Startseite von www.TagebauWeb.de Tagebau Hambach I   Autobahn 4    Bundesstraße 477   950MW Block Niederaußem  Hambacher Forst    Hambach Kohlebahn  Hambacher Leck  Grünes Bauernopfer  Hambach  Leserbriefe  Downloads   Aktuelle_Presse     Aktuelle Termine   Historie  Bilddokumentation   Stichwörter    Unsere Ziele  Umweltlinks 

 

Copyright lt. Quellennachweis Die Redaktion recherchiert nach eigenem Ermessen, ohne Anspruch auf Vollständigkeit und Richtigkeit zu erheben, in den genannten Quellen.

Pressearchiv 1998 Garzweiler


Fraktionschef steht zur Kohle und vertraut auf Zusagen

Arbeitnehmer sind optimistisch - Appell an Umsiedler

Erftkreis - Die SPD-Fraktion im nordrhein-westfälischen Landtag erwartet die Erneuerung des RWE-Kraftwerkparks, heißt es in einer offiziellen Mitteilung. Und Professor Manfred Dammeyer, neuer Vorsitzender der Fraktion und Nachfolger von Klaus Matthiesen, ließ am Freitag bei einem Besuch im Tagebau Garzweiler keinen Zweifel: "Ich gehe davon aus, daß das zwischen der Landesregierung und dem RWE-Konzern ausgehandelte Kraftwerk-Erneuerungsprogramm zügig umgesetzt wird", sagte Dammeyer im Schatten des Kohlebaggers 284 direkt im Tagebau.

Daß der neue Mann an der Spitze der Düsseldorfer Fraktion beim Thema Braunkohle ähnliche Töne anschlägt, wie sein Vorgänger Matthiesen, hatten die Vertreter des Gesamtbetriebsrates zuvor wohlwollend vernommen. Kein Wenn und Aber, auch Dammeyer stehe zur Kohle - und zum Anschlußtagebau Garzweiler II, sagte der Vorsitzende des Gesamtbetriebsrates, Erwin Winkel. Zusammen mit dem Fraktionschef, einigen SPD-Parlamentariern, darunter der Kerpener Abgeordneten Hans Krings, und Vertretern des Rheinbraun-Vorstands hatte Winkel am Morgen Gespräche geführt. Sein Fazit: "Die Arbeitnehmervertreter sind optimistisch." Winkel betonte, der Tagebau Garzweiler sei der erste Großbetrieb, den Dammeyer besuche. Das spreche für sich.

Keine Zweifel

"Die jetzt noch ausstehenden Genehmigungen werden zügig erteilt", sagte Dammeyer. Da könne es keine Irritationen mehr geben. Damit habe das Unternehmen Rheinbraun die geforderte Planungssicherheit. Und damit seien auch Zweifel am Zeitplan ausgeräumt. Der Fraktionsvorsitzende vertraut darauf, daß die RWE Energie AG ihre Zusagen zur Modernisierung der Braunkohle-Kraftwerke einhält. Rheinbraun-Vorstand Bernd J. Breloer versicherte, an den Vereinbarungen im Zusammenhang mit dem 20-Milliarden-Investitionsprogramm werde nicht gerüttelt. Pressesprecher der SPD-Fraktion, Hans-Peter Thelen ergänzte: "Wir erwarten vom RWE eine Aussage über einen neuen Kraftwerksstandort bereits im kommenden Jahr." Wo das RWE seine Kraftwerkserneuerung fortsetzen wird, sei bislang allerdings noch nicht bekannt.

Der SPD-Fraktionschef appellierte an die von der Umsiedlung betroffenen Menschen, mit den zuständigen Stellen bei den Kommunen und beim Bergbauunternehmen zusammenzuarbeiten, deren Rat und Unterstützung anzunehmen. Das sei die Voraussetzung dafür, die sozialen Strukturen zu erhalten und die Umsiedlung so menschlich wie möglich zu machen. Die SPD-Fraktion werde die Landesregierung dabei unterstützen.

Quelle: Kölner Stadt Anzeiger 28/11/1998

Seitenanfang


Parteilinke: Höhn hat kapituliert

Streit nordrhein-westfälischer Grüner um Garzweiler-Niederlage

Erste offene Kritik des Landesverbandes an Umweltministerin

kl Düsseldorf– Nach der Niederlage der nordrhein-westfälischen Grünen im Streit mit der SPD um die Genehmigung von Garzweiler II, gewinnt der Konflikt im grünen Landesverband an Schärfe. Dabei ist jetzt zum ersten Mal Umweltministerin Bärbel Höhn offen unter Beschuß geraten. In einem internen Papier wirft ihr der Wortführer der Parteilinken, Landtagsabgeordneter Daniel Kreutz, vor, sie habe die wasserrechtliche Genehmigung für den Braunkohletagebau gegen ihre erklärte Überzeugung erteilt und so vor dem von Ministerpräsident Wolfgang Clement und dem Betreiberunternehmen Rheinbraun ausgeübten Druck kapituliert.

Das Papier mit dem Titel "Garzweiler II oder die Sümpfung der NRW-Grünen", das der Süddeutschen Zeitung vorliegt, wurde am Freitag zur "nachgehenden Verarbeitung und politischen Bewertung" der Garzweiler-Entscheidung in der grünen Landtagsfraktion verteilt. Kreutz, der auch dem rot-grünen Koalitionsausschuß angehört, schreibt darin, mit dem Ausgang des Koalitionsgefechts um Garzweiler werde "die Selbstaufgabe grüner Politik" in Nordrhein-Westfalen besiegelt. Der Verlauf der Ereignisse zeige, daß es "buchstäblich nichts gibt, was man von den Regierungs-Grünen nicht bekommen könnte, wenn man ihnen mit Regierungsentzug droht".

Brisanz erhält das Papier, weil es den Verlust grüner Glaubwürdigkeit zum ersten Mal Umweltministerin Höhn persönlich anlastet, deren politische Gradlinigkeit bisher nicht in Frage gestellt wurde. Nun wirft ihr Kreutz vor, den "Rollenwechsel der regierenden Grünen vom Kampf gegen Garzweiler II zur Herbeiführung von Garzweiler II" durch ihren Verzicht auf wesentliche Auflagen in dem wasserrechtlichen Genehmigungsbescheid sogar angeführt zu haben. Höhn müsse sich deshalb fragen lassen, ob die auf dem Jüchener Parteitag im Januar gegen alle Zweifel genährten Hoffnungen, Garzweiler ließe sich über den wasserrechtlichen Hebel noch verhindern, nicht Teil eines "gigantischen Scheingefechts" gewesen seien. Auf diesem Parteitag, der auf die von Clement forcierte Genehmigung des Rahmenbetriebsplans folgte, hatte Kreutz mit einer Minderheit für den Ausstieg aus der Koalition plädiert.

Quelle: Süddeutsche Zeitung 15.11.1998

Seitenanfang


"Jetzt spielt das Rheinbraun-Orchester wieder"

Rund 1000 Menschen feierten in Frimmersdorf die Sümpfungsgenehmigung von Garzweiler II - Clement nahm sich Zeit

Von Oliver Tripp

Frimmersdorf. Klaus Matthiesen ließ sich entschuldigen. Der ehemalige SPD-Fraktionsvorsitzende im Landtag, der die Interessen der Bergleute nachdrücklich vertreten hatte, fand am Samstag morgen andere Termine wichtiger als die Feier der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie und Energie (IG BCE). Rund 1000 Bergleuten trafen sich hier, um die Sümpfungsgenehmigung für den Tagebau Garzweiler II zu begießen.

Auf heißen Kohlen saß auch Ministerpräsident Wolfgang Clement, der Terminplan dränge, um 12 Uhr wolle er wieder in Essen sein. Für das ein oder andere persönliche Gespräch oder einen Händedruck mit den Bergleuten blieb da wenig Zeit. Aber die Gäste im Festzelt an der Ausbildungsstätte Frimmersdorf applaudierten dem Ministerpräsidenten schon bei der Begrüßung durch den IG BCE-Bezirksleiter Detlef Loosz laut, manche skandierten sogar seinen Namen. So gab Clement einem Kind doch ein Autogramm und nahm nach seiner Rede auch noch ein Geschenk der Bergleute entgegen: einen Brikett mit Sonderprägung "Grünes Licht für Garzweiler II".

"Lieber Wolfgang, du hast dich nicht gedrückt. Du hast immer wieder versprochen Garzweiler II wird kommen. Du hast Wort gehalten", begrüßte Erwin Winkel als Gesamtbetriebsratsvorsitzender der RheinbraunAG unter lang anhaltendem Applaus den prominentesten Gast im Zelt. Es sei ein schönes Gefühl, soviel Freunde des Bergmannes in der Volkspartei zu wissen.

"Laßt uns ein bißchen nach vorne schauen, Garzweiler II ist richtig und wird kommen, dazu sind jetzt die wichtigsten Voraussetzungen geschaffen. Ihr könnt euch vorstellen, daß ich glücklich bin, in einer Koalition bei unterschiedlichen Positionen solche Schritte, die von Recht und Gesetz geboten sind, dann auch tatsächlich zu tun. Das ist ein wesentlicher Erfolg auch für diese Koalition", sagte Wolfgang Clement. Natürlich hinge die getroffene Entscheidung auch mit der weit über zehnjährigen Prüfung des Projektes Garzweiler II zusammen. Die ökologischen Risiken seien beherrschbar, der Tagebau könne sozial verträglich gestaltet werden. Jetzt gehe es darum, den betroffenen Menschen klarzumachen, daß der Tagebau kommen werde, und die Umsiedlung so menschlich wie möglich zu gestalten.

"Der Tagebau ist aus energiewirtschaftlichen Gründen erforderlich, erst recht in einer Zeit, in der sich eine neue Bundesregierung anschickt, aus der Atomindustrie auszusteigen. Erst recht dann sind Garzweiler II und die Kohle notwendig", bekannte sich Wolfgang Clement unter dem Applaus der Feiernden auch am Samstag zur Braunkohle. Nachdem die wichtigsten Hürden für das Verfahren genommen seien, stehe jetzt auch RWE-Energie in der Verantwortung, ebenfalls alle Zusagen einzuhalten und mit der Kraftwerksmodernisierung fortzufahren: "Der Kraftwerksneubau in Frimmersdorf sollte in Angriff genommen werden." Denn nicht nur bei den Kosten, sondern auch in ökologischer Hinsicht solle die Braunkohle wettbewerbsfähig bleiben. Die notwendige Anlagentechnik mit Wirkungsgradsteigerungen bis weit über 40 Prozent und einem Emissionsrückgang um 30 Prozent sei ja vorhanden. Das sichere die Position der Braunkohle im Energiemix und damit tausende von Arbeitsplätzen.

Ein Meilenstein sei für die Energiepolitik in Deutschland gewonnen, der heimischen Energie weiter eine Zukunft eingeräumt, freute sich IGBCE-Vorsitzende Hubert Schmoldt. Aber Dieter Henning, Vorstandsvorsitzender der Rheinbraun AG, warnte: "Bei aller Freude sollten wir mit beiden Beinen auf der Erde bleiben. Es ist abzusehen, daß bei Detailverfahren die Tagebaugegner weiter ein Störfeuer schießen werden."

"Das war ein Herbsttag, wie es vorher keinen gab, da ging für viele Angestellten und ihre Familien ein Traum in Erfüllung. Jetzt heißt es nur noch den Zug auf die Schiene setzen und mit Volldampf voran zu treiben", machte auch Erich Heckelmann, Bürgermeister der Stadt Grevenbroich Stimmung. Die heilige Barbara hätte an der Entscheidung sicher mitgewirkt.

"Der Clement hat eine gute Rede gehalten", strahlte übrigens auch Kapellmeister des Rheinbraun-Orchesters, Willi Winkels. Nach monatelanger Unsicherheit mit Bangen um den Job blühe auch das Orchester wieder auf. "Auch für den jungen Haufen an Profimusikern geht es um die Zukunft", so der Kapellmeister.

Quelle: Kölnische Rundschau 16/11/’98

Seitenanfang


Ein Fest mit Clement

"Jetzt RWE-Kraftwerke modernisieren"

am Erftkreis/Frimmersdorf - "Grünes Licht für Garzweiler II - 30. Oktober 1998" steht auf dem Brikett, das Ministerpräsident Wolfgang Clement von den Gewerkschaftlern in der Frimmersdorfer Ausbildungsstätte der Rheinbraun AG geschenkt bekam. Der 30. Oktober war ein wichtiger Tag im Braunkohlerevier: Die Sümpfungserlaubnis für den Anschlußtagebau wurde erteilt. Die Zeit der Ungewißheit hatte ein Ende. "Danke!" hieß es nun auf den Plakaten im Festzelt. "Wir haben es gepackt".

Etwa 1000 Menschen feierten gemeinsam am Wochenende beim Fest der Industriegewerkschaft Bergbau, Bezirk Alsdorf. Das Rheinbraunorchester spielte. Es gab Eintopf. Reden wurden gehalten.

Nachdem der Ministerpräsident gesprochen hatte, standen die Menschen auf. Der Beifall wollte nicht enden. Clement hatte immer gesagt, Garzweiler II würde rechtzeitig genehmigt. "Er hat sein Wort gehalten", so der Tenor der Ansprachen der Vorredner.

In- und ausländische Investoren müßten sich darauf verlassen, daß die Verfahren zügig und ordnungsgemäß vonstatten gingen, hatte Clement kurz zuvor den Gästen - unter ihnen auch Manfred Dammeier, neuer Vorsitzender der SPD-Fraktion im Landtag - durchs Mikro zugerufen. Das habe man mit der Erteilung der Sümpfungserlaubnis dokumentiert. Jetzt müsse RWE zügig mit der Kraftwerksmodernisierung beginnen, beschrieb Clement den nächsten Schritt. "Das schafft Arbeitsplätze und bringt uns im Klimaschutz voran."

Garzweiler II bliebe notwendig, auch wenn die neue Bundesregierung aus der Atomenergie aussteigen wolle, sagte Clement. Der Ausstieg, der nicht von heute auf morgen zu realisieren sei, müsse die Braunkohle stärken. Der Ministerpräsident sprach sich außerdem für den "modernen Energie-Mix" aus. Regenerative Energien würden immer wichtiger und zusätzlich zur Braunkohle gebraucht. Unter anderem könnten in dem Bereich neue und zukunftsträchtige Arbeitsplätze geschaffen werden. Allein die Solarfabrik in Gelsenkirchen böte 700 Arbeitsplätze.

"Die wichtigsten Hürden im Verfahren Garzweiler II sind genommen", sagte Clement. "Wir sorgen auch weiterhin für klare und verläßliche Bedingungen."

Quelle: Kölner Stadt Anzeiger 16/11/’98

Seitenanfang


"Tagebau kommt nicht"

Thema war Garzweiler II

ERKELENZ (RP). "Ich habe im Moment kein Patentrezept in Sachen Garzweiler II", erklärte Vorsitzender Dr. Gerd Hachen beim Stammtisch des CDU-Ortsverbandes Erkelenz. Er warnte vor schnellen Schlüssen (wie das Nachdenken über Umsiedlungsstandorte), sondern plädierte dafür, in Abstimmung mit den Bürgern eine neue Strategie zu überlegen.

Die Grünen seien von ihrem Image als Ökopartei endgültig weggeknickt, so der Vorsitzende, und bezeichnete das Ganze als das Schlimmste, was passieren konnte. Er verwies dennoch auf Fakten, die zeigen, daß Garzweiler II nicht nötig ist. Beim RWE gebe es zur Zeit Differenzen, denn seit dem Frühjahr sei von der Energie-RWE ein 15seitiges Papier erstellt worden, in dem festgestellt wird, daß die Braunkohle nicht mehr wirtschaftlich ist und zu 500 bis 600 Millionen Mark an Verlusten pro Jahr führt. Er forderte, dieses Papier offenzulegen.

Zudem habe Rheinbraun ihre Beteiligung an der amerikanischen Firma Konsul, die Steinkohle fördert, von 50 auf 95 Prozent aufgestockt. Das Unternehmen habe somit die moralische Verpflichtung zu sagen, wie der Weg weiter gehen wird, denn die Leute stünden im Moment regelrecht im Regen. Um weiterhin wirtschaftlich zu bleiben, seien die Investitionen von Rheinbraun in den vergangenen Jahren um die Hälfte reduziert worden, da die Braunkohle deutlich teurer als die Importkohle sei und es deshalb zu dramatischen Rückgängen bei der Braunkohlenabnahme komme. "Das geht an den Umsiedlungspraktiken unserer Bürger nicht vorbei; es bestehen keine goldenen Spielräume mehr wie in der Vergangenheit", folgerte Dr. Gerd Hachen.

Keinesfalls pessimistisch

Der Widerstand gegen Garzweiler II sei deshalb nicht nur ein lokaler Widerstand, sondern hier lägen wirtschaftliche Gründe für das ganze Land vor. An seiner Grundhaltung habe sich nichts geändert. "Ich bin weit davon entfernt, pessimistisch zu sein; der Tagebau wird nicht kommen", erklärte er abschließend.

Quelle: Rheinische Post 3.11.1998

Seitenanfang


Friede, Freude, Garzweiler: Es darf gesümpft werden

Grüne Ministerin Höhn erteilt wasserrechtliche Genehmigung - zunächst bis 2023: "Das ist keine Niederlage." Clement lobt "industriepolitische Handlungsfähigkeit". Unternehmen Rheinbraun zufrieden

Düsseldorf (taz) - Die rot-grüne Regierung in Nordrhein-Westfalen hat nach langem Ringen im Streit um Garzweiler II offenbar eine Lösung gefunden, bei der beide Seiten ihr Gesicht wahren können. Auch mit der jetzt nachgebesserten wasserrechtlichen Genehmigung für den Braunkohletagebau sieht die grüne Umweltministerin Bärbel Höhn ihre Position "in der Substanz gehalten". Dies sei "keine Niederlage". Ministerpräsident Wolfgang Clement (SPD) begrüßte den Kompromiß und wertete ihn als "Durchbruch bei der Durchsetzung industriepolitischer Ziele durch rot-grüne Regierungen". Die Einigung war in der Nacht zum Freitag zwischen SPD, Grünen und dem Bergbauunternehmen Rheinbraun ausgehandelt worden. Rheinbraun sagte, alle vom Unternehmen kritisierten Auflagen und Bedingungen seien entfallen.

Der wichtigste Unterschied zwischen dem ersten, am Dienstag von Höhn vorgelegten, und dem jetzigen Entwurf: Die wasserrechtliche Genehmigung wird nun statt bis zum Jahr 2017 auf das Jahr 2023 verlängert. Dann soll sie überprüft werden. Rheinbraun hatte eine "Blankoerlaubnis" bis 2046 gefordert. Bei der Widerrufsklausel bei der Sümpfung (Abpumpen des Grundwassers) gab es einen Kompromiß: Es wird auf die allgemeinen gesetzlichen Regelungen verwiesen, falls Naturschutzgebiete durch die Grundwasserabsenkung gefährdet werden. Dem Genehmigungsentwurf müssen jetzt die Bezirksregierungen in Köln und Düsseldorf zustimmen.

Die Umweltministerin, die 1995 mit dem Ziel in die rot-grüne Landesregierung eingetreten war, Garzweiler II zu verhindern, gibt immerhin eine Teilniederlage zu. "Daß ich einen Genehmigungsentwurf vorlegen mußte, ist vom Fakt her eine Niederlage. Von der inhaltlichen Substanz, die ich immer vertreten habe, ist es keine Niederlage." Der grüne Fraktionssprecher im NRW-Landtag, Roland Appel, meinte, Rheinbraun müsse nun zur Kenntnis nehmen, daß Frau Höhn auch weiterhin eine "Garantenstellung für die Feuchtgebiete" habe. "Die Frage, ob tatsächlich gebaggert wird, wird nicht heute entschieden." Nachdem das Unternehmen durch den Entwurf die nötige Planungssicherheit habe, müsse es auf der Grundlage der Investitionskosten entscheiden, ob sich der Braunkohletagebau noch rentiere.

Der Vorsitzende der IG BCE, Hubertus Schmoldt, bezeichnete die neue wasserrechtliche Genehmigung als "Sieg für die heimische Energieversorgung" und dankte Ministerpräsident Clement für seinen "außergewöhnlichen persönlichen Einsatz".

Quelle: TAZ 30.10.1998

Seitenanfang


Wasserrechtliche Genehmigung für Garzweiler: Clement ließ Grüne Vereinbarung als ihren Sieg verkaufen

Umweltministerin Höhn zeigte keine Spur von Verlierermiene

Düsseldorf. Bärbel Höhn präsentierte sich fabelhaft. Dafür, daß die NRW-Umweltministerin kaum geschlafen, dafür aber dreiviertel der Nacht in der Kölner Rheinbraun-Zentrale mit Vertretern des Unternehmens und Ministerpräsident Wolfgang Clement um eine Lösung in Sachen wasserrechtliche Genehmigung für GarzweilerII gefochten hatte, wirkte sie überraschend fit.

Auch keine Spur von Verlierermiene. Gewohnt fröhlich, dabei sichtlich auf der Hut, keinen Fehler zu machen, verkaufte die 46jährige Ministerin den mühsam ausgehandelten Kompromiß als ihren Sieg. Von Gesetz und Recht, woran sich alle Beschlüsse messen lassen sollen, war nicht mehr die Rede, sondern vielmehr davon, daß "Rot-Grün Handlungsfähigkeit" bewiesen habe.

Zunächst hatte Bärbel Höhn erstauntes Raunen ausgelöst, als sie vor den Journalisten höchst selbstbewußt erklärte: "Das Unternehmen hat jetzt Planungssicherheit. Ich selber habe die mir wesentlichen Punkte des Genehmigungsteils ohne wenn und aber halten können." Später hatte die Öko-Frau dann sogar die Lacher auf ihrer Seite. Auf die Frage nach dem Unterschied zwischen dem am Mittwoch vorgelegten, aber von Rheinbraun und der Staatskanzlei zurückgewiesenen Genehmigungsentwurf und dem gestrigen reagierte sie zunächst mit einem kleinen Schulterzucken, um dann grinsend zu antworten: "Vielleicht zwei Tage?"

Kein Zweifel, die Grüne war gut drauf. Wortreich erläuterte sie die schwierigen Zusammenhänge und fast nahm man ihr ab, als sie erklärte: "Ministerpräsident Clement hat bewirkt, daß Rheinbraun Dinge akzeptiert hat, die das Unternehmen vorher nicht wollte." Das hieße doch wohl, daß der Regierungschef grüne Positionen verfochten habe, wurde gefragt. Auf solche Wortspiele mochte sich die Ministerin nicht einlassen. Interpretation sei nicht ihre Aufgabe. Nachgefragt, ob sie nicht doch eine gehörige Niederlage erlitten habe, konterte Bärbel Höhn: Eine Niederlage sei es nur insofern, als sie die wasserrechtliche Erlaubnis als Ganzes nicht habe verhindern können.

Die Staatskanzlei reagierte irritiert. Genau diese Außenwirkung war befürchtet worden. Eine agile Ministerin hatte ihre Chance genutzt, mit der Vorstellung des Papiers alle für sie ungünstigen Punkte schönzureden. Clement hingegen war in Gütersloh und zur sofortigen Replik nicht aufzutreiben. Als er sich dann äußerte, wollte er nicht ins "kleine Karo" und seinerseits ins Interpretieren verfallen. Er gönnte Bärbel Höhn den Medien-Sieg und erklärte schlicht: "Wir haben politisch miteinander gerungen. Ich glaube, es gab viele Mißverständnisse und viele gegenseitige Vorbehalte. Jedenfalls bin ich sehr glücklich, daß die Entscheidung nun gefallen ist."

Auch die Rheinbraun AG, die zunächst nicht reagieren wollte, weil die endgültige wasserrechtliche Erlaubnis noch nicht vorlag, rang sich schließlich noch dazu durch, die Vereinbarung zu begrüßen und erklärte, die Kritikpunkte des Unternehmens seien ausgeräumt.

Während die Politiker ihre Arbeit getan hatten, mußte noch bis zum Abend zwischen dem Landesoberbergamt in Dortmund und dem Düsseldorfer und Kölner Regierungspräsidenten Einvernehmen hergestellt und das beurkundete Papier in einem Erörterungstermin mit Rheinbraun abgestimmt werden. Da war Bärbel Höhn aber schon auf dem Weg nach Essen zum kurzfristig anberaumten Treffen mit der Fraktion, dem Landesvorstand und den Vorsitzenden der Kreisverbände. Ahnungsvoll mutmaßte die Galionsfigur den Ausgang des Treffens: "Es wird Kritik geben. Aber es gibt auch sehr viel Verständnis für die Arbeit der Umweltministerin."

Linke Grüne verärgert

Niemand kann einen nach Recht und Gesetz erfolgten Verwaltungsakt kippen

Daniel Kreutz ist Sprecher der Fundi-Gruppe unter den grünen Landtagsabgeordneten in Nordrhein-Westfalen.

Frage: Können Sie als entschiedener Gegner des geplanten Tagebau-Projekts GarzweilerII mit der durch die nordrhein-westfälische Landesregierung erfolgten Erteilung der wasserrechtlichen Erlaubnis in der jetzigen Form leben?

Kreutz: Ich werde damit leben müssen, denn an Tatsachen kommt niemand vorbei. Gefallen tut es den Grünen natürlich nicht. Ziel aller war es, nach Möglichkeit den Tagebau GarzweilerII zu verhindern. Mein derzeitiger Eindruck ist, daß die grüne Landesumweltministerin Bärbel Höhn von der Speerspitze des Widerstands zur obersten Genehmigungsbehörde dieses Projekt geworden ist - ein Rollenwechsel, der von mir und von der grünen Partei erst noch verdaut werden muß.

Frage: Aber Ministerin Höhn hat doch bis zum letzten Augenblick gegen Garzweiler II gekämpft?

Kreutz: Sie hat gekämpft gegenüber den Versuchen, ihr Verfahren von außen zu beeinflussen. Darin war sie teilweise erfolgreich. Die Reaktion von Rheinbraun läßt mich daran zweifeln, daß sie hinreichend erfolgreich war.

Frage: Sollte Bärbel Höhn nun zurücktreten?

Kreutz: Es steht mir überhaupt nicht an, unserer Umweltministerin derartige Vorschläge zu machen. Nur die Landespartei hätte ein Recht dazu.

Frage: Es zeichnet sich ab, daß die etablierten Grünen einen Sonderparteitag auf alle Fälle vermeiden wollen...

Kreutz: Diesen Eindruck habe ich allerdings auch. Durch eine hochprofessionelle Regie scheint Vorsorge getroffen worden zu sein, daß die Partei vorrangig ihr Ohr den Informationen der Landes-Umweltministerin leiht und eine eigenständige politische Bewertung nicht stattfinden läßt.

Frage: Wie ist die Stimmung an der Basis? Können die Fundamentalisten innerhalb der Partei einen Sonderparteitag durchsetzen?

Kreutz: Nach der Satzung des Landesverbandes kann eine kleine Zahl von Kreisverbänden einen Sonderparteitag auslösen. Die Stimmung ist allerdings sehr gespalten. Für viele im linke Spektrum der Partei war der Jüchener Beschluß, in der Regierung zu bleiben, die wirkliche Niederlage. Sie können sich deshalb jetzt nur nur noch begrenzt über die Abwicklung der Folgen von Jüchen aufregen.

Frage: Das heißt, auch für die Fundis ist GarzweilerII nun endgültig vom Tisch?

Kreutz: Niemand im politischen Bereich, am allerwenigsten die Linken unter den Grünen, kann einen nach Gesetz und Recht erfolgten Verwaltungsakt rückgängig machen.

Quelle: Kölnische Rundschau 31/10/’98

Seitenanfang


Zaghafte Freude

Die Skepsis der Belegschaft weicht nur langsam

Frimmersdorf - Es scheint, als qualmten die Schornsteine des Kraftwerkes Frimmersdorf an diesem Freitag nachmittag besonders stark. Unten, im Tagebau Garz¦weiler, in den blauen Baracken des Betriebsratbüros qualmen die Zigaretten. Betriebsratsmitglied Dieter Schmautz nimmt einen Schluck Kaffee aus dem Plastikbecher. Auf dem Schreibtisch steht das Radio. In den Nachrichten verkündet der Sprecher erneut, daß die Genehmigung für den Tagebau Garzweiler II vorliege. Doch so rechte Freude kommt unter den Bergleuten noch nicht auf.

"Wir wissen immer noch nicht, ob der Vorstand die Genehmigung jetzt auch so akzeptiert", sagt Schmautz zu diesem Zeitpunkt noch. Die Erinnerung an den vergangenen Mittwoch ist noch wach. "Auch da hieß es, der Tagebau ist genehmigt. Kurz darauf kam dann die Meldung, daß Rheinbraun die Auflagen ablehnt." Nun wartet die Belegschaft auf die erlösende Nachricht vom Vorstand. "Viel Zeit können die sich nicht mehr lassen", meint einer. Die Stimmung ist gespannt.

Die zermürbende Diskussion in Düsseldorf, das Hickhack zwischen Umweltministerin Höhn und Ministerpräsident Clement, die hartnäckigen Forderungen des Unternehmens nach Nachbesserungen, zuletzt gar die aufkommenden Zweifel an der Rentabiltät der Braunkohleverstromung - all das hat die Belegschaft zermürbt. Sollte es jetzt an diesem Freitag nachmittag, nach 14 Jahren langen Wartens und Planens endlich Gewißheit geben?

Die Bergarbeiter können noch nicht so recht daran glauben, auch wenn sie noch nie so nah am Ziel waren wie jetzt. "Der Sekt ist zwar kaltgestellt, doch die Korken haben noch nicht geknallt", ergänzt Helene Fries.

"Natürlich sind wir erleichtert, doch euphorisch sind wir nicht. Das lange Warten geht an die Substanz", bekennt Frank Süßmuth. Der 32jährige ist Schichtleiter, arbeitet seit 14 Jahren beim Unternehmen. "Und natürlich hoffe ich, daß ich hier auch noch bis zur Rente bleiben kann."

Die Sorge um die Arbeitsplätze - seit gestern nachmittag aber ist sie ein Stück weiter in die Ferne gerückt. "Wir wollen doch nur arbeiten", sagt Klaus Emmerich. Das würde von vielen Leuten einfach vergessen. "Wir sind doch keine Meuchelmörder, die den Leuten ihre Heimat wegnehmen wollen." Es klingt fast wie eine Beschwörung.

45 Quadratkilometer Landschaft zwischen Heinsberg und Mönchengladbach sollen abgebaggert, 1,3 Milliarden Tonnen Braunkohle gefördert werden. Aber die Skepsis bleibt. Das Mißtrauen gegenüber der Politik sitzt tief, deshalb fordert Emmerich: "Die Höhn soll ihren Hut nehmen, die wird es immer wieder versuchen." Die Belegschaft sei jederzeit bereit, vor den Landtag zu ziehen, um dort für die Einhaltung des Versprechens zu kämpfen. Er droht: "Wir haben die Macht, die ganze Stadt lahmzulegen."

Doch niemand glaubt, daß das noch nötig sein wird. "Es reicht, wenn der Tagebau nur zu zwei Dritteln aufgeschlossen wird", erklärt Steiger Andreas Wolski. Dann werde bis 2046 gebaggert, das sichere auch die Arbeitsplätze der Jüngeren.

Zweifel, daß das Unternehmen aus wirtschaftlichen Gründen von der Braunkohle abrücken könnte, hegen die Bergleute nicht. Im Gegenteil. Sie verweisen auf den von der Bundesregierung angepeilten Ausstieg aus der Atomenergie. "Dann bleibt nur noch die Braunkohle", sagt einer. Und Wolski bekräftigt: "Die Belegschaft läßt sich nicht auseinander dividieren. Wir stehen hinter Rheinbraun, so wie das Unternehmen hinter Garzweiler steht."

Auch der Vorsitzende des Gesamtbetriebsrates, Erwin Winkel, kann sich noch gar nicht so richtig überschwenglich freuen. "Mit der Genehmigung können wir leben, weil sie dem Unternehmen Investitionssicherheit bietet. Wichtig ist, daß die Widerspruchsklausel raus ist." Die Protestaktionen der Bergleute sind abgeblasen, die Betriebsversammlungen am Montag werden aber stattfinden. Dort werden die Mitarbeiter über die Sümpfungsgenehmigung informiert, werden die weiteren Schritte der Tagebauplanung erläutert. Bis dahin werden sie wohl noch skeptisch bleiben.

Gelassenheit in Otzenrath

Die Bagger kommen

Braunkohle-Umsiedler hoffen auf hohe Entschädigungen

Jüchen-Otzenrath - Für die Männer, die sich zu mittäglicher Stunde bei Korn und Alt in einer der Dorfkneipen niedergelassen haben, ist die Nachricht zwar neu, sie scheint sie aber nicht sonderlich zu interessieren: "Die Bagger kommen? Im Jahr 2006? Gut, dann müssen wir uns eben nach etwas Neuem umschauen", sagt einer von ihnen und die anderen nicken - eher beiläufig. "Wir haben es doch längst gewußt."

Daß Garzweiler II genehmigt und ihr Dorf Otzenrath als erstes neben Spenrath und Holz dem Erdboden gleichgemacht werden soll, damit die Bagger die Braunkohle unter ihren Häusern abbauen können, haut am Freitag in dem 1400-Seelen-Örtchen offenbar niemanden mehr um. Die Einwohner haben den Kampf für ihr Dorf schon vor langer Zeit aufgegeben. Was jetzt interessiert, ist weniger die Zukunft der Braunkohle, als vielmehr "die Kohle", die als Entschädigung von Rheinbraun ins Portemonnaie wandern wird.

"Ich bin froh, daß endlich eine Entscheidung gefallen ist, der Schwebezustand war unerträglich", sagt Metzgermeister Hans-Gerd Deußen. Ihm gehört die älteste Fleischerei im Ort, er führt den 1886 gegründeten Betrieb in der dritten Generation. Mit noch immer recht ordentlichem Umsatz, wie er sagt. Der zweite Metzger im Ort hat vor einiger Zeit sein Geschäft aufgegeben, denn schließlich haben bereits heute rund 300 frühere Einwohner Otzenrath den Rücken gekehrt.

Aber Deußen will - trotz seiner 63 Jahre - im nur drei Kilometer entfernten Umsiedlungsort "Neu-Otzenrath" weitermachen - wenn, ja wenn, die Höhe der Entschädigung stimmt. 170 Mark für den Quadratmeter soll es geben, wird im Dorf gemunkelt. Das würde den heutigen Grundstückspreisen in Alt-Otzenrath entsprechen. Für den Metzgermeister käme so ein hübsches Sümmchen zusammen, er nennt rund 1700 Quadratmeter Land sein eigen.

Eine möglichst hohe Entschädigung von Rheinbraun hat auch Josef Kluth zum wichtigsten Ziel der "Interessengemeinschaft Tagbau Otzenrath/Spenrath" ausgerufen. Kluth war als Sprecher der Bürgerinitiative mit 50 bis 60 Mitstreitern vor acht Jahren angetreten, um Garzweiler II zu verhindern. Nun gehören nur noch zehn Leute der Gemeinschaft an, nach wie vor halte man den Tagebau für unnötig, heißt es, doch "die Gegenwehr nutzt nichts mehr".

"Wir wollen weiteren Schaden vom Dorf abwenden und eine gute Umsiedlung hinbekommen", heißt Kluths neue Devise. Rheinbraun habe zugesagt, den Leuten in Neu-Otzenrath vergleichbare Häuser anzubieten, mit einem Abschlag von fünf Prozent an der Größe. Um den Häuslebauern bei den Verhandlungen mit dem Bergbauunterehmen unter die Arme zu greifen, hat der sogenannte Bürgerbeirat - ein von den Einwohnern der Umsiedlungsorte im Raum Jüchen gewähltes Gremium - eine Arbeitsgemeinschaft für Entschädigungsfragen gegründet. "Schließlich leben hier in der Regel Leute, die nur einmal in ihrem Leben bauen, und auf der anderen Seite sitzen Profis", betont Kluth.

Daß von den noch 1400 Otzenrathern die meisten im Umsiedlungsort bauen werden, da ist Kluth sich sicher. Rein statistisch seien in der Vergangenheit rund 60 Prozent der Einwohner aus Braunkohleorten in den Umsiedlungsort gezogen: "Ich glaube, in Otzenrath werden es mehr."

Kluth selbst will dabeisein, ebenso wie Mechthild Moscharske. Auch die 51jährige Hausfrau ist erleichtert, daß nun endlich Klarheit herrscht: "Es wurde Zeit, sonst werden wir noch zu alt zum Bauen." Sie hängt an ihrem Ort, fügt sich aber wie viele andere in ihr Schicksal: "Uns bleibt doch nichts anderes übrig."

Daß nach einer Umsiedlung nicht alles grau in grau sein muß, hat Harald Wienströer bereits am eigenen Leib erfahren. Der Busfahrer lebte bis 1985 in Priesterath-Garweiler im Abbaugebiet des heutigen Tagbaus Garzweiler I und nahm das Angebot wahr, in den Umsiedlungsort zu wechseln. "Nun ist alles neu und wir haben mehr Platz." Die Entscheidung für Garzweiler II empfindet der 42jährige Winströer als "gut für die Arbeiter, aber weniger gut für die Natur".

Ob sie das genauso sieht, ist der Blumenhändlerin, die schräg gegenüber der Dorfkirche ihren Laden hat, an diesem für das Dorf so wichtigen Tag nicht zu entlocken: "Ich habe alle Hände voll zu tun. Bald ist Allerheiligen."

Rheinbraun fügt sich dem Kompromiß

Die Kuh ist vom Eis. So sieht es jetzt auch die Rheinbraun AG. Das Unternehmen begrüßt die Vereinbarung über die Sümpfungserlaubnis und erwartet kurzfristig den Genehmigungsbescheid. "Alle vier Punkte, die bisher nicht akzeptabel waren, sind ausgeräumt worden", sagte Sprecher Reiner Hochscheid. Die Erlaubnis biete dem Unternehmen Investitionssicherheit. Die Erlaubnis enthält nach Darstellung Rheinbrauns nun keine Widerspruchsklausel mehr, die über die gesetzlichen Bestimmungen des Braunkohlenplans und des Rahmenbetriebsplans hinausginge. Dort ist die Rückholbarkeit des Projekts ohnehin festgeschrieben für den Fall, daß sich wesentliche Grundannahmen ändern.

Die wasserrechtliche Genehmigung wird im Rahmen der geltenden Gesetze unter die Lupe genommen. Allerdings erst im Jahr 2023. Damit sind der strittige Termin 2017 und vor allem die Begrenzung des Tagebaus bis zur Autobahn 61 vom Tisch. Einigkeit besteht jetzt auch bei der bislang strittigen Frage der Kippenversauerung. Darunter verstehen Fachleute das Sinken des pH-Werts im Boden, wenn das Grundwasser nach beendetem Abbau wieder ansteigt. Umweltministerin Höhn hatte bis zuletzt eine zusätzliche Prüfung verlangt, ist allerdings jetzt von diesem Vorhaben abgerückt. Einvernehmen sei auch darüber erzielt worden, daß die Verträglichkeit des Tagebaus nach der FFH-Richtlinie zum Schutz bedrohter Arten umfassend geprüft worden sei und nur noch Detailfragen zu klären seien. Wenn der Bescheid rechtskräftig ist, kann das Unternehmen die Umsiedlung weiter vorantreiben. Danach folgen die Entwässerung des Tagebaugebiets und die Vorbereitung zur Verlegung der Autobahn 44.

Auch die RWE Energie AG will ihre Versprechen einhalten. Der Konzern hatte ein 20-Milliarden-Investitionsprogramm für den Fall angekündigt, daß Garzweiler II kommt. "Wir stehen zu unserem Wort", sagte RWE-Sprecher Hermann Venghaus. Wann und wo das nächste Kraftwerk gebaut wird, läßt RWE allerdings noch offen. "Entsprechend dem weiteren Aufschluß des Tagebaus werden die Anlagen gebaut." Begonnen hat schon der Bau eines Kraftwerks in Bergheim-Niederaußem. Es werde einen Wirkungsgrad von 45 Prozent haben, hieß es. Ebenfalls in Niederaußem soll das Verfahren zur Trocknung der Rohkohle vor der Verbrennung als Pilotprojekt umgesetzt werden. Damit würde die Braunkohle dann zu rund 48 Prozent ausgenutzt. Für den Bau weiterer Kraftwerke sind als Standorte Weisweiler und Frimmersdorf bei Grevenbroich im Gespräch.

Quelle: Kölner Stadt Anzeiger 31/10/1998

Seitenanfang


Zweifelt RWE an Garzweiler II?

Energie-Vorstand Rainer Farnung soll die Wirtschaftlichkeit des Braunkohlelochs in Frage gestellt haben. Folge: RWE demenetiert, Vorstand wird entlassen Aus Berlin Nick Reimer

Ein meterhoher Dinosaurier - zusammengeschweißt aus Stromzählern, Wärmetauschern und Heizungsrohren - stand gestern im kleinen nordrhein-westfälischen Ort Viersen bei Mönchengladbach. Grimmig guckte das Ungetüm in jene Richtung, in der sich schon bald Abraumbagger in die Erde, ein Riesenloch namens Garzweiler II, einfressen könnten. Greenpeace, Vater des Dinos, glaubt jetzt aber, daß es soweit nicht kommen wird. "Wir sehen neue, schwergewichtige Anzeichen dafür, daß RWE Abstand von seinem Projekt nimmt", sagt Gero Lücking, Energieexperte von Greenpeace.

Lücking beruft sich dabei unter anderem auf den "Fall Farnung", den der Kölner Stadtanzeiger aufgedeckt hatte. Der Vorstandschef der Essener Energietochter der RWE soll dem damals "Noch- NRW-Wirtschaftsminister" Bodo Hombach im September eingestanden haben, daß sich das Projekt Garzweiler II wegen fehlender Wirtschaftlichkeit nicht lohne, RWE komplett aussteigen will.

"Das ist durch die neue Politik in Bonn auch nachvollziehbar", erläutert Lücking. Durch eine steuerbedingte Verteuerung von Strom werden nur die effizientesten Kraftwerke im Wettbewerb bestehen können. "Mit einem Wirkungsgrad von über 50 Prozent sind dies nun einmal die Gas- Dampf-Kraftwerke", so Lücking. Die modernsten Braunkohlekraftwerke kämen aber nur auf einen Wirkungsgrad von 40 Prozent.

RWE-Konzernchef Dietmar Kuhnt sieht das allerdings ganz anders. Eiligst war er nach den Äußerungen von Farnung zu Ministerpräsident Wolfgang Clement (SPD) bestellt worden und hatte dementiert: RWE halte natürlich an Garzweiler II fest. Angesichts der Atomausstiegsdebatte sei es geradezu fatal, jetzt auch noch die Braunkohleverstromung in Frage zu stellen. Roland Farnung muß seinen Hut nehmen. "Da niemand den Antrag auf Genehmigung zurückgezogen hat, müssen wir ihn auch weiter bearbeiten", erklärte hingegen Claudia Fasse, Sprecherin des Düsseldorfer Umweltministeriums zum Fall Farnung. Umweltministerin Bärbel Höhn (Bündnis 90/Die Grünen) hatte einen Bericht des Münchner Magazins Focus dementiert, nachdem sie sich mit Clement und dem SPD- Landeschef Franz Müntefering bereits auf ein "Ja" zu Garzweiler geeinigt hätte. "Das wasserrechtliche Genehmigungsverfahren ist noch nicht entscheidungsreif", so Höhn. Zwei Problemfelder seien nach wie vor offen: zum einen die "Versickerungsproblematik", zum anderen die Verträglichkeit des Projekts mit der Flora-Fauna-Habitat- Richtlinie der EU. "Nicht einmal der Wirtschaftsausschuß des Landtags spricht ab, daß diese Fragen noch behandelt werden müssen", so Fasse weiter. Wie schnell dies passieren könne, hänge von der Arbeit der Fachaufsicht und der Mitarbeit des Antragstellers ab. Fasse: "Wir können in zwei Wochen durch sein oder erst sehr viel später."

So lange will die IG Bergbau nicht warten. Sollte die wasserrechtliche Genehmigung für Garzweiler II bis Ende dieser Woche nicht vorliegen, wolle man protestieren, sagte Detlev Fahlbusch, Landesbezirksvorsitzender der Gewerkschaft. Aktionen bis hin zur Stromabschaltung kündigte Fahlbusch an. "Die Stimmung bei den Bergleuten ist sehr gereizt.

Quelle: TAZ 28/10/98

Seitenanfang


RWE bekräftigt Garzweiler-Pläne

rtr DÜSSELDORF. Der Essener RWE-Konzern hat bestritten, daß der Tagebau Garzweiler II auch im eigenen Haus in Frage gestellt wird. "Wir stehen uneingeschränkt zur Braunkohle, zur Braunkohle-Verstromung und zum Aufschluß von Garzweiler II", sagte der Sprecher der RWE Energie AG, Hermann Venghaus, am Dienstag in Essen. Der Konzern halte die Braunkohle langfristig wirtschaftlich für unschlagbar. In Zeitungsberichten hatte es mit Hinweis auf ein RWE-Arbeitspapier geheißen, die Stromtochter des RWE-Konzerns habe Zweifel an der Wirtschaftlichkeit des innerhalb der rot-grünen Koalition in Nordrhein-Westfalen umstrittenen Braunkohle-Tagesbaus angemeldet.

Bei allen konzerninternen Bewertungen liege die Braunkohle im Vergleich zu Konkurrenzenergien in der langfrstigen Beurteilung am günstigsten, sagte Firmensprecher Venghaus. Deshalb werde der RWE-Konzern an seiner Planung festhalten, im Kraftwerkspark einen Schwerpunkt auf die Braunkohle zu setzen. Hierbei gebe es keinerlei Dissens zwischen der RWE-Stromtochter und der Schwestergesellschaft Rheinbraun als Betreiberin von Garzweiler. Venghaus verwies darauf, daß der Konzern erst im August mit dem Bau eines neuen Braunkohlekraftwerks mit einer Investitionssumme von 2,5 Milliarden Mark im rheinischen Braunkohlen-Revier begonnen habe.

Quelle: HANDELSBLATT, Dienstag, 27. Oktober 1998

Seitenanfang


RWE dementiert Meldung zu internem Streit über Garzweiler II - Politische Bekenntnisse zum Tagebau -  Energieexperten skeptisch

Freier Markt verstärkt Kostendruck auf Braunkohle

Düsseldorf. (dt/fun/mig) Was ist dran an den Meldungen um einen angeblichen internen Streit bei der RWE Energie AG über die Wirtschaftlichkeit der Braunkohle-Verstromung? Hermann Venghaus, Sprecher des größten deutschen Stromerzeugers wies den Bericht gestern als "völlige Spekulation" zurück. Das Unternehmen stehe wie bisher zur Braunkohleverstromung, zum Tagebau Garzweiler II und zum damit verbundenen Investitionsprogramm von 20 Milliarden Mark zur Modernisieung des Kraftwerks-Parks im rheinischen Revier.

Derweil verdichteten sich in Düsseldorf die Hinweise, daß die für Garzweiler II noch fehlende wasserrechtliche Genehmigung unmittelbar bevorstehe. Ministerpräsident Clement hatte am Vortag erklärt, das Projekt sei genehmigungsreif.

Energie-Experten des größten deutschen Stromerzeugers, der rund die Hälfte seiner Elektrizität aus Braunkohle erzeugt, hielten das Tagebauprojekt für zu teuer und nicht mehr wettbewerbsfähig, hatte der "Kölner Stadt-Anzeiger" über ein Arbeitspapier berichtet. Dieses wurde in Zusammenhang mit dem Ausscheiden von RWE-Energie-Chef Roland Farnung gebracht. Venghaus bestritt gestern, daß ein solches Papier existiere, sagte aber, daß "regelmäßige Beurteilungen über den Energiebedarf für den internen Gebrauch" erstellt würden.

Zum Inhalt des Papiers wollte das Unternehmen nicht Stellung nehmen bis auf die allgemeine Feststellung, man sei von der Wirtschaftlichkeit der Braunkohle weiter überzeugt. Der Braunkohle komme in Zeiten verstärkter Unsicherheiten über die Kernkraft und der wachsenden Abhängigkeit von Importenergien unter dem Gesichtspunkt der Versorgungssicherheit volkswirtschaftlich Bedeutung zu.

Betriebswirtschaftlich nimmt der Kostendruck vor allem im Zuge der Liberalisierung der Strommärkte jedoch zu. Nach einer Studie der Dresdner Bank dürfte das Strompreisniveau für Industriekunden um 25 Prozent sinken, auch private Kunden zahlten auf mittlere Sicht weniger. Zugleich wächst nach Abschaffung der Gebietsmonopole die Konkurrenz durch unabhängige Stromerzeuger. Dies bei einem Markt, der nach Einschätzung von Hans-Peter Muntzke, Energie-Experte der Dresdner-Bank, deutlich langsamer wächst als erwartet. Muntzke geht in seiner Studie bis zum Jahr 2010 nur noch von jährlich durchschnittlich 0,5 Prozent Verbrauchszuwachs aus.

Zu einer potenten Konkurrenzenergie für Braunkohle haben sich vor allem Gas- und Dampf (GuD)-Kraftwerke auf Erdgasbasis entwickelt. Auch RWE Energie betätigt sich auf diesem Feld. Sie baut solche Kraftwerke für Industriekunden wie die Bayer AG. Nach einem Vergleich des Freiburger Öko-Instituts liegen die Brennstoffkosten der Braukohle in der Grundlast bei 7,2 bis 8,3 Pfennig je Kilowattstunde, gegenüber 4,3 Pfennig bei GuD-Anlagen nach dem drastischen Preisverfall für Energien wie Öl, Import-Steinkohle und Erdgas. Eine Kohlendioxid-Steuer würde die Braunkohle gegenüber Gas weiter benachteiligen.

Langfristige Planung wird immer schwieriger

Dazu kommt - angesichts der mit der Liberalisierung einhergehenden Unwägbarkeiten - die zunehmende Kurzfristigkeit des Energiegeschäfts. Die Zeiträume, in denen ein Kraftwerk abgeschrieben werden muß, bisher rund 20 Jahre, müssen möglicherweise drastisch verkürzt werden. Dies benachteiligt kapitalintensive Anlagen. Für Braunkohle-Kraftwerke nennt das Öko-Institut 2700 Mark Investition je Kilowattstunde Leistung, für GuD-Kraftwerke mit 750 Mark gut ein Viertel davon. Bei einer Halbierung der Abschreibungsdauer auf zehn Jahre schlage dies für Kohlekraftwerke z.B. mit zusätzlich bis zu 1,5 Pfennig je Kilowattstunde zu Buche, für Gaskraftwerke mit 0,2 Pfennig.

Zu ähnlichen Ergebnissen kommt das Essener Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI). Kapital-, Brennstoff- und übrige Kosten zusammen ergeben danach bei zehn Jahren Abschreibung für Braunkohle Stromerzeugungskosten von 10,3 Pfennig, für Erdgas von 9,7 Pfennig.

Nach Einschätzung des ökologisch orientierten Wuppertal-Instituts für Klima, Umwelt, Energie könnte der Aufschluß von Garzweiler II angesichts dieser betriebswirtschaftlichen Risiken verschoben werden, ohne daß die Braunkohle-Verstromung selbst zu gefährden, so Energie-Experte Manfred Fischedick in Wuppertal. Bei steigendem Wirkungsgrad der Kraftwerke - von jetzt im Schnitt 32 Prozent mithilfe der neuen "BoA"-Technik um ein Drittel auf 43 Prozent - könne bei einer Förderung von 70 bis 80 Millionen Tonnen jährlich mindestens ebensoviel Braunkohlestrom erzeugt werden wie heute bei rund 100 Millionen Tonnen.

Im politischen Raum sind solche Überlegungen aber kaum von Bedeutung. In Düsseldorf riefen die Spekulationen über ein angebliches Abrücken der RWE von Garzweiler II gestern denn auch höchst unterschiedliche Reaktion hervor. Regierungssprecher Wolfgang Buchow erklärte, daß die Meldungen zwischen "Dichtung und Wahrheit" angesiedelt seien und mit der "tatsächlichen Energiepolitik des Landes nichts zu tun" hätten. Richtig sei, daß Clement sich von RWE-Vorstandschef Dietmar Kuhnt über die Energiepolitik des Konzerns habe informieren lassen. Die Grünen im NRW-Landtag sahen sich dagegen voll in ihrer Ablehnung des Braunkohletagebauprojekts bestätigt.

Der scheidende SPD-Fraktionschef im Landtag sprach dagegen von einer "Strohhalmpolitik" der Grünen. Matthiesen: "Das ist ein letztes Stör- und Vernebelungsmanöver vor der überfälligen Sümpfungserlaubnis. Die Grünen handeln ohne Kenntnis der tatsächlichen energiewirtschaftlichen Lage und der strategischen Bedeutung von Garzweiler II für die künftige Energieversorgung ohne Atomkraft."

Im Erftkreis, wirtschaftlich eng der Braunkohle verbunden, haben Protestdrohungen der Bergleute und die Spekulationen alle Parteien auf den Plan gerufen. Der CDU-Landtagsabgeordnete Werner Stump will "mit den Bergleuten auf die Straße gehen". Der SPD-Bundestagsabgeordnete Klaus Lennartz versprach: "Innerhalb einer Woche wird das Thema Garzweiler II zur Zufriedenheit der Kumpel und der RheinbraunAG vom Tisch sein." Das habe ihm Clement zugesichert.

Quelle: Kölnische Rundschau 28/10/’98

Seitenanfang


Rheinbraun hält am Tagebau fest

Stimmen aus der Region

ko Erftkreis - "Unsere Braunkohle kann im internationalen Wettbewerb gegenüber jedem anderen Energieträger bestehen." Das versicherte der Rheinbraun-Vorstand gestern in einem Brief an die Mitarbeiter. Die Braunkohle sei heute wettbewerbsfähig, sie könne es auch bleiben. Für die Braunkohle könnten heute sinkende Preise verläßlich in Aussicht gestellt werden. Das gelte für keinen anderen Energieträger. "Gerade auch angesichts des erklärten politischen Willens zum Ausstieg aus der Kernenergie ist es völlig undenkbar, auch noch auf Braunkohle verzichten zu wollen." Die unternehmerische Entscheidung für Garzweiler II entspreche im vollem Umfang der Strategie des RWE-Konzerns.

Der SPD-Kreisvorsitzende und Bundestagsabgeordnete Klaus Lennartz hat sich gestern vor dem Hintergrund der aktuellen Nachrichten von NRW-Ministerpräsident Wolfgang Clement zusichern lassen: "Innerhalb von einer Woche ist das Thema Garzweiler II vom Tisch, und zwar einvernehmlich mit Rheinbraun." Lennartz: "Ich bin das Gezerre leid. Was da von Teilen der Landesregierung betrieben wird, ist unerträglich."

Hinter die Bergleute stellt sich auch der Bergheimer Bürgermeister Jürgen Peters: "Das muß mir mal einer klarmachen: Die Koalitionsverhandlungen der neuen Bundesregierung beinhalten den Einstieg in den Ausstieg vom Atomstrom, die Steinkohleförderung soll noch weiter eingeschränkt werden. Wie soll das gehen, wenn die Landesregierung dann auch noch die einzig nicht subventionierte Energiequelle in Deutschland, nämlich die Braunkohleförderung, stoppt? Peters überlegt, eine Bürgerinitiative Pro Garzweiler zu gründen.

Landrat Wolfgang Bell stellt sich "eindeutig auf die Seite der Arbeitnehmer und ihrer Familien". Die erneute Diskussion sei unerträglich. Landtagsabgeordneter Werner Stump will mit den Bergarbeitern auf die Straße gehen. Er habe immer wieder darauf hingewiesen, daß es "in der Konzernführung Kräfte gibt, die den Tagebau Garzweiler II in Frage stellen". Der CDU-Mann will nicht ausschließen, daß "hinter den Vorhängen der Konzern mit den rot-grünen Mehrheiten in Düsseldorf und jetzt auch in Bonn an einem weitreichenden Deal arbeitet".

Horst Lambertz, Vertreter der Grünen im Braunkohleausschuß, spricht von einem 17seitigen Arbeitspapier, das dem Aufsichtsrat von RWE Energie vorgelegt wurde. Danach sei die Verstromung der Braunkohle nicht mehr konkurrenzfähig. Der Aufsichtsrat habe den Bau eines Gaskraftwerkes in Knapsack angedacht. Das RWE wolle Garzweiler II in Reserve halten, bis sich der Abbau lohne. Doch dürfe nicht nur Wettbewerbsfähigkeit zählen, argumentiert Lambertz und verweist auf die Sozialpflichtigkeit des Eigentums.

Die Kerpener Jungsozialisten sehen weiterhin die Notwendigkeit der Braunkohle, um den Ausstieg aus der Kernenergie abzusichern. Der Anteil von nun 35,6 Prozent müsse durch andere Energie ersetzt werden. Das sei allein durch regenerative Energien nicht machbar. Eine Alternative wäre nur der Zukauf von Strom im Ausland. Das wäre aber - wegen des niedrigeren Wirkungsgrads dort - aus globaler Sicht falsch. Eine Abhängigkeit vom Erdgas erscheint den Jusos als zu riskant. Anders sieht das Jochen vom Berg von den Bedburger Grünen: "RWE fährt starke Verluste im Telekommunikations- und im Entsorgungsbereich ein, die nur durch RWE-Energie aufgefangen werden. Die wären ja mit dem Klammerbeutel gepudert, würden sie sich noch einen weiteren wirtschaftlichen Risikofaktor ans Bein binden."

Quelle: Kölner Stadt-Anzeiger 28/10/’98

Seitenanfang


Das Feindbild ist klar

Wut, aber keine Zweifel am Konzern - Kritik an Clement

Von Ralph Jansen

Erftkreis - In der Baracke III im Tagebau Garzweiler geben sich die Kumpels die Klinke in die Hand. Blaumänner und gelbe Helme im Betriebsratsbüro. An der Korridorwand prangen Fotos von Demonstrationen für den Aufschluß des Tagebaus Garzweiler II. Man glaubte sich dem Ziel so nahe, und doch raufen die Betriebsräte der Kraftwerke Neurath, Frimmersdorf und des Tagebaus Garzweiler sich angesichts der vielen besorgten Kumpel wieder und wieder die Haare.

Die Zweifel am Tagebauprojekt nehmen kein Ende. Erst waren Grüne und Umweltschutzverbände gegen Garzweiler II, jetzt drangen selbst aus dem RWE-Management Stimmen von Zweiflern in die Öffentlichkeit. Der Qualm Dutzender Zigaretten - nicht der einzige Grund für die dicke Luft in der Baracke III. Die Kumpels sind abgearbeitet und gereizt. "Ich komme von der stillgelegten Zeche Sophia Jacoba. Das möchte ich nicht nochmal erleben." Gestandene Betriebsräte wie der Elsdorfer Wilfried Eßer sind rot vor Zorn: "Die Leute sind des Hinhaltens müde. Die wollen auch mal Resultate sehen. Wir haben die Schnauze voll." Als Klaus Matthiesen kürzlich den Vorsitz der SPD-Fraktion abgab, stürmten beunruhigte Kumpels schon einmal das Betriebsratsbüro. "Unser großer Fürsprecher ist weg, und Ministerpräsident Clement, als Macher angetreten, fährt jetzt den gleichen Eierkurs wie der Rau", schimpft Tagebau-Betriebsratsvorsitzender Helmut de Jong ungebremst.

Daß die RWE-Führung ernsthaft an Garzweiler II zweifelt, glauben die Kumpels nicht. "Wir lassen uns nicht auseinanderdividieren. Das Gerücht kommt bestimmt aus der grünen Abteilung." Das Feindbild des Braunkohlekumpels ist und bleibt Bärbel Höhn - am Konzern keine Kritik. "Die ist doch ein Diktator und mißbraucht ihren Ministerposten für persönliche Dinge", bricht es aus einem heraus.

Und selbst Helene Fries, die einzige Frau im Betriebsratsbüro, ruft nach dem starken Mann: "Die Höhn macht doch mit dem Clement, was sie will." Auch aus den Kraftwerken ähnliche Töne. Kurt Liebermann aus Neurath und Betriebsratskollege Heinz-Dieter Burbach fürchten, daß die Kessel nicht mehr richtig liefen, würden sie nur mit der "problematischen Hambacher Braunkohle" befeuert: "Wir brauchen langfristig die Mischung mit Kohle aus Garzweiler II.

Eßer fürchtet ein Zeitspiel: "Wir müssen sümpfen, damit die Bagger weiterkommen, müssen umsiedeln, müssen die Verlegung der Autobahn durchkriegen. Wenn bis nächstes Jahr nicht Klarheit herrscht, dann gerät alles ins Stocken." Kollege de Jong ist kampfbereit: "Notfalls drehen wir den Strom ab."

Quelle: Kölner Stadt-Anzeiger 28/10/’98

Seitenanfang


RWE nennt Bericht "spekulativ"

Festhalten an Braunkohle betont - NRW-Grüne sehen sich bestätigt

Essen/Düsseldorf - Im Streit um die Genehmigung des Braunkohle-Tagebaus Garzweiler II haben sich Zweifel an dessen Wettbewerbsfähigkeit erhärtet. Ein Sprecher der RWE-Tochter Energie AG in Essen wies dagegen den Bericht des "Kölner Stadt-Anzeigers" als "völlig spekulativ" zurück, wonach Stromexperten in der Energie-Abteilung von RWE das Tagebauprojekt für zu teuer und nicht wettbewerbsfähig halten. Der Stromkonzern werde an Garzweiler und an der Braunkohle festhalten.

Die Grünen werteten den Bericht über Unstimmigkeiten innerhalb des Stromkonzerns RWE als Bestätigung für ihre Ablehnung des Tagebauprojekts. Grünen-Politiker in NRW forderten den Konzern auf, seine Analyse zur Wirtschaftlichkeit zu veröffentlichen. Offenbar wird der Braunkohle darin eine wenig attraktive Zukunft bescheinigt. Der energiepolitische Sprecher der Grünen-Landtagsfraktion, Gerd Mai, erklärte: "Auch uns haben Informationen erreicht, daß RWE die Braunkohleförderung ihrer Tochter Rheinbraun schon konzernintern subventioniert und künftig mit Defiziten von über einer halben Milliarde Mark rechnet."

Landessprecher Reiner Priggen bezeichnete es als beachtenswert, daß beim Konzern schriftliche Untersuchungen über die Wirtschaftlichkeit vorlägen und dies auch nicht dementiert werde. RWE könne diese Berechnungen nicht unter Verschluß halten. "Entscheidend ist doch die Frage, wie sich das Energieland Nummer eins auf die Liberalisierung des Energiemarktes einstellt." Von einer realistischen Einschätzung seien viele Industriezweige abhängig. Gerade auch Großkonzerne müßten mit offenen Karten spielen.

Der stellvertretende Regierungssprecher Werner Stürmann erklärte zu Vorwürfen, es habe seitens der Landesregierung eine politische Einflußnahme auf RWE gegeben: "Dies hat natürlich nicht stattgefunden." Zur Frage, ob und wann der RWE-Vorstand den Ministerpräsidenten über neue ökonomische Berechnungen zu Garzweiler II unterrichtet hat, sagte Stürmann: "Selbstverständlich wird die Landesregierung keine Informationen aus Gesprächen mit Unternehmen weiterleiten."

NRW-Ministerpräsident Wolfgang Clement bezeichnete das angebliche Abrücken der RWE vom Abbau des Braunkohletagebaus Garzweiler II als "absoluten Quatsch". Die Braunkohle sei konkurrenzfähig und habe Zukunft, betonte er. Angesichts des geplanten Ausstiegs der neuen Bundesregierung aus der Atomenergie wachse die Bedeutung allenfalls noch, betonte Clement gegenüber dem "Kölner Stadt Anzeiger".

NRW-Minister Wolfgang Vesper (Grüne) zeigte sich hingegen von den angeblichen Rückzugsplänen der RWE nicht überrascht. Dies habe er erwartet. Schon seit Jahren sei klar, daß der Stromkonzern den Braunkohleabbau ausschließlich unter wirtschaftlichen Aspekten betrachte. Der neue Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) sagte: "Wenn das zutrifft, beginnt dort offenbar der Realismus Einzug zu halten." (tu., GA, jlo)

Quelle: Kölner Stadt-Anzeiger 28/10/’98

Seitenanfang


RWE: Garzweiler II nicht wirtschaftlich

Neue Botschaft für NRW-Landesregierung: Tagebau wird derzeit gar nicht benötigt

Von Ewald B. Schulte

BERLIN, 26. Oktober. Die nordrhein-westfälische Landesregierung muß sich in der Energiepolitik neu orientieren. Nach einem offiziellen Eingeständnis der Essener RWE Energie AG ist die Verstromung von Braunkohle aus dem umstrittenen Tagebau Garzweiler II auf absehbare Zeit nicht wirtschaftlich. Nach Informationen der "Stuttgarter Zeitung" hat der ehemalige Vorstandsvorsitzende der Energie AG, Roland Farnung, dies Interims-Wirtschaftsminister Bodo Hombach (SPD) bei seinem Antrittsbesuch Mitte September offiziell mitgeteilt. Weil Farnung bei diesem Treffen den Eindruck erweckte, die RWE wolle komplett aus dem von der Landesregierung seit mehr als zehn Jahren verfolgten Garzweiler-II-Projekt aussteigen, bestellte Ministerpräsident Wolfgang Clement (SPD) RWE-Konzernchef Dietmar Kuhnt zum Gespräch.

20-Milliarden-Vertrag Makulatur

Kuhnt reagierte prompt. In enger Abstimmung mit dem RWE-Aufsichtsratsvorsitzenden, WestLB-Chef Friedel Neuber, ließ Kuhnt Farnung mit sofortiger Wirkung von sämtlichen Amtspflichten entbinden. Farnung war ohnehin vorgeworfen worden, den Essener Energieriesen höchst unzureichend auf die Herausforderungen des Strom-Wettbewerbs vorbereitet zu haben. Der Hauptvorwurf: Die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit der Garzweiler-Braunkohle gegen preiswerte Stromimporte sei seit längerer Zeit absehbar gewesen, so daß die Politik deutlich früher hätte unterrichtet werden können.

Zudem versicherte Kuhnt dem Regierungschef, daß der RWE-Konzern keinesfalls generell aus der Braunkohleverstromung aussteigen werde. Gerade angesichts der aktuellen Kernenergie-Diskussion wäre es fatal, nun auch noch auf die Option der Braunkohle-Verstromung zu verzichten.

In einem Punkt allerdings ließen sich Farnungs Aussagen vom RWE-Chef nicht revidieren. Bei wachsenden Stromimporten und zunehmenden Wettbewerbsdruck werden die Strompreise in den nächsten Jahren nachhaltig sinken. Damit ist auf absehbare Zeit eine wirtschaftlich rentable Nutzung des Garzweiler-Tagebaus nicht zu erreichen. Zwar unterstrich Kuhnt beim Treffen mit Clement das Interesse des RWE-Konzerns an der raschen Erteilung der letzten Genehmigungen durch Umweltministerin Bärbel Höhn (Grüne), doch auf den ursprünglich für das Jahr 2005 geplanten Beginn der Abbaggerung ließ sich der Manager nicht mehr festlegen. Alle Investitionsmaßnahmen des RWE-Konzerns stünden stets unter dem Vorbehalt der Wirtschaftlichkeit. Soll heißen: Hat RWE erst einmal die Abbaurechte, kann sich der Konzern mit der Gewinnung der Braunkohlevorräte so lange Zeit lassen, bis ihre Verwertung wieder rentabel ist. Schließlich verliert diese Energie-Ressource durch "Liegenlassen" keinesfalls an Wert. Für Regierungschef Wolfgang Clement kommt dieses eher abstrakte Bekenntnis zum Braunkohlevorrang einer weiteren Hiobsbotschaft gleich. Damit nämlich ist klar, daß der RWE-Konzern sein in einer Vereinbarung mit dem Land vertraglich besiegeltes 20-Milliarden-Programm zur Modernisierung der Braunkohle-Verstromung zeitlich deutlich strecken wird.

Auf Basis dieser Vereinbarung hatte RWE im vergangenen Jahr mit dem Neubau eines auf 2,5 Milliarden Mark veranschlagten Braunkohlekraftwerks in Niederaussem begonnen. Zwar wird dieser Bau planmäßig abgeschlossen, doch wann die weiteren Investitionen folgen, steht derzeit in den Sternen. Einen Vertragsbruch sieht der RWE-Konzern in seinem Verhalten nicht.

Man habe von Anfang darauf hingewiesen, daß auch diese Vereinbarung unter dem Vorbehalt der Wirtschaftlichkeit stehe. Zudem handle es sich um ein Zug-um-Zug-Geschäft. Wenn beispielsweise die neue rot-grüne Bundesregierung dem Unternehmen die Nutzung seiner Kernkraftwerke erschwere, sei RWE aus Kostengründen ohnehin gezwungen, sich durch nationale Kooperationen sowie durch Einkauf auf dem internationalen Markt die preisgünstigsten Ersatz-Kapazitäten zu sichern.

Höhn: Nicht entscheidungsreif

Ministerin Höhn dementierte Presseberichte, denen zufolge sie in Kürze die wasserrechtliche Genehmigung für das Braunkohleprojekt Garzweiler II erteilen wolle. "Aus meiner Sicht ist das Projekt nicht entscheidungsreif", sagte sie. Um die Auswirkungen des Tagebaus auf nahe gelegene Naturschutzflächen zu ermitteln, sei entweder ein bis 2002 dauernder Praxisversuch nötig oder eine Verbesserung von Computersimulationen. "Die bisherigen Modelle haben Defizite."

Quelle: Berliner Zeitung 27.10.1998

Seitenanfang


Nächste Ruine?

Landet nach der Wiederaufarbeitungsanlage in Wackersdorf, dem Schnellen Brüter in Kalkar und dem Hochtemperatur-Reaktor bei Hamm nun auch das ähnlich heftig umstrittenene Bergbau-Projekt Garzweiler II auf dem Schrottplatz der Geschichte? Das RWE in Essen bestreitet dies noch lautstark. Es beteuert, am Projekt festhalten zu wollen.

Doch das Dementi aus der Essener Konzernzentrale klingt wenig überzeugend. Denn nicht irgendwelche Krakeeler äußern ernste Zweifel an der wirtschaftlichen Qualität von Garzweiler II. Es sind die eigenen Spitzenmanager der Stromtochter RWE Energie AG und damit die einschlägigen Experten des Hauses selbst. Kann dann ein Konzernvorstand wirklich so tun, als sei nichts geschehen? Wohl kaum. Der Vorgang erinnert frappierend an Wackersdorf, Kalkar und Hamm. Es waren dies ebenfalls jeweils milliardenschwere Projekte, von Politik und Wirtschaft (voreilig) zum unverzichtbaren Prüfstein unseres industriepolitischen Fortschritts ähnlich hochstilisiert wie Garzweiler. Daß die Projekte bald nach der Planung in Wirklichkeit nur noch Schrottwert besaßen, stellte sich erst später heraus. Die Planung war von falschen Voraussetzungen ausgegangen. Auch für Garzweiler scheint dies zu gelten. Das Vorhaben war projektiert worden, als Braunkohle-Zechen noch Goldgruben glichen und keine Konkurrenzenergie aus dem Ausland zu fürchten hatten. Die Zeiten haben sich inzwischen geändert.

Vielleicht erspart ein rechtzeitiger Ausstieg auch diesmal dem Stromkunden viele Milliarden. Denn letztlich ist es der Verbraucher, der die Rechnungen der Kraftwerker zu bezahlen hat. Von Leonhard Spielhofer

Quelle: Stuttgarter Zeitung 27.10.1998

Seitenanfang


Dem Tagebau Garzweiler droht das Aus

Die RWE Energie AG setzt auf Öl und Gas statt auf die Braunkohle - Internes Papier vorgelegt

Mit Braunkohlekraftwerken lassen sich längst keine lukrativen Geschäfte mehr machen. Die RWE Energie AG in Essen fürchtet Gas und Steinkohle als neue Konkurrenten.

Von Leonhard Spielhofer

Über Jahrzehnte galten die Braunkohle-Tagebaue zwischen Köln und Aachen als äußerst lukrative Abbaustätten. Doch aus dem einstigen Liebling des Strom-Managements wurde inzwischen ein Sorgenkind. Deutsche Braunkohle gilt in den Kraftwerken nicht länger als konkurrenzloser Billigstbrennstoff für die Kesselfeuerung. Gas und Steinkohle sind inzwischen ungleich preiswerter. Der Tagebau Garzweiler II wackelt.

Schon im Frühsommer 1998 hatte das Management der RWE-Tochtergesellschaft RWE Energie AG in Essen dem Aufsichtsrat ein Arbeitspapier übergeben, um auf diese neue Situation aufmerksam zu machen.

Es macht gegenwärtig in politischen Kreisen Düsseldorfs die Runde. Auf rund 15 Seiten wird darin der Braunkohle eine wenig attraktive Zukunft bescheinigt. Das Reizwort Garzweiler II findet sich zwar nirgendwo in der Expertise. Doch für den Leser wird sofort klar: Der Vorstand der Energie AG hält von dem Großprojekt ihrer Schwestergesellschaft Rheinbraun, ebenfalls einer RWE-Tochter, wenig bis gar nichts. Aus wirtschaftlicher Sicht ist es nach dieser Einschätzung nicht vertretbar.

Wie aus gutinformierten Kreisen verlautet, faßte der RWE-Konzernvorstand dagegen erst vor wenigen Tagen einen Durchhalte-Beschluß zugunsten Garzweilers. Der Vorstandsvorsitzende der RWE Energie und Gegner des neuen Bergwerkes, Roland Farnung, dagegen sei vom Aufsichtsratsvorsitzenden des Konzerns, Friedel Neuber, dem Chef der öffentlich-rechtlichen Westdeutschen Landesbank, ein Jahr vor Ablauf seines Vertrages vor allem deswegen entlassen worden, weil die kommunalen RWE-Aktionäre und die IG Bergbau, Chemie, Energie Druck ausgeübt hätten. Farnung wird durch Daimler-Manager Manfred Remmel ersetzt.

Dem künftigen Braunkohle-Einsatz werden in der Studie hohe betriebswirtschaftliche Risiken nachgesagt. Auch enorme Kapitalkosten und langfristig gebundene Investitions-Milliarden der großen Braunkohle-Kraftwerksblöcke werden erwähnt. Nach jetzigem Plan fordern die neu zu erstellenden Anlagen bei Garzweiler II einen Aufwand von rund 20 Milliarden DM. Diese hohen Kapitalbindungen engen den Bewegungsspielraum des Unternehmens stark ein. Auch die Fixkosten der Kraftwerke im laufenden Betrieb seien zu hoch. Sie seien etwa zweimal bis dreimal teurer als die neuen leistungsfähigen Gaskraftwerke mit sogenannter GuD-Technik. Eine weitere Konzentration auf die Braunkohle - mit ihr produziert RWE gegenwärtig immerhin rund die Hälfte der gesamten verkauften Elektrizität - bedeute, daß die Wettbewerbsfähigkeit des Hauses auf den gerade neu entstehenden Strommärkten in Europa gefährdet ist. Ein Empfänger des internen Papiers faßt gegenüber der Stuttgarter Zeitung zusammen: ¸¸Es gibt offensichtlich keinen Grund für Garzweiler II, und alle Fachleute wissen das.''

Die Gaslieferanten, seit den Jahren der sogenannten Energiepreis-Krise nach 1975 in den Großkraftwerken zeitweilig verpönt, schicken sich gegenwärtig mit Billigstofferten an, der schwarzen und braunen Konkurrenz unter den Primärenergien wieder das Fürchten zu lehren. Die Einfuhrkapazitäten würden sich in den nächsten Jahren ungefähr verdoppeln.

Quelle: Stuttgarter Zeitung 27.10.1998

Seitenanfang


Neue Zweifel an Wettbewerbsfähigkeit von Garzweiler II

- RWE: Keine Unstimmigkeiten im Konzern zu Tagebauprojekt

Im Streit um die Genehmigung des Tagebaus Garzweiler II in Nordrhein-Westfalen sind neue Zweifel an dessen Wettbewerbsfähigkeit aufgekommen. Die Grünen werteten am Dienstag entsprechende Zeitungsberichte über Unstimmigkeiten innerhalb des Stromkonzerns RWE als Bestätigung für ihre Ablehnung des Tagebauprojekts. Ein Sprecher der RWE-Tochter Energie AG in Essen wies dagegen einen Bericht des "Kölner Stadt-Anzeiger" als "völlig spekulativ" zurück, wonach Stromexperten in der Energie-Abteilung von RWE das Tagebauprojekt für zu teuer und nicht wettbewerbsfähig halten.

 

Dem "Kölner Stadt-Anzeiger" zufolge befürchtet der frühere Vorstandsvorsitzende der RWE Energie-Sparte, Roland Farnung, durch den Einsatz von Kohle aus Garzweiler unter anderem künftig jährliche Mehrkosten in der Stromerzeugung bis zu 600 Millionen Mark und neue Kraftwerks-Überkapazitäten. Die an Garzweiler II gekoppelten Milliarden-Investitionen allein für neue Kraftwerke seien daher fragwürdig.

 

Der Sprecher der Essener Energie AG, Hermann Venghaus, erklärte dazu jedoch, der Stromkonzern werde an Garzweiler und an der Braunkohle festhalten. RWE setze darauf, daß die Genehmigung für den Braunkohletagebau kommt. Zugleich verwies er auf eine Übereinkunft mit der nordrhein-westfälischen Landesregierung über Investitionen in Höhe von 20 Milliarden Mark.

 

Nach Ansicht der Fraktionssprecherin von Bündnis90/Grüne im Düsseldorfer Landtag, Gisela Nacken, bestätigen die neuen Berichte, daß das Projekt Garzweiler II nicht nur ökologisch und sozial abwegig, sondern auch ökonomisch ein falsches Signal sei. Es gebe nunmehr eine "neue Qualität" in der energiepolitischen Diskussion. Es sei zu hoffen, daß ein "stückweit Rationalität" in die Entscheidung über Garzweiler II komme, sagte Nacken. Auf Kritik stießen bei den Grünen die von der IG Bergbau, Chemie und Energie angekündigten Aktionen. Deren Aufruf zum Stromerzeugungsboykott sei eine politische Einflußnahme.

 

Derweil verdichteten sich in Düsseldorf am Dienstag die Hinweise, daß die wasserrechtliche Genehmigung unmittelbar bevorstehe. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Wolfgang Clement hatte am Montag erklärt, das Projekt sei genehmigungsreif. Das Tagebau-Projekt am Niederrhein ist Dauerstreitthema in der rot-grünen Landesregierung von Nordrhein-Westfalen.

Quelle: Isar-Donau-Wald 27.10.1998

Seitenanfang


"Notfalls schalten wir auch den Strom ab"

Bergleute im rheinischen Revier wollen für Garzweiler II auf die Straße gehen

Frimmersdorf/Düsseldorf. "Wenn die Bergleute einmal in Wut geraten, ist die Lawine nicht mehr aufzuhalten." Die Drohung des Gesamtbetriebsratsvorsitzenden von Rheinbraun, Erwin Winkel, ist durchaus ernst zu nehmen. Mit einer Welle von Protestaktionen wollen die Arbeiter die wasserrechtliche Erlaubnis für den Tagebau Garzweiler II erzwingen, wenn sie nicht innerhalb der nächsten Tage von Landesumweltministerin Bärbel Höhn erteilt wird. Nur noch mit Mühe seien die Kumpel zurückzuhalten, sagt Winkels Stellvertreter Wilfried Eßer.

Rund 200 Betriebsräte der Rheinbraun AG hatten sich gestern in Frimmersdorf versammelt, um das weitere Vorgehen abzustimmen. Das genaue Ausmaß der Aktionen, die die Landesregierung unter Druck setzen sollen, will Detlef Fahlbusch, Landesbezirksvorsitzender der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie und Energie (IG BCE), nicht nennen. Das müsse im einzelnen noch abgestimmt werden. Wenn es notwendig sein sollte, schließe er jedoch in letzter Konsequenz nicht aus, daß der Protest der Bergleute viele empfindlich treffen werde: "Die schalten notfalls auch den Strom ab."

Zunächst versuchen sie es noch einmal auf dem Postweg. Per Kurier ist der Landesregierung gestern ein offener Brief übermittelt worden, in dem Clement aufgefordert wird, endlich für Klarheit zu sorgen. "Wir brauchen jetzt eine Genehmigung für Garzweiler II, die die quälende Diskussion über das Ob des Tagebaus ein für allemal beendet."

Kommt die Landeregierung dieser Bitte nicht umgehend nach, wollen die Bergleute schon Anfang nächster Woche in Düsseldorf aufmarschieren, um da zu protestieren, wo ihrer Meinung nach unter Ministerpräsident Wolfgang Clement (SPD) inzwischen genauso gezaudert wird wie weiland unter Vorgänger Johannes Rau.

"Wir brauchen jetzt eine belastbare Aussage aus Düsseldorf, die es Rheinbraun ermöglicht, Investitionsentscheidungen zu treffen", unterstreicht Helmut de Jong, Betriebsratsvorsitzender im Tagebau Garzweiler, daß das aufgebrachte Revier nur mit einem Signal zugunsten der Arbeitnehmerschaft zu beruhigen sei.

Der Rücktritt von SPD-Fraktionschef Klaus Matthiesen im Düsseldorfer Landtag hat die Kumpel aufgeschreckt. "Mit ihm geht jemand, der knallhart unsere Linie vertreten hat", sagen die Rheinbraun-Mitarbeiter. "Wer weiß, wer jetzt noch alles von der Fahne geht." Zum anderen ist aus der Sicht der Rheinbraun-Mitarbeiter mit der heutigen Kanzlerwahl die Zeit des Taktierens und der Rücksicht endgültig vorbei.

In Düsseldorf ließen allerdings zur gleichen Zeit NRW-Ministerpräsident Wolfgang Clement und sein als Kanzleramtschef nach Bonn wechselnder bisheriger Wirtschaftsminister Bodo Hombach keinen Zweifel aufkommen, daß die wasserrechtliche Genehmigung für Garzweiler ohnehin nicht mehr lange auf sich warten läßt. Es werde "in sehr überschaubarer Zeit" zur Entscheidung in der Sümpfungsfrage kommen, betonte Clement und fügte hinzu: "Gehen Sie mal davon aus, daß alles ziemlich schnell klar wird."

Auch Hombach versicherte: "Die Frage, ob Garzweiler II kommt, liegt politisch hinter uns." Beide Politiker räumten ein, daß derzeit politische Gespräche mit der Frau Höhn geführt werden, die die Fachaufsicht über die wasserrechtliche Erlaubnis hat. Dies habe jedoch nichts mit den formalen Prozedur zu tun.

"Es gibt Sachfragen, über die man diskutieren kann", sagte Clement. Es sei außerdem zulässig, daß die Fachaufsicht andere Auffassungen vertrete, als ihre nachgeordneten Behörden. Die unterschiedlichen Auffassungen müßten abgearbeitet werden. Für Investoren und Beschäftigte bestehe jedoch kein Anlaß zur Sorge, bekräftigte der Regierungschef. Man sei mit dem Genehmigungsverfahren des gigantischen Projektes "absolut im Zeitplan".

CDU-Oppositionschef Helmut Linssen warf dem Ministerpräsidenten und der SPD allerdings vor, die Bergleute "hinzuhalten". Die von der Landesregierung betriebene Verzögerungstaktik habe nichts mehr mit einer Prüfung nach Recht und Gesetz zu tun. Er forderte die Landesregierung auf, spätestens in der morgigen Sitzung des Umweltausschuß klar Stellung zu beziehen und einen detaillierten Sachstandsbericht über das Braunkohleprojekt abzugeben.

Quelle: Kölnische Rundschau 27/10/1998

Seitenanfang


Wackersdorf läßt grüßen

Der Streit um Garzweiler II hat eine neue Dimension erreicht. Jetzt wird nicht mehr nur in der rot-grünen NRW-Koalition um das Projekt gerungen - die Ausweitung des Braunkohle-Tagebaus ist auch im RWE-Konzern selbst umstritten.

Die Argumente der Energie-Experten des RWE sind nicht neu: Angesichts der Konkurrenz durch Gas und Steinkohle und vor dem Hintergrund des sich verschärfenden europäischen Strom-Wettbewerbs ist die Stromerzeugung aus Braunkohle künftig kaum mehr rentabel. Nun aber formulieren die Ökonomen selbst diese Einwände, nicht mehr nur die Ökologen, denen durchaus politisch einseitige Interessen unterstellt werden dürfen.

Ministerpräsident Clement befindet sich nun in der schwierigen Lage, abzuwägen, ob er seine Landesregierung im Kampf für ein womöglich bereits abgeschriebenes Projekt verschleißt. Garzweiler taugt nicht als politisches Symbol - entscheidend ist die ökonomische Plausibilität des Tagesbaus. Die Energiekonzerne nehmen im Zweifel nicht Rücksicht auf politische Empfindsamkeiten. Das mußte einst auch Franz Josef Strauß erfahren, als er die atomare Wiederaufarbeitungsanlage Wackersdorf, letztlich vergeblich, durchsetzte.

Quelle: Kölner Stadt-Anzeiger 27/10/1998

Seitenanfang


Die Kumpel haben die Nase

Betriebsräte von Rheinbraun fordern die sofortige Genehmigung für den Tagebau

Frimmersdorf - "Die Stimmung ist beschissen. Immer wieder diskutieren wir, fragen sich die Kumpels: »Behalten wir unsere Arbeit». Ich begreife nicht, was die Höhn da veranstaltet. Die Kollegen haben die Nase voll." Das sagt einer von 120 Rheinbraun-Betriebsräten, die gestern auf einer außerordentlichen Betriebsrätekonferenz in Frimmersdorf bei Grevenbroich ihrem Ärger über den mangelnden Fortschritt beim geplanten Braunkohletagebau Garzweiler II und über die grüne Umweltministerin Luft machten. Den Bergleuten reicht's. Sie fordern, für die Erteilung der wasserrechtlichen Erlaubnis müsse noch in dieser Woche eine "zufriedenstellende Lösung" gefunden werden. Ansonsten sollen nächste Woche Protestaktionen beginnen.

Und da wollen die Kumpels sogar Stromabschaltungen nicht ausschließen, auch wenn es darüber zur Zeit noch keine direkten Absprachen gebe. "Als Bergleute sind wir zu allem entschlossen." Zwar ist zunächst an (friedliche) Proteste in Düsseldorf gedacht. Aber Rheinbraun-Gesamtbetriebsrat Erwin Winkel sprach auch von Betriebsversammlungen als Antwort, und das nicht nur bei Rheinbraun.

Sie haben Ministerpräsident Wolfgang Clement (SPD) geschrieben, daß sie die Genehmigung für Garzweiler II jetzt bräuchten. Und daß es eine Genehmigung ohne Wenn und Aber sein müsse. Damit das Unternehmen auch Investitionssicherheit habe. "Sie haben uns versichert, daß unsere existentiellen Interessen an einer Genehmigung von Garzweiler II bei Koalitionsverhandlungen nicht auf der Strecke bleiben", erinnern sie den Ministerpräsidenten. und fordern ihn auf, von seiner Entscheidungskompetenz Gebrauch zu machen. Die Grünen wollten nämlich gleichzeitig aus Atomenergie und Braunkohle aussteigen, warnen sie. "Damit werden 60 Prozent unserer Stromversorgung in Frage gestellt." Und: In Bezug auf Garzweiler II gebe es keine offenen Fragen mehr, das Unternehmen Rheinbraun habe alle erforderlichen Unterlagen vorgelegt.

Das versicherte auch Rheinbraun-Vorstandsmitglied Dietrich Böcker den Betriebsräten. Wenn die Sümpfungserlaubnis nicht jetzt und nicht in einer rechtlich eindeutigen Form komme, könne Rheinbraun das nur als den Einstieg in den Ausstieg von Garzweiler II werten. "Dann müssen wir feststellen, daß es trotz eines 15 Jahre dauernden, extrem sorgfältig durchgeführten Genehmigungsverfahrens in unserem Bundesland nicht möglich ist, ein solches Investitionsvorhaben zu realisieren. Die endgültige Entscheidung für den Tagebau muß jetzt zügig kommen."

Und wenn nicht: Wilfried Eßer, stellvertretender Betriebsratsvorsitzender im Tagebau Garzweiler: "Die marschieren dann."

Braunkohlepolitik

Clement: Kein Grund zur Sorge

"Wir sind absolut im Zeitplan"

Düsseldorf - Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Wolfgang Clement (SPD) hat am Montag in Düsseldorf klargestellt, daß seiner Meinung nach das umstrittene Braunkohleprojekt Garzweiler II realisiert werde. Clement zeigte sich überzeugt, daß "in einer sehr überschaubaren Zeit" die noch fehlende Sümpfungserlaubnis erteilt werde. Mit der Genehmigung der Sümpfungserlaubnis wird die Senkung des Grundwasserspiegels geregelt. "Wir müssen sie bald erteilen, damit zeitgemäß Kohle abgebaut werden kann", sater der Ministerpräsident. Die Arbeiter brauchten sich keine Sorgen zu machen. Die Unternehmen sehen, daß auf unsere Politik Verlaß ist. "Wir sind absolut im Zeitplan."

Noch-Wirtschaftsminister Bodo Hombach erklärte, einige Nachfragen zur Erlaubnis seitens Umweltministerin Bärbel Höhn (Grüne) seien plausibel, jedoch sei das Projekt "aus unserer Sicht genehmigungsfähig". CDU Fraktionsvorsitzender Helmut Linssen warf der SPD vor, sie halte die Bergleute hin. Die von der Landesregierung betriebene Verzögerungstaktik habe nichts mehr mit einer Prüfung nach Recht und Gesetz zu tun.

Auf derselben Pressekonferenz betonte Clement, durch die Ernennung von SPD-Landeschef Franz Müntefering und NRW-Wirtschaftsminister Bodo Hombach (SPD) als Bundesminister im Kabinett Schröder werde der Einfluß von Nordrhein-Westfalen im Bund gestärkt. "Ich halte es für wichtig, daß NRW in der Regierung Schröder angemessen vertreten ist. Das sind zwei starke Chancen für unser Land", betonte Clement. Das politische Zentrum werde sich nach Berlin verlagern. Nordrhein-Westfalen hingegen werde das stärkste Land im Westen repräsentieren und seinen Einfluß mit vier parlamentarischen Staatssekretären und 72 SPD-Abgeordneten auch in Berlin wahren können.

Hombach erklärte, er werde dafür sorgen, daß die bundespolitische Diskussion von NRW aus mitgestaltet werde. Sein Nachfolger Peer Steinbrück wird am Donnerstag in Düsseldorf vorgestellt.

Quelle: Kölner Stadt-Anzeiger 27/10/1998

Seitenanfang


Bergleute sind zu allem entschlossen

Kumpels fordern endgültige Genehmigung jetzt - Protestaktionen angekündigt

Von Jürgen Koch

Erftkreis/Frimmersdorf - Die Stimmung? "Die ist beschissen. Keiner weiß, wann es losgeht. Immer wieder diskutieren wir, fragen sich die Kumpels: »Behalten wir unsere Arbeit?» Ich begreife nicht, was die Höhn da veranstaltet. Die Kollegen haben die Nase voll."

Das sagt einer von 120 Rheinbraun-Betriebsräten, die gestern bei einer außerordentlichen Betriebsrätevollkonferenz in Frimmersdorf ihrem Ärger Luft machten. Den Bergleuten reicht's. Sie fordern, für die Erteilung der wasserrechtlichen Erlaubnis für den Tagebau Garzweiler II müsse noch in dieser Woche eine "zufriedenstellende Lösung" gefunden werden. Ansonsten sollen in der kommenden Woche Protestaktionen beginnen.

Schulterschluß

Und da wollen die Kumpels sogar Stromabschaltungen nicht ganz ausschließen, auch wenn es darüber zur Zeit noch keine direkten Absprachen gebe. "Als Bergleute sind wir zu allem entschlossen." Zwar ist erstmal an (friedliche) Proteste in Düsseldorf gedacht. Aber Rheinbraun-Gesamtbetriebsrat Erwin Winkel sprach auch von Betriebsversammlungen als Antwort, und das nicht nur bei Rheinbraun. Er hofft auf einen Schulterschluß der Arbeitnehmer in der Region. Und er warnt die Landesregierung: "Wenn die Bergleute einmal unterwegs sind, dann kann man sich viel vorstellen."

Erstmal haben sie dem Ministerpräsidenten Wolfgang Clement geschrieben. Daß sie die Genehmigung für Garzweiler II jetzt bräuchten. Und daß es eine Genehmigung ohne Wenn und Aber sein müsse. Damit das Unternehmen auch Investitionssicherheit habe. "Sie haben uns versichert, daß unsere existentiellen Interessen an einer Genehmigung von Garzweiler II bei Koalitionsverhandlungen nicht auf der Strecke bleiben", erinnern sie den Ministerpräsidenten und fordern ihn auf, von seiner Entscheidungskompetenz Gebrauch zu machen. Die Kumpels fragten sich schon: "Ist der Clement auch so zögerlich und zaudernd?"

Die Grünen wollten den Ausstieg aus der Kernenergie und der Braunkohle gleichzeitig. "Damit werden 60 Prozent unserer Stromversorgung in Frage gestellt."

Die Bergleute seien nicht bereit, noch Wochen zu warten. In Bezug auf Garzweiler II gebe es keine offenen Fragen mehr, das Unternehmen Rheinbraun habe alle zur Prüfung erforderlichen Unterlagen vorgelegt.

Das versicherte auch Rheinbraun-Vorstandsmitglied Dr. Dietrich Böcker den Betriebsräten und Gewerkschaftern. Er machte deutlich: Rheinbraun wird eine Sümpfungserlaubnis ablehnen, die wertlos sei, also "ohne sachliche Gründe mit Bedingungen und Widerrufsklauseln aller Art gespickt ist". Böcker: "Es gibt keine Investitionsentscheidungen des Unternehmens und von RWE Energie, solange die Frage nach dem Ob des Projektes in irgendeiner Weise offengehalten wird."

Böcker wurde deutlich: Wenn die Sümpfungserlaubnis nicht jetzt und nicht in einer rechtlich eindeutigen Form komme, könne Rheinbraun das nur als den Einstieg in den Ausstieg von Garzweiler II werten. "Dann müssen wir feststellen, daß es trotz eines 15 Jahre dauernden, extrem sorgfältig durchgeführten Genehmigungsverfahrens in unserem Bundesland nicht möglich ist, ein solches Investitionsvorhaben zu realisieren. Die endgültige Entscheidung für den Tagebau muß jetzt zügig kommen."

Und wenn nicht: Wilfried Eßer, stellvertretender Betriebsratsvorsitzender im Tagebau Garzweiler: "Die maschieren dann."

Quelle: Kölner Stadt-Anzeiger 27/10/1998

Seitenanfang


Höhn: Es ist noch nichts entschieden

Heute Treffen der Rheinbraun-Betriebsräte

Düsseldorf/Bonn - Im Streit um den Braunkohlentagebau Garzweiler II ist auch weiter kein Ende in Sicht. Die wasserrechtliche Genehmigung für den Tagebau sei "noch nicht entscheidungsreif", sagte NRW-Umweltministerin Bärbel Höhn (Bündnis 90/ Die Grünen) am Rande des Bundesparteitages in Bonn. "Anderslautende Meldungen sind falsch", bestätigte sie gegenüber dem "Kölner Stadt-Anzeiger". "Es gibt offensichtlich Leute, die wollen gerne eine Entscheidung in der nächsten Woche, das haben die aber auch schon im Sommer gewollt", so Höhn. Am Ende werde aber "nach Inhalten entschieden und nicht nach irgendwelchen Zeitvorgaben".

Die Ministerin widersprach damit einem Bericht des "Focus", sie habe bei einem "Geheimtreffen" mit NRW-Ministerpräsident Wolfgang Clement, Finanzminister Heinz Schleußer (beide SPD) und dem SPD-Landesvorsitzenden Franz Müntefering signalisiert, es werde bei der Genehmigung keine weitere Verzögerung geben. Zwar sei ein großer Teil der Fragen im Zusammenhang mit dem umstrittenen Projekt geklärt, nicht aber "der entscheidende Punkt, der Schutz der Feuchtgebiete", sagte Höhn.

Unterdessen verschärften die Gewerkschaften ihren Druck auf Höhn: Der DGB in NRW forderte die Landesregierung auf, umgehend grünes Licht für Garzweiler II zu geben. "Wir erwarten vom Ministerpräsidenten, daß das politische Ränkespiel um das Genehmigungsverfahren endlich ein Ende hat", sagte der DGB- Landesvorsitzende Walter Haas. Heute treffen sich die Rheinbraun-Betriebsräte zu einer außerordentlichen Konferenz zum Thema Garzweiler. Im "Express" wurde Rheinbraun-Betriebsratschef Heinrich Schumacher mit der Aussage zitiert: "Es ist durchaus denkbar, daß wir im Schulterschluß mit unseren Kollegen von den Kraftwerken den Strom abschalten und die Bagger im Tagebau stillegen."

Der Oppositionsführer im Düsseldorfer Landtag, Helmut Linssen (CDU), erklärte zu den Meldungen über die angebliche Zustimmung Höhns: "Kaum drohen die nordrhein-westfälischen Bergleute endlich mit Widerstand gegen die politisch motivierte Verzögerung der wasserrechtlichen Genehmigung, da springen Clement und Höhn."(EB, dpa)

Quelle: Kölner Stadt-Anzeiger 26/10/1998

Seitenanfang


"Tagebau erneut prüfen"

Höhn: Garzweiler könnte überflüsig werden

Düsseldorf (dpa/ap). Im Streit um den Braunkohletagebau Garzweiler II will NRW-Umweltministerin Bärbel Höhn (Die Grünen) eine erneute energiewirtschaftliche Prüfung durchsetzen

Mit der Prüfung solle Anfang 1999 begonnen werden, sagte Höhn in einem Interview. Dann könnten die Vorgaben der rot-grünen Bundesregierung zum Klimaschutz sowie die Auswirkungen der Ökosteuer und der Liberalisierung der Energiemärkte berücksichtigt werden.

"Möglicherweise werden wir dann feststellen, daß wir Garzweiler II nicht mehr benötigen", sagte Höhn. Schon jetzt liege die Kapazität für Stromerzeugung in Deutschland um 30 Prozent über dem tatsächlichen Bedarf und "das ist schon mehr, als alle Atomkraftwerke zusammen erzeugen". Die Braunkohle stehe schon heute am Rande betriebswirtschaftlicher Rentabilität.

"Alle Energieträger, die kapitalintensive Investitionen erfordern und lange Amortisationszeiten haben, werden Probleme bekommen.

Quelle: Aachener Nachrichten vom 19.10.1998

Seitenanfang


Höhn: Atomausstieg beschleunigt Garzweiler II nicht

Düsseldorf (AFP) - Die nordrhein-westfälische Umweltministerin Bärbel Höhn (Bündnis90/Grüne) sieht durch den von SPD und Grünen beschlossenen Atomausstieg keinen größeren Druck, den umstrittenen Braunkohle-Tagebau in Garzweiler zu genehmigen.

"Für Garzweiler ergibt sich keine Veränderung der Situation", sagte Höhn dem "Handelsblatt" (Montagausgabe). Der Ausstieg aus der Atomkraft führe nicht zu einem größeren Bedarf für das Projekt oder einer gewachsenen energiepolitischen Bedeutung. Höhn kündigte an, das von den Grünen bekämpfte Projekt 1999 auch einer energiewirtschaftliche Prüfung zu unterziehen. Die Energie-Prüfung sei erforderlich, um die energiepolitischen Vorgaben der neuen rot-grünen Bundesregierung zu berücksichtigen.

Derzeit streiten die Befürworter des Projekts unter Ministerpräsident Wolfgang Clement (SPD) und die Gegner um die wasserrechtliche Teilgenehmigung. Beide Seiten hatten sich darauf geeinigt, den Dauerkonflikt in der rot-grünen NRW-Koalition nicht zur Belastung für die Koalitionsverhandlungen beider Parteien in Bonn werden zu lassen.

Quelle: Remscheider GA 18.10.1998

Seitenanfang


Höhn will Garzweiler II energiewirtschaftlich prüfen

HB DÜSSELDORF. Die nordrhein-westfälische Umweltministerin Bärbel Höhn hat für das kommende Jahr eine energiewirtschaftliche Überprüfung des geplanten Braunkohletageabbaus Garzweiler II angekündigt. Dem "Handelsblatt" sagte die Grünen-Politikerin, der Ausstieg aus der Atomenergie habe nicht zur Folge, daß Garzweiler II nun um so mehr gebraucht werde. Höhn erklärte, unabhängig davon, ob RWE die Genehmigung für das Projekt erhalte, "dürfte man sich derzeit dort wohl überlegen, daß man Garzweiler unter Umständen gar nicht mehr braucht".

Die Ministerin betonte, schon jetzt liege die Kapazität für Stromerzeugung in Deutschland um 30 Prozent über dem tatsächlichen Bedarf und "das ist schon mehr, als alle Atomkraftwerke zusammen erzeugen". Die Braunkohle stehe schon heute am Rande betriebswirtschaftlicher Rentabilität. "Alle Energieträger, die kapitalintensive Investitionen erfordern und lange Amortisationszeiten haben, werden Probleme bekommen", erklärte Höhn. Durch die Liberalisierung der Energiemärkte werde sich eine noch schwierigere Situation für die Braunkohle ergeben.

Quelle: HANDELSBLATT, Sonntag, 18. Oktober 1998

Seitenanfang


Krisenmanagement in Düsseldorf wegen Garzweiler

ap DÜSSELDORF. SPD und Grüne in Nordrhein-Westfalen versuchen, die jüngste Koalitionskrise um den Braunkohletagebau Garzweiler II zu entschärfen. Bei einem Spitzentreffen am Rande der Bonner Koalitionsverhandlungen hätten sich alle Beteiligten am Donnerstag darauf verständigt, zu einer fachlichen Auseinandersetzung zurückzukehren, berichtete die Sprecherin des Umweltministeriums, Claudia Fasse, am Freitag. Die Fachbeamten des Landesoberbergamtes und des Umweltministeriums sollten ihre Arbeit ohne politische Einflußnahme beenden.

An dem Gespräch hatten Ministerpräsident Wolfgang Clement, Wirtschaftsminister Bodo Hombach, SPD-Landeschef Franz Müntefering, Umweltministerin Bärbel Höhn (Grüne) und der Grünen-Landessprecher Reiner Priggen teilgenommen. Auch ein Sprecher des Düsseldorfer Wirtschaftsministeriums bestätigte das Gespräch. Er wollte jedoch keine Einzelheiten mitteilen.

Die Meinungsunterschiede zwischen Sozialdemokraten und Grünen in Sachen wasserrechtlicher Erlaubnis bestehen aber nach übereinstimmender Darstellung weiter. Ein Zeitpunkt für die endgültige Entscheidung über die ausstehende Genehmigung Erlaubnis stehe noch nicht fest, sagte Frau Fasse. Der wichtigste Erfolg des Gesprächs sei, daß "das Kesseltreiben um Garzweiler aufhört". Der Streit um den Tagebau hatte die rot-grüne Koalition am Wochenanfang einmal mehr schwer erschüttert.

Quelle: Handelsblatt 10.10.1998

Seitenanfang


RWE erwartet Genehmigung

Vorstandschef: Kein Hinderungsgrund für Garzweiler II

ESSEN. RWE-Vorstandschef Dietmar Kuhnt vertritt die Auffassung, daß der Erteilung der wasserrechtlichen Genehmigung für das Braunkohle-Abbauprojekt Garzweiler II "nichts mehr im Wege steht". Die Prüfung sei fachlich und sachlich abgeschlossen, und deshalb "rechnen wir in den nächsten Tagen oder Wochen" mit einem entsprechenden Bescheid. Der Manager fühlt sich in seiner Aussage "auch durch die stärkste Partei" - die SPD - im nordrheinwestfälischen Landtag bestärkt, so daß er aus heutiger Sicht nicht glaube, in die Situation zu kommen, vor Gericht gehen zu müssen. Dabei kann es theoretisch um eine Verpflichtungsklage gegen das Düsseldorfer Umweltministerium unter Ressortchefin Bärbel Höhn (Bündnis 90/Die Grünen) gehen. Sie hatte in der vergangenen Woche das vom Landesoberbergamt erarbeitete wasserrechtliche Gutachten als fragmentarisch und nicht ausreichend zurückgewiesen und damit eine neue Belastungsprobe für die rot-grüne Koalition im bevölkerungsreichsten Bundesland heraufbeschworen.

Obwohl der RWE-Chef in seinen einleitenden Ausführungen bei der Bilanzvorlage betonte, vor der Bildung der neuen Bundesregierung und der Bekanntgabe ihrer Vorhaben keine Stellung zu Parteiprogrammen oder Wahlkampf-Slogans abgeben zu wollen, bezog er einige grundsätzliche Positionen. "An Konsensgesprächen sind wir brennend interessiert", bekräftigte Kuhnt. Allerdings sei man nicht gesprächsbereit, wenn es darum gehen sollte, "über den Ausstieg aus der Kernenergie zu verhandeln". Der Vorsitzende des Konzerns, der unter anderem die beiden Meiler in Biblis betreibt, pocht auf "den politisch ungestörten Weiterbetrieb" der bestehenden Atomkraftwerke und auf ein einvernehmliches Konzept für die Entsorgung einschließlich der dafür notwendigen Castor-Transporte. Einen Verzicht auf Schadenersatzforderungen um den Preis einer künftig zeitlich befristeten Betriebsdauer könne kein Vorstand eines deutschen Unternehmens aussprechen, ohne mit dem Aktiengesetz in Konflikt zu geraten. Das Thema "Kompensation und damit Schadenersatz" könne nur am Ende einer erfolglosen Konsensrunde stehen. Dies bedeutet laut Kuhnt aber, "daß letztlich über Steuergelder eine ideologisch motivierte Politik" betrieben werde, die Kapital und Arbeitsplätze vernichte.

Die erste Aufgabe der neuen Bundesregierung ist es dem RWE-Chef zufolge, für Stabilität in der Wirtschaft zu sorgen. "Und dazu gehört ein Energiepreisniveau, das international wettbewerbsfähig ist". Er kündigte in Kürze die Veröffentlichung eines Gutachtens an, das IG Bergbau, Veba, RWE und Deutsche Telekom in Auftrag gegeben haben. Ohne dessen Ergebnissen vorgreifen zu wollen, teilt Kuhnt mit, daß schon eine "moderate" Abgabe auf den Ausstoß von Kohlendioxid in Deutschland 350 000 Arbeitsplätze nicht nur gefährden, sondern vernichten würde. "Wirtschaftspolitik muß sich an Fakten orientieren. Für Ideologien ist da kein Platz." Auch ein Kabinett Schröder sei auf Wirtschaftswachstum angewiesen und könne "keine Rückwärtsrolle machen". Unabhängig von diesen Mahnungen bleibt Kuhnt zuversichtlich, "daß es in den zwingenden und notwendigen Gesprächen ... über die zukünftigen energiepolitischen Rahmenbedingungen zu Lösungen kommen wird, die eine weitere Stabilität der Wirtschaft sichern".

Quelle: Frankfurter Rundschau 6.10.1998

Seitenanfang


Eine grüne Ministerin unter Druck

Bärbel Höhn und der eskalierende Streit um Garzweiler II

Düsseldorf - Im Streit um die Genehmigung des Tagebaus Garzweiler II steht die nordrhein-westfälische Umweltministerin Bärbel Höhn (Bündnis 90/Die Grünen) nun auch unter heftigem Beschuß der Gewerkschaften. DGB-Landeschef Walter Haas warf ihr gestern ideologisch motivierte politische Einflußnahme auf das Genehmigungsverfahren vor und forderte die Ministerin indirekt zum Rücktritt auf: Wenn Höhn nicht zwischen ihrer politischen Meinung und ihrer Funktion als Ministerin unterscheiden könne, solle sie "im Interesse der Sache Konsequenzen ziehen".

   Auch die Bergbau-Gewerkschaft IG BCE rief die rot-grüne Landesregierung auf, den "Verzögerungstricks" der Grünen-Ministerin unverzüglich ein Ende zu bereiten. Die Betroffenen Bürger hätten nach mehr als 14 Jahren Prüfung einen Anspruch auf Klarheit. Zuvor hatten die SPD-Regierungspräsidenten Franz-Josef Antwerpes (Köln) und Jürgen Büssow (Düsseldorf) Höhn scharf attackiert: Die Ministerin ziehe die Kompetenz der Genehmigungsbehörden in Zweifel und gefährde die Investitionssicherheit für Unternehmen in NRW.

   Höhn hatte den wasserrechtlichen Genehmigungsentwurf für den Tagebau an das zuständige Landesoberbergamt Dortmund zurückgeschickt und eine erneute Überarbeitung gefordert. Sie begründet diesen Schritt mit "noch offenen Fragen in dem eilig gestrickten" Entwurf.

   Die nordrhein-westfälischen Grünen bemühen sich nun, das erneut an Garzweiler entzündete Feuer in der rot-grünen Koalition zu löschen. "Einen Automatismus zum Bruch des Bündnisses gibt es nicht", sagte die Grünen-Fraktionssprecherin Gisela Nacken gestern in Düsseldorf

   Ministerpräsident Wolfgang Clement (SPD) versuchte das Problem noch niedriger zu hängen und erklärte, da gebe es keinen "neuen Streit". Daß einige Grüne die SPD verdächtigten Neuwahlen anzustreben, tat Clement sogar als "kindisch" ab. Zum Hamburger Abendblatt sagte er: "Das Genehmigungsverfahren wird nach Recht und Gesetz stattfinden." Damit müsse die Umweltministerin Höhn umgehen, dafür sei sie nun mal zuständig. "Das Leben in einem Rechtsstaat ist nicht einfach."

   Wirtschaftsminister Bodo Hombach (SPD) kommentierte die Turbulenzen der letzten Tage zweckoptimistisch: "Die ganze Sache hat auch eine gute Seite, die bislang unbeachtet geblieben ist. Die Grünen in Düsseldorf wie in Bonn haben sich mit dem Projekt Garzweiler II arrangiert." Es gehe nicht mehr um das Ob, sondern nur noch um die Einzelheiten im Genehmigungsverfahren.

   Für die Grünen steht fest: "Der Konflikt kommt aus dem Umfeld von Hombach." Er wolle das Genehmigungsverfahren im Windschatten der rot-grünen Koalitionsverhandlungen in Bonn puschen, weil er denke, dann würden die NRW-Grünen nicht protestieren. Zugleich klammern sich die Grünen an den Strohhalm, daß das gesamte Projekt aus ökonomischer und energiepolitischer Sicht überflüssig werden könnte. Eine entsprechende Prüfung muß aber erst im Jahr 2000 erfolgen.   (bre/HA)

Quelle: Hamburger Abendblatt Politik 7.10.1998

Seitenanfang


"Es geht um Verantwortung"

Bärbel Höhn zu Garzweiler II: Probleme ordentlich prüfen

Frau Höhn, Ihnen wird vorgeworfen, Sie verzögerten die Entscheidung über die wasserrechtliche Genehmigung für Garzweiler II. Wie werden Sie reagieren, wenn Ministerpräsident Clement zuletzt entscheidet?

Höhn: Der ehemalige Ministerpräsident Rau hat im Februar im Parlament schon eine Antwort gegeben. Er hat nämlich gesagt: "Ich glaube nicht, daß man mit der Richtlinien-Kompetenz in Genehmigungsverfahren eingreifen kann. Dann würden solche Verfahren wohl ganz besonders gefährdet." Dem habe ich nichts hinzuzufügen.

Wie ist der Sachstand? Wie sieht ihr Zeitplan aus?

Höhn: Die Landesregierung hat eine Garantie für den Erhalt der Feuchtgebiete abgegeben. Und meine Aufgabe ist sicherzustellen, daß die wasserrechtlichen Fragen ordentlich geprüft werden. Ohne daß konkret nachgewiesen wird, daß die die Versickerung funktioniert, kann über die Sümpfung nicht entschieden werden. Erste Unterlagen zu diesem Problem hat Rheinbraun im Juli vorgelegt - dazu gibt es aber noch eine Menge Fragen. Etwas völlig anderes ist die politische Ebene, auf der es viel Aufregung vor der Bundestagswahl gibt. Einen Zeitpunkt für die Genehmigung kann nach derzeitigem Sachstand niemand in einem rechtsstaatlichen Genehmigungsverfahren nennen. Im übrigen haben politische Versprechungen, wie sie etwa von der SPD gegeben worden sind, in einem Genehmigungsverfahren keine Bedeutung.

Ihnen wird vorgeworfen, Sie hätten dem zuständigen Landesoberbergamt einen Maulkorb erteilt. Unterdessen bedienen Sie sich privater Gutachter. Besteht nicht der Vorwurf der Befangenheit?

Höhn: Nein. Ich bin Chefin der obersten Wasserbehörde, und es geht hier um die fachliche Verantwortung. Es geht nicht darum, daß ich dem Oberbergamt untersagt habe, Fragen fachlich zu beurteilen. Diese Behörde ist meinem Ministerium nachgeordnet. Der entscheidende Punkt ist, daß das, was fachlich beurteilt wird, hinterher auch Hand und Fuß hat. Daß beispielsweise außer der Versickerungsfrage geklärt wird, eine Verträglichkeitsprüfung für die Naturschutzgebiete zu machen, und daß keine Sulfate und Schwermetalle das Grundwasser belasten.

Welche Konsequenzen ziehen Sie bei einer Genehmigung von Garzweiler II? Treten Sie zurück?

Höhn: Wir sind gerade mitten im Genehmigungsverfahren. Über solche Fragen denke ich jetzt nicht nach. Ich sage, laßt uns die Aufgaben erledigen, die anstehen.

Wirtschaftsminister Hombach droht damit, in das Verfahren eingreifen zu wollen. Reden Sie nicht mehr mit Ihrem Ministerkollegen?

Höhn: Mit Herrn Hombach rede ich besonders viel - nicht nur am Kabinettstisch. Er hat aber keine wasserrechtliche Zuständigkeit und in diesem Verfahren auch keine Kompetenz. Insofern gilt auch für andere: Wer hier versucht zu zündeln, wer hier versucht die Entscheidung und das Genehmigungsverfahren von Garzweiler II zu politisieren, und wer das Verfahren mißbraucht um die Koalition zu beenden, der kann sich ganz leicht die Finger verbrennen - sogar bei Fragen des Wasserrechts.

Sprechen Sie jetzt von SPD-Fraktionschef Klaus Matthiesen?

Höhn: Ja, ich meine Herrn Matthiesen.

Stehen Sie für ein Amt in Bonn zur Verfügung?

Höhn: Umweltministerin in NRW zu sein, ist ein toller Job. Gleichzeitig bin ich auch Landwirtschaftsministerin. Ich fühle mich sehr wohl und habe hier noch viel zu tun.

Quelle: Kölner Stadt Anzeiger 16/09/1998

Seitenanfang


"Garzweiler II ist kein verhandlungsfähiges Thema"

Der SPD-Fraktionsvorsitzende im Deutschen Bundestag, Rudolf Scharping, legte gestern in Hürth ein klares Bekenntnis zum Braunkohle-Tagebau ab:

Hürth/Erftkreis. Ein klares Bekenntnis zum Aufschluß des umstrittenen Tagebaus Garzweiler II hat der SPD-Fraktionsvorsitzende im Deutschen Bundestag, Rudolf Scharping, gestern in Hürth abgelegt. Bei einem Gespräch mit Vertretern der Hürther Wirtschaft im Bürgerhaus sagte Scharping im Hinblick auf den möglichen Koalitionspartner Bündnis 90/Die Grünen: "Die Erschließung von Garzweiler II ist kein verhandlungsfähiges Thema." Garzweiler sei kein lokales Thema, betonte der SPD-Politiker, sondern ein "erhebliches Element der Energieversorgung in Deutschland".

Zu dem von der SPD angestrebten Atom-Ausstieg erklärte Scharping unter Hinweis auf denkbare Schadensersatzforderungen der Energie-Unternehmen, dies sei ein Thema für die nächsten 20 Jahre und müsse mit der Energiewirtschaft gemeinsam erörtert werden. Wenn man aus der Atomenergie aussteigen wolle, sei es aber widersinnig, auf Kohle zu verzichten, denn die Sicherheit der Energieversorgung sei "nicht verhandelbar". Die Braunkohle komme als einziger Energieträger derzeit ohne Subventionen aus, unterstrich der SPD-Fraktionsvorsitzende.

Währenddessen wies der Manager des Chemieparks Knapsack, Horst-Dieter Schüddemage, in dem Gespräch mit Scharping auf die Liberalisierung des Energiemarktes hin. Auch er halte den Aufschluß von Garzweiler II für nötig, auf der anderen Seite ergäben sich durch die Marktöffnung Veränderungen beim Ernergiemix. Ein Land wie Nordrhein-Westfalen, in dem die Kohle 95 Prozent des Energiebedarfs decke, werde es schwer haben, auf die Herausforderungen zu reagieren, bedeutete der Chemiemanager.

Bei dem Gespräch, an dem neben örtlichen Politikern der SPD auch deren Vertreter im Bundes- und Landtag sowie der Hürther Stadtdirektor Walther Boecker und Bürgermeister Rudi Tonn teilnahmen, äußerte sich Scharping auch zu den wirtschaftlichen Perspektiven insgesamt, die sich durch einen Wahlsieg seiner Partei am 27. September eröffneten. Dabei beschrieb er den Erftkreis "als sehr gutes Beispiel, wie man auf größerem Feld vorankommen könnte". Die Entwicklung in dieser Region sei dynamisch wie kaum an einem anderen Platz in Deutschland, lobte der Fraktionschef die Arbeit der Genossen vor Ort. Lennartz bezeichnete die zehn Kommunen an Rhein und Erft erneut als "wirtschaftlich stärksten Kreis der Republik".

Unterdessen kündigte Scharping mit den bekannten Zahlen an, wie es auch im Erftkreis etwa ab dem 20. Oktober weitergehen werde, wenn der neue Bundestag mit SPD-Mehrheit zusammentrete: Steuerreform mit Entlastung aller Einkommen sowie der Unternehmen, Senkung der Lohnnebenkosten, Reform des Bildungssystems, Wiederherstellung von Recht und Ordnung auf den Arbeitsmärkten. Und noch etwas werde sich ändern, fügte der prominente Sozialdemokrat im lockeren Plausch hinzu: Kooperation und vorwärtsweisender Konsens sollten die Merkmale eines neuen politischen Stils in Deutschland werden.

Quelle: Kölnische Rundschau 15/09/’98

Seitenanfang


Naturschützer: Ja zur Lausitzer Kohle, Nein zum Niederrhein

BM Potsdam / Bonn - Der Abbau der Braunkohle in der Lausitz soll in den nächsten Jahrzehnten weiterhin gewährleistet werden. Dagegen sollte im niederrheinischen Braunkohlenrevier in Nordrhein-Westfalen in naher Zukunft die Braunkohleförderung restlos eingestellt werden.

Diese Forderung vertrat der Präsident des Naturschutzbundes Deutschlands, Jochen Flasbarth, in einem Gespräch mit der Berliner Morgenpost. «Es war bisher ein politischer Fehler, die beiden größten Abbaugebiete Deutschlands getrennt zu betrachten. Rheinische Bergleute, die durch die Stillegungen ihren Arbeitsplatz verlieren, haben in Nordrhein-Westfalen und im Ruhrgebiet weitaus größere Chancen, wieder einen Arbeitsplatz zu finden, als ihre Kumpels in der Lausitz», sagte Flasbarth.

Auch wenn aus klimapolitischen Gründen die Energieerzeugung durch Braunkohle sich eigentlich verbieten müßte, sei die Braunkohleförderung in der Lausitz weiterhin vorstellbar. Deutschland könne nicht gleichzeitig aus der Atomindustrie und der Energieerzeugung durch fossile Brennstoffe aussteigen, da 28 Prozent des deutschen Stroms aus Braunkohle gewonnen werde. Sollte aber am maximalen Abbau in den beiden Braunkohlengebieten festgehalten werden, wäre das eine Umweltbankrotterklärung, die die Regierungen von Nordrhein-Westfalen und Brandenburg mit zu verantworten hätten. Er richte deshalb an die beiden SPD-Ministerpräsidenten der Länder, Manfred Stolpe und Wolfgang Clement, den dringenden Appell, nach gemeinsamen Lösungen zu suchen.

Flasbarth erinnerte daran, daß Brandenburg einerseits Vorbildwirkung für alle anderen Bundesländer im Landschafts- und Naturschutz aufweise. Beispielhaft seien die zahlreichen Naturparks oder der Nationalpark «Unteres Odertal». Andererseits habe es auch «bittere Enttäuschungen» gegeben. Dazu gehöre die Entscheidung für den Lausitzring ebenso wie der Ausbau der Havel, «auch wenn es da im Raumordnungsverfahren Korrekturen gab», so Flasbarth.

Der Nabu-Chef forderte die nächste Bundesregierung auf, als eine der ersten Entscheidungen auf dem Gebiet des Naturschutzes die Untere Havel als Bundeswasserstraße aufzugeben. Ziel solle sein, in zehn bis 15 Jahren die Untere Havel wieder zu renaturieren.

Quelle: Berliner Morgenpost 14.9.1998

Seitenanfang


Clement: Genehmigung rechtzeitig

Von Heinz Tutt

Düsseldorf - Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Wolfgang Clement (SPD) hat gestern die Zusage der Landesregierung bekräftigt, die noch ausstehenden Genehmigungen für den Braunkohle-Tagebau Garzweiler II so rechtzeitig zu erteilen, daß das Unternehmen Rheinbraun ohne Verzögerung Kohle auch im nächsten Jahrtausend abbauen kann.

In einer Fragestunde des Düsseldorfer Landtags hatte die CDU-Opposition gestern versucht, Clement auf einen Termin für die wasserrechtliche Genehmigung noch in diesem Jahr festzulegen. SPD-Fraktionschef Klaus Matthiesen hatte ebenfalls auf eine Genehmigung im laufenden Jahr gedrängt. "Die SPD-Fraktion erwartet das."

Auf einen festen Termin ließen sich jedoch weder Clement noch Umweltministerin Bärbel Höhn (Grüne) festlegen. Der Ministerpräsident betonte, es sei unhaltbar zu behaupten, das Projekt werde verschleppt.

Dem Vorwurf der Opposition, wonach für 1999 im Etat 2,2 Millionen Mark für Untersuchungen und Gutachten zum Zweck der Zeitverzögerung eingestellt seien, entgegnete Höhn, das Geld sei nicht ausschließlich für Garzweiler II bestimmt. Unterdessen forderte der FDP-Landesvorsitzende Jürgen Möllemann, dessen Partei nicht im Landtag vertreten ist, in einer Presseerklärung einen "klaren, verbindlichen Zeitplan" für Garzweiler II. Er warf Höhn vor, sie verzögere die Genehmigung.

Quelle: Kölner Stadt Anzeiger 11.9.1998

Seitenanfang


Staatssekretär erhielt Forderungen

 Garzweiler: Treffen am Tagebaurand

mez Garzweiler. Die Landesregierung soll unverzüglich den Tagebau GarzweilerII stoppen, fordern die Präsidenten des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) und des Naturschutzbundes (Nabu), Hubert Weinzierl und Jochen Flasbarth. Gestern mittag überreichten sie am Aussichtspunkt des Tagebaus Garzweiler Dr.Thomas Griese, Staatssekretär im Landesumweltministerium, einen Katalog mit entsprechenden Forderungen.

Die Präsidenten der beiden Verbände befinden sich derzeit auf einer viertägigen Tandem-Tour für die Umwelt. Garzweiler war ihre dritte Station. Zuvor hatten Weinzierl und Flasbarth in München den Öko-Backbetrieb Hofpisterei besucht und sich in Freiburg, der deutschen "Solarhauptstadt", über vorbildliche Pilotprojekte erneuerbarer Energiegewinnung und hochintensiver Wärmedämmung informiert.

"Unsere Fahrt hat uns von der modernen Welt jetzt ins Mittelalter zurückgeführt", sagten der Nabu-Präsident. "Die Technologien hier haben keine Zukunft. Eine technische Entwicklung ist nur möglich, wenn Rücksicht auf die Ökologie genommen wird." Dies sei beim Anschlußtagebau GarzweilerII nicht der Fall.

Die Naturschützer widersprachen auch dem Argument, GarzweilerII sei zur Sicherung der Arbeitsplätze wichtig. Unabhängig vom Anschlußtagebau beabsichtigten RWE und Rheinbraun den Abbau von rund 10.000 Arbeitsplätzen in der Braunkohlenregion, sagten Weinzierl und Flasbarth. "Heute gilt es, die Weichen für die Schaffung dauerhaft sicherer zukunftsfähiger Arbeitsplätze in der Region zu stellen."

Der Tagebau sei auch nicht sozialverträglich. Die drohende Zwangsumsiedlung von knapp 8000 Menschen sei nicht zu rechtfertigen. Gleiches gelte für die Wasserressourcen. "Durch die geplanten großflächigen Grundwasserabsenkungen zur Trockenlegung des Tagebaus wird der Wasserhaushalt für Jahrhunderte geschädigt", sagten die beiden Präsidenten. Die europaweit bedeutsamen Feuchtgebiets-Ökosysteme im internationalen Naturpark Maas-Schwalm-Nette würden gefährdet.

Auch der Klimaschutz, die zentrale Herausforderung der Zukunft, sei mit GarzweilerII nicht in Einklang zu bringen. Deutschland stehe bereits jetzt in der Spitzengruppe der Umweltsünder.

Staatssekretär Griese versprach, den Forderungen-Katalog an Ministerpräsident Wolfgang Clement weiterzuleiten. Gleichzeitig versicherte er, daß das Genehmigungsverfahren nach Recht und Gesetz durchgeführt werde. Vom Aussichtspunkt aus fuhren die Umweltschützer noch in die Orte Garzweiler und Otzenrath.

Quelle: Kölnische Rundschau 27/08/’98

Seitenanfang


Urteil zum "Monitoring" von Garzweiler II

Bezirksregierung legt Berufung ein

Von Regina Bappert

Erftkreis. Die Bezirksregierung wird Berufung einlegen gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorfs zum "Monitoring" des Tagebaues Garzweiler II. Dies hat der Braunkohlenausschuß gestern in seiner Sitzung im Frechener Stadtsaal beschlossen.

Mit "Monitoring" ist die Überwachung der Auswirkungen des Tagebaues auf den Wasserhaushalt der Region gemeint. Der Braunkohlenausschuß vertritt die Auffassung, daß er selbst für diese Aufgabe zuständig sei. Dementsprechend wollte er über seine Geschäftsstelle in der Bezirksregierung selbst Fachleute beauftragen, diese Überwachung zu übernehmen.

Aber auch das Landesumweltministerium sieht sich zuständig für das "Monitoring" und hatte deshalb die Bezirksregierung gebeten, vorerst keine Verträge mit Experten abzuschließen. Das vergangene Woche gefällte Urteil des Düsseldorfer Verwaltungsgerichts klärte zwar nicht die Frage, wer für das "Monitoring" zuständig sei. Die Richter stellten jedoch klar, daß der Braunkohlenausschuß als Teil der Landesverwaltung der Aufsicht des Umweltministeriums unterliege. Ohne Einverständnis des Ministeriums könne der Ausschuß keine Verträge über der "Monitoring" abschließen.

"Das Urteil hat mich sehr überrascht. Durch dieses Urteil wird der Braunkohlenausschuß zur Landesbehörde", sagte Regierungspräsident Dr. Franz-Josef Antwerpes gestern während der Sitzung. Durch das Urteil werde die Arbeit des Braunkohlenausschusses genauso in Frage gestellt wie die der Bezirksplanungsräte. Ein Ausschuß, der auf Weisungen aus Düsseldorf hören müsse, könne nicht mehr frei entscheiden. Die Mitglieder seien keine Beamten, sondern ehrenamtlich arbeitende Politiker und Fachleute. Der Ausschuß müsse deshalb vom Ministerium unabhängig Entscheidungen treffen können. Antwerpes: "Das ist eine Grundsatzfrage, die muß geklärt werden." Wenn sich das Oberverwaltungsgericht in Münster dem Düsseldorfer Urteil anschließe, müsse der Landtag über eine Gesetzesänderung beraten. Das Ende der siebziger Jahre beschlossene Landesplanungsgesetz weise möglicherweise eine Lücke auf.

Der Landtagsabgeordnete Werner Stump, Sprecher der CDU im Ausschuß, will nicht auf das Urteil aus Münster warten. Er kündigte gestern an, daß die Christdemokraten im Landtag eine Novellierung des Gesetzes beantragen werden.

Vertreter von Bündnis 90/Die Grünen beantragten im Braunkohlenausschuß, die Entscheidung über die Berufung gegen das Düsseldorfer Urteil zu vertagen. Dieser Antrag wurde von der großen Mehrheit der Ausschußmitglieder abgelehnt.

 

Grundwasserabsenkungen durch Garzweiler II

Bezirksregierung bestreitet Absprache

bap Erftkreis. Um die Auswirkungen des Tagebaues Garzweiler II auf die Grundwasserversorgung der Niederlande ging es gestern unter anderem im Braunkohlenausschuß. Der Naturschutzverband BUND hatte eine entsprechende Anfrage gestellt. Er bezog sich dabei auf einen Pressebericht aus dem Schwalmtal. Darin wird die Behauptung aufgestellt, die niederländische Regierung habe auf Einsprüche gegen die auch in ihrem Land spürbaren Grundwasser-Absenkungen verzichtet, weil sie eine Vereinbarung mit der Kölner Bezirksregierung getroffen habe.

In dieser Vereinbarung hätte die Bezirksregierung ihrerseits zugesagt, auf Proteste gegen die in den Niederlanden geplante Gasgewinnung aus unterirdischen Steinkohlelagern im Naturschutzgebiet Meinweg zu verzichten. Bei diesem Verfahren würden Chemikalien in alte Bergwerkstollen geleitet. Das dabei entstehende Methangas könne zur Stromerzeugung verwendet werden. Umweltschützer fürchteten eine Verunreinigung des Grundwassers durch die Chemikalien auch im Schwalmtal.

Die BUND-Vertreterin im Braunkohlenausschuß, Dorothea Schubert, wollte nun von der Bezirksregierung wissen, ob diese Darstellung der Wahrheit entspräche. Dazu sagte ein Sprecher der Behörde: "Von einer solchen Vereinbarung ist der Bezirksregierung nichts bekannt. Die gibt es nicht. Eine solche Vereinbarung trifft auch keine seriöse Behörde." Die Bezirksregierung wisse auch nichts von einem geplanten Kohleentgasungsvorhaben im Meinweggebiet.

 

Entscheidung im Herbst?

bap Erftkreis. Bis zum Herbst sollen alle Voraussetzungen für eine Entscheidung über die noch ausstehende wasserrechtliche Genehmigung für den Tagebau Garzweiler II geschaffen sein. Dies erklärte Regierungspräsident Dr. Franz-Josef Antwerpes gestern im Braunkohlenausschuß. "Bis dahin sind alle Genehmigungen und Erlaubnisse fertig. Das sage ich als Behörde. Das ist keine Aussage darüber, wie die Landesregierung das beurteilen wird." Er habe keinen Zweifel, daß alle Probleme, die es noch gebe, bis dahin gelöst seien.

Quelle:  Kölnische Rundschau, bap, 14/Mai/'98

Seitenanfang


Braunkohlenausschuß will gegen Urteil klagen

Revision in Münster angestrebt - Folgen des Wasseraustritts in Hambach müssen weiter untersucht werden

Frechen/Erftkreis - Mit der Entscheidung des Düsseldorfer Verwaltungsgerichts will der Braunkohlenausschuß (BKA) sich keinesfalls zufrieden geben. Das Selbstverständnis des Ausschusses als unabhängiges Planungsgremium werde in Frage gestellt, hieß es. Das Urteil, wonach allein das Umweltministerium in Düsseldorf die Fachaufsicht über die vereinbarte Überwachung des Feuchtgebiets Schwalm-Nette (Monitoring) beim Abbau des geplanten Tagebaus Garzweiler II habe, will der BKA anfechten. Die Mitglieder beauftragten die Geschäftsstelle des BKA beim Regierungspräsidenten gegen die Stimmen der Grünen damit, das Revisionsverfahren beim Oberverwaltungsgericht (OVG) in Münster zu beantragen.

Regierungspräsident Antwerpes trieb gestern in Frechen Spott mit dem Urteil. Der BKA sei durch den Richterspruch zur Landesbehörde geworden, weil er der Fachaufsicht des Umweltministeriums unterliege. "Denken Sie aber nicht, Sie hätten jetzt Pensionsansprüche", sagte er.

Das Urteil hält Antwerpes grundsätzlich für "falsch". Ein bißchen freue es ihn aber auch, gestand er. Denn jetzt müsse die rechtliche Position des BKA eindeutig definiert werden. Wenn die Richter in Münster kein Einsehen hätten, sei der Gesetzgeber gefordert. Der CDU-Sprecher im BKA, der Kerpener Landtagsabgeordnete Werner Stump, legte nach und kündigte eine Gesetzesinitiative im Landtag zur Klärung der Stellung des BKA an.

Weiterhin beschäftigen wird sich der BKA mit dem Wasseraustritt im Tagebau Hambach. Ein Vertreter des Geologischen Landesamtes sagte zwar, daß der inzwischen gestoppte Wasseraustritt in der unteren Tagebausohle "nach bisheriger Erkenntis" keine Auswirkungen auf die Therme der Stadt Aachen und die Wasserversorgung in der Eifel habe. Die Kenntnisse über die tieferen Bodenschichten in der Region seien aber "unzureichend", weitere Untersuchungen notwendig, hieß es. Vertreter des Bergamtes bestätigten, daß während des Wasseraustritts alle in der Genehmigung festgelegten Höchstgrenzen - insbesondere Eisengehalt und Temperatur - eingehalten wurden. Rheinbraun muß lediglich auf die Ausbeute von 200.000 Tonnen Kohle verzichten - die Menge entspricht nicht ganz der Tagesleistung eines Baggers.

Quelle: Kölner Stadt Anzeiger, Norbert Kurth, 14/Mai/'98

Seitenanfang


Gegen jegliche Vernunft

Ein Überblick über den Garzweiler-Konflikt.

Am Sonnabend entscheiden die Grünen in Nordhein- Westfalen auf einem Landesparteitag angesichts der Genehmigung des Rahmenbetriebsplanes für Garzweiler II durch Wirtschaftsminister Wolfgang Clement über ein Verbleiben in der rot-grünen Koalition. Längst ist das Projekt zum Synonym für die parteitaktischen Grabenkämpfe innerhalb der Grünen und der SPD geworden. Es geht um die Optionen nach der nächsten Bundestagswahl: Rot-Grün oder große Koalition. Im folgenden Beitrag wird das Milliardenprojekt Garzweiler auf seine ökonomischen und ökologischen Grundlagen untersucht.

(Die Red.)

Garzweiler II. Das hat inzwischen einen ähnlichen Symbolgehalt wie Wyhl, Wackersdorf, Startbahn West oder Gorleben. Im Unterschied zu den anderen Konflikten geht der Auseinandersetzung um den Braunkohlentagebau allerdings jegliche Form von Militanz ab. Und es ist auch fraglich, ob es jemals so weit kommen wird. Der Handlung fehlt ein Ort, der gleichermaßen symbolträchtig wie konkret die Entstehung des Ungeheuerlichen verkörpert. Kein Bauplatz und kein Zaun, an dem sich der Protest bündeln ließe. Sollte Garzweiler II tatsächlich realisiert werden, rollen die Braunkohlenbagger an irgendeinem Tag des Jahres 2006 völlig unspektakulär über die fiktive Grenze des Abbaugebietes Garzweiler I und nehmen weitere 48 Quadratkilometer Landschaft unter ihre Schaufeln.

40 Jahre lang soll die Erde im Garzweiler Revier offengehalten werden, um den Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerken (RWE) mittels ihrer Tochter, dem Bergbauunternehmen Rheinbraun, zu ermöglichen, die dort lagernden Vorräte von rund 1,3 Milliarden Tonnen Braunkohle zu bergen und in den Kraftwerken einer weiteren Tochter, der RWE Energie AG, zu Strom und zu Geld zu machen. Nach und nach müßten dann elf Dörfer und annähernd 8 000 Menschen dem gigantischen Loch weichen.

Nun ist es durchaus vorstellbar, daß die hier lebenden Menschen sich weigern, ihre Häuser zu räumen und sich am Tag X den Braunkohlenbaggern in den Weg stellen werden. Denn im Unterschied zu früheren Projekten im Rheinischen Braunkohlenrevier ist die Bevölkerung im Gebiet des neuen Abbauvorhabens nur in verschwindend geringem Maß von den Arbeitsplätzen des RWE-Konzerns abhängig. Allerdings sprechen die bisherigen Erfahrungen und die Praxis der Umsiedlungsmaßnahmen eher dagegen.

Nicht nur, daß es hier noch nie einen Fall von Zwangsenteignung oder zivilem Ungehorsam gegeben hat. Der Umsiedlungsprozeß ist derartig langfristig angelegt, daß jeder Widerstand zwangsläufig zerbröckelt. Die Bewohner des Dorfes Holzweiler beispielsweise, welche als letzte dem Garzweiler Abbaubetrieb weichen, werden 23 Jahre lang miterleben müssen, wie eine Ortschaft nach der anderen dem Erdboden gleichgemacht wird. Sie sind als letzte dran.

Umsiedlungen und Sozialverträglichkeit

Nun hat die nordrhein-westfälische Landesregierung sich selbst die Pflicht auferlegt, die Umsiedlungen sozialverträglich durchzuführen. Ihr exekutiver Arm, die Bezirksregierung in Köln, soll mit sogenannten »gemeinsamen Umsiedlungen« für den Erhalt familiärer, nachbarschaftlicher und wirtschaftlicher Beziehungen sorgen.

Doch in den Neubaugebieten früherer Umsiedlungsmaßnahmen läßt sich heute besichtigen, was den Bewohnern des Garzweiler Reviers noch blühen wird. »Rund 60 Prozent der verbliebenen Bevölkerung machen die gemeinsame Umsiedlung mit«, hält sich die Bezirksregierung zugute. Das ist allerdings weniger als die Hälfte des ursprünglichen Gemeinwesens. Die eigentliche Verlagerung von Bevölkerung und mobilen Werten an einen neuen Siedlungsort soll, so die Braunkohlenplanung, »zehn Jahre vor der bergbaulichen Inanspruchnahme« beginnen und möglichst innerhalb von fünf Jahren abgeschlossen sein.

Tatsächlich aber sorgt schon die bloße Ankündigung des Abbauvorhabens für die Abwanderung der Bevölkerung. Im Fall der zwischen 1984 und 1989 verlagerten Ortschaft Garzweiler, der das ganze Revier seinen Namen verdankt, begann der Exodus schon im Jahr 1952. Da wurden die Begehrlichkeiten der RWE bekannt. Bis zum Umsiedlungsbeginn sank die Bevölkerungszahl um rund ein Drittel. Im gleichen Maß wie die Bevölkerung reduzierte sich die Zahl ortsansässiger Betriebe, insbesondere solcher zur Deckung des täglichen Bedarfs. Mit den Läden, Kneipen und Handwerksfirmen verschwand ein Großteil der im ländlichen Raum so seltenen Arbeitsplätze ebenso wie zahlreiche für den Erhalt des sozialen Gefüges wichtige Orte der Begegnung. Hatte man im alten Dorf wie selbstverständlich am öffentlichen Leben teilgenommen, zog man sich in den neuen Siedlungen ebenso selbstverständlich in die Privatsphäre des Einfamilienhauses zurück. Auch die Landkaufpolitik des Konzerns trug nicht unwesentlich zur Erosion des sozialen Gefüges bei. Lange, bevor irgendeine der zahlreichen Genehmigungen für den Tagebau erteilt wurde, begannen RWE und Rheinbraun mit dem Ankauf von Häusern und Grundstücken. In mehr oder weniger konspirativen Verhandlungen wurden die Dorfbewohner gegeneinander ausgespielt und das zwischenmenschliche Klima vergiftet.

Landschaft, Wasser und Luft

Nachdem die ersten Dörfer und ein Teilstück der Autobahn 44 aus dem Weg geräumt sind, werden die Bagger des Bergbauunternehmens Rheinbraun damit beginnen, in einer über 200 Meter tiefen Schneise nach und nach 1,3 Milliarden Tonnen Braunkohle abzutragen - und mit ihr fruchtbare Wiesen und Äcker, zahlreiche Biotope und damit wertvolle Lebensräume für mitunter bedrohte Tier- und Pflanzenarten, sowie kleine Flüsse und Seen, Bäche und Tümpel. Doch die Schädigungen der Natur sind bei weitem nicht auf das Abbaugebiet allein begrenzt.

Die Kohlengruben gründen derart tief, daß, will man ein Absaufen verhindern, der Grundwasserspiegel mittels Brunnen bis unter die Tagebausohle abgesenkt werden muß. Nun liegt das Garzweiler Revier mitten in der Rheinischen Bucht, dem mit 6 000 Quadratkilometern Fläche größten Grundwasserreservoir Nordrhein-Westfalens. Naturschützer rechnen damit, daß durch den Aufschluß von Garzweiler II ein 3 000 Quadratkilometer großer »Absenkungstrichter« entstehen würde. Ihre Befürchtungen sind nicht unbegründet.

Schon durch den Tagebau Garzweiler I wurde der in rund 30 Kilometer Entfernung beginnende und bis in die Niederlande reichende Naturpark Maas-Schwalm-Nette stark in Mitleidenschaft gezogen. Eine Untersuchung der Landesanstalt für Ökologie, Landschaftsentwicklung und Forstplanung wies nach, daß der Fluß Schwalm schon 1984 in seinem Quellgebiet so stark geschädigt war, daß »eine Reparatur unmöglich« sei. Die damalige SPD- Landesregierung kam nicht umhin, die beantragten 66 Quadratkilometer Tagebau auf die jetzigen 48 zu verkleinern.

An den grundsätzlichen Problemen ändert das jedoch nichts. Das Umweltministerium der Grünen Bärbel Höhn läßt derzeit untersuchen, ob die Grundwassersenkungen auf das unmittelbare Umfeld des Tagebaus begrenzt werden können. Erste Tests mit Wasserinfiltrationen im Schwalm-Nette- Gebiet sind abgeschlossen - und gescheitert. Weitere Versuche in größerer Entfernung können frühestens im Jahr 2000 abgeschlossen werden. Die Grabungen ziehen weitere Probleme nach sich. Durch die Zerstörung des natürlichen Bodenaufbaus, so befürchtet man, würden aus den Abraumkippen ausgewaschene Schadstoffe ungefiltert ins Grundwasser gelangen. Ebenso in einen nach Tagebauende aufgrund fehlender Erdmassen anzulegenden See von 20 Quadratkilometern Größe. Die Konsequenz: Beide würden versauern. Das Problem soll zwar, nach den Vorstellungen des früheren SPD-Umweltministers Klaus Matthiesen, durch Zusetzen von bis zu sieben Millionen Tonnen Kalk oder Braunkohlenasche gelöst werden. Aber bisher hat es noch keinen Großversuch gegeben, der belegt, daß das funktionieren kann. Neben Landschaftszerstörung und Beeinträchtigungen des Wasserhaushaltes zählt auch die große Luftverschmutzung zu den unvermeidlichen Umweltschäden der Braunkohlennutzung. Der Schadstoffausstoß während Förderung, Aufbereitung und Transport ist noch vergleichsweise niedrig. Doch bei der Verbrennung werden weitaus mehr Treibhausgase wie Kohlendioxid und Methan freigesetzt als bei anderen Energieträgern. Braunkohle gilt als Klimakiller Nummer eins.

Technik und Klimaschutz

Braunkohle wird vorwiegend in tagebaunahen Großkraftwerken zur Stromerzeugung eingesetzt. Die Kondensationskraftwerke nutzen allerdings nur 35 Prozent der in der Kohle gespeicherten Energie. Der große Rest wird als Abwärme in die Luft und in Flüsse und Seen abgegeben. Daran wird sich auch nicht allzuviel ändern, wenn die RWE ihr, an die Genehmigung von Garzweiler II gebundenes, 20 Milliarden Mark schweres Investitionsprogramm verwirklichen. In einer ersten Phase setzt der Energieversorger auf Braunkohlenkraftwerke mit optimierter Anlagentechnik. Nach dem Anstich des neuen Tagebaus soll das neue Kombi-Braunkohlenkraftwerk (KoBra), das derzeit schon als Demonstrationsanlage läuft, flächendeckend zum Einsatz kommen. Mit der neuen Technik, versprechen die RWE, werde der Kohlendioxidausstoß um mehr als ein Viertel gesenkt. Hinter dem anscheinend so großherzigen Versprechen verbirgt sich allerdings lediglich eine notwendige Erneuerung des Kraftwerkeparks. Denn die aktuellen Anlagen werden zwischen 2000 und 2010 ein Alter von vierzig Jahren erreichen. Zudem werden auch die KoBras aus Braunkohle lediglich Strom gewinnen. Ihr Wirkungsgrad von 50 Prozent ist im Vergleich mit denen sogenannter Kraft- Wärme-gekoppelter Anlagen (KWK) immer noch niedrig. Diese kombinierten Strom- und Heizkraftwerke nutzen über 90 Prozent der gespeicherten Energie.

In Klimaschutzszenarien, die auf einen ökologischen Umbau der Energieversorgung und einen sozialverträglichen Ausstieg aus der Kohle setzen, wie die des Öko-Instituts Freiburg und des Wuppertaler Instituts für Klima, Umwelt, Energie, spielen die dezentralen Kombikraftwerke als alternative Energieversorger denn auch eine wesentliche Rolle. Die Wärmelieferung setzt aber voraus, daß die Anlagen, um Leitungsverluste zu vermeiden, möglichst nahe am Verbraucher installiert werden. Das wiederum würde einen kompletten Umbau der Versorgungsstrukturen im Rheinischen Revier bedeuten. Eine Vorstellung, die dem Quasi-Monopolisten RWE offensichtlich nicht behagt. Mit der Genehmigung Garzweilers und dem Investitionsprogramm soll der Status quo bis weit in die Zukunft gesichert werden.

Profite und Arbeitsplätze

Die Braunkohlenstrategie der RWE ist nicht nur bei Umweltschützern, sondern auch in Wirtschaftskreisen umstritten. Für viel Aufsehen sorgte eine vor Jahresfrist veröffentlichte Studie des Analyseinstituts der Dresdner Bank, Kleinwort Benson Research (KBR). Die Investmentbanker gaben ihrer Kundschaft den Rat: »RWE- Aktien verkaufen.« Auch hier bildet die EU-weite Liberalisierung des Energiemarktes für Strom und Gas den Hintergrund. KBR rechnet damit, daß die Strompreise nach der Marktöffnung um 30 Prozent sinken werden. Aufgrund höherer Investitions- und Personalkosten seien Braunkohlenkraftwerke gegenüber Gaskraftwerken dann nicht mehr wettbewerbsfähig. Vor wenigen Monaten wurde diese seitens Rheinbraun und RWE heftig kritisierte Prognose von einem »Gutachten zur Entwicklung der Stromerzeugungskosten auf einem liberalisierten Energiemarkt« des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI) im wesentlichen bestätigt.

Weniger teuere Vorhaben, wie Gas- oder dezentrale Kraftwerke, seien schon nach zehn Jahren schuldenfrei. In Hinblick auf die unsichere Auftragsentwicklung in offenen Märkten würde das unternehmerische Risiko damit nicht unwesentlich minimiert.

RWE und Rheinbraun sehen sich allerdings gut gerüstet für die Liberalisierung. Der Vorstandsvorsitzende der RWE- Holding, Dietmar Kuhnt, geht davon aus, »daß wir unser Volumen halten und sogar noch vergrößern können«. Und tatsächlich bereitet sich der Konzern seit Jahren schon auf die Veränderung der Rahmenbedingungen vor. Rheinbraun verweist darauf, daß die Preise aufgrund von Rationalisierungsmaßnahmen sinken werden. »Seit Beginn des Ergebnissteigerungsprogramms vor gut vier Jahren wurde die Belegschaft um über 20 Prozent auf heute knapp 12 200 Beschäftigte reduziert.« Bis 2005, dem Jahr vor dem beabsichtigten Aufschluß von Garzweiler II, soll der Personalstand auf 8 000 gesenkt werden.

Auch die RWE Energie rationalisiert. Während der Erneuerung des Kraftwerkeparks wird es zu einem nicht unerheblichen Arbeitsplatzabbau kommen. Genaue Zahlen mag das Unternehmen aber nicht rausrücken. Derzeit sind in den Braunkohlekraftwerken rund 6 000 Menschen beschäftigt. Unabhängigen Schätzungen zufolge werden es im Jahr 2030 noch 1 500 sein. Angesichts dieses enormen Arbeitsplatzabbaus bei Rheinbraun und RWE relativiert sich die Aussage, die Braunkohle sichere der Region Beschäftigung und Wohlstand. Zumal ja im Zuge der unumgänglichen Umsiedlungen zahlreiche Betriebe aus den Tagebaugebieten schließen müssen.

Umwelt und Arbeit

Zahlreiche Forschungsinstitute haben in den vergangenen Jahren Prognosen zur zukünftigen Entwicklung der Energiemärkte und zur Rolle der Braunkohle abgegeben.In einem sind sich alle Gutachter einig: Die Braunkohlenwirtschaft ist keine Wachstumsbranche. Würden die geplanten Investitionen in den Aufbau einer dezenralen Energieversorgung und in die Produktion energiesparender Güter umgelenkt, rechnen die Forschungsinstitute aus Freiburg und Wuppertal vor, könnten sie weitaus effektiver für Umweltschutz und zukunftssichere Beschäftigung eingesetzt werden. Das WI erwartet in seiner Studie »Ist ein sozial- und klimaverträgliches Zukunftskonzept für die deutsche Kohle realisierbar?« zwischen 380 000 und 600 000 zusätzliche Arbeitsplätze bundesweit bis zum Jahr 2020 bei höheren Energieeinsparungen als bisher. Durch rationelle Energienutzung und erneuerbare Energien könnten im gleichen Zeitraum weitere 65 000 bis 85 000 Stellen geschaffen. werden. Im »Energiewende-Szenario 2020« erläutert das Öko-Institut, mit einem ökologischen Strukturwandel gehe eine erhöhte Nachfrage nach energiesparenden Produkten und Dienstleistungen einher. In noch größerem Maß als der Anlagen- und Maschinenbau werde die Bauwirtschaft von einer Energiewende profitieren. Zudem böten sich dort durch die Nutzung von Biomasse zur Wärme- und Stromerzeugung weitere Beschäftigungspotentiale. Durch die den Interessen der RWE AG dienende Genehmigung des Rahmenbetriebsplans für Garzweiler II wird somit die Perspektive einer ökonomisch und ökologisch sinnvollen Entwicklung der Region von vornherein aufgegeben.

Quelle: junge Welt 14.01.1998

Seitenanfang