Durchsetzung individueller Rücksichten in einer Gesellschaft, die sich deswegen "liberal" nennt, weil sie ihren Individuen nicht über den Weg traut und daher Mechanismen entwickelt, die möglichen Fehler dieser Individuen möglichst schnell korrigieren zu können - unter Verweis auf die Gesetze des Marktes oder die Weisheit der Demokratie. Niklas Luhmann hat einmal vorgeschlagen, die moderne Gesellschaft nur dann "rational" zu nennen, wenn sie es schafft, die aus den Systemlogiken ausgeschlossenen Individuen in den Systemen wieder vorkommen zu lassen. Wenn Korruption darauf hinausläuft, Partialinteressen gegen allgemeine Interessen zu ihrem Recht zu verhelfen, müssen wir das bis auf Weiteres um so eher für rational halten, als diese allgemeinen Interessen schon längst nicht mehr zweifelsfrei behauptet werden können. Unsere spontane moralische Empörung über Fälle der Korruption ist ganz offensichtlich ein Streit der Gesellschaft mit sich selbst.

Quelle: TAZ 23.1.2000

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Helmut Kohls Großvater Schwarze Kassen, Selbstbedienung, Insidergeschäfte - neue Nachrichten zu Konrad Adenauer (Teil 1).

Nachdem der ehemalige CDU-Vorsitzende und Bundeskanzler Helmut Kohl in der Öffentlichkeit nicht mehr als

Teil der »CDU-Leitkultur« vorgezeigt werden kann, hat eine Suche nach neuen bzw. alten Vorbildern eingesetzt. Am 5. Januar 2001 jährte sich der 125. Geburtstag von Konrad Adenauer, Gründungsvater der CDU und erster Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland. Dies dient der CDU und der Konrad-Adenauer-Stiftung als Anlaß, um während des ganzen Jahres eine Serie von Ausstellungen, Vorträgen, Veröffentlichungen durchzuführen, zahlreiche davon im Ausland (Bosnien-Herzegowina, Polen, England, Ukraine, USA, Indonesien, Palästina usw.). Der Rat der Stadt Köln gedachte des ehemaligen Oberbürgermeisters (1917- 1933) in einer Sondersitzung, der Kölner Erzbischof Josef Kardinal Meisner feierte ein Pontifikalamt, die seit Herbst 2000 CDU-geführte Stadtverwaltung läßt einen »Konrad- Adenauer-Wanderpfad« gestalten, an dem die kommunalpolitischen Verdienste Adenauers bewundert werden sollen. Gleichzeitig wurden erstmalig Fakten aus Adenauers Kölner Tätigkeit bekannt, die ein neues Licht auf diese Mythenbelebung werfen. 1)

Schwarze Kasse im Rathaus

Am 18. 9. 1917 wurde der langjährige erste Beigeordnete Konrad Adenauer zum Kölner Oberbürgermeister gewählt. Zur Beruhigung des Publikums stimmte er einem Beschluß der Stadtverordnetenversammlung vom selben Tag zu. Danach war der OB verpflichtet, alle Tantiemen an die Stadtkasse abzuliefern, wenn er »als Vertreter der Stadt zum Mitglied des Aufsichtsrates oder Vorstandes einer Erwerbsgesellschaft bestellt werden sollte.« Der tiefkatholische Zentrumspolitiker ließ zwei Monate später den Beschluß abändern, was umso leichter fiel, da aufgrund des preußischen Dreiklassenwahlrechts im Stadtrat noch keine Sozialdemokraten oder andere lästige Vertreter sozialer Interessen saßen. Am 23. 11. 1917 wurde das Gegenteil beschlossen: »... steht die hieraus aufkommende Vergütung zur freien Verfügung des Oberbürgermeisters.« Es wurde zwar nebulös festgelegt, das Geld solle »zum Wohle der städtischen Beamten« verwendet werden, aber für alle Fälle hieß es: »Eine Rechnungslegung findet nicht statt.«

Auf dieser Grundlage glitt der neue OB skrupellos vom Legalen zum Illegalen. Er ließ das Konto »Dispositionsfonds« einrichten. Darauf lenkte er die erheblichen Summen, die ihm von seinen Aufsichtsratsmandaten zuflossen. 14 000 Mark jährlich kamen von der Provinzial Feuerversicherung. Das schon damals mächtige Rheinisch-Westfälische Elektrizitätswerk (RWE) überwies Adenauer jährlich ebenfalls etwa 14 000 Mark, manchmal auch 19 000. Die schwarze Kasse wurde von Geschäftspartnern auch direkt aufgefüllt. So spendete Direktor Dr. Brüning von der Kölner Filiale der Deutschen Bank 30 000 Mark in den Fonds, versehen mit dem unnötigen Zusatz »zur freien Verwendung.«

Immer wieder ließ Adenauer sich zwar Beträge zwischen 50 und 150 Mark aus dem Fonds auszahlen, die er dann persönlich an mehr oder weniger notleidende Beamte überbrachte. Kleine Beamte bekamen kleine Beträge, höhere Beamte bekamen höhere Beträge. So wurde Bürodirektor a. D. Ernst für eine Kur im schönen St. Moritz mit 800 Mark unterstützt. Das »Wohl der Beamten« konnte man vielleicht auch noch entdecken, wenn 75 Mark an die Polizisten Ley und Schiefer gingen, hatten sie doch während des sechswöchigen Urlaubs der Familie Adenauer im Grandhotel von Chandolin im schweizerischen Wallis 57 Nachtwachen geschoben. Aber auch Strafzettel wegen erheblicher Geschwindigkeitsüberschreitung, zu der der OB seinen Chauffeur häufig antrieb - durch Remagen etwa donnerte er einmal mit 60 km/h, 30 waren erlaubt -, wurden aus dem Fonds beglichen.

Die meisten Beträge flossen jedoch in andere Richtungen. Rote Rosen für 100 Mark und eine venezianische Vase für 575 Mark für seinen Freund, Geheimrat Louis Hagen vom Bankhaus Sal. Oppenheim, wurden dem Dispositionsfonds ebenso entnommen wie 300 Mark an die Nähstube des Vaterländischen Frauenvereins, dem die Gräfin Schnitzler vom befreundeten Bankhaus J. H. Stein vorstand. Als Geschenk an den Papst wurde der Prachtband »Der goldene Schrein« für 50 Mark in weißes Leder gebunden. Das Frühstück des Stiftungsrates der Johannes-Fastenrath-Stiftung im Kölner Restaurant »Bastei« ließ Adenauer ebenso aus seinem Fonds bezahlen wie den Lunch mit dem Wallstreet-Banker McKittrick im Berliner Hotel Adlon.

Förderung von Militaristen

Der Empfängerkreis war zwischen christlichem Traditionsmilieu, Technikfetischismus und Karneval breit gefächert. Katholischer Frauenbund, Sankt-Elisabeth- Krankenhaus, Reichsbund der Kinderreichen und Männergesangverein Concordia wurden ebenso bedacht wie der Düsseldorfer Areo-Club, der Deutsche Motorradfahrerverband (»Ehrenpreis Nürburgring«) und der ADAC. Die Spitzen des einheimischen Brauchtums durften nicht fehlen; so wurden der Karnevalsgesellschaft Rote Funken erst 25 Flaschen, dann 50 Flaschen des edlen Tropfens »Zeltinger Kirchenpfad« angeliefert.

Besonderes Gewicht legte der Zentrumspolitiker auf die Förderung von militaristischen Vereinigungen und großdeutschen Bestrebungen. Dabei wird nebenbei die Legende widerlegt, Adenauer sei ein »rheinischer Separatist« gewesen. Vor allem war er, spätestens seit Mitte der 20er Jahre, ein Großdeutscher. Er stiftete zwar schon mal die Ehrenpreise für das »Rheinlandbefreiungsschießen« 1930 und half der Mainzer Rudergesellschaft beim Kauf eines »Befreiungsachters«. Als Vizepräsident der Deutschen Kolonialgesellschaft (»Unerbittlich fordern wir Deutschlands Recht auf eigene Kolonien«), bestritt er aus der schwarzen Kasse 25 Exemplare »Deutscher Kolonialkalender« für die Volksbüchereien der Stadt. Er nervte den Schuldezernenten Linnartz so lange, bis dieser dem Geschenk von nochmals 50 Exemplaren des Kalenders zustimmte und sie in den Schulen verteilte. Der Kölner Kreiskriegerverband und der Preußische Landeskriegerverband durften für das Kriegerdenkmal im Hindenburgpark ebenso auf eine Gabe hoffen wie das Kürassierregiment 8, das immerhin 2 000 Mark bekam.

Für die Kundgebung »Danzig bleibt deutsch« des Vereins für das Deutschtum im Ausland floß aus dem Dispositionsfonds eine Spende wie für das Wohltätigkeitskonzert zur »Unterstützung notleidender Kolonialdeutscher in Ost- und Westafrika«. Adenauer subventionierte Auslandsvereine wie den Deutschen Schulverein Antwerpen und die Landsmannschaft Eupen- Malmedy-Monschau. Rittmeister a.D. Habermann bekam eine Spende für das »Deutsche Haus« in Olmütz. Aus dem Fonds bezahlte Adenauer ab 1931 auch das Abonnement der »Deutschen Führerbriefe«, die von seinem Freund Paul Silverberg herausgegeben wurden, Chef der Rheinbraun AG, die für die Beteiligung Hitlers an der Reichsregierung warben.

Als früher Bewunderer Benito Mussolinis förderte er sogleich nach dem Sieg des Faschismus in Italien die Errichtung des Italienischen Kulturinstituts in Köln und bedachte es mit einer Spende aus seiner schwarzen Kasse.

Den Kreuzer »Cöln« hatte Adenauer besonders ins Herz seines Dispositionsfonds geschlossen. Dem Marineverein Köln spendierte er die Fahrkarten zur Taufe des Kreuzers im Mai 1928 in Wilhelmshaven. Der Mannschaft ließ er immer wieder nicht nur Zigarren, Zigaretten, Wein, Bücher und Schallplatten (mit Extrarationen zu Weihnachten) sowie der Schiffskapelle kostbare Noten zukommen, sondern beglückte sie auch mit Freiabonnements des Kölner Stadt-Anzeigers und der besonders nazifreundlichen »Kölner Illustrierten Zeitung« aus dem Hause DuMont Schauberg. Dem Kommandanten bezahlte er die Rahmung eines Bildes, und für die Gattin legte er ein »Kristall-Flakon« bei. Eine Extra-Lieferung Zigarren der Marke »Adenauer« ging an den Matrosen, »welcher den Herrn OB auf dem Kreuzer Cöln bedient hat«.

Hatte schon all das nichts mit dem »Wohl der städtischen Beamten« zu tun, so notierte bei so mancher Barentnahme aus dem Dispositionsfonds der Bürodirektor des OB-Vorzimmers: »1 300 Reichsmark abgehoben und dem Herrn OB ausgehändigt. Zweck ist mir unbekannt«. Die nicht ausgegebenen Summen standen dem OB ganz »zur freien Verfügung«. Die Tantiemen der restlichen, im Lauf der 20er Jahre hinzukommenden insgesamt zwölf Aufsichts- und Verwaltungsratsmandate zahlte er meist überhaupt nicht mehr in den Fonds ein, so die Tantiemen der Rheinbraun AG, der Deutschen Lufthansa, der Rhein-Main-Donau AG und der Ruhrgas AG.

»Freies Wohnen« und sonstige Nebeneinnahmen

Eine ähnliche Schwankungsbreite zwischen legal und illegal herrschte bei seinem Gehalt. Es war das höchste aller Politiker im deutschen Reich. Das kam vor allem durch die sichtbaren und unsichtbaren Nebenleistungen. Durch Aktienspekulation, Einheirat in die Familie des vorherigen OB Wallraf und durch langjähriges Beigeordnetengehalt war er so vermögend, daß er sich bereits lange vor Amtsantritt als OB in der Max-Bruch- Strasse 6 - in bester Lage, Prominentenviertel Lindenthal, direkt am Stadtwald - eine dreistöckige 14-Zimmer-Villa hatte bauen lassen. Trotzdem bestand er auf »freier Wohnung«. Er ließ sich zunächst unter anderem 20 000 Mark jährlich für »Licht und Brand« bewilligen, womit - so die wenigen Spötter, die davon überhaupt erfuhren - nach damaligen Preisen ganz Lindenthal hätte beleuchtet und beheizt werden können.

Schließlich erhielt der kaltschnäuzige Gehaltsjäger zu seinem Grundgehalt von 36 000 Mark jährlich 5 250 Mark Orts- und Kinderzuschläge, 10 000 Mark Aufwandsentschädigung und noch sage und schreibe 43 000 Mark »Wohngeld«. Dabei wurden die Aufwandsentschädigung ebenso wie die Hälfte des Wohngelds auf seine Pension angerechnet, stellten also ein verdecktes Gehalt dar, was durch den Stadtverordnetenbeschluß über »freies Wohnen« natürlich nicht gedeckt war. Für 43 000 Mark übrigens konnte man sich damals ein Haus mit sechs Zimmern und Grundstück kaufen, so daß sich der Kölner OB jährlich aus dem städtischen Haushalt den Gegenwert eines ordentlichen Eigenheims schenkte, und zwar 15mal, denn die Regelung galt bis 1933.

Darüber regten sich vor allem die sozialdemokratischen und christlichen Zeitungen auf. Dabei kannte das Publikum damals die Feinheiten noch gar nicht, mit denen der raffgierige Politchrist das »freie Wohnen« auf die Spitze trieb. Neben dem üppigen »Wohngeld« ließ er sich die Rechnungen für Gas, Wasser und Strom aus der Stadtkasse noch extra ersetzen, wofür die Stadtwerke eigens Rechnungsduplikate an das OB- Zimmer zu schicken hatten. Überflüssig zu betonen, daß auch die Hausreparaturen - bis zu 15 000 Mark im Jahr - aus der Stadtkasse bezahlt wurden.

Privatgeschäfte im Rathaus

Auch sämtliche Versicherungen - Feuer/Gebäude, Haftpflicht, Diebstahl - wurden aus der Stadtkasse ersetzt. Dasselbe galt für die Grundsteuern und Hypothekenzinsen. Dasselbe galt schließlich auch für zahlreiche Kleinigkeiten wie die Urlaubs- Reisegepäckversicherung (»zu übernehmen auf Haushaltsplan Zentralverwaltung, Position 42, Sonstiges«), wobei der OB in der Police festhalten ließ, daß die Versicherung auch für alle Familienangehörige gelte, selbst »wenn diese nicht in Begleitung des Versicherungsnehmers reisen.« Als der NSDAP-Nachfolger im OB-Amt, Dr. Riesen, im April 1933 die Reisegepäckversicherung kündigte, stellte der Provinzial- Versicherungsagent Heups, der die Versicherung mit Adenauer abgeschlossen hatte, erstaunt fest, »daß die Prämie offenbar der Stadt Köln zur Last fällt«, wovon er keine Kenntnis gehabt habe.

Wenn in der Max-Bruch-Straße »Kanalgerüche im Herrschaftsbadezimmer« das christliche Riechorgan störten oder wenn die Gaskesselanlage ruckelte, ließ der OB die Ingenieure der Stadtwerke antanzen. Sie erstellten in ihrer Dienstzeit kostenlose Gutachten und überwachten die Reparaturarbeiten. Dasselbe galt bei der Begutachtung der Angebote für den Swimmingpool nebst Umkleidehaus, für das Kühlsystem des Weinkellers und für den Bau der Tennisanlage im Garten. Das fiel auch deshalb nicht auf, weil gleichzeitig die städtischen Gärtner in Adenauers großem Garten auf Steuerzahlers Kosten das Unkraut jäteten und die Rosen pflegten.

Auch im Rathaus ließ Adenauer durch die städtischen Beamten zahlreiche seiner persönlichen Angelegenheiten abwickeln, obwohl er zu Hause vier Angestellte beschäftigte. Bürodirektor Wolfgarten bestellte für Adenauers Privatbedarf Haigs Gold Label Scotch Whisky, Kölnisches Wasser für den Urlaub, Gartenschaukeln für die Kinder. Die Beamten sichteten die einlaufenden Prospekte, wenn Frau Adenauer vor der Auswahl des hübschesten Modells für Doppelwaschtische in den Badezimmern stand (»Ia Caracalla-Marmor oder Hartsteingut?«). Auch die Bestellung von »drei Tuben der schon früher verschiedentlich bestellten Nasensalbe« beim Apotheker Burgener im walisischen Chandolin oblag dem OB-Büro. Wenn etwa die Extra- Spezialguß-Bratpfanne aus der Schweiz im Rathaus eintraf, meldete der Bürodirektor pflichtgemäß per amtlichem Vermerk an die OB-Gattin: »Das Bronzegefäß ist eingetroffen.«

1) Die Fakten finden sich im Historischen Archiv der Stadt Köln, Bestand Adenauer, und Bundesrarchiv Berlin, Bestand Deutsche Bank. Eine erste Veröffentlichung erfolgte in der Ausgabe Köln der taz vom 4. 1. 2001. Für Teilaspekte der hier vertieften Fragestellung sind zu empfehlen: Henning Köhler, Adenauer. Eine politische Biographie. Berlin (Propyläen) 1994; Eberhard Czichon, Die Bank und die Macht. Hermann Josef Abs, die Deutsche Bank und die Politik. Köln (Papyrossa) 1995.

(Morgen Teil 2: Das Rathaus als Zockerbüro)

Quelle: Junge Welt Politik 17.1.2001

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Rathaus als Zockerbüro Schwarze Kassen, Selbstbedienung, Insidergeschäfte - neue Nachrichten zu Konrad Adenauer (Teil 2 und Schluß).   

In den Jahren 1919 und 1925 kaufte Adenauer zu den 1 864 Quadratmetern seines Grundstücks weitere 3 051 Quadratmeter an der Kitschburger und der Max-Bruch-Straße von der Stadt hinzu, um ein zweites Haus und einen

Tennisplatz bauen zu lassen. 1932 mahnte das städtische Liegenschaftsamt untertänigst an, daß der Restkaufpreis von 23 740 Mark - ein unter dem Marktpreis liegender Freundschaftspreis, den sich Adenauer als Vertreter des Verkäufers selbst genehmigt hatte - immer noch nicht beglichen sei. Adenauer wollte nicht zahlen, ging aber auf das Angebot ein, auf diese Schuld sechs Prozent Zinsen und 1,5 Prozent Stundungszinsen zu zahlen. Die zahlte er zwar tatsächlich an die Stadthauptkasse, interpretierte aber das »freie Wohnen« so, daß er sich die 7,5 Prozent Zinsen umgehend aus eben derselben Stadthauptkasse zurückerstatten ließ.

Schließlich kannte das Publikum auch weitere Nebeneinkünfte des nimmersatten Selbstbedieners nicht. So rechnete er etwa für eine Sitzung des Aufsichtsrates der RWE 90 Mark Tagegeld ab. Für einen Arbeits- und Sitzungstag des Preußischen Staatsrates rechnete er 150 Mark Tagegeld ab; damit kam er beispielsweise allein im Zeitraum vom 6. 5. bis 3. 7. 1921 auf 2 400 Mark, was dem Jahresgehalt eines kleinen Beamten entsprach.

Pfandbriefe, Konten und Aktiendepots

Zeitweise glich sein Rathaus-Vorzimmer einem Zockerbüro. »Wir machen höflichst darauf aufmerksam, daß unsere Bestände in achtprozentigen Goldpfandbriefen zur Neige gehen und bitten Sie, im Bedarfsfalle möglichst umgehend bei uns oder unseren Niederlassungen Offerten einzuholen«, so hieß es etwa in einem Angebot der Deutschen Bank, das im Rathaus umgehend bearbeitet werden mußte. Adenauer unterhielt für seine umfangreichen Deals nicht nur zwei Girokonten bei der Städtischen Sparkasse Köln, sondern Konten und Aktiendepots bei mehreren Banken: C.G. Trinkaus (Düsseldorf), Sal. Oppenheim (Köln), Deutsche Bank (Köln) und Comes&Co (Berlin).

Die privaten Aktiendeals ihres OB waren für die städtischen Beamten so normal, daß sie ihm schon mal ein paar Millionen aus der Stadtkasse vorstreckten. So traf am 27. 1. 1923 mit vertraulichem Schreiben im Rathaus das Angebot der Deutschen Bank über den Bezug junger Aktien der Rheinbraun AG ein, bei der Adenauer im Aufsichtsrat saß. Die 40 000 Aktien kosteten 613 000 Mark, die Entscheidung mußte am selben Tag getroffen werden. Der Bürodirektor fertigte eine Zahlungsanweisung an die Stadtkasse (»außerordentliche Bedürfnisse«), zwei Tage später meldete die Kämmerei der am höchsten verschuldeten deutschen Stadt Vollzug. Bemerkenswert hierbei ist auch, daß die Verwaltungsspitze der Stadt diesen Rechtsbruch ausnahmslos mittrug - eine Überweisung dieser Größenordnung und Dringlichkeit mußte von mehreren Spitzenbeamten abgesegnet werden. Erst drei Monate später ordnete Adenauer an: »Der von der Stadthauptkasse verauslagte Betrag von 613 000 M wird dieser aus meinem Girokonto 8080 bei der Städtischen Sparkasse erstattet.« Natürlich ohne Zinsen. Solche Beträge - heute wären das gut fünf Millionen DM - waren auf Adenauers Girokonto ohne Schwierigkeit verfügbar.

Gleichzeitig wußte der christliche Politiker auf den damaligen Katholikentagen geläufig gegen »Materialismus und Mammonismus im deutschen Volke« zu wettern und den »Schwund des Religiösen« zu beklagen, als hätte er bei seinem heutigen Fan Josef Kardinal Meisner die Weihnachstpredigt gehört.

Den Höhepunkt erreichte der vermutlich ranghöchste deutsche Aktienspekulant - er war nach Reichspräsident und Reichskanzler der dritte Mann im Staate - mit den Glanzstoff- Aktien. Er war befreundet mit Fritz Blüthgen, Generaldirektor der Glanzstoff AG. Im Gewerbegebiet Köln-Niehl, von Adenauer forciert, ließ die Glanzstoff AG ein Zweigwerk für die Produktion der gerade erfundenen Kunstseide errichten. Bei einem Bankett im Rathaus, Februar 1928, berichtete Blüthgen, daß Glanzstoff zwei amerikanische Holdings gegründet habe. Ihren Aktien stehe eine glänzende Entwicklung bevor. Blüthgen verfügte über einen »Sonderfonds« in Amsterdam. Da dem OB noch eine Million Reichsmark zu den notwendigen 2,8 Millionen für 7 000 Stück fehlten, sprang Anton Brüning von der Deutschen Bank ein, in deren Aufsichtsrat der Kölner OB gerade eingerückt war. Brüning gewährte ihm einen Kredit über 1,18 Millionen, und Adenauer kam über Blüthgens schwarzen Topf an die 7 000 Aktien, zum Vorzugspreis.

Deutsche Bank als Wahlhelfer

Wie es sich für ein ordentliches Insidergeschäft gehört, handelte auch Brüning nicht uneigennützig. Er hoffte darauf, der überschuldeten Stadt einen weiteren Kredit für Adenauers Renommierprojekt Universitätsneubau anzudrehen. Mit diesem Projekt erhoffte wiederum der OB, seine im November 1929 anstehende Wiederwahl abzusichern. Doch es kam anders als erwartet. Der Aktienkurs stürzte von 99 auf 25 Dollar ab - Börsencrash in New York. Die Bank drängte auf Rückzahlung des Kredits. Adenauer wollte nicht zahlen. Er wollte aber auch angesichts der anstehenden Wahl keinen öffentlichen Skandal um seine Aktienspekulation. Die Deutsche Bank wollte ebenfalls keinen Skandal, sondern die Wiederwahl ihres ergiebigen Schuldners. Da die Deutsche Bank Hauptaktionär der Glanzstoff AG war und den Aufsichtsratsvorsitzenden stellte, griff Freund Blüthgen wieder in seinen schwarzen Topf. Er füllte das Depot des Oberbürgermeisters bei der Kölner Filiale der Deutschen Bank mit Aktien im Wert von 1,14 Millionen Mark auf. Dies geschah »leihweise«, wie es hieß. Der Skandal war vermieden, die Wiederwahl zum Oberbürgermeister ging, mit knapper Mehrheit, über die Bühne.

Dieser Fall zeigt auch, daß Adenauer seine Insidergeschäfte nicht nebenbei erledigen ließ, sondern die Einzelschritte intensiv mitverfolgte, einen Teil seiner Dienstzeit und des öffentlichen Personals dafür nutzte und immer wieder die treibende Kraft spielte. So schickte er seinem Freund Blüthgen Ende 1928 nach New York, per Adresse Ritz Carlton Hotel, folgendes Telegramm: »Umtausch schwierig. Bitte mich möglichst bei Neuausgabe zu beteiligen. Gruß Adenauer«. Der Kölner Oberbürgermeister hatte verfolgt, daß die Aktien der beiden US-amerikanischen Glanzstoff-Firmen sich unterschiedlich entwickelt hatten und wollte zwischen ihnen tauschen. Obwohl Glanzstoff-Direktor Blüthgen dafür in keiner Weise zuständig war, wurde er vom Kölner OB immer wieder gedrängt, seine Stellung für dessen private Aktiengeschäfte zu nutzen.

Die Insider hielten auch nach 1933 dicht. 1942 aber wurde es brenzlig: Bei der Glanzstoff-Hauptversammlung trat der Aktionär Dr. Kübel auf. Er verlangte, daß Adenauer die leihweise überlassenen Aktien zurückgebe, zumal es sich um eine Bestechung gehandelt habe. Da die Sache publik zu werden drohte, wandte sich Adenauer an Hermann Josef Abs in Berlin. Der war inzwischen Vorstandsmitglied der Deutschen Bank und Aufsichtsratsvorsitzender von Glanzstoff. Adenauer ließ den Hauptmann Schliebusch bei Abs vorstellig werden. Schliebusch war mit dem ehemaligen Kölner OB vertraut, war er doch Redakteur der Kölnischen Zeitung aus dem in dieser Hinsicht recht schweigsamen Haus DuMont Schauberg gewesen und hatte zu Adenauers Geldmanipulationen immer brav nichts geschrieben.

Schliebusch, nun im Oberkommando der Wehrmacht tätig, überreichte ein Memorandum, in dem Adenauer darlegte, es habe sich zwar um eine Leihgabe gehandelt. Da aber nicht ausdrücklich vereinbart worden sei, daß die geliehenen Aktien auch zurückgegeben werden müßten, »war es augenscheinlich Wille der Parteien, daß ich nichts zurückzugeben brauchte«.

Auch die NS-Regierung hielt schützend ihre Hand über den »Widerstandskämpfer«. Durch eine geheime Anweisung wurde den Medien dringend empfohlen, »Ausführungen eines Dr. Kübel über zurückliegende interne Vorgänge im Konzern der Glanzstoff-Fabriken nicht zu veröffentlichen«. Adenauer durfte die Aktien behalten. Abs wurde zum wichtigsten Finanzberater des späteren Bundeskanzlers und ersten CDU- Vorsitzenden.

Letzte Rettung durch die NSDAP

Das Insidergeschäft Adenauers ist in den zahl- und umfangreichen Biografien Adenauers bisher nur am Rande und nie vollständig dargestellt worden. Das könnte erstaunen. Denn beim Kauf der 7 000 Glanzstoff-Aktien für 2,8 Millionen Reichsmark setzte Adenauer fast sein gesamtes Vermögen ein. Das waren nach heutigen Werten über 20 Millionen Mark. Er war also schon vielfacher Millionär, hatte ein solches Geschäft »eigentlich nicht nötig«. Darüber hinaus ist zu fragen, warum jemand, der sich als besonders wirtschaftskompetent begriff und auch heute noch so bewundert wird, sich auf eine so hochriskante Spekulation einließ. Schließlich zog sich die Auseinandersetzung um Kreditrückzahlung, Entschädigungsforderungen usw. über zwei Jahrzehnte hin und war auch 1945 nicht beendet. Korrespondenz, Eingaben, Gutachten usw. füllen zahlreiche Aktenbände und waren Chefsache im Vorstand der Deutschen Bank und der Glanzstoff AG. Trotzdem herrscht allgemeines Schweigen.

Die schwarze Kasse und die Selbstbedienung aus dem Stadthaushalt wurden bisher in den Biographien überhaupt nicht erwähnt (mit Ausnahme des Wohngeldes und der Aufwandsentschädigung).

Dieses Schweigen dürfte nicht zufällig sein. Denn ein Verhalten wie das Adenauers war nicht nur sein eigenes, sondern wurde von denen gefördert und praktiziert, die zum »erfolgreichen« kapitalistischen System der 20er und 30er Jahre gehörten: Banken, Großunternehmen, Börsen. Der Erfolg schien dem in seinem Milieu der Bankiers, Industriellen, Bischöfe und Spitzenbeamten hochangesehenen Kölner Oberbürgermeister recht zu geben.

Auch seine gerühmten kommunalpolitischen Glanzprojekte trugen ähnliche Merkmale seines Handelns wie beim Insiderdeal. Sie waren nicht von betriebswirtschaftlicher Rationalität, finanzieller Seriosität und sozialer Verantwortung geprägt, sondern von politischem und finanziellem Abenteurertum. Beispielsweise waren die beiden Renommierprojekte »Mülheimer Hängebrücke« und »Neubau der Universität« so terminiert, daß sie genau zum Ende seiner ersten zwölfjährigen Amtszeit 1929 fertig werden sollten, um ihm die Wiederwahl zu sichern. Gleichzeitig glich die Finanzierung einem Vabanquespiel mit erheblicher krimineller Energie.

Statt der billigeren Sanierung der alten Universitätsgebäude wollte Adenauer den Neubau. Damit glaubte er, glänzen zu können, jedenfalls in seinem Milieu. Die Stadtverordnetenversammlung wollte den teuren Neubau angesichts der hohen städtischen Verschuldung nicht genehmigen, auch deshalb nicht, weil dann alle Mittel des Bildungshaushalts auf die Universität konzentriert worden wären, während die Volksschulen verwahrlosten. Adenauer ließ sich am Tag der Abstimmung durch seinen Freund Brüning, den Direktor der Deutschen Bank Köln, eine Kreditzusage über zehn Millionen RM für den Universitätsneubau ins Rathaus schicken. Mit dieser Zusage trat der Oberbürgermeister vor die Stadtverordneten, die auf dieser überraschenden »Grundlage« dem Neubau zustimmten. Die Kreditzusage war jedoch eine reine Lüge, der Kredit wurde nie gewährt, was bei der Haushaltslage der Stadt auch nicht anders sein konnte.

Adenauer war Vorsitzender des Verwaltungsrates der Rheinischen Landesbank. Unterstützt wurde er von Bankier Hagen, den er in den Verwaltungsrat geholt hatte. 1931 mußte die Bank ihre Zahlungsunfähigkeit erklären und wurde geschlossen. Sie hatte nicht nur überproportional viele Kredite an die Stadt Köln vergeben, sondern auch unseriösen Praktiken zugunsten des Kölner Stadthaushalts zugestimmt.

Ähnlich handelte er mit Hilfe seines politischen Einflusses etwa beim damals vielberedeten Zehn-Millionen-Kredit der Zentralgenossenschaftsbank »Preussenkasse«. Dieser angebliche »Überbrückungskredit« hätte von der Preussenkasse nicht vergeben werden dürfen und wurde nicht zurückgezahlt. Adenauer hielt diese abenteuerliche Konstruktion in der Schwebe, bis er, nicht nur in dieser Angelegenheit, durch den Regierungsantritt der NSDAP buchstäblich »gerettet« wurde.

Auch als der Millionenverlust aus dem Insiderdeal feststand, konnte Adenauer keine Fehler bei sich erkennen. Er bereute nichts. Vielmehr beschuldigte er andere, ihn betrogen und falsch beraten zu haben. Wie sein politischer Enkel Helmut Kohl stellte Adenauer sich als Opfer dar, er spielte die verkörperte Unschuld. Dieses Schema wandte er auch auf die Gesellschaft insgesamt an. 1946 erklärte er im Hinblick auf die Weimarer Republik: »Die großen äußeren Erfolge, die schnell zunehmende Industrialisierung, die Zusammenballung großer Menschenmassen in den Städten und ihre damit verbundene Entwurzelung machten den Weg frei für das verheerende Umsichgreifen der materialistischen Weltanschauung im deutschen Volk.« 1) Er hätte sich mit der »materialistischen Weltanschauung« selbst charakterisieren können. Das tat er nicht. Vielmehr klagte er den Nationalsozialismus als Verkörperung dieser materialistischen Weltanschauung an.

Katholischer Freibrief für Spekulation

Für Adenauer entfalteten die ideologischen und religiösen Bindungen, die er für sich als christlicher Politiker und Verfechter des Rechtsstaates reklamierte, keine Hemmungswirkung gegenüber gesetzwidriger Selbstbereicherung. Damit war er freilich nicht alleine. Vielmehr hatten katholische Theologie und Vatikan die Freibriefe ausgestellt. Papst Leo XIII. hatte in der Enzyklika »Rerum Novarum« das moderne kapitalistische Privateigentum ebenso wie das Lohnarbeitsverhältnis mit der christlichen Liebe und Gerechtigkeit als vereinbar erklärt. Kritische Stimmen wurden aus der katholischen Lehre verbannt. Das Erzbistum Köln zog 1927 mit seinen »Richtlinien zur sozialen Verständigung« nach: Die Betätigung in der kapitalistischen Wirtschaft wurde den Gläubigen schlechterdings freigegeben, als gottgewollt und tugendgemäß bezeichnet.

Schließlich veröffentlichte der später auch in der CDU maßgebliche Theologe, der Jesuit Nell-Breuning, 1928 seine Schrift »Grundzüge der Börsenmoral« 2). Er bezeichnete zwar die Börse als »Gelegenheit zur schweren Sünde«, hielt aber »gegenüber romantisierenden Neigungen gewisser Kreise im katholischen Lager« daran fest, daß eine »positive Börsenmoral« möglich sei. Wie sie aussehen konnte, hat sein Förderer und Freund Konrad Adenauer eindrucksvoll vorgelebt.

1) Rede im NWDR am 6. 3. 1946

2) Oswald von Nell-Breuning S.J.: Grundzüge der Börsenmoral. Studien zur katholischen Sozial- und Wirtschaftsethik, Bd. 4. Freiburg (Herder) 1928.

(Teil 1 erschien am 17. Januar)

Quelle: Junge Welt Politik 18.1.2001

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Anti-Stau-Programm, Berlin, den 15. Februar 2000

Der sechsspurige Ausbau und die Verlegung der A4 zwischen Düren und Kerpen sind in diesem Investitionsprogramm nicht enthalten.

Zusätzliche Investitionen zur Beseitigung von Engpässen im Verkehrsnetz

Gliederung:

1. Warum ein Anti-Stau-Programm?
2. Welche Auswahlkriterien gelten?
3. Welche Maßnahmen ergeben sich?
4. Wie wird das Programm finanziert?
Anlage 1
Anlage 2
Anlage 3
Karte

 

Der Bundesminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Reinhard Klimmt, schlägt ein Programm zur Beseitigung von Engpässen im Autobahnnetz, im Schienenwegenetz und im Netz der Bundeswasserstraßen vor, mit dem über die normalen Verkehrsinfrastrukturinvestitionen hinaus schnellstmöglich gravierende Engpässe beseitigt werden.

 

  1. Warum ein Anti-Stau-Programm?
    Ein funktionierendes, modernes Verkehrssystem – Straße, Schiene, Wasserstraße – ist eine zentrale Voraussetzung zur Sicherung von Wirtschaftswachstum und Beschäftigung. Trotz bisheriger hoher Investitionen in die Verkehrsinfrastrukturen gibt es infolge der Verkehrszunahme weiterhin permanenten Stau auslösende Engpässe, die früher als es die geltende Finanzplanung erlaubt, beseitigt werden sollen. Nicht nur Staus, im Autobahnnetz, sondern auch im Schienen- und Wasserstraßennetz führen zu erheblichen volkswirtschaftlichen Einbußen.
    Natürlich werden auch durch die normale Haushaltsfinanzierung Investitionsmittel zur Beseitigung von Engpässen im Straßen-, Schienen- und Wasserstraßennetz eingesetzt. Aber diese Investitionen reichen nicht aus, um mittelfristig zu einer signifikanten Entschärfung der Stausituation zu kommen.
    Bundesminister Klimmt hat daher bereits seit seinem Amtsantritt dazu aufgefordert – auch die Länder – zur Verstärkung der Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur zusätzliche Quellen zu erschließen. Die geplante Verwendung von Einnahmen aus der streckenbezogenen Gebühr für Lkw ist ein wichtiger Schritt um diese zusätzlichen Investitionen abzusichern. Das Anti-Stau-Programm ist also ein Programm, dass zusätzliche Investitionen sozusagen "on top" des Normalprogramms ermöglicht.
    Mit dem Anti-Stau-Programm kann nahtlos an die Baumaßnahmen des Investitionsprogramms 1999 bis 2002 angeschlossen werden, das Bundesminister Reinhard Klimmt Anfang November 1999 verkündet hat und das Grundlage für die laufenden Baumaßnahmen ist. Die Mittel des Anti-Stau-Programms werden ab 2003 verfügbar sein. Die Ankündigung des Programms schafft jetzt die Planungssicherheit und die erforderliche Zeit zur Erlangung der Baureife der Projekte, so dass ab 2003 auch mit "Volldampf" gebaut werden kann. Mit vorbereitenden Arbeiten kann daher sofort begonnen werden.
    Das auf 5 Jahre (2003 bis 2007) angelegte Programm ist in der Bundesregierung abgestimmt. Das Volumen beträgt rd. 7,4 Mrd. DM. Das Programm wird jetzt den Ländern vorgestellt.

 

  1. Welche Auswahlkriterien gelten?
    Um mit diesen Mitteln die größtmöglichen Wirkungen zu erzielen, erfolgte die Projektauswahl nach streng objektiven, verkehrstechnischen Kriterien.
    Bei den Bundesautobahnen sind es
    • überwiegend 4-streifige Autobahnen mit durchschnittlichen Verkehrsstärken von über 65.000 Kraftfahrzeugen pro Tag, die 6-streifig erweitert werden müssen,
    • Autobahnstrecken mit hohem Lkw-Anteil, fehlenden Standstreifen und großen Steigungen oder Gefällen,
    • das Schließen einiger entscheidender Lücken im Netz, die bislang regelmäßig zu Staus im vorhandenen Netz geführt haben.

    Bei den Bundesschienenwegen bestehen ebenfalls zum Teil gravierende Engpässe. Bei Engpässen im Schienennetz fahren Züge entweder gar nicht oder mit starken Verspätungen.
    Engpasskriterien sind:

    • stark eingeschränkte zulässige Geschwindigkeit, z. B. auf Grund maroder Bausubstanz oder betrieblichen Zwängen,
    • eingleisige Streckenabschnitte mit hoher Zugbelegung (Flaschenhälse (Bottlenecks)),
    • Lücken im Hochgeschwindigkeitsnetz,
    • Engpässe in Rangierbahnhöfen und beim Kombinierten Ladungsverkehr.

    Bei den Bundeswasserstraßen sind die Auswahlkriterien

    • Strecken mit Sperrungen wegen schlechter Bausubstanz und Sicherheitsmängeln,
    • Strecken mit starker Reduzierung der Leistungsfähigkeit wegen nicht ausreichender Wassertiefe (Wirtschaftlichkeit der Transporte),
    • Streckenabschnitte mit zu hohen Wartezeiten an Schleusen, Hebewerken bei fehlenden Ausweichmöglichkeiten.

    Bei der Auswahl der Projekte nach diesen Kriterien verbietet sich die Aufnahme nach regionalen oder vergleichbaren Verteilungsmaßstäben. Die Auswahl der Projekte folgt streng den genannten Kriterien der Engpass- und Staubeseitigung.
    Die Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur der neuen Bundesländer werden nach wie vor auf hohem Niveau und entsprechend der Zusage der Bundesregierung zum Vorrang des Aufschwung Ost parallel weitergeführt. Ein Beleg dafür sind die erheblichen Investitionen in die Verkehrsprojekte Deutsche Einheit (VDE) und das Förderprogramm aus dem Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE).

     

  2. Welche Maßnahmen ergeben sich?
    Das Anti-Stau-Programm enthält folgende Maßnahmen:

    Anlagen 1 bis 3

     

  3. Wie wird das Programm finanziert?
    Die Finanzierung des Programms erfolgt ausschließlich mit zusätzlichen Mitteln, d. h. die normalen Investitionen laufen ohne Kürzung weiter. Die Mittel kommen aus den ab 2003 verfügbaren Einnahmen aus der streckenbezogenen Autobahngebühr für Lkw, die die heutige zeitbezogene Straßenbenutzungsgebühr (Eurovignette) ablösen soll.

 

Anlage 1

Anti-Stau-Programm

Bundesschienenwege

Vorhaben

Anmer-
kungen

Volumen
Mio DM

Stelle – Lüneburg (3. Gleis) 1) 360
Nürnberg – Ebensfeld
(Abschnitt Nürnberg – Forchheim i. Z. mit S-Bahn Nürnberg)
2) 400
(Roermond-) Grenze – Mönchengladbach
Eiserner Rhein)
3) 50
Düren – Aachen – Grenze 4) 170
KLV/Rbf 5) 400
Riesa – Dresden-Neustadt 6) 620
Berlin – Dresden 7) 500
2 Zulaufstrecken Skandinavienverkehr 8) 200
Ulm – Friedrichshafen – Lindau
(Begegnungsabschnitt Friedrichshafen – Lindau)
9) 100
Gesamt   2.800

 

Anmerkungen:

1) Stelle – Lüneburg: Beseitigung von Engpässen durch Überlast und damit einhergehender Verspätungsanfälligkeit und Schaffung von Kapazitäten zur Ausweitung der Verkehre

2) Nürnberg – Ebensfeld: Ermöglichung der Ausweitung der Verkehre (S-Bahn Nürnberg)

3) (Roermond-) Grenze – Mönchengladbach: Reaktivierung der Strecke und damit Beseitigung eines Engpasses im deutsch-niederländisch-belgischen Schienennetz

4) Düren – Aachen – Grenze: Beseitigung von Engpässen durch Schaffung eines durchgehenden Geschwindigkeitsbandes im internationalen Verkehr

5) Kombinierter Ladungsverkehr/Rangierbahnhöfe: Beseitigung von Engpässen in Zugbildungsanlagen Regensburg, Kornwestheim, Frankfurt, Bebra, Mannheim, Hagen, München, Gremberg, Oberhausen-Osterfeld, Bremen, Seelze, Kassel, Braunschweig, Halle, Nürnberg, Zwickau

6) Riesa – Dresden: Beseitigung von Engpässen aufgrund von Langsamfahrstellen durch maroden Streckenzustand und Schaffung von Kapazitäten zur Ausweitung der Verkehre (S-Bahn Dresden)

7) Berlin – Dresden: Beseitigung von Engpässen aufgrund von Langsamfahrstellen durch maroden Streckenzustand

8) Zulaufstrecken Skandinavienverkehr: Beseitigung von Engpässen zur Aufnahme internationaler Verkehre

9) Ulm – Friedrichshafen – Lindau: Beseitigung eines Engpasses auf einem eingleisigen Streckenabschnitten mit hoher Zugbelegung und Verspätungsanfälligkeit (Flaschenhals)

 

Anlage 2

Anti-Stau-Programm

Bundesfernstraßen

 

Land Straße Vorhaben Volumen
Mio. DM
E=Erweiterung/N=Neubau
1 2 3 4
BW-E A 6 Viernheim (L-GR HE/BW) - AK Mannheim 96,0
BW-E A 6 AK Walldorf - AS Wiesloch/Rauenberg 51,5
BW-E A 6 AS Sinsheim - AS Sinsheim/Steinsfurt (B 39) 80,4
BW-E A 6 AS Sinsheim/Steinsfurt - AS Bad Rappenau 51,9
BW-E A 6 AS Bad Rappenau - AS Heilbronn/Untereisesheim 67,6
BW-E A 6 AS Heilbronn/Untereisesheim – AK Weinsberg 144,2
BW-E A 8 AS Heimsheim - Leonberg-West (B 295) 164,8
BW-E A 8 Umbau AS Stuttgart/Degerloch (mit B 27 Möhringen /Echterdingen) 98,9
SUMME BW 755,3
BY-E A 8 Augsburg-West – Derching 58,7
BY-N A 7 AS Nesselwang – Füssen 161,3
BY-N A 94 Ampfing-Ost – Erharting 84,7
BY-N A 99 Langwied – Unterpfaffenhofen 272,2
SUMME BY 576,9
HE-N A 66 Frankfurt/Erlenbruch - AS Frankfurt/Berken-Enkheim 320,0
NI-E A 1 AS Osnabrück-Nord - AK Lotte/Osnabrück 71,0
NI-E A 7 AD Hannover-Nord - AS Großburgwedel 61,1
NI-E A 7 Umbau AK Hannover-Ost 17,3
NI-E A 7 AS Göttingen - AS Friedland 93,9
SUMME NI 243,3
NW-E A 1 LGr. NW/NS - AK Lotte/Osnabrück 48,2
NW-E A 1 Umbau AK Münster-Süd 28,9
NW-E A 1 AK Westhofen - AS Hagen-Nord 171,6
NW-E A 1 AK Köln-Nord - DB-Strecke Köln-Aachen 158,5
NW-E A 3 AS Köln/Mühlheim - AK Köln-Ost 89,0
NW-E A 3 AK Köln- Ost - Griesinger Straße 135,4
NW-E A 4 AK Kerpen - AK Köln- West 144,7
NW-E A 40 AS Gelsenkirchen - B 227 22,6
NW-E A 40 B 227- AS Bochum-Stahlhausen 59,0
NW-E A 40 AS Bochum-Stahlhausen (Westring) 75,0
NW-E A 46 AS Haan-Ost – Westring 16,9
NW-E A 46 Westring - AK Sonnborn (L 418) 20,1
NW-E A 57 AK Strümp (A 44) - AK Kaarst (A 52) 47,2
NW-E A 57 AK Kaarst (A 52) - AS Neuss-West 44,0
NW-E A 57 Umbau AS Neuss-West 60,2
NW-N A 44 Bochum (L 705) - AK Bochum/Witten (A 43) 79,4
SUMME NW 1200,7
RP-E A 60 AK Mainz-Süd - AS Laubenheim 202,8
RP-N A 63 AS Sembach - AS Kaiserslautern-Ost 95,6
SUMME RP 298,4
SN-N A 38 AS Knautnaundorf (B 186) - AS Gaschwitz (B 2/B 95) 224,0
SH-N A 21 Bornvöved - Negernbötel (B 205) (Ausbau 2 auf 4 Fahrstreifen) 57,7
Gesamt 3677

= rd. 3,7 Mrd.DM

 

Anlage 3

Anti-Stau-Programm

 

Bundeswasserstraßen

 

Vorhaben Volumen
Mio. DM
Anmer-
kungen
Baurecht
(derzeitiger Stand)
Dortmund – Ems – Kanal (Südstrecke) als Teil der Ost – West Wasserstraßenverbindung (Ausbau) 250 1) 2) z. T. vorh., in Vorber.
2 Abschnitte: VDE 17 als Teil der Ost – West – Wasserstraßenverbinung (Ausbau) 250 1) 2) z. T vorh., in Vorber.
Schiffshebewerk Niederfinow (Neubau, 1. Bauabschnitt) 180 3) noch nicht vorhanden
2 Zweite Moselschleusen (Neubau) 180 3) in Vorber.
Schleuse Lauenburg (Neubau) 40 1) in Vorber.
Gesamt 900    

Anmerkungen:

1) Streckenabschnitte mit Standsicherheitsgefahr/Streckensperrung

2) Streckenabschnitte mit gravierender Reduzierung der Leistungsfähigkeit, Richtungsverkehren, Abladebeschränkungen, unwirtschaftlicher Schiffsverkehr

3) Streckenabschnitte mit Staus/hohen Wartezeiten an Schleusen/Hebewerken wegen hohen Verkehrsaufkommens und unvermeidbaren Sperrungen wegen Reparaturarbeiten

Karte

 

 

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Neues Fördergesetz soll die Kraft-Wärme-Kopplung retten 

Bonusregelung unterstützt vor allem kommunale Kraftwerke - Koalition will Anteil des KWK-Stroms bis 2010 verdoppeln 

Der Bundestag hat am Freitag mit den Stimmen der Koalition ein Sofortprogramm zur Rettung der umweltfreundlichen Kraft-Wärme-Kopplung verabschiedet. Mit einer Bonusregelung sollen vor allem die kommunalen Kraftwerke unterstützt werden, die mithilfe der so genannten Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) Strom und Wärme produzieren. Wegen ihrer hohen Energieeffizienz gilt die KWK als besonders klimafreundlich. KWK-Strom hält an der deutschen Stromversorgung derzeit noch einen Anteil von zwölf Prozent. Als Folge der Liberalisierung des deutschen Strommarktes stehen die KWK-Anlagen aber unter einem massiven Wettbewerbsdruck. Durch den Preiskampf unter den Energieversorgungsunternehmen (EVU) sind die Strompreise um mehr als die Hälfte gefallen. Während Strom aus Kondensations- oder Atomkraftwerken für unter vier Pfennig pro Kilowattstunde angeboten wird, kostet KWK-Strom bis zu zehn Pfennig. "Die Energieversorger verdrängen die Kraft-Wärme-Kopplung mit Dumpingpreisen vom Markt. Ohne eine sofortige Unterstützung droht diese umweltfreundliche Energieerzeugung vollständig zusammenzubrechen", sagte der SPD-Energiepolitiker Hermann Scheer. 

Das so genannte KWK-Vorschaltgesetz tritt am 1. April in Kraft. Es sieht vor, alle Anlagen in die Förderung einzubeziehen, die KWK-Strom in das öffentliche Netz einspeisen. Von der Förderung sollen nur industrielle Anlagen ausgenommen werden. Die EVU sind verpflichtet, KWK-Strom in das Versorgungsnetz einzuspeisen und den Strom mit neun Pfennig pro Kilowattstunde zu vergüten. Damit erhält KWK-Strom im ersten Jahr einen Bonus von drei Pfennig pro Kilowattstunde. Die Einspeiseregelung ist auf fünf Jahre beschränkt und wird jedes Jahr um 0,5 Pfennig fallen. Die Mehrkosten von zunächst 0,2 Pfennig pro Kilowattstunde sollen auf alle Stromkunden umgelegt werden. Der energiepolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Volker Jung, betonte, die Kraft-Wärme-Kopplung sei eine "ökologisch sinnvolle und wirtschaftlich vernünftige Energieerzeugungsart". Mit dem Gesetz werde ihr eine Chance gegeben, sich den dramatisch veränderten Marktbedingungen schrittweise anzupassen. Die Opposition lehnte das Förderprogramm hingegen ab, da es die Bürger erneut mit höheren Preisen belaste. Für etliche Anlagen kommt das Sofortprogramm bereits zu spät. Mehrere Stadtwerke haben in den vergangenen Monaten damit begonnen, ältere KWK-Anlagen stillzulegen. Nach Angaben des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU) produzieren die Stadtwerke den Hauptteil ihres Stroms in KWK-Anlagen. "Mehrere 100 Megawatt Leistung sind in den letzten Monaten schon vom Netz gegangen", teilte Heiner Müller vom Vorstand des VKU der WELT mit. "Ohne die jetzige Förderung sind 20 000 Arbeitsplätze bei den Stadtwerken in akuter Gefahr." Der Verband der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft (VIK) kritisierte hingegen die neue Gesetzesregelung. "Die industrielle Kraft-Wärme-Kopplung trägt heute über die Hälfte zum gesamten KWK-Strom in Deutschland bei", sagte VIK-Sprecher Roland Schmied. Dass die Politik die Förderung der KWK-Technologie von den Eigentümerverhältnissen der Anlagen abhängig mache, sei ungerecht und ökologisch kontraproduktiv. Im Unterschied zu den kommunalen KWK-Anlagen, bei denen der Wärmeabsatz ein saisonales Geschäft ist, sind die industriellen Anlagen das ganze Jahr über im Einsatz, um Prozesswärme für die Industrie zu liefern. Die Anlagen sind vom Strompreisverfall daher nicht so stark betroffen. Die Bundesregierung will bis Ende des Jahres eine endgültige Gesetzesregelung zum Ausbau der KWK verabschieden, die alle Betroffenen berücksichtigt. Ziel ist eine Verdoppelung des KWK-Stroms bis zum Jahr 2010. Der VKU und der VIK wie auch der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) fordern dazu die Aufstellung einer festen Förderquote. Die energiepolitische Sprecherin der Grünen, Michaele Hustedt, favorisiert eine Quotenregelung auf der Basis handelbarer Zertifikate. Damit könnten alle KWK-Anlagen unabhängig von der Eigentümerschaft in die Förderung einbezogen werden. "Ein Quotenmodell ermöglicht es, KWK-Strom wettbewerbsneutral zu fördern und gleichzeitig eine Förderung auf europäischer Ebene anzustoßen", sagte Hustedt der WELT. Der EU-Ministerrat hatte noch im Dezember 1999 eine EU-weite Verdoppelung des KWK-Stroms gefordert und die nationalen Regierungen zu größeren Anstrengungen angemahnt. 

Quelle: Welt, Die 24.3.2000

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Zertifizierung von Ökostrom: Der "Label-Boom". Drei Ansätze im Vergleich.

Freiburg, April 2000

Es gibt in Deutschland verschiedene Initiativen und Ansätze zur Zertifizierung von Ökostrom. Gütesiegel sollen dazu beitragen, Markttransparenz auf dem (grünen) Strommarkt herzustellen. Die drei fortgeschrittensten Zertifizierungsverfahren sollen im Folgenden einander gegenübergestellt werden. Die zentralen Aspekte und Unterschiede sind in der Tabelle zusammengefasst (siehe Seite 5).

TÜV

Die Technischen Überwachungs-Vereine (TÜV) haben eine Richtlinie zur Vergabe eines Zertifikats für die "Bereitstellung von Strom aus erneuerbaren Energien" erarbeitet (12-Punkte-Kriterienkatalog). Ziel des Zertifikats ist vorrangig der Nachweis, dass die Kunden das bekommen, was der Anbieter verspricht. In diesem Sinne werden auch außerhalb der Richtlinie Stromangebote zertifiziert, darunter z.B. Mischangebote, die auch Strom aus gasbefeuerten Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen beinhalten.

Grüner Strom Label

Verschiedene Natur-, Umwelt- und Verbraucherschutzverbände haben den Grüner Strom Label e.V. gegründet, um ein zweistufiges Gütesiegel für Ökostrom zu vergeben. Die Anforderungen für das Gold- bzw. Silber-Label sind im "Kriterienkatalog für die Zertifizierung von Grünem Strom" zusammengefasst. Neben dem Produkt werden auch die Anbieter selbst in die Bewertung einbezogen: Sie dürfen insbesondere keine Atomkraftwerke betreiben - es sei denn, es wurde ein Ausstiegsbeschluss gefasst. Was "Ausstiegsbeschluss" bedeutet, wird allerdings nicht definiert. Die Anforderungen an die Anbieter wurden Ende letzten Jahres deutlich abgeschwächt.

Öko-Institut

Das Öko-Institut hat im Auftrag der Bremer Energie-Konsens GmbH ein eigenes Zertifizierungsverfahren entwickelt, auf dessen Basis ein Gütesiegel mit zwei Produktklassen vergeben werden kann. Die Anbieter selbst werden nicht bewertet. Dies sollte nach unserer Auffassung an anderer Stelle geschehen.

Bisher wurde das Gütesiegel der Produktklasse "regenerativ" für drei Ökostrom-Angebote vergeben:

  • "Nahstrom - Naturstrom aus Kassel" der Städtischen Werke AG, Kassel,
  • "Terra" der MVV Energie AG, Mannheim, sowie
  • "ÖkoPur" der Bewag AG, Berlin.

Bewertung weiterer Unterschiede

Im Grundsatz sind sich alle drei Zertifizierungs-Institutionen darin einig, dass die Energiewende nur durch den Neubau umweltschonender Anlagen vorangebracht werden kann. Das TÜV-Zertifikat stellt hierzu jedoch keine ernst zu nehmenden Anforderungen und nimmt keinerlei Abgrenzung zum Erneuerbare-Energien-Gesetz vor (EEG; bisher Stromeinspeisungsgesetz). Anlagen, für die die gesetzliche Vergütung nach EEG in Anspruch genommen wird, sind sogar ausdrücklich zugelassen. Dies sind gravierende Mängel des TÜV-Verfahrens.

Während sich die TÜV-Richtlinie auf erneuerbare Energien (REG) beschränkt, unterscheidet sich die Grundphilosophie des Label e.V. bezüglich der förderwürdigen Stromerzeugungsanlagen und Energieträger nicht wesentlich von unserer Position. Neben erneuerbaren Energien wird effiziente Kraft-Wärme-Kopplung zugelassen. Unterschiede gibt es im Detail. Bezüglich Neuanlagen bzw. Zubau stellen beide Zertifizierungsverfahren klare Anforderungen. Die Implementierung erfolgt aber unterschiedlich. Gütesiegel des Label e.V. setzen eine bestimmte jährliche Zubauquote voraus ("Händlermodell"). Bei unserem Verfahren führt die Minderungsquote bei den Treibhausgasemissionen automatisch zu einem hohen bis sehr hohen Anteil an Neuanlagen. Ein in dieser Form quantifiziertes Umweltziel findet sich weder beim TÜV noch beim Label e.V. Wenn der Ökostrom zum Beispiel mit Hilfe von Wind-, Wasser- und Sonnenenergie erzeugt wird, ist ein Neuanlagenanteil von über 75% erforderlich, um das Reduktions-Kriterium des Gütesiegels "regenerativ" zu erfüllen.

Ebenso wie wir sieht der Label e.V. den Handel mit Grünem Strom als Ergänzung zu anderen Förderinstrumenten für den Ausbau der grünen Stromerzeugung. Wir stimmen insbesondere darin überein, dass Handel und Zertifizierung von Grünem Strom die Ziele und Wirkungen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes nicht unterlaufen dürfen. Netzbetreiber dürfen nicht aus ihrer gesetzlichen Pflicht zur Mindestvergütung von regenerativ erzeugtem Strom entlassen werden. Unsere Zertifizierungskriterien setzen diese Idee konsequent um (Vorrang für das EEG, klare Anteilsregelung bei Zusatzvergütung). Beim Gütesiegel des Label e.V. gilt diese Aussage nur eingeschränkt.

"Zuschussmodell" des Label e.V

Die Abgrenzung zum EEG (früher StrEG) wird vom Label e.V. nicht gefordert, wenn Ökostrom nach dem "Zuschussmodell" angeboten und verkauft wird. Bei diesem Modell beziehen die Kunden konventionellen Strom, leisten dem Anbieter jedoch regelmäßige Zahlungen, die dieser für die Finanzierung von REG-Strom- bzw. KWK-Anlagen verwendet. Die einzige Bedingung für die Erteilung des Grüner-Strom-Labels lautet dann, dass mindestens 75% dieser Zahlungen in die Förderung neuer
- eigener oder fremder - Anlagen fließen, die nur auf diese Weise wirtschaftlich betrieben werden können. Die Kriterien des Label e.V. schreiben dabei keine Zeitspanne vor, in der die neuen Anlagen in Betrieb gehen müssen. Auch die erzeugte Strommenge unterliegt keinen Vorgaben.

Die Naturstrom AG z.B., die als erste das Gold-Label erhielt, gewährt verschiedenen Stromerzeugern einen Zuschuss zusätzlich zur gesetzlichen Einspeisevergütung. Die gesamte in diesen Anlagen erzeugte Strommenge wird dann von diesem Anbieter als Ökostrom vermarktet. Die Tatsache, dass ein wesentlicher Teil der Finanzierung durch die Allgemeinheit der Stromverbraucher getragen wird, wird ignoriert (Umlage der gesetzlichen Vergütung). Gleiches gilt für den "Ökostrom-Pool" der ASEW, dessen Strommarken "energreen" bzw. "etagreen" kürzlich das Goldene bzw. Silberne Label des Grüner Strom Label e.V. erhielten.

Diese Art der Förderung erneuerbarer Energien ist unterstützenswert, weil sie als "Spenden- und Zuschussmodell" betrachtet werden kann. Sie sollte auch solches dargestellt werden. Die Veröffentlichungen der Anbieter sind in diesem Punkt nicht ganz ehrlich und für Unkundige nicht transparent.

Zwei Schlussbemerkungen

  • Nur ein Gütesiegel, dessen Vergabe an den Neubau umweltschonender Stromerzeugungsanlagen geknüpft ist, das eine Doppelvermarktung von Ökostrom ausschließt und bei Anbietern und Kunden auf hohe Akzeptanz stösst, kann einen Beitrag zur Energiewende leisten.
  • Welche Auswirkungen das ab 1.4.2000 geltende Erneuerbare-Energien-Gesetz auf den "Grünen Strommarkt" haben wird, bleibt abzuwarten. Der nach diesem Gesetz bundesweit aus alten und neuen Anlagen eingespeiste Strom muss zukünftig von allen Elektrizitätsversorgungsunternehmen, die Strom an Letztverbraucher liefern, anteilig abgenommen und vergütet werden. Sie dürfen ihren Anteil an diesem Strommix als Regenerativstrom verkaufen, allerdings zu Preisen, die nicht unter den durchschnittlichen Vergütungssätzen für Strom aus erneuerbaren Energien liegen. Das EEG berücksichtigt aber nicht die Möglichkeit zusätzlicher, freiwilliger Zuschüsse an Anlagenbetreiber. Auf diese Weise kann es zukünftig durch Doppelvermarktung von so genanntem Ökostrom zu verschärften Konflikten kommen.

Wichtigste Aspekte und Unterschiede verschiedener Zertifizierungsansätze

 

TÜV

Grüner Strom Label

Öko-Institut

   

"Zuschussmodell"

"Händlermodell"

 
Bewertungs-objekt

Produkt

Produkt und Anbieter

Produkt

Gütesiegel

Zertifikat ohne Abstufungen

2-stufiges Gütesiegel

Gütesiegel mit 2 Produktklassen

Strommix

100% REG

100% REG (davon 1% PV) - oder -
mindestens 50% REG (davon 1% PV) + KWK fossil

Minderung der Treibhausgas-(THG-) emissionen

keine quantifizierte Forderung

75% bzw. 50% gegenüber modernem Steinkohle-Kraftwerk (à Neuanlagen)

weitere ökologische Anforderungen

ja; teilweise unterschiedlich

Neuanlagen / Zubau

keine Bedingung

mindestens 75% der regelmäßigen Kundenzahlungen fließen in die Förderung neuer Anlagen

jährliche REG-Zubauquote
(10% des Vorjahres)

zusätzlich zur Bedingung aus THG-Reduktion: mind. 25% REG- Neuanlagen, davon 1% PV

Abgrenzung zum Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG)

nein

nein

teilweise

Vorrang für EEG

bei Zusatzvergütung gilt spezielle Anteilsregelung

Zeitgleichheit von Erzeugung und Verbrauch

nur bei "Vollversorgung"

Jahresbilanz

"zeitnahe Liefe-rung" zunächst ausgesetzt

Jahresbilanz

Zertifikate bisher

mehrere

zwei

keines

drei

Quelle:  Öko-Institut e.V.

Institut für angewandte Ökologie, Geschäftsstelle Freiburg, Postfach 6226, D-79038 Freiburg

http://www.oeko.de/deutsch/energie/label.htm

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Die Label-Flut für Ökostrom

Inzwischen gibt es drei verschiedene Labels für Grünen Strom, die den Verbrauchern Sicherheit geben sollen.
Das klappt jedoch nicht immer. In einem Fall wurde über Umwege sogar Atomstrom als "grün" zertifiziert

"Der eine Strom ist grün, der andere Strom aber noch grüner, wie will man das noch vermitteln?", schimpft Sven Teske von der Energie-Kampagne bei der Umweltorganisation Greenpeace, zuständig für die Qualitätskontrolle des eigenen Ökostrom-Angebots "Greenpeace energy".

Zurzeit gibt es drei Verbände, die Ökostrom zertifizieren, künftig werden noch weitere Institute und Vereine dazustoßen. Schließlich gibt es auch Geld zu verdienen, je nach Zertifikat und Prüfinstitut schnell zehntausend Mark und mehr. Hinzu kommt, dass die Verbände oft nicht nur ein Label vergeben, sondern Abstufungen, beispielsweise in Ökostrom Güteklasse "regenerativ" und "effektiv" oder "Gold" und "Silber", vornehmen. "Wir haben schon Schwierigkeiten, zu erklären, warum Billigstrom schlecht ist", erzählt Teske. Die sich anbahnende Label-Schwemme hält er für Unfug.

Zertifikate erteilen inzwischen die zahlreichen TÜV-Gesellschaften, der Grüner Strom Label e. V. und das Öko-Institut. Vereinzelt zertifiziert haben auch schon das Forschungszentrum Rossendorf, das Fraunhofer-Institut in Freiburg und der World Wide Fund for Nature, diese jedoch im Vergleich zu Erstgenannten ohne erkennbaren Ehrgeiz, ihr eigenes Zertifikat als wichtigstes Gütesiegel zu etablieren. Am interessantesten erscheint da noch der Ansatz des Umweltbundesamtes. Bis spätestens Mai sollen die Kriterien für die Vergabe eines Blauen Engels für Ökostrom feststehen. Teske hofft, dass der Blaue Engel dem Labelchaos ein Ende bereitet und sich mit der Zeit als verlässliches Gütesiegel durchsetzt.

TÜV-Zertifikat

Der TÜV oder besser die im Verband der Technischen Überwachungs-Vereine e. V. zusammengeschlossenen eigenständigen und unabhängigen TÜV-Gesellschaften haben bereits die ersten neun Unternehmen zertifiziert. Hierzu gehören die Stadtwerke Herne, aber auch die RWE Energie AG mit ihrem Umwelttarif. Zahlreiche Unternehmen befinden sich gerade im Zertifizierungsprozess und hausieren bereits mit dem zu erwartenden Zerifikat. Die Hoffnung auf einen positiven Prüfungsbescheid dürfte bei den meisten Antragstellern berechtigt sein. Denn der TÜV prüft lediglich, "ob die Kunden bekommen, was das Unternehmen verspricht", so Wolfgang Wiesner vom TÜV Rheinland, der unter anderem auch die Stadtwerke Herne geprüft hat. "Auch Brunsbüttel ist TÜV-geprüft," gibt Cornelia Steinecke von Greenpeace energy zu bedenken. Zwar nach der Richtlinie für Atomkraftwerke und nicht nach der für Ökostrom-Anbieter, aber darauf muss der Verbraucher selber achten.

In der Vergaberichtlinie für ein TÜV-Zertifikat "Bereitstellung von Strom aus erneuerbaren Energien" ist unter anderem festgelegt, welche Energieform als "erneuerbar" gilt. Hierzu zählt neben Solar- und Windenergie auch Deponiegas, dessen Aufnahme Wiesner mit Klimaschutzgründen rechtfertigt. Fossile Energiequellen, auch wenn diese vergleichsweise umweltverträglich in Kraft-Wärme-gekoppelten Anlagen verstromt werden, zählen nicht dazu, anders als beispielsweise bei den Gütesiegeln des Öko-Instituts oder von Grüner Strom Label e. V. Als Besonderheit und im Unterschied zu allen anderen Zertifikaten bietet der TÜV ein Zertifikat für eine Vollversorgung und eine Teilversorgung an. Bei der Vollversorgung muss der Ökostrom zeitgleich bereitgestellt werden, bei der Teilversorgung reicht die Erzeugung der benötigten Energiemenge zu einem beliebigen Zeitpunkt innerhalb Jahresfrist aus.

Öko-Institut-Gütesiegel

Im Auftrag der Bremer Energiekonsens GmbH - gegründet 1997 unter anderem von der PreussenElektra - hat das Öko-Institut e. V. ein zweistufiges Gütesiegel-Konzept entwickelt. Wichtiges Kriterium: Es sollen neue Anlagen gebaut werden. Als neu gilt jede Anlage, die "nach dem 31. Dezember 1997 in Betrieb gegangen ist", wie es im Endbericht der Arbeitsgruppe definiert ist. Und um es noch komplizierter zu machen, gelten ältere Anlagen anteilig als neu, bei Inbetriebnahme im Jahr 1995 beispielsweise zu 25 Prozent. Ein besonderes Anliegen ist dem Öko-Institut die Vermeidung von "Lastverschiebungen", das heißt, dass Mehrkosten aus dem Stromeinspeisungsgesetz nicht von der Allgemeinheit auf die freiwilligen Grünstrom-Kunden verlagert werden. Strom, der bereits über das Stromeinspeisungsgesetz finanziert wurde, darf beim Öko-Instituts-Siegel nicht noch ein zweites Mal als Ökostrom vermarktet werden. Beim TÜV wäre dies kein Problem. Dafür erlaubt das Öko-Institut die Nutzung von Erdgas und sogar Steinkohle zu Erzeugung von Ökostrom.

Das Gütesiegel kennzeichnet zwei Klassen von umweltschonenden Stromangeboten: Die Klasse "effektiv" besteht zu mindestens 50 Prozent aus erneuerbaren Energien, der Rest stammt aus umweltfreundlicher Kraft-Wärme-Kopplung. Die Klasse "regenerativ" besteht zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien. Beiden Klassen ist gemein, dass mindestens 1 Prozent des Stroms aus Solarstromanlagen stammt. Als erster Anbieter haben Ende Dezember die Städtischen Werke AG, Kassel, das Gütesiegel der Produktklasse "regenerativ" erhalten.

Grüner Strom Label

Wieder ein anderes Konzept verfolgt Grüner Strom Label e. V., ein von der Solarorganisation Eurosolar ins Leben gerufener Verein. Die Kriterien sind auf den ersten Blick ähnlich wie beim Öko-Institut. Strom aus Blockheizkraftwerken ist erlaubt, führt aber zu einem Siegel für nicht ganz so grünen Strom, genannt "Silbernes Label". Wer Gold erhalten möchte, muss auf ausschließlich erneuerbare Energien zurückgreifen.

Wichtigster Unterschied zu den beiden vorgenannten Zertifizierungsstellen: Neben dem Produkt Ökostrom wird auch der Anbieter in die Prüfung mit einbezogen. Unternehmen, die mit Kohle und Atomstrom produzierenden Muttergesellschaften verbunden sind oder gar selbst derart umweltschädlichen Strom vermarkten, sind nach Auffassung des Vereins Grüner Strom Label keine glaubwürdigen Förderer der erneuerbaren Energien und sollten ursprünglich kein Siegel erhalten können. "Das Definitionsmerkmal "Produzent von Grünem Strom" findet auf keinen Produzenten Anwendung, der Strom in Atomkraftwerke, Braunkohlekraftwerke oder fossile Kondensationskraftwerke liefert oder mit einem solchen Produzenten verflochten ist", hieß es in den Definitionsmerkmalen vom April 1998. Im Dezember des gleichen Jahres wurde nur noch verlangt, dass "kein Anteilseigner [an einem Ökostrom-Anbieter], der über eine Sperrminorität verfügt, Atomkraftwerke betreiben darf". Und wenn doch, soll er zumindest "seinen zeitlich konkretisierten Ausstieg aus der Atomenergie beschlossen haben".

Eine weitere Verwässerung der einst kompromisslosen Vergabekriterien gab es schließlich in der Fassung vom 27. Dezember letzten Jahres. Ursprünglich sollten nur Unternehmen zertifiziert werden, die "den Stromkunden die ausschließliche und zum Verbrauch zeitnahe Lieferung des Grünen Stroms garantieren" können. In der aktuellen Fassung gibt es hierzu eine Ausnahmeregelung, von einem Ökostrom-Anbieter erbost als "Lex Naturstrom AG" tituliert: "Der Kunde bezieht konventionellen Strom, leistet aber dem Anbieter regelmäßig Zahlungen, die dieser für die Finanzierung von Anlagen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energiequellen verwendet." Die Naturstrom AG hätte ohne diese Erweiterung der Vergabekriterien das Label nicht bekommen, da sie aus Kostengründen auf eine zeitnahe Bilanzierung verzichtet. So jedoch haben die Düsseldorfer marketingwirksam Anfang Dezember als Erste das Grüner Strom Label erhalten können. Das zweite Label ist bereits für das Angebot energreen der ASEW reserviert, eines Zusammenschlusses von rund 200 Stadtwerken. Peinliche Panne: Energreen wird auch von den Stadtwerken Bielefeld vertrieben. Und diese sind Mitbetreiber der KWG Gemeinschaftskernkraftwerk Grohnde GmbH. Einziger Kommentar des Vorsitzenden des Zertifizierungsausschusses, Klaus Traube: "Das habe ich noch gar nicht gemerkt. Bitte machen Sie da keine große Geschichte draus."

siehe auch Umweltlinks

Quelle: TAZ 28.1.2000

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Stromhandelszonen in Deutschland

Handelszone Nord = gelb      Handelszone Süd = grün

Handelszonen BRD

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Alte und neue Verbändevereinbarung im Vergleich

Der Gesetzgeber hat im neuen Energiewirtschaftsgesetz die konkrete Ausgestaltung der Netzzugangsregelungen den Verbänden VDEW, BDI und VIK in Form einer sogenannten Verbändevereinbarung überlassen. Die Verbändevereinbarung beinhaltet Regelungen für die Entgeltberechnung sowie für die Organisation und den Ablauf des Netzzugangs. Da die Verbändevereinbarung eine freiwillige Vereinbarung der drei genannten Verbände ist, hat sie allerdings keine unmittelbare rechtliche Verbindlichkeit.

Die alte Verbändevereinbarung wurde im Mai 1998 abgeschlossen und im Januar 2000 durch eine neue Verbändevereinbarung (Verbändevereinbarung II) ersetzt. Die Eckpunkte der alten und neuen Verbändevereinbarung werden im folgenden erläutert.

  • Die Durchleitungspreise werden auf der Basis der kalkulatorischen Kosten berechnet. Die Kalkulation wird dem Verfahren angelehnt, nach dem Energieversorger bisher ihre Stromtarife berechnet und den Länderbehörden zur Genehmigung vorgelegt haben. An dem Prinzip der kostendeckenden Entgeltgestaltung wird somit festgehalten. In der neuen Verbändevereinbarung ist zusätzlich zur Entgeltermittlung auf Kostenbasis das Vergleichsmarktprinzip eingeführt worden, um auch im Netzbetrieb Anreize zur Rationalisierung und Kosteneffektivität zu verstärken. Hierzu sollen die Entgelte verschiedener Netzbetreiber strukturell vergleichbarer Versorgungsgebiete gegenübergestellt werden. Die Kriterien für strukturell vergleichbare Versorgungsgebiete und der Ablauf des Entgeltvergleichs sind in der neuen Verbändevereinbarung nicht näher definiert, so daß unklar bleibt, welche Auswirkungen sich aus der Einführung des Vergleichsmarktprinzips ergeben.
  • Die Netze jedes Netzbetreibers werden entsprechend den Spannungsebenen in Höchst-, Hoch-, Mittel- und Niederspannungsnetze als Netzbereiche eingeteilt. Zwischen den genannten Spannungsebenen werden die jeweiligen Umspannungen ebenfalls als weitere Netzbereiche definiert. Für jeden dieser Netzbereiche wird ein festes spezifisches Durchleitungs- bzw. Netzzugangsentgelt in Form von Jahresleistungspreisen gebildet.

    Gemäß alter Verbändevereinbarung mußte jede genutzte Spannungsebene nureinmal, und zwar auf der Abnehmerseite, gezahlt werden, auch wenn sie bei Einspeisung und bei Abnahme genutzt (Abnahmeprinzip). Wurde in das Niederspannungsnetz eingespeist, jedoch aus einem Mittelspannungsnetz entnommen, fielen keine Kosten für das Niederspannungsnetz sowie für die Umspannung von Nieder- auf Mittelspannung an. Innerhalb eines Netzbereiches war das Entgelt in der Regel ortsunabhängig, weshalb die Netzbereichsentgelte auch "Briefmarken" genannt werden. Lediglich im Höchstspannungsnetz war für Luftlinienentfernungen zwischen Einspeiser und Abnehmer von über 100km eine zusätzliche entfernungsabhängige Komponente (0,125 DM/kW \ km \ a) zu zahlen. Dies hat die Durchleitungsentgelte stark in die Höhe getrieben und vielfach den Strombezug aus der näheren Umgebung bevorteilt. Damit wurden insbesondere Lieferanten behindert, die nur wenige Erzeugungsanlagen und davon weit entfernte Kunden haben.

    Als genutzte Spannungsebenen wurde hierbei nicht der physikalische Leitungsweg betrachtet, sondern die Luftlinienentfernung zwischen Abnehmer und Einspeiser. Danach galt eine höhere Spannungsebene dann als in Anspruch genommen, wenn die Luftlinie zwischen Abnehmer und Einspeiser eine bestimmte Grenzentfernung überschritten hat. Dann mußte die Briefmarke für die nächsthöhere Spannungsebene sowie für die dazugehörige Umspannung bezahlt werden. Die Grenzentfernungen, nach der jeweils die Nutzung des nächsten Netzbereiches unterstellt werden, waren zwischen Stadt und Land differenziert. Innerhalb eines Stadtgebietes mußte bereits nach kürzeren Entfernungen als in ländlichen Regionen die nächsthöhere Spannungsebene bezahlt werden.

    Die neue Verbändevereinbarung hat anstelle der transaktionsbezogenen Ermittlung von genutzten Spannungsebenen einen Netz-Punkt-Tarif eingeführt. Dies bedeutet, daß für die gesamte Abnahme bzw. Einspeisung eines Kunden ein festes, transaktionsunabhängiges Entgelt für die Netznutzung von seinem Netzanschluß bis zum nächstgelegenen Höchstspannungsnetz gebildet wird (Netz-Punkt-Tarif). Das Höchstspannungsnetz fungiert bei diesem Modell als sogenannter Handelspunkt. Alle Lieferungen und Entnahmen können auf einen derartigen Handelspunkt bezogen werden. Jeder Handelspartner organisiert für sich den Netzzugang vom Einspeise- bzw. Entnahmeort bis zum Handelspunkt. Der Netz-Punkt-Tarif beinhaltet demgemäß, daß für jede Entnahme und Einspeisung alle Spannungsebenen von dem Netzanschluß des Kunden bis einschließlich des Höchstspannungsnetzes als genutzte Netzebenen anzusehen sind und gezahlt werden müssen. Einspeiser zahlen allerdings wie bisher keine Netznutzungsentgelte mit Ausnahme des Ersatzes einzelner, ihnen individuell zuordenbarer Aufwendungen des Netzbetreibers für Netzanschluß und ähnliches.

    Mit der neuen Verbändevereinbarung entfällt eine Möglichkeit der bisherigen Verbändevereinbarung, die einige Vorteile für dezentrale Erzeugungsanlagen hatte: Bei dezentralen Einspeisungen in niedrige Spannungsebenen konnten bisher Lieferungen ohne Nutzung des überlagerten Hoch- bzw. Höchstspannnungsnetzes organisiert und hierdurch erhebliche Einsparungen beim Netznutzungsentgelt erzielt werden. In der neuen Verbändevereinbarung ist daher die netzentlastende Wirkung dezentraler Erzeugungsanlagen durch eine sogenannte Netzkostengutschrift ersetzt worden, die direkt und transaktionsunabhängig vom Netzbetreiber an den dezentralen Einspeiser gezahlt wird. Die Netzkostengutschrift soll sich an den Kosteneinsparungen orientieren, die durch die verminderte Leistungsbereitstellung aus dem überlagerten Netz erzielt werden. Die Netzkostengutschrift für dezentrale Erzeugungsanlagen soll vom Netzbetreiber auf die allgemeinen Netzkosten umgelegt werden können.

    Die transaktionsbezogene, entfernungsabhängige Komponente entfällt bei derneuen Verbändevereinbarung. Sie ist tendenziell dadurch ersetzt worden, daß Deutschland in zwei Handelszonen aufgeteilt wurde. Energielieferungen über die Grenzen von Handelszonen hinweg werden mit einer Transitkomponente in Höhe von 0,25Pf/kWh auf den Saldo der ausgetauschten Lieferungen belegt. Die Transitkomponente wird auch an den Grenzen zum Ausland erhoben.

  • Grundlage der Entgeltberechnungen bilden Jahresleistungspreise (DM/kW), also Preise, die anhand der maximal nachgefragten Leistung des Kunden berechnet werden. Begründet wird das Erheben eines Jahresleistungs- statt eines Arbeitspreises (DPf/kWh) mit den hohen Fixkosten des Netzes. Um der Tatsache Rechnung zu tragen, daß sich durch die starke zeitliche Durchmischung der Kunden im Netz ihre individuellen, zeitungleichen Lastspitzen ausgleichen, wird das Nutzungsentgelt in einem letzten Schritt durch einen sogenannten Gleichzeitigkeitsfaktor korrigiert. Gleichzeitigkeitsfaktoren sind Faktoren, mit denen die individuellen Höchstlasten der Kunden entsprechend ihrem Beitrag zur gesamten Netzhöchstlast ins Verhältnis gesetzt werden.

    Die Verbändevereinbarung sieht vor, daß die Gleichzeitigkeitsfaktoren lediglich von der individuellen Benutzungsdauer abhängig sein sollen. Auch kurzfristige, unterjährige Lieferungen sollen in dieser Weise abgerechnet werden, wenn nicht individuelle Sonderregelungen getroffen werden. Viele Netzbetreiber rechnen gemäß einer Empfehlung der VDEW den Jahresleistungspreis - nach unterschiedlichen Benutzungsdauerstunden im Jahr (h/a) gestaffelt - in eine äquivalente Kombination von Leistungs- und Arbeitspreisen um. Es ergeben sich meist zwei Benutzungsdauerzonen mit jeweils unterschiedlichen Leistungs- und Arbeitspreisen. Andere Netzbetreiber bilden dabei drei Benutzungsdauerzonen.

    Einige Netzbetreiber wollen den Gleichzeitigkeitsfaktor nicht über eine benutzungsdauerabhängige Gleichzeitigkeitskurve, sondern kundenspezifisch anhand des gemessenen individuellen Lastverlaufs des Kunden im nachhinein ermitteln. Relevant ist in diesem Fall die tatsächliche Kundenlast zum Zeitpunkt der allgemeinen Netzhöchstlast des betreffenden Netzbetreibers. Insbesondere für kleinere Kunden existiert auch die Variante, nach der auf die Leistungsmessung verzichtet wird und der Entgeltberechnung Normganglinien für bestimmte Kundengruppen zugrundegelegt werden. Die Entgelte werden dann pauschal als reine Arbeitspreise, gegebenenfalls nach Kundengruppen wie Haushalt, Gewerbe etc. differenziert, angegeben. Teilweise werden zusätzlich zu den Arbeitspreisen feste, leistungs- und arbeitsunabhängige Grundpreise für Kleinkunden verlangt.

    Diese Verfahrensweise für die Entgeltgestaltung wird in der neuen Verbändevereinbarung im wesentlichen beibehalten.

  • Neben den leistungsbezogenen Netznutzungsentgelten als Hauptkomponenten müssen vom Netznutzer noch die sogenannten Systemdienstleistungen, Meß- und Verrechnungskosten sowie Netzverluste abgegolten werden. Die Systemdienstleistungen beinhalten die Frequenz-Leistungsregelung im Verbundnetz, die Betriebsüberwachung der Netze, den Versorgungswiederaufbau bei Netzstörungen und die Spannungshaltung. Die Frequenz-Leistungsregelung bildet mit ca.70 Prozent den Hauptkostenblock bei den Systemdienstleistungen.

    Die Messung und Verrechnung des Netzzugangsentgeltes fällt in den Zuständigkeitsbereich des Netzbetreibers. Hierbei ist zu beachten, daß bei sogenannten Durchleitungskunden wegen der z.T. komplizierten Abwicklungsvorgänge beim verhandelten Netzzugang ein erheblich höherer Meßaufwand anfallen kann als bei den vom Netzbetreiber selbst direkt belieferten Kunden. Die Kosten für die Messung und Verrechnung sind vom Kunden zu tragen.

    Der Netznutzer hatte in der alten Verbändevereinbarung das Wahlrecht, entweder die Netzverluste in natura durch Mehreinspeisung auszugleichen oder für die Abdeckung der Verluste eine zusätzliche Entgeltkomponente an den Netzbetreiber zu zahlen. Insgesamt wird die Berechnung der Netzverlustekosten derzeit noch sehr unterschiedlich gehandhabt: Einige Netzbetreiber haben Entgelte für die Netzverlustkosten veröffentlicht, die zuzüglich der Briefmarken bezahlt werden müssen. Bei anderen sind die Entgelte für Netzverluste bereits in der jeweiligen Briefmarke eingerechnet. Die Möglichkeit des Naturalausgleichs der Verluste durch den Nutzer ist in der neuen Verbändevereinbarung entfallen. Dies hat hauptsächlich abwicklungstechnische Gründe zur Folge. Da die Netzverluste für jede genutzte Spannungsebene separat anfallen und ausgeglichen werden müssen, ist mit dem Naturalausgleich der Verluste ein starker Anstieg des erforderlichen Datenumfangs für die Abwicklung der Netznutzung verbunden, der wirtschaftlich nicht vertretbar ist.

  • Die alte Verbändevereinbarung sieht als Regelfall vor, daß der Durchleitungskunde im voraus den Zeitverlauf der von ihm voraussichtlich bezogenen bzw. eingespeisten Leistung im \1-h-Zeitraster in Form eines sogenannten Fahrplans angeben muß. Die Differenz zwischen diesem Fahrplan und der tatsächlichen Abnahme bzw. Einspeisung, die sogenannte Fahrplanabweichung, wird vom Netzbetreiber als Mehr- oder Mindereinspeisung ausgeglichen. Die Kosten für die Fahrplanabweichungen sind dem Netzbetreiber gesondert zu vergüten. Die Verbändevereinbarung enthält keinerlei Regelung über die Höhe und die Gestaltung der Vergütung für den Ausgleich der Fahrplanabweichungen.

    In der neuen Verbändevereinbarung ist die Notwendigkeit der Fahrplananmeldung und -genehmigung weitgehend entfallen. Fahrplananmeldungen sind im Normalfall nur noch für regelgebietsüberschreitende Lieferungen sowie für größere Kraftwerke (über 100 MW) erforderlich. Als Regelgebiet gemäß neuer Verbändevereinbarung fungiert jeweils das komplette Netzgebiet eines der acht deutschen Verbundunternehmen inklusive aller daran angeschlossenen Netze von Verteilnetzbetreibern. Für Lieferungen innerhalb der Regelgebiete bzw. kleinere Kraftwerke entfällt in der Regel die Pflicht zur Fahrplananmeldung vollständig. Eine Fahrplangenehmigung ist für Lieferungen nur noch dann erforderlich, wenn vom zuständigen Netzbetreiber regelmäßige Netzengpässe vorab öffentlich bekanntgemacht worden sind.

    Die Regelungen zu Fahrplanabweichungen wurden in der neuen Verbändevereinbarung durch die Einführung sogenannter Bilanzkreise ersetzt, mit denen auf Händlerebene alle tatsächlichen Einspeisungen und Entnahmen innerhalb eines Regelgebietes saldiert werden können. Fahrplanabweichungen, die nach der alten Verbändevereinbarung für jede einzelne Transaktion ermittelt und abgerechnet wurden, werden in der neuen Verbändevereinbarung nur noch in Ausnahmefällen betrachtet.

    Der Händler faßt im Rahmen eines Bilanzkreises alle seine Geschäfte innerhalb eines Regelgebietes zusammen. Unter Bilanzabweichung eines Händlers versteht man die Differenz zwischen der Summe aller tatsächlichen Einspeisungen und der Summe aller tatsächlichen Abnahmen der Kunden des Händlers im jeweiligen Regelgebiet bezogen auf die Meßperiode (zur Zeit 1/4-Stunde). Für Lieferungen zwischen verschiedenen Regelgebieten werden anstelle gemessener Werte allerdings noch angemeldete Fahrpläne verwendet. Der Händler kann also im Rahmen eines Bilanzkreises das Abnahme- und Einspeiseverhalten aller seiner Kunden zusammenfassen und aggregieren, der Einzelkunde wird nicht mehr isoliert betrachtet.

    Der Übertragungsnetzbetreiber ist für den physikalischen Ausgleich der Bilanzabweichungen verantwortlich. Die Kosten hierfür rechnet der Händler mit dem Übertragungsnetzbetreiber ab. Bilanzabweichungen können teilweise durch Naturalausgleich, d.h. durch Mehr- oder Minderlieferungen zu späteren Zeitpunkten, verrechnet werden. Geringe Bilanzabweichungen bis zu 5 Prozent, in Ausnahmefällen auch bis zu 20 Prozent, der Gesamtlast eines Bilanzkreises werden mit reinen Arbeitspreisen oder per Naturalausgleich verrechnet, höhere Abweichungen werden mittels Leistungspreisen pönalisiert.

Quelle: Deutscher Wirtschaftsdienst 01/2000

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Stichwort Braunkohleschutzklausel:

Leipzig (dpa) - Bis 2003 gilt im Osten auf Grund der Milliarden-Investitionen zur Modernisierung der Kraftwerke die so genannte Braunkohleschutzklausel. Mit ihrer Hilfe können sich die Versorger weigern, Fremdstrom durchzuleiten, wenn dadurch die Braunkohleverstromung gefährdet wird. Dennoch geht der Wettbewerb am Osten nicht vorbei und zwingt die Anbieter zu Preisnachlässen. Nach dem Energiewirtschaftsgesetz kann die Klausel bis 2005 verlängert werden. In der Ost-Braunkohle sind nach einem Verlust von mehr als 100 000 Stellen seit der Wende noch etwa 20 000 Kumpel tätig.

Ende Oktober hatten die Aktionäre des Braunkohleverstromers Vereinigte Energiewerke AG (VEAG/Berlin) Bundeswirtschaftsminister Werner Müller (parteilos) ein «Stabilisierungsmodell» präsentiert. Nach dem Modell wollen die Gesellschafter den von der VEAG erzeugten Braunkohlestrom zu kostenorientierten Preisen vollständig abnehmen und die Kostendifferenz zum niedrigeren Marktpreis selbst tragen. Dieses Stabilisierungsprogramm soll bereits zum 1. Januar 2000 greifen. Ein neuer Privatisierungsvertrag der Treuhandnachfolgerin BvS mit den VEAG-Gesellschaftern wird dazu auch angestrebt.

Müller will den West-Stromkonzernen bei ihrer Offerte entgegenkommen. Er ist bereit, den westdeutschen Veag-Eigentümern den bis 2013 fälligen zweiten Teil des Kaufpreises in Milliardenhöhe gegen Arbeitsplatzsicherung zu erlassen. Im Gegenzug sollen sich die VEAG-Eigentümer verpflichten, das ostdeutsche Energieunternehmen mit seinen derzeit rund 7 000 Arbeitsplätzen langfristig zu erhalten.

Die VEAG hatte in diesem Zusammenhang die Öffnung ihres Netzes für Fremdstrom angekündigt. Sollte der neue Vertrag zu Stande kommen, will sie den Strom ihrer Wettbewerber ab Januar durchleiten. Die bis 2003 geltende Braunkohleschutzklausel wäre dann praktisch gegenstandslos. Die Veag gehört mehrheitlich dem Bayernwerk, RWE und PreussenElektra. Weitere Eigner sind EnBW, VEW, Bewag und HEW.

Quelle: dpa 16/11/’99

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Strom-Monopoly im Neufünfland

West-EVU kassieren von Ost-Stromkunden Milliarden von Mark zuviel: Geld zurückfordern!

In den neuen Ländern ist ein Konflikt zwischen Stadtwerken und den Regional- und Verbundunternehmen aufgebrochen, der für die Verbraucher höchst interessant zu werden verspricht.

Denn die Stadtwerke-Ost haben gemeinsam ein Gutachten über das Ost-Verbund-EVU VEAG (Vereinigte Energiewerke Aktiengesellschaft) erstellen lassen: Von der LBD BeratungsgesellschaftmbH, Berlin. Das Ergebnis ist sensationell. Denn es belegt im Detail einen Preismißbrauch des Stromkartells in den neuen Ländern.

Als ”ewige Gelddruckerlaubnis” hatte die Energiedepesche im Heft 10, 1990 den Stromvertrag kritisiert. Das vorliegende Gutachten zeigt im Detail auf, daß mit diesen Verträgen inzwischen Milliarden gemacht worden sind, daß dies zu Lasten der Verbraucher ging und trotz ausgeklügelter Verträge gegen geltendes Recht verstößt.

Die VEAG hält dagegen, sie habe kaum Gewinn gemacht, keine Dividenden ausgeschüttet und sei durch die Braunkohleverstromung schwer belastet. Daher gebe es keine Spielräume für Preissenkungen.

Das Gutachten zeigt jedoch, daß die VEAG zwischen 1991 und 1994 tatsächlich einen Gewinn von 4,4 Milliarden Mark erzielt hat. Diesen Gewinn hat sie in den Bilanzen säuberlich versteckt. Der operative Cash-Flow (Einnahmen abzüglich Ausgaben abzüglich Abschreibungen) betrug sogar 7,5 Milliarden Mark. Die VEAG konnte aufgrund der überhöhten Strompreise ihr Eigenkapital von 800 Millionen auf 5,5 Milliarden DM aufbessern. Um diesen Betrag sind dem Gutachten zufolge die Anteilseigener der VEAG, in der Hauptsache RWE, Preussenelektra und Bayernwerk auf Kosten der Stromkunden Ost reicher geworden. Dies trotz angeblich belastender Umweltauflagen, Soziallasten, Investitions- und Sanierungslasten, Braunkohleverstromungs-”Verpflichtungen” sowie Konkurrenz zur Eigenstromerzeugung. Durch die bilanztechnische Verdeckung der Gewinne brauchte die VEAG auch kaum Ertragssteuern zu zahlen, die bei offener Ausweisung der Gewinne in Milliardenhöhe fällig gewesen wären. Die VEAG konnte auch in großem Umfang liquide Mittel ansammeln, so daß 1994 allein 245 Millionen DM an Zinsgewinnen erzielt wurden.

Das Gutachten hat die VEAG mit strukturähnlichen Verbundunternehmen West verglichen. Diese Unternehmen haben 65% ihres operativen Cash-flows (Einnahmen abzüglich Ausgaben abzüglich Abschreibungen) als Gewinn ausgewiesen. Die VEAG weist trotz deutlich höherem Cash-flow in ihren Bilanzen einen Verlust aus. Im Vergleich zu anderen Stromversorgern und Unternehmen anderer Branchen liegen die Kapitalrenditen der VEAG weit über dem Durchschnitt.

Das Gutachten folgert: ”Die VEAG betreibt für sich und ihre Anteilseigner eine exzessive Konsolidierungs- und Thesaurierungspolitik zu Lasten der ostdeutschen Stromverbraucher. Die VEAG versucht, ihre marktbeherrschende Stellung als Stromerzeuger in den neuen Bundesländern mit allen Mitteln aufrechtzuerhalten und auszubauen, ohne einen Beitrag zu einer preiswürdigen und ressourcenschonenden Stromversorgung für die ostdeutschen Stromverbraucher zu leisten. Das Kartellgesetz gibt auch den von wettbewerbsbeschränkenden und mißbräuchlichen Verhaltensweisen betroffenen Unternehmen direkte, vor den Zivilgerichten geltend zu machende Schadensersatzansprüche.”

Die Gründung der VEAG

Am 22.08.1990 hat die damalige DDR-Regierung mit der Treuhandanstalt und RWE, Preussenelektra und Bayernwerk den ”Stromvertrag-Verbundstufe” und den ”Stromvertrag-Regionalstufe” abgeschlossen. Die beiden früheren Verbund-Unternehmen der DDR mit ihren Kraftwerken wurden zur VEAG AG verschmolzen. Diese neue VEAG ging zu drei Vierteln an die drei West-EVU. Gleichzeitig gingen sieben der elf Regional-EVU der DDR zu 51% an dieselben drei West-EVU. Die noch nicht bedienten westdeutschen Verbund-Unternehmen (BEWAG, HEW, EVS, VEW, IAW) erhielten die vier restlichen Regional-EVU sowie 25%-Anteil an der VEAG. Die Regional-EVU wurden verpflichtet, 70% ihres Strombedarfs von der VEAG zu beziehen. Als Kaufpreis für die VEAG waren vier Milliarden Mark zu zahlen, davon zwei Milliarden sofort. Ferner verpflichteten sich die VEAG-Käufer dazu, eine sichere und preisgünstige Versorgung anzustreben, die dem westdeutschen Preisniveau vergleichbar ist und die gegenwärtig herausragende Rolle der Braunkohleverstromung zu beachten (Präambel Stromvertrag).

Zunächst übernahmen die West-EVU nur die Geschäftsbesorgung der VEAG, die Privatisierung erfolgte erst am 6.9.1994. In der Zwischenzeit hatte die VEAG schon Milliardenpolster gebildet. Kurz vor der Privatisierung wurde von der Treuhand im Juni 1994 ein Vermögen von 3,1 Milliarden Mark von der VEAG als eigenständiges Unternehmen (”VEAG-Vermögensverwaltungsgesellschaft mbH”) im Treuhand-Bereich abgespalten. Um den Wert dieser Abspaltung wurde der VEAG-Kaufpreis reduziert. Die VEAG wurde also nach diesen in der Studie enthaltenen Informationen praktisch verschenkt. Es fragt sich hier, ob der Staat in Person der Treuhand Milliarden an die Privatwirtschaft verschenken darf.

Die Abspaltung hat den Charakter einer verdeckten Gewinnausschüttung: Denn das Vermögen der VEAG wurde ohne steuerrechtlich zulässige Gründe gemindert. ”Damit verstieß die Treuhandanstalt gegen § 42 der Abgabenordnung”.


Bilanzakrobatik der VEAG

Abschreibungen sollen die Anschaffungs- und Herstellungskosten abnutzbarer Vermögensgegenstände über deren Lebensdauer verteilen. Derartige Abschreibungen sind Kosten der Stromherstellung und gehen als solche in die Strompreiskalkulation ein. Sie sichern die Erhaltung der Vermögenssubstanz des Versorgungsunternehmens.

Die VEAG hat aber eine Reihe von überhöhten Abschreibungen vorgenommen, denen kein Werteverzehr gegenübersteht. Durch solche Abschreibungen bereichert sich ein Stromversorger auf Kosten seiner Stromkunden. Gleichzeitig werden überhöhte Einnahmen verschleiert.

Die VEAG hat in ihrer Eröffnungsbilanz zum 1. Juli 1990 für den Kraftwerkspark 4,19 Mrd. DM in Ansatz gebracht. Nach sorgsamer Berechnung wäre hierfür lediglich ein Betrag von 1,51 Mrd. DM angemessen gewesen. Auf diesen überhöhten Wert sind dann Abschreibungen vorgenommen worden, ”die letztlich vom Stromverbraucher über den Strompreis gezahlt worden sind. Hier hat die VEAG entgegen ihrer Verpflichtung, eine preiswürdige Versorgung durchzuführen, gehandelt und die auf den zu hohen Wertansätzen beruhenden Abschreibungsbeiträge einbehalten”.

Die VEAG hat dann ”die ursprünglich schon zu hohe Anlagenbewertung der DM-Eröffnungsbilanz später noch einmal um 2,95 Mrd. DM erhöht und damit für 1993 und 1994 weitere zusätzliche Abschreibungsspielräume von mehr als 1,5 Mrd. DM geschaffen und auch genutzt. Auch diese weiteren Abschreibungen waren nur möglich, weil die VEAG über zu hohe Strompreise Einnahmen aus dem Stromverkauf erzielte, die sie entweder zu Preissenkungen oder zur Versteuerung eines Gewinns hätte veranlassen müssen. Da dies nicht geschah, verblieben die vom Stromverbraucher gezahlten Beträge im Unternehmen und gehören als Substanz nunmehr den Anteilseignern”. Dies ist erstaunlich, weil ein Großteil der zu bewertenden Anlagen nach VEAG-Angaben völlig veraltet, umweltschädlich und unproduktiv war. Alle diese Anlagen sollten mit erheblichem Aufwand abgerissen oder grundlegend modernisiert werden.

' Zwischen 1991 und 1994 hat die VEAG zusätzlich Sonderabschreibungen nach §4 Fördergebietsgesetz in Höhe von 1,9 Mrd. DM vorgenommen. Auch diesen Sonderabschreibungen steht kein Werteverzehr gegenüber. ”Sie dienen nicht einer preiswürdigen Versorgung der Verbraucher, sondern allein den Interessen der VEAG und ihrer Anteilseigner, denen auf diese Weise Vermögen zuwächst”.

”Wir haben nachgewiesen”, so das Gutachten, ”daß die VEAG erhebliche Überschüsse erzielt hat, die unter Abspaltung und durch Sonderabschreibungen bilanztechnisch für den gegebenenfalls sonst auszweisenden Gewinn unsichtbar gemacht worden sind. Die Höhe dieser Summe, bezogen auf den Zeitraum von 1991-1994 sind rund 6,6 Mrd. DM über den vom Stromverbraucher gezahlten Strompreis für Abspaltung und Sonderabschreibungen verwendet worden, läßt nur den Schluß einer nicht kostengerechten Preiskalkulation zu” (Gutachten, S. 190).

Die VEAG hat auf dem Rücken der Stromverbraucher aus Gewinnen beim Stromverkauf ein Eigenkapital von rd. 4,2 Mrd. DM aufgebaut. Auch diese Vermögenspolitik verstößt gegen das Kartellgesetz §103 Abs. 5. Atz 1 Nr. 1.

Die 70:30-Regelung

Die VEAG versorgt selbst so gut wie keine Endverbraucher, sondern erzeugt in ihren Kraftwerken fast den gesamten Strom und verteilt ihn über ihr Verbundnetz überregional an die elf Regional-EVU in den neuen Ländern. Diese verkaufen ihrerseits den Strom an Letztabnehmer und Stadtwerke.

Das überhöhte Preisniveau der VEAG ist nur durchzuhalten durch die ”70:30-Regelung”. Diese Regelung verpflichtet die Regional-EVU, 70% ihres Strombedarfs durch Bezug von der VEAG abzudecken. Dadurch müssen die Regional-EVU an die VEAG jeden geforderten Preis zahlen. Sie werden dies aber gern tun. Denn die Regional-EVU gehören zu 51% denselben West-EVU, denen auch die VEAG selbst gehört. Darüber hinaus sind in den Aufsichtsräten aller Regional-EVU Vorstände der drei West-EVU vertreten. Ebenso sind die Vorstände mit Persönlichkeiten der westdeutschen Verbundwirtschaft besetzt.

Die 70:30-Regelung ist ein nach §1 Kartellgesetz verbotenes und damit rechtlich unwirksames Kartell. Das entsprechende Kapitel des Gutachtens stammt von Prof. Siegfried Klaue, dem früheren Leiter der einschlägigen Beschlußabteilung des Bundeskartellamts.

Die Regional-EVU haben die 70:30-Regelung auch gegenüber den durch sie belieferten Stadtwerken als Bedingung für die Herausgabe der Stromnetze durchgedrückt.

Bezüge im 30%-Segment sind besonders interessant. Denn sie erfolgen freiwillig und stehen damit in direkter Konkurrenz zur Eigenerzeugung. Im 30%-Segment werden die Preise künstlich niedrig gehalten, um die Stromeigenerzeugung unwirtschaftlich zu machen. Auch dies ist lt. Prof. Klaue mißbräuchlich nach Kartellgesetz.

Am 31.01.1996 hat die VEAG in Erfurt anläßlich eines ”Energie-Konsens-Gesprächs-Ost” im 30%-Segment einen Preisnachlaß von 150 Mio. DM verkündetet. Vorausgegangen war politischer Druck auf die VEAG-Preise. Dieser Nachlaß stellt als sog. ”Treuerabatt” eine unbillige Behinderung durch ein marktbeherrschendes Unternehmen dar im Sinne von GWB §26 Nr. 2. Daran ändert auch nichts, daß diese Maßnahme auf einer Wirtschaftsministerkonferenz bekanntgegeben und von den Wirtschaftsministern mindestens stillschweigend entgegegenommen worden ist.

Die ”Braunkohlen-Lüge”

Die VEAG rechtfertigt ihre überhöhten Preise mit den für die Verstromung der Braunkohle eingegangenen Verpflichtungen. Tatsächlich erzeugt die VEAG derzeit ihren Strom zu über 90% aus Braunkohle. In der Vergangenheit hat der hohe Braunkohleeinsatz die VEAG-Strompreise kaum belastet: ”Bei Brennstoffkosten von knapp 3 Pf/kWh sowie durchschnittlichen Stromerlösen von über 20 Pf /kWh kann die Begründung für unterschiedliche Preise u. E. nicht im Einsatz der Braunkohle zur Stromerzeugung gesucht werden. Hinzu kommt, daß zur Zeit bei dem Einsatz von Altkraftwerksleistung in noch erheblichem Umfang ein vergleichsweise teurer Kapitaldienst wie für Neuanlagen nicht anfällt” schreibt der Deutsche Braunkohlenverein e.V. (Wirtschaftswelt Energie 12/95, S. 23).

Für die Zukunft strebt die VEAG aber eine Beibehaltung des hohen Braunkohleanteils an. Braunkohle eignet sich aber aus wirtschaftlichen Gründen nur für den Einsatz in der sog. Grundlast, die nur 50% der Leistung ausmachen sollte. 30% der Leistung sollten Mittellastkraftwerke darstellen, typischerweise Steinkohle. Die letzten 20% sollen auf Spitzenlastkraftwerke entfallen (i.d.R. Gasturbinen).

Durch den überzogenen Braunkohleanteil allein erhöht sich künftig der Strompreis um ca. 1 bis 1,5 Pf/kWh. Dieses Konzept verstößt damit gegen den Grundsatz einer preiswürdigen Energieversorgung. Soweit die VEAG tatsächlich zur Sicherung der Braunkohle verpflichtet wäre, so würde der überhöhte Strompreis eine Sonderabgabe darstellen. Nach dem Kohlepfennigbeschluß des Bundesverfassungsgerichts ist eine solche Sonderabgabe verfassungswidrig. Im übrigen wären auch die Bürger der alten Bundesländer für eine solche Aufgabe mitheranzuziehen. Weiterhin würde eine solche Sonderabgabe auch gegen die Beihilfevorschriften des europäischen Rechts verstoßen.

Das braunkohlefixierte Unternehmenskonzept der VEAG ist willkürlich und schadet dem Verbraucher, weil er höhere Strompreise zu zahlen hat, als er bei einem an der energierechtlichen Rahmenordnung gemessenen Verhalten bezahlen müßte. ”Es ist nicht Aufgabe der privatisierten VEAG, Gemeinwohlaufgaben zu erfüllen und die dadurch entstehenden Kosten auf ihre Strombezieher abzuwälzen...Die angeblich bindende Zielvorgabe für eine spezifische Braunkohlepolitik existiert nicht und ist deshalb für die von der VEAG ausgeübte Braunkohlepolitik keine brauchbare Rechtfertigung... Von einer Verstromung der Braunkohle in der Mittellast, verbunden mit einer Weisung an die VEAG, das Postulat einer preiswürdigen Versorgung zu verletzen, ist im Stromvertrag nichts zu finden. Die in der Diskussion um die Ostdeutschen Strompreise ständig leicht dahingesprochene These von der Abhängigkeit der VEAG von der Braunkohle als strukturell hinzunehmendem Verteuerungsfaktor, erweist sich damit als nicht stichhaltig. Sie findet weder im Stromvertrag, noch in der Sache eine Rechtfertigung” (Gutachten, S. 179).

Strompreise West-Ost

Das Strompreisgenehmigungsverfahren billigt den Stromversorgungsunternehmen angemessene Gewinne zu. Das in Nordrhein-Westfalen eingesetzte Erhebungsbogenverfahren wurde im Gutachten auf die VEAG angewendet. Es stellt sich heraus, daß die VEAG nach korrekter Bilanzierung ”Fünf Mrd. DM mehr Gewinn erzielt hätte, als nach dem Erhebungsbogenverfahren genehmigungsfähig wäre” (S. 83). ”Das Ergebnis zeigt, daß die VEAG erheblich höhere Gewinne erzielt, als sie nach einer vereinfachten Gewinnermittlung gemäß Erhebungsbogenverfahren zur Genehmigung von Tarifen genehmigungsfähig wären” (S. 84). ”Für 1994 ergibt sich ein angemessener Gewinn in Höhe von 611 Mio. DM. Die VEAG hatte aber einen Vorsteuergewinn von 1.735 Mio. DM erreicht. Der Gewinn der VEAG übersteigt den höchsten angemessenen Gewinn um 1.124 Mio. DM in 1994. Der Teil des Ergebnisses der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit, der den angemessenen Gewinn übersteigt, ist eine Monopolgewinn und von der VEAG den Kunden für die Vergangenheit zurückzugewähren. Für die Vergangenheit bedeutet dies einen Rückzahlungsanspruch der Kunden gegenüber der VEAG in Höhe von rund 2.640 Mio. DM und bezogen auf das Geschäftsjahr 1994 eine Preissenkungserfordernis von 2,24 Pf/kWh”(S. 90). ”Für das Jahr 1996 ergibt sich gegenüber 1994 eine Preissenkungserfordernis von 1.058 Mio. DM oder 2,1 Pf/kWh. Dies würde zu einem spezifischen Strompreis der VEAG von ca. 10,5 Pf/kWh führen”(Gutachten, S. 97).

Beim Vergleich der Strompreise zwischen alten und neuen Bundesländern ergibt sich eindeutig ein Preisgefälle zugunsten der alten Länder.

Schadensersatzansprüche

”Zivilrechtlich ist der Grundsatz der preiswürdigen Energieerzeugung über § 134 BGB in Verbindung mit § 315 BGB durchzusetzen. Daraus ergibt sich:

Preise, die in der Vergangenheit zu hoch waren, müssen rückwirkend (soweit weder Verwirkung noch Verjährung eingetreten ist) korrigiert werden. Aus der Sicht der Endverbraucher liegt der Schaden auf der Hand. Sie hätten bei angemessenem Strompreis in der Vergangenheit mehr im Portomonnaie behalten.

Für die Zukunft sind auf allen Marktstufen die Preise auf der Grundlage des vom BGH entwickelten Preisbestimmungskonzeptes zu kontrollieren und jeweils auf die angemessen Höhe zu bringen” (Gutachten, S. 223).

”Marktverhalten der VEAG”

Ein dreibändiges Gutachten bringt es an den Tag: Die großen West-EVU haben als Besitzer des Ost-Verbund-EVU VEAG den Stromkunden-Ost mehrere Milliarden Mark zuviel abverlangt und damit gegen geltendes Recht verstoßen. Die betroffenen Kunden, insbesondere Firmen sollten sich ihr Geld von der VEAG zurückholen. Wer als Firmenverantwortlicher auf diesen Rückzahlungsanspruch verzichtet, der verschenkt das Geld seiner Firma und haftet dafür mit seinem Privatvermögen. Die VEAG bestreitet die Vorwürfe.
Man darf auf den Ausgang dieser Auseinandersetzung gespannt sein.

Was ist zu tun?

Tarifkunden haben wenig Chancen auf Rückerstattung überhöhter Preise: Die Beträge sind gering und die Tarifgenehmigung schützt die EVU. Anders bei Sondervertragskunden: Hier gibt es keine genehmigten Tarife und es geht um höhere Summen, um die sich ein Streit lohnt. Auch wenn der Strom nicht direkt von der VEAG bezogen wird: Der Anspruch, so das Gutachten, besteht auch gegenüber einem Regionalversorger oder Stadtwerk, das seinerseits den Strom zu teuer von der VEAG bezogen hat. Der Bund der Energieverbraucher sammelt und vermittelt Adressen von Kunden, die eine gerichtliche Auseinandersetzung anstreben.

Tip

Zahlen Sie Ihre Stromrechnung unter Vorbehalt, um später die Rückerstattungsansprüche nicht zu verlieren oder verjähren zu lassen. Einige Stadtwerke werden gegen die VEAG klagen. Je nach Ausgang sind dann Anschlußklagen relativ erfolgversprechend.

Das LBD-Gutachten kann zumPreis von 200 DM bezogen werden bei:

Becker, Büttner & Partner
Fax: 030 / 611284099.

Gutachten der WIBERA zu den Strompreisen und den Lieferverträgen der Regionalversorgungsunternehmen (RVU) in den neuen Ländern.

Bei Abschluß der Strombezugsverträge mit den RVU waren die Stadtwerke in einer ungünstigen Position. Nach dem Stromvergleich hatten die Kommunen zwar einen Anspruch auf die örtlichen Anlagen und Netze; die Übertragung koppelten die RVU jedoch in der Regel an den Abschluß ihnen genehmer, für die Stadtwerke aber ungünstiger Bezugsverträge.

Das Gutachten der Wibera stellt eine erste systematische Untersuchung der Bezugspreise und Lieferverträge der Stadtwerke dar. Wesentliches Ergebnis ist, daß die Preise der RVU überhöht und die Verträge einseitig zum Nachteil der Stadtwerke konzipiert sind.

Obwohl alle 12 RVU ihren Strom nach einem Einheitsvertrag beziehen, sind die Bezugspreise sowie die Bezugskonditionen für die Stadtwerke höchst unterschiedlich. Die Preisunterschiede machen bis zu 15% aus. In der Regel sind sie deutlich ungünstiger als in Westdeutschland. Dies nährt den Verdacht, daß die Preise nicht, wie vom Gesetzgeber vorgeschrieben, ”kostenverursachungsgerecht” gestaltet sind. Durchschnittlich zahlen die ostdeutschen Stadtwerke um 2,5 Pf/kWh höhere Preise als in Westdeutschland. Hinzu kommt, daß die VEAG den RVU Preisnachlässe gewährt hat, die bislang nicht an die Stadtwerke weitergegeben wurden.

Trotz günstigerer Bezugspreise haben die RVU - mit Genehmigung der Preisbehörden - die Tarife erhöht. Stadtwerke wurden entsprechende Tariferhöhungen nicht genehmigt. Das bedeutet, daß die Preise der Stadtwerke für Haushalte sich im Schnitt deutlich unterhalb denen der RVU bewegen. Gravierend ist außerdem, daß drei östliche RVU von den Stadtwerken höhere Preise als von letztverbrauchenden Industriekunden verlangen - bei gleichen Abnahmeverhältnissen. Das hat zur Konsequenz, daß diese Stadtwerke große Industriekunden nicht oder nur mit Verlusten beliefern können.

Auch von der Kostenseite her werden die RVU-Preise unter die Lupe genommen. Die Gutachter kommen zu dem Ergebnis, daß die meisten RVU die aus den Kosten errechneten Preisobergrenzen unangemessen überschreiten. Berücksichtige man allein die zwischenzeitlich von der VEAG den RVU gewährten Preisnachlässe, sei ein Preissenkungsspielraum bis zu 1,1 Pf/kWh ab 1994 evident.

Die Analyse der Lieferverträge ergibt, so die Wibera, vielfältige Benachteiligungen ostdeutscher Stadtwerke gegenüber westdeutschen. Im Kern würden alle Risiken, die mit dem Bezug von elektrischer Leistung verbunden seien, auf die Stadtwerke verlagert - bei überhöhten Preisen. Auch hätten die RVU extrem lange Laufzeiten durchgesetzt ohne ausreichende Möglichkeiten für Vertragsanpassungen.

Kritisiert werden auch die Verträge über Reservelieferungen. Die von den RVU angebotenen Konditionen seien sehr unterschiedlich. Ein Vergleich deute auch hier auf überteuerte Angebote einiger RVU hin.

Quelle: Bund der Energieverbraucher e.V., Rheinstr. 8, 53619 Rheinbreitbach

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Gesetz zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Art.1 - Gesetz über die Elektrizitäts- und Gasversorgung

Energiewirtschaftsgesetz - EnWG

vom 29. 4. 1998 (BGBl. I S. 730)

§ 1 - Zweck des Gesetzes

Zweck des Gesetzes ist eine möglichst sichere, preisgünstige und umweltverträgliche leitungsgebundene Versorgung mit Elektrizität und Gas im Interesse der Allgemeinheit.

§ 2 - Begriffsbestimmungen

(1) Energie sind Elektrizität und Gas, soweit sie zur leitungsgebundenen Energieversorgung verwendet werden.

(2) Energieanlagen sind Anlagen zur Erzeugung, Fortleitung oder Abgabe von Energie, soweit sie nicht lediglich der Übertragung von Signalen dienen.

(3) Energieversorgungsunternehmen sind alle Unternehmen und Betriebe, die andere mit Energie versorgen oder ein Netz für die allgemeine Versorgung betreiben.

(4) Umweltverträglichkeit bedeutet, daß die Energieversorgung den Erfordernissen eines rationellen und sparsamen Umgangs mit Energie genügt, eine schonende und dauerhafte Nutzung von Ressourcen gewährleistet ist und die Umwelt möglichst wenig belastet wird. Der Nutzung von Kraft-Wärme-Kopplung und erneuerbaren Energien kommt dabei besondere Bedeutung zu.

(5) Die Abnahme- und Vergütungspflicht für die Einspeisung von Elektrizität aus erneuerbaren Energien in das Netz für die allgemeine Versorgung richtet sich nach dem Stromeinspeisungsgesetz.

§ 3 - Genehmigung der Energieversorung

(1) Die Aufnahme der Energieversorgung anderer bedarf der Genehmigung durch die Behörde. Die Genehmigungspflicht unterliegen nicht

    1. die Einspeisung in das Netz eines Energieversorgungsunternehmens;

    2. die Versorgung von Abnehmern außerhalb der allgemeinen Versorgung im Sinne des § 10 Abs. 1, sofern die Belieferung überwiegend aus Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien, aus Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen oder aus Anlagen erfolgt, die Industrieunternehmen zur Deckung des Eigenbedarfs betreiben sowie

    3. die Versorgung verbundener Unternehmen im Sinne des § 15 des Aktiengesetzes.

(2) Die Genehmigung darf nur versagt werden, wenn

    1. der Antragsteller nicht die personelle, technische und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit besitzt, um die vorgesehene Energieversorgung entsprechend den Zielen und Vorschriften dieses Gesetzes auf Dauer zu gewährleisten, oder

    2. bei Aufnahme der Elektrizitätsversorgung die beantragte Versorgungstätigkeit zu ungünstigeren Versorgungsbedingungen für die betroffenen Abnehmer insgesamt führen würde oder sich für das verbleibende Gebiet des bisherigen Versorgers erhebliche Nachteile ergeben würden; dabei ist das Ziel einer möglichst sicheren, preisgünstigen und umweltverträglichen Energieversorgung angemessen zu berücksichtigen.

§ 4 - Betrieb des Elektrizitätsversorgungsnetzes

(1) Elektrizitätsversorgungsunternehmen sind zu einem Betrieb ihres Versorgungsnetzes verpflichtet, der eine Versorgung entsprechend den Zielen des § 1 sicherstellt.

(2) Die Betreiber des Übertragungsnetzes für Elektrizität sind verpflichtet, technische Mindestanforderungen für den Anschluß an dieses Netz festzulegen und zu veröffentlichen. Die Anforderungen sind der Behörde sowie der Europäischen Kommission mitzuteilen.

(3) Die Betreiber des Übertragungsnetzes für Elektrizität sind verpflichtet, objektive Kriterien für die Einspeisung aus Erzeugungsanlagen und die Benutzung von Verbindungsleitungen festzulegen und diskriminierungsfrei anzuwenden. Die Kriterien sind zu veröffentlichen.

(4) Das Übertragungsnetz ist als eigene Betriebsabteilung, getrennt von Erzeugung und Verteilung sowie von den übrigen Tätigkeiten, die nicht mit ihm zusammenhängen, zu führen.

§ 5 - Zugang zum Elektrizitätsversorgungsnetz

Der Zugang zum Elektrizitätsversorgungsnetz erfolgt, vorbehaltlich des § 7, nach dem System des verhandelten Netzzugangs.

§ 6 -Verhandelter Netzzugang

(1) Betreiber von Elektrizitätsversorgungsnetzen haben anderen Unternehmen das Versorgungsnetz für Durchleitungen zu Bedingungen zur Verfügung zu stellen, die nicht ungünstiger sind, als sie von ihnen in vergleichbaren Fällen für Leistungen innerhalb ihres Unternehmens oder gegenüber verbundenen oder assoziierten Unternehmen, tatsächlich oder kalkulatorisch in Rechnung gestellt werden. Dies gilt nicht, soweit der Betreiber nachweist, daß ihm die Durchleitung aus betriebsbedingten oder sonstigen Gründen unter Berücksichtigung der Ziele des § 1 nicht möglich oder nicht zumutbar ist. Die Ablehnung ist schriftlich zu begründen. § 22 Abs. 4 und § 26 Abs. 2 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen bleiben unberührt.

(2) Das Bundesministerium für Wirtschaft kann, soweit dies zur Erreichung der Ziele des § 1 und zur Gewährleistung wirksamen Wettbewerbs erforderlich ist, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Gestaltung der Verträge nach Absatz 1 regeln und Kriterien zur Bestimmung von Durchleitungsentgelten festlegen.

(3) Bei der Beurteilung der Zumutbarkeit nach Absatz 1 Satz 2 ist besonders zu berücksichtigen, inwieweit dadurch Elektrizität aus fernwärmeorientierten, umwelt- und ressourcenschonenden sowie technisch-wirtschaftlich sinnvollen Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen oder aus Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien verdrängt und ein wirtschaftlicher Betrieb dieser Anlagen verhindert würde, wobei Möglichkeiten zum Verkauf dieser Elektrizität an Dritte zu nutzen sind.

(4) Die Betreiber des Elektrizitätsversorgungsnetzes veröffentlichen jährlich, erstmals im Jahr 2000, Richtwerte zur Spanne der Durchleitungsentgelte. In den folgenden Jahren sollen die Angaben auf dem Durchschnitt der in den vergangenen zwölf Monaten ausgehandelten Entgelte beruhen.

§ 7 - Netzzugangsalternative

(1) Die Behörde erteilt Elektrizitätsversorgungsunternehmen für die Versorgung von Letztverbrauchern eine Bewilligung, durch die die Anwendung des § 5 ausgeschlossen wird. Die Bewilligung setzt voraus, daß der Netzzugang nach den Absätzen 2 bis 5 erfolgt und zu erwarten ist, daß dieser Netzzugang zu gleichwertigen wirtschaftlichen Ergebnissen und daher zu einer direkt vergleichbaren Marktöffnung sowie einem direkt vergleichbaren Zugang zu den Elektrizitätsmärkten führt. Die Bewilligung darf nur einheitlich für das gesamte Gebiet, in dem das Elektrizitätsversorgungsunternehmen die allgemeine Versorgung durchführt, oder für alle von ihm versorgten Gebiete einer Gemeinde erteilt werden.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 ist das Elektrizitätsversorgungsunternehmen verpflichtet, die Elektrizität abzunehmen, die ein Letztverbraucher, der im Gebiet, auf das sich die Bewilligung nach Absatz 1 bezieht, ansässig ist, bei einem anderen Elektrizitätsversorgungsunternehmen gekauft hat. § 6 Abs. 1 Satz 2 bis 4 und Abs. 3 findet entsprechende Anwendung.

(3) Die Vergütung für nach Absatz 2 abzunehmende Elektrizität muß mindestens dem vom Letztverbraucher an das versorgende Elektrizitätsversorgungsunternehmen zu zahlenden Preis, vermindert um den Tarif für die Nutzung des Versorgungsnetzes, entsprechen. § 6 Abs. 1 Satz 1 gilt dabei entsprechend. Dieser Tarif bedarf der Genehmigung durch die Behörde und ist durch das Elektrizitätsversorgungsunternehmen öffentlich bekanntzumachen.

(4) Die Tätigkeiten des Elektrizitätsversorgungsunternehmens nach den Absätzen 2 und 3 sind getrennt von der Erzeugungs- und Verteilungstätigkeit zu verwalten. Es dürfen keine Informationen zwischen den Tätigkeiten nach den Absätzen 2 und 3 und den Erzeugungs- und Verteilungsaktivitäten vermittelt werden, es sei denn, daß diese Informationen für die Erfüllung der Aufgaben nach den Absätzen 2 und 3 erforderlich sind.

(5) Das Bundesministerium für Wirtschaft kann, soweit dies zur Erreichung der Ziele des § 1 und zur Gewährleistung wirksamen Wettbewerbs erforderlich ist, materiellrechtliche Einzelheiten zu den in den Absätzen 1 bis 4 getroffenen Regelungen durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates festlegen.

§ 8 - Überprüfung der Netzzugangsregelung

Das Bundesministerium für Wirtschaft hat dem Deutschen Bundestag im Jahr 2003 über die Erfahrungen mit den Wettbewerbsbedingungen der Regelungen zum verhandelten Netzzugang und zur Netzzugangsalternative zu berichten. Nach Auswertung dieser Erfahrungen und der einschlägigen Rechtsprechung soll darüber entschieden werden, ob zur Erreichung der Ziele des § 1 und zur Gewährleistung wirksamen Wettbewerbs Änderungen der Regelung des Netzzugangs erforderlich sind, damit gleichwertige Marktöffnung sowie ein direkt vergleichbarer Zugang zu den Elektrizitätsmärkten erreicht werden. Sofern im Rahmen dieser Überprüfungen keine andere Regelung getroffen wird, treten die Bewilligungen nach § 7 Abs. 1 spätestens am 31. Dezember 2005 außer Kraft.

§ 9 - Rechnungslegung der Elektrizitätsversorgungsunternehmen

(1) Elektrizitätsversorgungsunternehmen der allgemeinen Versorgung haben, auch wenn sie nicht in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft betrieben werden, einen Jahresabschluß nach den für Kapitalgesellschaften geltenden Vorschriften des Ersten und Dritten Unterabschnitts des Zweiten Abschnitts des Dritten Buchs des Handelsgesetzbuchs aufzustellen und prüfen zu lassen. Soweit eine Verpflichtung zur Offenlegung nach den §§ 325 bis 329 des Handelsgesetzbuchs nicht besteht, ist eine Ausfertigung des Jahresabschlusses in der Hauptverwaltung zur Einsicht bereitzuhalten.

(2) Elektrizitätsversorgungsunternehmen der allgemeinen Versorgung haben in ihrer Buchführung getrennte Konten für die Bereiche Erzeugung, Übertragung und Verteilung sowie für Aktivitäten außerhalb des Elektrizitätsbereichs zu führen. Sie haben für jede Aktivität und die zusammengefaßten Aktivitäten außerhalb des Elektrizitätsbereichs eine Bilanz sowie eine Gewinn- und Verlustrechnung in den Anhang ihres Jahresabschlusses aufzunehmen. Soweit dabei eine direkte Zuordnung zu den einzelnen Aktivitäten nicht möglich ist oder mit unvertretbarem Aufwand verbunden wäre, hat die Zuordnung durch Schlüsselung der Konten, die sachgerecht und für Dritte nachvollziehbar sein muß, zu erfolgen.

(3) Im Anhang zum Jahresabschluß sind die Regeln anzugeben, nach denen die Gegenstände des Aktiv- und Passivvermögens sowie die ausgewiesenen Aufwendungen und Erträge den Konten nach Absatz 2 zugewiesen werden. Änderungen dieser Regeln in Ausnahmefällen sind zu erläutern und zu begründen.

(4) Im Anhang zum Jahresabschluß sind die Geschäfte größeren Umfangs, die mit verbundenen oder assoziierten Unternehmen oder mit Unternehmen derselben Aktionäre getätigt worden sind, gesondert darzustellen.

§ 10 - Allgemeine Anschluß- und Versorgungspflicht

(1) Energieversorgungsunternehmen haben für Gemeindegebiete, in denen sie die allgemeine Versorgung von Letztverbrauchern durchführen, Allgemeine Bedingungen und Allgemeine Tarife für die Versorgung in Niederspannung oder Niederdruck öffentlich bekanntzugeben und zu diesen Bedingungen und Tarifen jedermann an ihr Versorgungsnetz anzuschließen und zu versorgen. Diese Pflicht besteht nicht, wenn der Anschluß oder die Versorgung für das Energieversorgungsunternehmen aus wirtschaftlichen Gründen nicht zumutbar ist. Unterschiedliche Allgemeine Tarife für verschiedene Gemeindegebiete sind nicht zulässig, es sei denn, daß hierfür ein sachlich gerechtfertigter Grund nachgewiesen wird, dadurch für keinen Kunden eine Preiserhöhung entsteht und die Preisunterschiede für alle Kunden zumutbar sind.

(2) Wer zur Deckung des Eigenbedarfs eine Anlage zur Erzeugung von Energie betreibt oder sich von einem Dritten versorgen läßt, kann sich nicht auf die allgemeine Anschluß- und Versorgungspflicht nach Absatz 1 Satz 1 berufen. Er kann aber Anschluß und Versorgung im Umfang und zu Bedingungen verlangen, die für das Energieversorgungsunternehmen wirtschaftlich zumutbar sind. Satz 1 gilt nicht für die Deckung des Eigenbedarfs von Tarifabnehmern aus Anlagen der Kraft-Wärme-Kopplung bis 30 Kilowatt elektrischer Leistung und aus erneuerbaren Energien.

(3) Das Bundesministerium für Wirtschaft kann durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates regeln, in welchem Umfang und zu welchen Bedingungen Anschluß und Versorgung nach Absatz 2 Satz 2 wirtschaftlich zumutbar sind. Dabei sind die Interessen der Energieversorgungsunternehmen und der Abnehmer unter Beachtung des Ziels einer möglichst sicheren, preisgünstigen und umweltverträglichen Energieversorgung angemessen zu berücksichtigen.

§ 11 - Allgemeine Tarife und Versorgungsbedingungen

(1) Das Bundesministerium für Wirtschaft kann durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Gestaltung der Allgemeinen Tarife der Elektrizitätsversorgungsunternehmen unter Berücksichtigung des Gesetzeszweckes regeln und diese Tarife von einer Genehmigung abhängig machen. Es kann dabei Bestimmungen über Inhalt und Aufbau der Tarife treffen sowie die tariflichen Rechte und Pflichten der Elektrizitätsversorgungsunternehmen und ihrer Abnehmer regeln. Es kann bestimmen, daß bei der Genehmigung der Tarife Aufwendungen eines Elektrizitätsversorgungsunternehmens für Maßnahmen zur sparsamen und rationellen Verwendung von Elektrizität bei den Abnehmern bei der Feststellung der Kosten- und Erlöslage des Unternehmens anerkannt werden, sofern diese Maßnahmen elektrizitätswirtschaftlich rationeller Betriebsführung entsprechen und den Wettbewerb nicht verzerren.

(2) Das Bundesministerium für Wirtschaft kann durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Allgemeinen Bedingungen für die Belieferung von Tarifabnehmern mit Energie angemessen gestalten und dabei die Bestimmungen der Verträge einheitlich festsetzen und Regelungen über den Vertragsabschluß, den Gegenstand und die Beendigung der Verträge treffen sowie Rechte und Pflichten der Vertragspartner festlegen. Hierbei sind die beiderseitigen Interessen angemessen zu berücksichtigen. Dem Interesse des Anschlußnehmers an kostengünstigen Lösungen ist dabei besonderes Gewicht beizumessen. Die Sätze 1 bis 3 gelten entsprechend für Bedingungen öffentlich-rechtlich gestalteter Versorgungsverhältnisse mit Ausnahme der Regelung des Verwaltungsverfahrens.

§ 12 - Enteignung

(1) Die Entziehung oder die Beschränkung von Grundeigentum oder von Rechten am Grundeigentum im Wege der Enteignung ist zulässig, soweit sie für Vorhaben zum Zwecke der Energieversorgung erforderlich ist.

(2) Die Zulässigkeit der Enteignung nach Absatz 1 stellt die Behörde fest.

(3) Das Enteignungsverfahren wird durch Landesrecht geregelt.

§ 13 - Wegenutzungsverträge

(1) Gemeinden haben ihre öffentlichen Verkehrswege für die Verlegung und den Betrieb von Leitungen, einschließlich Fernwirkleitungen zur Netzsteuerung und Zubehör, zur unmittelbaren Versorgung von Letztverbrauchern diskriminierungsfrei durch Vertrag zur Verfügung zu stellen. § 6 Abs. 3 gilt für Elektrizitätsversorgungsleitungen bis zum Ablauf der Frist gemäß § 8 entsprechend. Unbeschadet ihrer Verpflichtungen nach Satz 1 können die Gemeinden den Abschluß von Verträgen ablehnen, solange das Elektrizitätsversorgungsunternehmen die Zahlung von Konzessionsabgaben in Höhe der Höchstsätze nach § 14 Abs. 2 verweigert und eine Einigung über die Höhe der Konzessionsabgaben noch nicht erzielt ist.

(2) Verträge von Energieversorgungsunternehmen mit Gemeinden über die Nutzung öffentlicher Verkehrswege für die Verlegung und den Betrieb von Leitungen zur Durchführung der allgemeinen Versorgung nach § 10 Abs. 1 Satz 1 im Gemeindegebiet dürfen höchstens für eine Laufzeit von 20 Jahren abgeschlossen werden. Werden solche Verträge nach ihrem Ablauf nicht verlängert, so ist das bisher versorgende Unternehmen verpflichtet, seine für die allgemeine Versorgung im Gemeindegebiet notwendigen Verteilungsanlagen dem neuen Energieversorgungsunternehmen gegen Zahlung einer wirtschaftlich angemessenen Vergütung zu überlassen.

(3) Die Gemeinden machen spätestens zwei Jahre vor Ablauf von Verträgen nach Absatz 2 das Vertragsende in geeigneter Form bekannt. Sofern sich mehrere Unternehmen bewerben, macht die Gemeinde bei Neuabschluß oder Verlängerung von Verträgen nach Absatz 2 ihre Entscheidung unter Angabe der maßgeblichen Gründe öffentlich bekannt.

(4) Die Absätze 2 und 3 finden für Eigenbetriebe der Gemeinden entsprechend Anwendung.

(5) Die Aufgaben und Zuständigkeiten der Kartellbehörden nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen bleiben unberührt.

§ 14 - Konzessionsabgaben

(1) Konzessionsabgaben sind Entgelte, die Energieversorgungsunternehmen für die Einräumung des Rechts zur unmittelbaren Versorgung von Letztverbrauchern im Gemeindegebiet mit Energie mittels Benutzung öffentlicher Verkehrswege für die Verlegung und den Betrieb von Leitungen entrichten.

(2) Das Bundesministerium für Wirtschaft kann durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Zulässigkeit und Bemessung der Konzessionsabgaben regeln. Es kann dabei jeweils die Elektrizität oder Gas, für verschiedene Kundengruppen und Verwendungszwecke und gestaffelt nach der Einwohnerzahl der Gemeinden unterschiedliche Höchstsätze in Pfennigen je gelieferter Kilowattstunde festsetzen.

(3) Konzessionsabgaben sind in der vertraglich vereinbarten Höhe auch für Energie zu zahlen, die mittels Durchleitung an Letztverbraucher im Gemeindegebiet geliefert wird.

(4) Die Pflicht zur Zahlung der vertraglich vereinbarten Konzessionsabgaben besteht auch nach Ablauf der Konzessionsvertrages für ein Jahr fort, es sei denn, daß zwischenzeitlich eine anderweitige Regelung getroffen wird.

§ 15 - Konzessionsabgaben für die Wasserversorgung

Für die Belieferung von Letztverbrauchern im Rahmen der öffentlichen Wasserversorgung gilt § 14 entsprechend.

§ 16 - Anforderungen an Energieanlagen

(1) Energieanlagen sind so zu errichten und zu betreiben, daß die technische Sicherheit gewährleistet ist. Dabei sind vorbehaltlich sonstiger Rechtsvorschriften die allgemein anerkannten Regeln der Technik zu beachten.

(2) Die Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik wird vermutet, wenn bei Anlagen zur Erzeugung, Fortleitung und Abgabe

    1. von Elektrizität die technischen Regeln des Verbandes Deutscher Elektrotechniker,

    2. von Gas die technischen Regeln des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfachs e. V.

eingehalten worden sind.

(3) Bei Anlagen oder Bestandteilen von Anlagen, die nach den in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum geltenden Regelungen oder Anforderungen rechtmäßig hergestellt und in den Verkehr gebracht wurden und die gleiche Sicherheit gewährleisten, ist davon auszugehen, daß die Anforderungen nach Absatz 1 an die Beschaffenheit der Anlagen erfüllt sind. In begründeten Einzelfällen ist auf Verlangen der Behörde nachzuweisen, daß die Anforderungen nach Satz 1 erfüllt sind.

(4) Das Bundesministerium für Wirtschaft kann, soweit Fragen des Arbeitsschutzes betroffen sind, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung, Rechtsverordnungen mit Zustimmung des Bundesrates über Anforderungen an die technische Sicherheit von Energieanlagen erlassen.

§ 17 - Vorratshaltung zur Sicherung der Energieversorgung

Das Bundesministerium für Wirtschaft wird ermächtigt, zur Sicherung der Energieversorgung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates

    1. Vorschriften zu erlassen über die Verpflichtung von Energieversorgungsunternehmen sowie solcher Eigenerzeuger von Elektrizität, deren Kraftwerke eine elektrische Nennleistung von mindestens 100 Megawatt aufweisen, für ihre Anlagen zur Erzeugung von

      a) Elektrizität ständig diejenigen Mengen an Mineralöl, Kohle oder sonstigen fossilen Brennstoffen,

      b) Gas aus Flüssiggas ständig diejenigen Mengen an Flüssiggas

    als Vorrat zu halten, die erforderlich sind, um 30 Tage ihrer Abgabeverpflichtungen an Elektrizität oder Gas erfüllen oder ihren eigenen Bedarf an Elektrizität decken zu können,

    2. Vorschriften zu erlassen über die Freistellung von einer solchen Vorratspflicht und die zeitlich begrenzte Freigabe von Vorratsmengen, soweit dies erforderlich ist, um betriebliche Schwierigkeiten zu vermeiden oder die Brennstoffversorgung aufrechtzuerhalten,

    3. den für die Berechnung der Vorratsmengen maßgeblichen Zeitraum zu verlängern, soweit dies erforderlich ist, um die Vorratspflicht an Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaften über Mindestvorräte fossiler Brennstoffe anzupassen.

§ 18 - Aufsichtsmaßnahmen, Auskunftspflicht, Betretungsrecht

(1) Die Behörde überwacht die Einhaltung der Vorschriften dieses Gesetzes. Sie kann im Einzelfall die erforderlichen Maßnahmen zur Durchführung des Gesetzes anordnen.

(2) Die Energieversorgungsunternehmen haben auf Verlangen der Behörde Auskünfte über technische und wirtschaftliche Verhältnisse zu geben, die zur Überwachung der sich aus diesem Gesetz ergebenden Pflichten erforderlich sind. Der Auskunftspflichtige kann die Auskunft auf solche Fragen verweigern, deren Beantwortung ihn selbst oder einen in § 383 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 der Zivilprozeßordnung bezeichneten Angehörigen der Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung oder eines Verfahrens nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten aussetzen würde.

(3) Die von der Behörde mit der Aufsicht beauftragten Personen sind berechtigt, Betriebsgrundstücke, Geschäftsräume und Einrichtungen der Energieversorgungsunternehmen zu betreten, dort Prüfungen vorzunehmen sowie die geschäftlichen und betrieblichen Unterlagen der Energieversorgungsunternehmen einzusehen, soweit dies zur Überwachung der sich aus diesem Gesetz ergebenden Pflichten erforderlich ist. Das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 des Grundgesetzes) wird insoweit eingeschränkt.

§ 19 - Bußgeldvorschriften

(1) Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig

    1. ohne Genehmigung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 die Energieversorgung aufnimmt,

    2. entgegen § 18 einer Anordnung nicht Folge leistet oder eine Auskunft nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig erteilt oder

    3. einer nach § 17 dieses Gesetzes oder nach dem bisher geltenden Energiewirtschaftsgesetz erlassenen Rechtsverordnung zuwiderhandelt, soweit sie für einen bestimmten Tatbestand auf diese Bußgeldvorschrift verweist.

(2) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu zweihunderttausend Deutsche Mark geahndet werden.

(3) Soweit in Bußgeldvorschriften, die nach dem Energiewirtschaftsgesetz in der bisher geltenden Fassung erlassen sind, auf § 15 Abs. 2 Nr. 4 verwiesen wird, gelten diese Verweisungen als Verweisungen auf Absatz 1 Nr. 3.
 

Artikel 2: Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen

Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen in der Fassung der Bekanntmachung vom 20.2. 1990 (BGBl. I. S. 235), zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 26.1. 1998 (BGBl. I S. 156, 340), wird wie folgt geändert:

Nach § 103a wird folgender § 103b eingefügt:

§ 103b: Die §§ 103 und 103a sind auf die Versorgung mit Elektrizität und Gas nicht mehr anzuwenden. Für die Versorgung mit Wasser gelten sie bis zur Aufhebung durch Bundesgesetz fort.
 

Artikel 3: Änderung sonstiger Gesetze

  1. § 18 des Gerätesicherheitsgesetztes in der Fassung der Bekanntmachung vom 23.10. 1992 (BGBl. I S. 1793), zuletzt geändert durch § 14 Abs. 6 des Gesetzes vom 19.7. 1996 (BGBl. I S. 1019), wird gestrichen.
  2. Das Stromeinspeisungsgesetz vom 7.12. 1990 (BGBl. I S. 2633), geändert durch Artikel 5 des Gesetzes vom 19.4. 1994 (BGBl. I S. 1618), wird wie folgt geändert:

Die §§ 1 bis 4 werden durch folgende §§ 1 bis 4a ersetzt:

§ 1 - Anwendungsbereich

Dieses Gesetz regelt die Abnahme und die Vergütung von Strom, der ausschließlich aus Wasserkraft, Windkraft, Sonnenenergie, Deponiegas, Klärgas oder aus Biomasse im Geltungsbereich dieses Gesetzes gewonnen wird, durch öffentliche Elektrizitätsversorgungsunternehmen. Nicht erfaßt wird Strom

  1. aus Wasserkraftwerken, Deponiegas- oder Klärgasanlagen oder aus Anlagen, in denen der Strom aus Biomasse gewonnen wird, mit einer installierten Generatorleistung über 5 Megawatt sowie
  2. aus Anlagen, die zu über 25 vom Hundert der Bundesrepublik Deutschland, einem Bundesland, öffentlichen Elektrizitätsversorgungsunternehmen oder Unternehmen gehören, die mit ihnen im Sinne des § 15 des Aktiengesetzes verbunden sind, es sei denn, daß aus diesen Anlagen nicht in ein Versorgungsgebiet dieser Unternehmen eingespeist werden kann.

§ 2 - Abnahmepflicht

Elektrizitätsversorgungsunternehmen, die ein Netz für die allgemeine Versorgung betrieben, sind verpflichtet, den in ihrem Versorgungsgebiet erzeugten Strom aus erneuerbarer Energie abzunehmen und den eingespeisten Strom nach § 3 zu vergüten. Für Strom aus Erzeugungsanlagen, die sich nicht im Versorgungsgebiet eines Netzbetreibers befinden, trifft diese Verpflichtung das Unternehmen, zu dessen für die Einspeisung geeignetem Netz die kürzeste Entfernung von Standorten der Anlage besteht. Mehrkosten auf Grund der §§ 2 und 4 können bei der Rechnungslegung der Verteilung oder Übertragung zugeordnet und bei der Ermittlung eines Durchleitungsentgelts in Ansatz gebracht werden.

§ 3 - Höhe der Vergütung

(1) Die Vergütung beträgt für Strom aus Wasserkraft, Deponiegas, Klärgas sowie aus Biomasse mindestens 80 vom Hundert des Durchschnittserlöses je Kilowattstunden aus der Stromabgabe von Elektrizitätsversorgungsunternehmen an alle Letztverbraucher. Bei einem Wasserkraftwerk, einer Deponiegas- oder Klärgasanlage mit einer Leistung über 500 Kilowatt gilt dies nur für den Teil des eingespeisten Stroms des jeweiligen Abrechnungsjahres, der dem Verhältnis von 500 Kilowatt zur Leistung der Anlage in Kilowatt entspricht; dabei bemißt sich die Leistung nach dem Jahresmittel der in den einzelnen Monaten gemessenen höchsten elektrischen Wirkleistung. Der Preis für den sonstigen Strom beträgt mindestens 65 vom Hundert des Durchschnittserlöses nach Satz 1.

(2) Für Strom aus Sonnenenergie und Windkraft beträgt die Vergütung mindestens 90 vom Hundert des in Absatz 1 Satz 1 genannten Durchschnittserlöses.

(3) Der nach den Absätzen 1 und 2 maßgebliche Durchschnittserlös ist der in der amtlichen Statistik des Bundes jeweils für das vorletzte Kalenderjahr veröffentlichte Wert ohne Umsatzsteuer in Pfennigen pro Kilowattstunde. Bei der Berechnung der Vergütung nach den Absätzen 1 und 2 ist auf zwei Stellen hinter dem Komma zu runden.

§ 4 - Härteklausel

(1) Soweit die nach diesem Gesetz zu vergütenden Kilowattstunden 5 vom Hundert der vom Elektrizitätsversorgungsunternehmen im Kalenderjahr insgesamt über sein Versorgungsnetz abgesetzten Kilowattstunden übersteigen, ist der vorgelagerte Netzbetreiber verpflichtet, dem aufnehmenden Elektrizitätsversorgungsunternehmen die Mehrkosten, die durch die diesen Anteil übersteigenden Kilowattstunden entstehen, zu erstatten. Zu diesen Mehrkosten zählt bei vorgelagerten Netzbetreibern auch die Belastung mit dem Erstattungsanspruch nach Satz 1. Ist ein vorgelagerter Netzbetreiber nicht vorhanden, so entfällt für diejenigen Elektrizitätsversorgungsunternehmen, bei denen die in den Sätzen 1 und 2 bezeichneten Voraussetzungen vorliegen, mit Beginn des Kalenderjahres, das auf den Eintritt dieser Voraussetzungen folgt, die Pflicht nach § 2 Satz 1 bei Anlagen, die zu diesem Zeitpunkt in wesentlichen Teilen noch nicht errichtet waren; bei Windkraftanlagen ist insoweit die Aufstellung von Mast und Rotor maßgeblich.

(2) Die Verpflichtungen nach den §§ 2 und 3 bestehen nicht, soweit ihre Einhaltung auch bei Anwendung der Erstattungsregelung nach Absatz 1 eine unbillige Härte darstellt. In diesem Fall gehen die Verpflichtungen auf den vorgelagerten Netzbetreiber über.

(3) Eine unbillige Härte liegt insbesondere vor, wenn das Elektrizitätsversorgungsunternehmen seine Stromabgabepreise spürbar über die Preise gleichartiger oder vorgelagerter Elektrizitätsversorgungsunternehmen hinaus anheben müßte.

(4) Das Bundesministerium für Wirtschaft hat dem Deutschen Bundestag spätestens im Jahr 1999, in jedem Fall aber so rechtzeitig über die Auswirkungen der Härteklausel zu berichten, daß vor Eintreten der Folgen nach Absatz 1 Satz 3 eine andere Ausgleichsregelung getroffen wird.

§ 4a- Selbstverpflichtung zugunsten erneuerbarer Energien und Kraft-Wärme-Kopplung

(1) Die Bundesregierung wirkt darauf hin, daß die Elektrizitätsversorgungsunternehmen im Wege freiwilliger Selbstverpflichtung zusätzliche Maßnahmen zur Steigerung des Anteils der Elektrizitätserzeugung aus erneuerbaren Energien und aus Kraft-Wärme-Kopplung treffen.

(2) Die Bundesregierung kann nach Anhörung der beteiligten Kreise Ziele festlegen, die in angemessener Frist erreicht werden sollen. Sie wird jeweils nach zwei Jahren dem Deutschen Bundestag Bericht erstatten.
 

Artikel 4: Übergangsvorschriften

§ 1 - Laufende Konzessionsverträge

Laufende Konzessionsverträge einschließlich der vereinbarten Konzessionsabgaben, bleiben trotz Wegfalls der Ausschließlichkeit im übrigen unberührt.

§ 2 - Schutzklausel

Bis zum 31.12. 2006 können Elektrizitätsversorgungsunternehmen den Netzzugang für Elektrizität, die aus dem Ausland geliefert werden soll, ablehnen, soweit der zu beliefernde Abnehmer dort nicht ebenfalls durch Dritte beliefert werden könnte.

§ 3 - Neue Länder

(1) Bei der Beurteilung, ob die Ablehnung des Netzzugangs zur Belieferung von Abnehmern in den Ländern Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen mit Elektrizität gemäß Artikel 1 §§ 6 und 7 unzulässig oder im Sinne des § 22 Abs. 4 und § 26 Abs. 2 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen mißbräuchlich, diskriminierend oder unbillig behindernd ist, ist die Notwendigkeit einer ausreichend hohen Verstromung von Braunkohle aus diesen Ländern besonders zu berücksichtigen.

(2) Das Bundesministerium für Wirtschaft hat dem Deutschen Bundestag im Jahre 2002 über die Auswirkungen dieser Regelung auf die Braunkohleverstromung und Strompreisentwicklung in den Ländern nach Absatz 1 zu berichten. Sofern auf der Grundlage dieses Berichts keine Verlängerung bis zum 31.12. 2005 vorgenommen wird, tritt diese Übergangsvorschrift am 21.12. 2003 außer Kraft.

(3) Absatz 1 gilt für die Verlegung von Elektrizitätsversorgungsleitungen gemäß Artikel 1 § 13 Abs. 1 entsprechend.
 

Artikel 5 - Inkrafttreten, Außerkrafttreten

(1) Dieses Gesetz tritt am Tage nach Verkündung in Kraft.

(2) Gleichzeitig treten außer Kraft:

  1. das Energiewirtschaftsgesetz in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 752-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 19.12. 1977 (BGBl. I S. 2750),
  2. die Zweite Verordnung zur Durchführung des Energiewirtschaftsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 14.1. 1987 (BGBl. I S. 146)
  3. die Dritte Verordnung zur Durchführung des Energiewirtschaftsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 12.12. 1985 (BGBl. I S. 2253), geändert durch Artikel 10 der Verordnung vom 12.12. 1996 (BGBl. I S. 1914), und
  4. die Bundestarifordnung Gas in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 721-4. veröffentlicheten bereinigten Fassung, geändert durch § 35 der Verordnung vom 21.6. 1979 (BGBl. I S. 676).

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