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Pressearchiv 1999 Garzweiler

 

 

 

 


Von Brandts Kniefall bis zu Garzweiler II
Ramöller, Bürger, Sondermann und Clemens

Erkelenz/Hückelhoven. Dieser Jahreswechsel verleitet ganz besonders dazu, den Blick zurück zu werfen, zu bilanzieren und zu sortieren: Was ist haften geblieben von den Tagesereignissen, die so schnell vorbei huschen, was hat Gültigkeit über den Tag hinaus?

Wir fragten Menschen, die in den vergangenen Jahren das Gesicht des Kreises mit prägten.

Oskar Ramöller war neun Jahre und neun Monate Bürgermeister in Hückelhoven: Ein ganz einschneidendes Erlebnis war für mich das Ende des 2. Weltkrieges und damit das Ende der Naziherrschaft.

Kennedy und die Mondlandung

Ich war damals 15 Jahre alt und von den Ereignissen hin- und hergerissen. Damit verbunden natürlich auch das Entstehen einer demokratischen Staatswesens Bundesrepublik, das ich von Anfang an bewusst erlebt habe. Die Ermordung John F. Kennedys ist ein Ereignis, das haften bleibt wie auch die erste Mondlandung.

Für mein Erleben des Zeitgeschehens schon als politisch denkender Mensch: Willy Bandts Kniefall in Warschau, der Fall der Mauer, die Wiedervereinigung - das sind Stationen, die tief in meinem Inneren eingeschrieben bleiben.

Kampf um die Zeche

Prägendstes Ereignis in meinem Politikerdasein war zweifellos der Kampf um den Erhalt der Zeche und schließlich das nicht zu vermeidende bittere Ende; im privaten Bereich die Geburt unserer beiden Enkelkinder; im Beruf bleibt mir der erste tödliche Arbeitsunfall, den ich als junger Steiger unter Tage erleben musste, bleibend im Gedächtnis.

Johannes Bürger war von 1970 bis 1990 Stadtdirektor in Hückelhoven: Da muss ich das Vatikanische Konzil von 1962 bis 1964 nennen. Mehr als 2000 Bischöfe aus aller Welt haben über die Zukunft der katholischen Kirche beraten und einschneidende Beschlüsse gefasst, die vieles von dem enthalten, was wir damals als junge Leute immer schon herbeigesehnt haben, nämlich die Öffnung der Kirche für die Welt von heute.

Moderner

Wenn auch inzwischen leider vieles von dem, was damals gewollt war, nicht verwirklicht worden ist, so ist die katholische Kirche nach diesem Konzil doch moderner geworden.

Natürlich die Wiedervereinigung Deutschlands und der Zusammenbruch des Kommunismus in den osteuropäischen Ländern in der Zeit von 1989 bis 1991. Beide Ereignisse waren nicht vorauszusehen und ich persönlich hätte sie nie für möglich gehalten. Das wichtigste dabei war, dass sie vor allem in Deutschland durch friedliche Revolutionen herbeigeführt worden sind.

Johannes Sondermann holte beri den Landtagswahlen 1985 zum ersten Mal für die SPD im Kreis Heinsberg ein Direktmandat: Der Kniefall von Willi Brandt in Polen bleibt mir als Bild vor Augen, weil er aus meiner Sicht die Beziehungen zwischen Ost und West nachhaltig verbesserte.

Wiedervereinigung

Selbstverständlich die Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten, durch die die Menschen im Osten endlich nach so vielen Jahren frei wurden. Dass 1985 zum ersten Mal ein Sozialdemokrat aus dieser Region direkt in den nordrhein-westfälischen Landtag gewählt wurde, war natürlich für mich persönlich mein größtes Erlebnis auf politischer Ebene.

Im privaten Bereich steht dem die Geburt unserer beiden Kinder 1975 und 1978 allerdings in Nichts nach.

Theo Clemens, bis zur Kommunalwahl im September Bürgfermeister in Erkelenz: Im Rückblick auf das ausgehende Jahrhundert gibt es viele Ereignisse, die für unsere Region wichtig sind.

Kampf gegen Garzweiler II

Mir erscheint aber ein Vorgang besonders wichtig, der sich nun schon einige Jahrzehnte vollzieht, der Kampf gegen den Tagebau Garzweier II. In großer Einmütigkeit haben Bürger, politische Parteien aus unserem Gebiet, Organisationen, Rat und Verwaltung der Stadt Erkelenz alles getan, um dieses Unheil abzuwenden.

Nur wirtschaftliche Gründe

Was am Ende geblieben ist, ist die Ungewissheit, mit der die Betroffenen ins neue Jahrtausend gehen. Mehr denn je ist nicht klar, ob der Tagebau trotz Genehmigung der Sümpfungsmaßnahmen kommen wird. Ich bedauere, dass dabei weder sozialverträgliche noch ökologische Gesichtspunkte, sondern nur wirtschaftliche Gründe eine Rolle spielen.

Quelle: Aachener Nachrichten 30.12.1999

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Patt in einer geheimen Abstimmung

Rat lehnt Zuschuss
für Vereinte Initiativen ab

Erkelenz (is). Pech für die Vereinten Initiativen - Bürger gegen den Abbau von Garzweiler II: Ihr Zuschussantrag über 3000 Mark wurde vom Stadtrat abgelehnt. Die Initiativen können nun frühestens in sechs Monaten einen neuen Antrag stellen.

Geheime Abstimmung

Gleich zu Beginn der Debatte beantragte FDP-Sprecher Matthias Münster, über den Antrag geheim abzustimmen.

SPD-Chef Gerhard Walter wollte von Bürgermeister Erwin Mathissen das wissen, was er bereits im Hauptausschuss gefragt hatte: "Was hat es mit dem Boykottaufruf eines Präsidiumsmitgliedes gegen die WLK auf sich?" Eine Antwort bekam er auch diesmal nicht.

Noch Informationsbedarf

Mathissen verwies lediglich auf den Hinweis von CDU-Sprecher Heinz Küppers, der im Hauptausschuss betonte, in dieser Sache bestehe noch Informationsbedarf. Ob der bis zur Ratssitzung gedeckt wurde, verriet Küppers im Alten Rathaus aber nicht.

Kein Braunkohle-Strom

Um Aufklärung bemüht war der Grünen-Ratsherr Hans-Josef Dederichs, der auch Mitglied im Präsidium der Initiativen ist. Die Initiativen forderten von der WLK AG lediglich Strom, der nicht aus Braunkohle produziert wird.

Niemand habe die Bürger dazu aufgerufen, dem Energieversorgungsunternehmen, das zu 50 Prozent der Stadt Erkelenz gehört, den Rücken zu kehren. Im übrigen seien die Initiativen für die Bürger und die Stadt und nicht gegen die Stadt tätig.

Gegen die Stadt

CDU-Sprecher Küppers erklärte, eine Aktion, die sich gegen die Stadt richtet, könne er nicht unterstützen. Grünen-Sprecherin Beate Schirrmeister-Heinen möchte, dass die WLK AG auch Naturstrom liefert, was nach Auffassung von Ratsherr Theo Clemens (CDU) nicht möglich ist.

Clemens weiter: "Hier werden ideelle und materielle Dinge miteinander vermischt. Ob das auf Dauer gut geht wage ich zu bezweifeln." Die Abstimmung endetet dann mit einem Patt (20:20 bei zwei Enthaltungen).

Quelle: Aachener Nachrichten 15.12.1999

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Regierung Partner der Braunkohle
Peer Steinbrück zu Rheinbraun-Kumpel

Grevenbroich (an-o). NRW-Wirtschaftsminister Peer Steinbrück hat am Donnerstag den Tagebau Garzweiler I besucht und sich mit Vertretern der Rheinbraun AG unterhalten. Dabei schaffte er sich einen persönlichen Eindruck vom rheinischen Braunkohlenbergbau.

Von Technik beeindruckt

Dabei zeigte sich Steinbrück von dem hohen technischen Niveau im Gewinnungsbetrieb und den anspruchsvollen Rekultivierungsmaßnahmen beeindruckt.

"Garzweiler II unverzichtbar"

Anschließend nahm der Minister an einer Belegschaftsversammlung teil. In einem Grußwort an die Kumpel des Tagebaus Garzweiler I sagte Steinbrück: "Der Anschlusstagebau Garzweiler II und die konsequente Fortführung des Kraftwerkserneuerungsprogramms sind unverzichtbar. Die Braunkohle ist eine heimische Energiequelle, die im Energiemix der Zukunft einen festen Stellenwert hat. Ihre Gewinnung und ihr Einsatz erfolgen auf einen beispiellos hohen technischen Niveau, das Umweltgesichtspunkten voll Rechnung trägt. Vor allem aber sichert die heimische Braunkohle Arbeitsplätze und Wertschöpfung in der Region und in ganz Nordrhein-Westfalen."

Wettbewerbsfähigkeit

Die Landesregierung habe versprochen, so Steinbrück weiter, sich bei der zweiten Stufe der ökologischen Steuerreform dafür einzusetzen, die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Braunkohle nicht zu beeinträchtigen.

Kompromiss gefunden

"Wir haben unser Versprechen gehalten. Der nun gefundene Kompromiss sichert die Investitionen zugunsten der Braunkohle; zudem wird auch die Kraft-Wärme-Kopplung und die Solarenergie an Auftrieb gewinnen. Im übrigen wird die Landesregierung weiterhin ein verläßlicher Partner der Braunkohle sein", betonte Steinbrück.

Quelle: Aachener Nachrichten 9.12.1999

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"Eine absolut irre Dimension"

NRW-Wirtschaftsminister Peer Steinbrück besuchte den Tagebau Garzweiler


otr Garzweiler. "Das ist eine absolut irre Dimension. Da merkt man erst, wie klein man ist", staunte Peer Steinbrück beim Anblick des Schaufelradbaggers 285 im Tagebau Garzweiler. Am Donnerstagmorgen wollte der Wirtschaftsminister des Landes Nordrhein-Westfalen einen persönlichen Eindruck vom rheinischen Braunkohlenbergbau gewinnen.

Tagebaudirektor Helmut Beißner und die Betriebsratsvorsitzenden Dietrich Böcker und Bernd Breloer begleiteten den Minister. Am Schaufelrad selbst erläuterte der Vorarbeiter Heinz-Peter Kleefisch das Großgerät. Als Andenken überreichte Kleefisch dem Minister einen Geologenhammer und eine Schatulle mit Fossilien.

Auf der anschließenden Belegschaftsversammlung im Ausbildungszentrum Frimmersdorf versicherte Steinbrück vor über 500 Bergleuten, die Landesregierung werde weiterhin ein zuverlässiger Partner der Braunkohle sein. Daran werde auch die konträre Meinung des Koalitionspartners nichts ändern: "In der Landesregierung wackelt ja nicht der Schwanz mit dem Hund." Im Energiemix der Zukunft sei die Braunkohle unverzichtbar. Der Minister sieht sogar eine Steigerung des Anteiles an der Energiegewinnung voraus, verursacht durch abgeschaltete Atomenergieanlagen und den Verzicht auf Erdgas aus unsicheren Regionen der Welt.

Kritisch blieben viele der Bergleute. "Alles Augenwischerei. Die Kohle wird systematisch heruntergefahren. Das ist die reine Wahlkampfveranstaltung", sagte einer.

Quelle: Kölnische Rundschau 10/12/’99

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Tagebau Garzweiler II rechnet sich nicht
Die Bündnisgrünen sind sich sicher

Erkelenz (an-o). Zufriedenheit mit den Ergebnissen der Bemühungen zum Thema Ökosteuer und Garzweiter II, aber auch Kritik an der Reduzierung Sachkundiger Bürger und der Zusammenlegung von Bezirksausschüssen, das waren Kernpunkte des Treffens der Grünen.

Änderungen erläutert

Sprecher Jürgen Haida und seine Amtskollegin Maria Meurer begrüßten neben der fast kompletten Ratsfraktion auch einige Mitstreiter ohne "Parteibuch", die als Direktkandidaten zum Wahlerfolg beigetragen hatten. Fraktionschefin Beate Schirrmeister-Heinen und die stellvertretende Bürgermeisterin Christel Honold-Ziegahn erklärten zunächst die Änderungen, die die CDU/FDP-Ratsmehrheit "zu Lasten von Transparenz und Bürgerbeteiligung" durchgesetzt haben, so Schirrmeister-Heinen.

Der neueste Stand

Ihr Stellvertreter Hans-Josef Dederichs berichtete über eine Informationsveranstaltung in Venrath. Dorthin hatte Reiner Priggen, Vorstandssprecher der NRW- Grünen, Vertreter der Initiativen gegen den Braunkohletagebau und Grüne aus Jüchen, Neuss, Mönchengladbach und Erkelenz eingeladen, um über den neuesten Stand zum Thema Garzweiler II und Ökosteuer zu referieren. Priggens Fazit: Garzweiter II wird nicht kommen, weil es sich nicht rechnet.

Neue Studien

Mit dieser jetzt auch durch neue Studien untermauerten "endlich mal positiven Nachricht zu Garzweiler", so Dederichs, wollen die Grünen ins neue Jahrtausend starten: Anfang Januar soll ausführlich über die Zusammenhänge informiert werden. Dann kann womöglich auch schon eine Antwort auf die bei der Info-Veranstaltung gestellte Frage nach der neuerlichen Überprüfung der Grundannahmen durch Umweltministerin Bärbel Höhn gegeben werden.

Auch einen praktischen Beitrag zur Energiewende wollen die Grünen leisten: Anfang des Jahres wollen sie über die Stromanbieter, die Herkunft deren Stroms und Fragen, wie man günstig an ökologisch vertretbare Energie kommt, informieren.

Quelle: Aachener Nachrichten 2.12.1999

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Erkelenz: Kein Geld für die Vereinten Initiativen

Strom-Aktion schadet angeblich Interessen der Stadt

Erkelenz (is). Der Hauptausschuss entschied sich am Mittwoch mit großer Mehrheit dafür, den Vereinten Initiativen - Bürger gegen Abbau Garzweiler II den von ihnen beantragten Zuschuss von maximal 3000 Mark vorerst nicht auszuzahlen.

Zuschuss verweigert

Für die SPD wies Ratsherr Schang Jansen darauf hin, dass der Rat der Holzweiler Bürgerinitiative gegen das Sondermüllzwischenlager einmal einen Zuschuss mit der Bemerkung, sie arbeite gegen die Interessen der Stadt, verweigert habe. Jansen weiter: "Die Vereinten Initiativen haben jetzt zum Boykott von WLK-Strom aufgerufen. Damit schaden sie den Interessen der Stadt." Die Stadt Erkelenz hält bekanntlich 50 Prozent der WLK-Anteile.

Bevor sich überhaupt eine Diskussion entwickeln konnte, beantragte CDU-Fraktionssprecher Heinz Küppers, den Punkt von der Tagesordnung abzusetzen. Seine Begründung: "Es besteht noch Gesprächsbedarf mit den Initiativen."

Präsidiumsmitglieder vor Ort

Den hätte man am Mittwoch abend an Ort und Stelle befriedigen können, denn vom Präsidium der Initiativen waren Dr. Gerd Hachen und Günter Plugge im Sitzungssaal anwesend. Beide hätten unmittelbar über die ins Auge gefasste Strom-Aktion informieren können, denn es gibt einen Ratsbeschluss, nach dem die Initiativen Rederecht im Hauptausschuss haben, wenn dieser als Braunkohlenausschuss tagt. Und das tat er am Mittwoch, als Bürgermeister Erwin Mathissen den Tagesordnungspunkt "Braunkohlenangelegenheiten" aufgerufen hatte.

Quelle: Aachener Nachrichten 2.12.1999

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Der Kampf der Geisterdörfer

Der Bürgermeister? Hat sich davongemacht. Der Bauer? Pokert noch. Die Frau von der Bürgerinitiative? Frustriert. Und der Vertreter der Rheinbraun will sich nicht festlegen. Ob Garzweiler II, das Braunkohlerevier an der niederländischen Grenze, ausgebaggert wird oder nicht, weiß keiner so genau. Fest steht nur: In Otzenrath, Spenrath und Holz hängt der Dorfsegen schief. Eine Ortsbegehung Von Heike Haarhoff (Text) und Jan Banning (Fotos)

Spenrath.

Schwarz ist, was ihnen schon gehört. Ziemlich viel also. Mit dem Finger zeichnet Heinz Behr die Ränder des dunklen Flecks auf der Landkarte nach. "Sie stehen jetzt bei Jüchen", erläutert er, kurz hinter Garzweiler und nur drei Kilometer vor seinem Haus in Spenrath. Bei Vollmond sieht Heinz Behr die Umrisse der Schaufelräder und Raupen ganz deutlich, und wenn es windig ist, weht schon mal Sand aus den tiefen Gruben herüber in seinen Garten. Sie werden weiter nach Westen vorrücken und weitere Dörfer nehmen.

Heinz Behr ist ihrer Pläne vor einiger Zeit habhaft geworden. Als Rentner hat er viel Zeit für Nachforschungen. Jetzt breitet er sie wie Schatzkarten auf seinem Esszimmertisch aus. Auf dem Blatt mit dem Titel "2005" ist die Ortschaft Holz schwarz übertüncht. Die Karte "2010" ist noch düsterer - auch die Nachbarsiedlungen Otzenrath und Spenrath sind verschwunden. "Da sind wir dann ein abgeschossenes Dorf", sagt Heinz Behr, so als sei das eine unabwendbare Tatsache.

Dabei sah es noch vor einer Woche so aus, als würden die Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerke (RWE) einen Rückzieher machen von dem, was Heinz Behr wie einen Feldzug über die Rübenäcker der niederrheinischen Tiefebene beschreibt: Der Abbau der Braunkohle lohne nicht mehr unter den Höfen, den Häusern, den Schulen und den Kirchgärten von Otzenrath, Spenrath, Holz und den anderen winzigen Dörfern nahe der niederländischen Grenze, besser bekannt unter dem Reizwort "Garzweiler II".

Schuld sei die Ökosteuer, hatte der Energiekonzern RWE behauptet. Die Ökosteuer bevorzuge die Gaskraftwerke und mache die Braunkohle unwirtschaftlich. Also werde man das Schlachtfeld von Otzenrath, Spenrath und Holz wohl räumen.

Heinz Behr hoffte. Er machte Pläne. Die Regenwasserzisterne, auf die er bislang verzichtet hat, der Klinker, der das Haus endlich gut isolieren würde, die neue Einbauküche, die sich seine Frau seit Jahren wünscht - Investitionen am Haus schienen wieder sinnvoll. Er vergaß fast, dass seine Verkaufsverhandlungen mit der RWE-Tochter Rheinbraun kurz vor dem Abschluss stehen und er sich auf dem freien Feld fernab des Kohlereviers, wo in einigen Jahren Neu-Spenrath entstehen soll, sogar schon ein Grundstück für sein neues Eigenheim ausgesucht hat. Egal. Er würde den Vertrag nicht unterschreiben.

Es war ein Hochgefühl wie vor zehn oder fünfzehn Jahren, als erstmals die Rede von der kraterähnlichen Baugrube an Stelle der Dörfer war, und Heinz Behr glaubte, er könne dem Bergbau trotzen, indem er Pechfackeln entzündete und durchs Dorf trug. "Genau genommen leben wir seit der Zeit in Ungewissheit", sagt Heinz Behr. Er betrachtet seine Karten, als müssten wenigstens die eine Perspektive bieten.

Vielleicht hätte er ahnen müssen, dass die Beschwerde über die Ökosteuer nur ein Vorwand war. Tatsächlich sollten die Gaskraftwerke ja bloß die Steuervorteile erhalten, die Braunkohlekraftwerke bereits seit Jahren genießen. Vielleicht hätte er erkennen sollen, dass für die RWE der eigentliche Grund für einen etwaigen Abschied von Garzweiler II folgender ist: Heimischer Strom aus Braunkohle kann der ausländischen Konkurrenz kaum noch standhalten - mit oder ohne Ökosteuer.

In jedem Fall aber hätte er sich unruhige Nächte sparen und allein darauf kommen können: Jede Entscheidung für oder gegen den Braunkohleabbau bedeutet nur die Sicherheit, dass sie widerrufen werden kann. So auch diesmal. Die RWE-Bosse gewannen die Machtprobe mit den Politikern; in Sachen Ökosteuer wurde ein Kompromiss gefunden. Garzweiler II soll nun doch ausgekohlt werden, wie die Verwandlung der Region in eine Mondlandschaft im Bergbaudeutsch heißt. Und Heinz Behr soll sich wieder an den Gedanken gewöhnen, dass seine Frau die neue Küche eben doch erst in einem neuen Haus bekommen wird. Im besten Fall zu Lebzeiten.

Der örtliche Vertreter der Rheinbraun möchte sich diesbezüglich lieber nicht festlegen: "Ich erwarte nicht, dass es das letzte Mal war, dass über die Wirtschaftlichkeit von Garzweiler II debattiert wird."

Heinz Behr ist jetzt 64 Jahre.

Otzenrath.

Hier also wohnt Gisela Reinartz, aber was heißt wohnen, fragt sie, wenn man jeden Tag die Schaufelradbagger, groß wie Schiffsrümpfe, näher rücken sieht? Sie hat "es satt", sie will "klare Ansagen". Die meisten hätten sich längst damit abgefunden, dass sie wegziehen müssen, sie auch, "und gucken Sie sich unsere Orte doch an", fordert sie auf und fragt, "würden Sie da etwa bleiben wollen?"

Schlaglöcher werden schon lange nicht mehr gestopft. In Holz machte das letzte Geschäft vor drei Jahren dicht. Wer kann, sucht sich anderswo Arbeit. Ein Spaziergang durch Holz, Otzenrath oder Spenrath ist wie ein Gang durchs Seniorenheim.

100 von 700 Anwesen in den drei Dörfern sind bereits geräumt und an die RWE-Tochter Rheinbraun verkauft. "Da ist jetzt Schimmelpilz drin oder Asylanten", sagt eine Nachbarin von Gisela Reinartz. Wohin die ehemaligen Bewohner sind, weiß sie nicht, "aus dem Staub halt", und über die Preise, die dabei herausgeschlagen wurden, laufen neidvolle Spekulationen.

"Zwischen guten Nachbarn entstehen Feindschaften wegen 5.000 oder 10.000 Mark, die einer meint zu wenig gekriegt zu haben", sagt Bente Berger. Es klingt müde. 14 Jahre hat sie sich in der Bürgerinitiative am Ort engagiert, hat gegen sinkende Grundwasserspiegel und klimazerstörende Energien mobilisiert, so lange, bis sie vor zwei Jahren todkrank wurde und feststellte: "Umweltschutz interessiert hier sowieso die wenigsten."

Die Grünen, die sich im Land vergeblich mühen, die Bagger doch noch aufzuhalten, sind in diesem Jahr erstmals im Gemeinderat von Jüchen vertreten - und das auch nur, weil Nordrhein-Westfalen bei der Kommunalwahl die Fünfprozenthürde abschaffte, zischeln böse Zungen. Die Grünen stiften bloß Verwirrung, aber keine Umzugshilfe, heißt es im Dorf, und die Verwaltung klagt: "Dank ihrer Auftritte hätten wir hier fast Kreuzberger Verhältnisse gehabt."

In ihrem Büro in Otzenrath berät die Juristin Bente Berger heute Umsiedler in Finanzfragen, vertraulich und einzeln, versteht sich.

Holz.

Dem ehemaligen CDU-Bürgermeister, der vor Jahren das Braunkohlegebiet verließ, wurde diese persönliche Entscheidung besonders verübelt. "Eines Tages", erinnert sich der Bäcker Karl-Heinz Ehms aus Holz, "hatten alle im Dorf eine Fotokopie seines Kaufvertrags im Briefkasten." Wer die eingeworfen hat, ist nie herausgefunden worden. Vielleicht wollte man es auch nicht so genau wissen. Jeder, der sich da eingemischt hätte, wäre möglicherweise als nächster dran gewesen, wäre Sättigungsbeilage der dörflichen Gerüchteküche geworden. Seither jedenfalls ist der alte Bürgermeister nur noch einfaches Gemeindemitglied, und der Bäcker Karl-Heinz Ehms bangt, dass ihm Ähnliches blühen könnte.

Denn Ehms ist auch in der CDU, die das Braunkohlerevier mit absoluter Mehrheit regiert, und er hat sich dafür stark gemacht, dass es eine verbindliche Planung gibt für ein Leben mit oder ohne Garzweiler II, egal, welchen Zickzackkurs in Düsseldorf die zerstrittene rot-grüne Landesregierung fährt. Einen eigenen Umsiedlungsbeauftragten hat die Gemeinde eingesetzt, und in einer Weise, die Demokratietheoretiker der 70er-Jahre wehmütig werden lässt, durften die Otzenrather, die Holzer und die Spenrather mit Architekten und Stadtplanern ihre künftigen Straßen, Schützenplätze und Vereinshäuser nach ihrem Geschmack auf dem Reißbrett entwerfen.

Nur er selbst habe da nicht mitziehen wollen, sagt Karl-Heinz Ehms, er mag sich "das nicht antun". Lieber hat er seine Bäckerei in Holz aufgegeben und sich im Nachbardorf Hochneukirch rechtzeitig einen Altbau flottgemacht. Die Gardinen in seiner alten Wohnung freilich hat er vorsorglich hängen lassen, "dann sieht das nicht so tot aus". Aber den Nachbarn ist sein Wegzug natürlich nicht entgangen; er habe seine Schäfchen ins Trockene gebracht, werfen sie ihm nun vor. Karl-Heinz Ehms nimmt das hin.

Denn was es bedeutet, in einer Neubausiedlung auf dem freien Feld heimisch zu werden, hat er bei Freunden und Kunden aus dem Abbaugebiet Garzweiler I beobachtet, die die Umsiedlung schon hinter sich haben: "Mindestens zehn Jahre Baustelle, da wäre ich dann bald 70, bis alles schön ist, und dann diese", er sucht nach dem Wort, "diese Nickeligkeiten."

Weil alles neu entschieden werden muss, gibt es ständig Streit, auch in Neu-Holz, Neu-Otzenrath und Neu-Spenrath: Bei der Abstimmung, ob die Siedlungen ihren Strom künftig über einen relativ teuren Fernwärmeanschluss beziehen sollten, bereicherte die katholische Kirche die Diskussion unlängst mit der Forderung, wer mehrere Grundstücke und Häuser besitze, müsse auch mehrere Stimmen haben.

Und "ganz schlimm" sei es um die Gier des Bauern Josef Lüpges aus Hochneukirch bestellt, empören sich die Leute im Dorf. Nachdem alle Planungen für die neuen Siedlungen so gut wie abgeschlossen seien, stelle sich Lüpges plötzlich stur: Einen winzigen Zipfel Acker, der für die neuen Gemeinden unbedingt nötig sei, wolle er nun nicht mehr verkaufen. Stimmt gar nicht, sagt der Bauer, "der Preis stimmt bloß nicht". 55 Mark den Quadratmeter habe die Rheinbraun ihm geboten für einen Acker, der derzeit wohl bestenfalls mit 9 Mark bewertet würde. Aber die Rheinbraun wird sein Feld später als Bauland und für 200 Mark den Quadratmeter verkaufen, ahnt Josef Lüpges, und an dieser Gewinnspanne möchte er stärker teilhaben. Dass die Gemeinde mittlerweile ein Enteignungsverfahren gegen ihn angestrengt hat, na und? "Notfalls", dröhnt der Bauer, "verjage ich die vom Hof", genau wie kürzlich diese "Halunken" von der Rheinbraun, als sie ihn wieder mit "unseriösen Kaufangeboten" heimsuchten. "Nichts, aber auch gar nichts mehr möchte ich mit denen zu tun haben", sagt Josef Lüpges.

Abrupt steht er auf. Der Bauer hat keine Zeit mehr. Schließlich hat er noch einen Nebenjob: Meterhoch stapeln sich die Briketts in seiner Hofeinfahrt, Briketts von Rheinbraun. "Ich bin der letzte Kohlenhändler am Ort." Josef Lüpges macht sich zur Abfahrt bereit. "Das Geschäft lohnt sich."

Quelle: taz vom 3.12.1999

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RWE will nun an Garzweiler festhalten
Ökosteuer-Kompromiss begrüßt

rtr DÜSSELDORF. Der RWE-Konzern hat den Kompromiss um die Förderung von Gaskraftwerken im Rahmen der Öko-Steuer begrüßt und will nun am Braunkohleprojekt Garzweiler II festhalten. Mit der Befristung der Förderung von Gaskraftwerken trete der befürchtete Wettbewerbsnachteil der Braunkohle gegenüber Gas nicht ein, erklärte das Unternehmen am Dienstag in Essen. RWE werde daher an den geplanten Investitionen in der Braunkohle und an seinem Kraftwerkserneuerungsprogramm festhalten.

Der Streit um die Befreiung neuer Gas- und Dampfkraftwerke (GuD) von der Mineralölsteuer im Zuge der zweiten Stufe der Öko-Steuer hatte die rot-grüne Koalition in Düsseldorf wie auch das Regierungsbündnis auf Bundesebene belastet. RWE hatte das Garzweiler-Projekt wegen der steuerlichen Förderung von hochwirksamer Gaskraftwerke offen in Frage gestellt, obwohl es sich dabei nur um eine Gleichstellung von Kohle und Gas handelt. Auch Kohle ist bei der Energieerzeugung von der Mineralölsteuer befreit.

Um den steuerlichen Entlastungseffekt für Gas auszugleichen, müsste RWE nach eigenen Angaben die Kosten beim Abbau der Braunkohle im Gebiet Garzweiler II um ein Viertel senken. Der Abbau der Braunkohle im Kohlerevier um Jüchen soll im Jahr 2006 beginnen.

Quelle: Handelsblatt 24.11.1999

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Vereinte Initiativen rufen Bürger zum Stromwechsel

Garzweiler II vor dem Aus?

Borschemich. Wechseln Sie mit uns Ihren Stromlieferanten!" Mit diesem Aufruf wenden sich die Vereinten Initiativen gegen Garzweiler II demnächst an die im geplanten Braunkohlenabbaugebiet wohnenden Bürger.

"Nicht aus der Braunkohle"

Mit dieser Mitteilung überraschte Dr. Gerd Hachen über 30 Bürger, die sich am Donnerstag Abend zu einer Stammtischrunde in der Gaststätte Paulus eingefunden hatten. Der Initiativen-Sprecher kündigte an, man werde sich um preiswerten Strom bemühen, "der nicht aus der Braunkohle stammt." Hachen ist sich sicher, dass die RWE AG regieren wird, "wenn hier eine größere Zahl von Kunden wegbricht". Die Erkelenzer Westdeutsche Licht- und Kraftwerke AG bezieht den von ihr verkauften Strom bekanntlich von dem Essener Versorgungsunternehmen.

In kleinen Schritten

Vordringlich erwarteten die Gesprächsteilnehmer Antwort auf die Frage "Ist der Tagebau Garzweiler II tot oder nicht!" Gerd Hachen antwortete mit einem "Ja, aber". Der Tagebau sei tot, weil er energiepolitisch überflüssig und wirtschaftlich unsinnig geworden sei, "aber der Abschied von diesem Tagebau wird nur in ganz kleinen Schritten an die Öffentlichkeit gelangen". Hachen weiter: "Das RWE wird mit Sicherheit nicht vor der NRW- Landtagswahl entscheiden."

Gewaltige Überproduktion

In seinem ausgefeilten Referat wies Hachen nach, dass der Tagebau Garzweiler II für die Stromerzeugung nicht mehr benötigt wird, weil weit weniger Strom benötigt werde als prognostiziert. Hachen: "Selbst RWE gibt inzwischen zu, dass es bereits jetzt eine Überproduktion von 10.000 Megawatt pro Jahr gibt". Der Braunkohlenstrom sei überdies auch ohne Ökosteuer auf Dauer nicht konkurrenzfähig, ein zwangsläufige Folge der Liberalisierung des Energiemarktes.

Längst verabschiedet

Hachen: "Deshalb hat die Energiewirtschaft Garzweiler II längst verabschiedet. Unser Problem ist jetzt die Politik in NRW. Wolfgang Clement braucht Garzweiler II für den Machterhalt. Gibt er den Tagebau auf, werden die Bergleute der SPD mit Sicherheit den Rücken kehren."

Quelle: Aachener Nachrichten 21.11.1999

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"Wir wissen nicht mehr, woran wir hier sind"

Garzweiler II Umsiedler wollen endlich Klarheit haben

Von Friedemann Siering

Jüchen - Die Bäuerin zeigt auf die zusammen gefaltete Zeitung auf der Küchenbank: "Was da heute wieder drinsteht, verwirrt mich nur noch." Ihr Mann nickt: "Mir geht das auf den Keks, ich weiß nicht mehr, woran wir hier sind." RWE, so steht es in der Zeitung, hat den Tagebau Garzweiler II wegen der neuen Öko-Steuer, die Gaskraftwerke steuerlich entlastet, in Frage gestellt. Ob das nur eine Drohgebärde ist oder ernst gemeint - die Nachricht lässt im niederrheinischen Örtchen Holz keinen kalt.

Holz soll ebenso wie die Nachbarorte Otzenrath und Spenrath in ein paar Jahren abgebaggert werden, wenn 2006 der Tagebau Garzweiler II aufgeschlossen wird. Die Bewohner werden - so ist es geplant - umgesiedelt, die Haupt-Erschließungsstraße für Neu-Otzenrath, nur ein paar Kilometer entfernt von den drei noch bestehenden Dörfern, ist schon fertig.

"Und jetzt? Können wir doch hier bleiben, kommt Garzweiler II doch nicht?" fragt sich der Bauer, der sich nur äußern will, wenn sein Name nicht genannt wird. Schließlich stehe er noch in Verhandlungen mit Rheinbraun. "Ich will da niemanden verärgern."

Aber dass es ihm schwer fällt, sich von seinem Hof zu trennen, der immerhin seit 100 Jahren in Familienbesitz ist, daraus macht er keinen Hehl. "Manchmal liege ich nachts wach und überlege, wie das alles weitergehen soll." Nach Neu-Holz kann er nicht ziehen: "Die Landwirte mussten sich verpflichten, dort kein Vieh zu halten." Dabei gehöre "in einem richtigen Dorf das Vieh doch einfach dazu". Es tue ihm "schon weh, dass wir nicht mitkommen können".

Der Bauer hat sich mittlerweile eine Reihe von möglichen Ersatzstandorten für seinen landwirtschaftlichen Betrieb angesehen, unter anderem in der Nähe von Aachen. "Es war nicht das Richtige dabei." Außerdem sei sein Hof von einem Rheinbraun-Gutachter so gering bewertet worden, dass ich "auf jeden Fall ein Minus machen werde", sagt der Mann.

Läden dicht

Aber je mehr Nachbarn weggingen, "umso mehr kommt man selbst unter Druck". Der Bäcker des Ortes hat längst die Roll-Läden für immer runtergelassen. Und einzelne Wohnhäuser sind ebenfalls verlassen. "Hier ist Stillstand", sagt der Bauer. "Die sollen uns jetzt endlich klipp und klar sagen: Ja oder Nein."

Auch in Otzenrath herrscht Unmut: "Erst heißt es: Rin in die Kartoffeln, jetzt: raus aus den Kartoffeln", poltert ein Rentner vor der Pizzeria "Ciao". Auf den Straßen des Ortes ist es still, nur selten fährt ein Auto vorbei. 80 bis 100 Häuser seien schon geräumt, schätzt Helga Meier, Inhaberin des örtlichen Lotto-Geschäfts. "Der Ort ist kaputt." Die Zahl der Kunden gehe immer mehr zurück.

"Früher standen wir hier freitags mit zwei Leuten im Laden, um die Kunden zu bedienen. Das brauchen wir nicht mehr." 1800 Einwohner hatte Otzenrath einst. "So viele sind es schon lange nicht mehr", sagt eine Kundin, die demnächst wegziehen wird aus der Gegend und erst vor Monaten ihre Metzgerei nebenan aufgegeben hat. "Wir hätten sowieso nicht weitergemacht." Mit der Entschädigung durch Rheinbraun ist sie zufrieden. "Bei einem normalen Verkauf hätten wir wohl weniger bekommen."

Lotto-Frau Helga Meier geht davon aus, dass die Umsiedlung wie geplant über die Bühne geht. "Ich habe noch mal für zwei Jahre die Küche gestrichen - mehr tut man nicht mehr am Haus." In Neu-Otzenrath will sie einen Neubau beziehen. Die Konditionen, die Rheinbraun ihr geboten hat, findet sie "nicht schlecht".

Den ersten Spatenstich für den Wohnungsbau in Neu-Otzenrath wird es voraussichtlich im Herbst 2000 geben. 2001 könnte dann die Umsiedlung beginnen, schätzt Rudi Schmitz, Bürgermeister der Gemeinde Jüchen. Rheinbraun habe mittlerweile fast alle Grundstücke vergeben. Die Unterzeichnung der Kaufverträge sei nur noch Formsache. Und bald soll auch die Erschließung von Neu-Holz folgen, sagt der Bürgermeister. Siehe Politik

Quelle: Kölner Stadt Anzeiger 20/11/1999

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RWE droht mit Garzweiler-Ausstieg

Energie-Konzerne setzen Politiker unter Druck - Kartellamt stellt Bedingungen für Stromfusionen

Essen/Berlin - Im Polit-Poker um die geplanten Strom-Fusionen und den Atomausstieg hat die Energie-Wirtschaft jetzt einen überraschenden Trumpf aus dem Ärmel gezogen.

Der Chef des größten deutschen Energieversorgers RWE, Dietmar Kuhnt, drohte erstmals offen damit, die Milliarden-Investitionen für den Braunkohle-Tagebau Garzweiler auf Eis zu legen. Seine Begründung: Durch die Ökosteuerreform würden "massive Wettbewerbsnachteile" entstehen. "Um den steuerlichen Entlastungseffekt für die Gaskraftwerke ausgleichen zu können, müsste die Braunkohle ihre Gewinnungskosten noch mal um mehr als ein Viertel reduzieren", sagte der RWE-Chef am Donnerstag vor der Hauptversammlung in Essen. Jede Abmagerungskur habe jedoch Grenzen.

Zugleich kündigte Kuhnt im Streit um den Atomausstieg rechtliche Schritte an. Falls es zu einem Ausstiegsgesetz der Bundesregierung komme, das seinem Unternehmen schade, werde man sich mit allen rechtlichen Mitteln dagegen wehren. Dazu gehörten auch Schadenersatzklagen. Die Atomkonsensgespräche zwischen Energiewirtschaft und der rot-grünen Regierung befänden sich in einer kritischen Phase.

Quelle: Welt, Die 18.11.1999

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Große Sorge um Garzweiler II

RWE-Chef stellt Investition in Frage


Essen/Erftkreis. Die Konsequenz stand schon seit den ersten Diskussionen um die zweite Stufe der Öko-Steuerreform im Raum, jetzt hat RWE-Vorstandsvorsitzender Dietmar Kuhnt sie deutlich und öffentlich ausgesprochen: Der Tagebau Garzweiler II und das 20-Milliarden-Investitionsprogramm zur Erneuerung des Kraftwerksbestandes seien erheblich gefährdet, wenn der Bundesrat das umstrittene Gesetz nicht kippe, sagte Kuhnt gestern bei der Hauptversammlung des Konzerns in Essen.

Die Bergleute haben diese Gefahr schon in der vergangenen Woche gesehen und entsprechend mit einer Großdemo zum Erhalt ihrer Arbeitsplätze reagiert. Auf dieser Basis entdecken christdemokratische und sozialdemokratische Arbeitnehmer breite Gemeinsamkeit: Die Rheinbraun-Betriebsgruppen von CDA und AfA haben eine gemeinsame Erklärung zum Thema verfasst. Beide appellieren an CDU und SPD im Land, gemeinsam "Verantwortung für die Energieversorgung in der Bundesrepublik nach ökologischen, ökonomischen und arbeitsmarktpolitischen Aspekten zu übernehmen".

Noch einmal weisen die Arbeitnehmervertretungen darauf hin, dass beim Import von Gas in großem Stil entsprechend viele Arbeitsplätze ins Ausland exportiert würden, weil eine Menge Kapital transferiert werden müsste. Ein Braunkohlenkraftwerk mit optimierter Anlagentechnik (BoA) wie in Niederaußem erziele über seine Gesamtbetriebsdauer gerechnet eine Wertschöpfung von 25 Milliarden Mark. 70 Prozent dieser Summe würden bei der Umstellung auf Gaskraftwerke zur Deckung des Rohstoffpreises aufgewendet, also ins Ausland fließen.

Mit "großer Sorge" hat Landrat Werner Stump Kuhnts Rede in Essen gehört. Er habe Ministerpräsident Wolfgang Clement deshalb aufgefordert, "die Steuergesetzgebung in Berlin zu stoppen".

Quelle: Kölnische Rundschau 19/11/1999

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"Garzweiler fehlt die Grundlage"
RWE-Chef

Erftkreis/Essen - RWE-Vorstandsvorsitzender Dr. Dietmar Kuhnt hat den Tagebau Garzweiler II und das Kraftwerk-Erneuerungsprogramm bei der RWE-Hauptversammlung in Essen in Frage gestellt. Noch deutlicher wurde Kuhnt am Vorabend der Versammlung gegenüber den kommunalen Aktionären. Wenn Gaskraftwerke steuerlich bevorzugt würden, fehle für Garzweiler II und für das 20 Milliarden Mark teure Erneuerungsprogramm die Geschäftsgrundlage, zitierte Landrat Werner Stump den RWE-Chef. Kuhnt sprach von "massiven Wettbewerbsnachteilen" für die Braunkohle gegenüber dem Energieträger Gas in der Verstromung. Die Gewinnungskosten müssten noch einmal um mehr als ein Viertel gesenkt werden. Aber jede Abmagerungskur habe einmal ein Ende. Kuhnt hofft, dass sich der Bundestag über den Bundesrat noch einmal mit dem Gesetz beschäftigt. RWE stehe nach wie vor zu Garzweiler II.

Stump kritisierte gestern erneut die Funktionäre der Bergbaugewerkschaft (IGBCE). Er hoffe aber, "dass die Funktionäre der Gewerkschaft endlich kapieren, worum es in diesen Tagen geht". Die Demonstration der Bergleute am vergangenen Samstag sei von der "Artigkeit der Funktionäre" geprägt gewesen. Er sehe da eine Kluft zwischen den Gefühlen und Empfindungen der Bergleute und deren Gewerkschaftsvertretern. Stump weiter: "Hier muss wieder Geschlossenheit her."

Wilfried Eßer, stellvertretender Betriebsratsvorsitzender, "kann diese Kluft nicht sehen". Gewerkschaftssekretär Detlev Loosz habe während der gestrigen Betriebsversammlung "sehr viel Applaus von den Kollegen" bekommen. Dass die Demo in Köln ruhig und artig verlaufen sei, liege an der äußerst hohen Disziplin der Bergleute. "Wir versuchen, immer sachlich zu bleiben", so Esser. In der kommenden Woche wollen er und Loosz mit Stump sprechen.

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Klaus Lennartz meinte, es sei noch gar nicht sicher, ob die Begünstigung von Gas-Kraftwerken überhaupt im Einklang mit dem europäischen Recht stehe. "Würde die EU Nein sagen, dann geht das so gar nicht." Das Gesetz gelte bisher nur für Gas-Kraftwerke, die bis zum 31. März 2002 gebaut sein werden. Diese Kraftwerke seien dann für zehn Jahre von der Energiesteuer befreit. Alles, was nach dem 1. April 2002 gebaut werde, falle nicht mehr unter die Regelung.

Quelle: Kölner Stadt Anzeiger 19/11/1999

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Braunkohlentagebau Garzweiler II: Gestern Mittag Fernsehdiskussion in Immerath

Pro und Contra vor der Kirche

Immerath. Durch die Diskussion um die zweite Stufe der Ökosteuer ist der umstrittene Braunkohlentagebau Garzweiler II unversehens wieder in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gerückt. Gestern Mittag diskutierten in Immerath vor den Kameras des ZDF Gegner und Befürworter.

Keineswegs abgefunden

Dr. Gerd Hachen, einer der Sprecher der Vereinten Initiativen, nutzte die Gunst der Stunde, um NRW-Ministerpräsident Wolfgang Clement via Fernsehen darauf hinzuweisen, dass die betroffene Bevölkerung sich keineswegs mit ihrem Schicksal abgefunden habe, sondern nach wie vor den Tagebau vehement bekämpfe. Hachen am Schluss der 45-minütigen Live-Sendung im Rahmen der Reihe drehscheibe Deutschland zu Moderator Andreas Eck: "Ich gehe fest davon aus, dass wir hier wohnen bleiben können."

Etwa 100 Zuschauer

Etwa 100 Zuschauer wohnten der Sendung im Schatten der Pfarrkirche bei. Ihre aktualisierten Plakate sprachen eine deutliche Sprache: "Clement will Garzweiler II ohne Rücksicht auf Kosten" oder "Die Braunkohle ist nicht nicht mehr zu retten, rettet die Menschen jetzt!"

"Auslaufmodell"

Dass die Braunkohle, weil zu teuer, als Energiequelle auf Dauer nicht mehr zu retten ist, glaubt auch NRW-Umweltministerin Bärbel Höhn (Grüne). Die Braunkohle sei wie Regierungspräsident Antwerpes ein "Auslaufmodell". Bedenken gegen den unsinnigen Tagebau kämen seit der Liberalisierung des Energiemarktes zum ersten Mal aus der Energiewirtschaft. Die Umweltministerin ist sich sicher, dass sich RWE und Rheinbraun bereits vor anderthalb Jahren von Garzweiler II verabschiedet haben.

RP: "Garzweiler II kommt"

Gegen diese Behauptung wehrte sich vehement der Regierungspräsident, der von einer "gespenstischen Diskussion" sprach und dann prophezeite: "Garzweiler II kommt, daran ändert auch die Ökosteuer nichts." Die Zuhörer protestierten heftig, als der RP dann erklärte, man brauche den Tagebau wegen der Arbeitsplätze. Die Ministerin griff den Ball auf und forderte Investitionen in zukunftsträchtige Arbeitsplätze, also in Gaskraftwerke, Solarenergie und Kraft-Wärme-Kopplung. Unterstützung bekam die Politikerin von Dr. Peter Hennicke vom Wuppertal-Institut.

Quelle: Aachener Nachrichten 16.11.1999

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NRW-Ministerpräsident Clement plant Rettung von Garzweiler II

Kumpelprotest gegen Ökosteuer Schröder: »Macht euch keine Sorgen«.

Rund 8 000 Bergleute haben in Köln gegen die vom Bundestag beschlossene zweite Stufe der Ökosteuer protestiert. Sie fürchten, daß die vorgesehene Befreiung besonders wirksamer Gaskraftwerke von der Mineralölsteuer den Braunkohletagbau gefährdet. Bundeskanzler Gerhard Schröder versicherte den Kumpels am Sonnabend, daß Braun- und Steinkohle auch in Zukunft eine wesentliche Rolle für die Energieversorgung spielen sollen.

Die Bergleute machten vor einer Regionalkonferenz der SPD ihrem Unmut Luft. Die IG Bergbau, Chemie und Energie (BCE) fürchtet, daß die steuerliche Besserstellung hochwirksamer Erdgaskraftwerke dazu führen wird, daß das Unternehmen Rheinbraun den nach langem Streit innerhalb der Landesregierung genehmigten neuen Tagebau Garzweiler II fallenläßt und damit Arbeitsplätze in Gefahr sind.

Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Wolfgang Clement will nach einem Bericht des Focus in einem Krisengespräch mit den Spitzen des Energiekonzerns RWE in der kommenden Woche neue Rahmenbedingungen und Investitionssicherheit bei der Braunkohleförderung schaffen. Damit solle Garzweiler II gerettet werden.

Auch der designierte SPD-Generalsekretär und nordrhein-westfälische Landesvorsitzende Franz Müntefering bekannte sich zur weiteren Braunkohlenutzung. Der Tagebau und ebenso das von RWE in Frage gestellte Modernisierungsprogramm für die Kraftwerke seien durch den Ökosteuerbeschluß nicht gefährdet. Müntefering hatte sich zusammen mit Clement den protestierenden Bergleuten gestellt.

Schröder nannte die Sorgen der Bergleute berechtigt, versicherte aber, er werde dafür sorgen, daß sie verschwänden. Der Kanzler unterstrich, künftig auf Atomenergie zu verzichten. Wenn man den Ausstieg wolle, könne man im Bereich der Grundlast nicht auf Strom aus Stein- und Braunkohle verzichten. »Macht Euch keine Sorgen. Es bleibt beim Energiemix«, so Schröder.

Quelle: Junge Welt 14.11.1999

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"Jetzt brennt die Lunte"

Betriebsräte Mitarbeiter zum Protest bereit

Brühl Die Bergleute seien weder ratlos noch hätten sie resigniert, sagt Rheinbraun-Betriebsratschef Erwin Winkel. "Nein, nein", beteuert er. Es sei "ein Ruck durch die Belegschaft" gegangen. "Wir sind alle fest entschlossen, das Ruder noch herum zu werfen." Das letzte Wort zur steuerlichen Entlastung von Gas für hocheffiziente Kraftwerke - die Bergleute sehen darin eine herbe Benachteiligung für die heimische Braunkohle - sei noch nicht gesprochen. Sie wollen die ökologische Steuerreform zumindest in diesem Punkt geändert wissen - und setzen alle Hoffnungen auf den Bundesrat, der das Gesetz mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit in den Vermittlungsausschuss bugsieren könnte. Ihren Protest gegen diesen Teil der Steuerreform und ihre Furcht vor einem Verlust der Arbeitsplätze wollen die Bergleute aus dem Rheinischen Revier am kommenden Samstag vor der Deutzer Messe zum Ausdruck bringen. Bis zu 100 Busse mit 5000 Kumpels werden am Samstag am Deutzer Rheinufer erwartet - aus dem Raum Bergheim, Grevenbroich, Frechen, Hürth, Weisweiler und Düren. Erwin Winkel wird dabei kein Blatt vor den Mund nehmen und Bundeskanzler Gerhard Schröder, der sich in der Messehalle aufhalten und zu den Teilnehmern der SPD-Regionalkonferenz sprechen wird, auffordern, auch den Bergleuten Rede und Antwort zu stehen. Aus ihrem Munde soll der Kanzler dann erfahren, welche Konsequenzen die Steuerreform für die Braunköhler hat.

Nicht diskussionsfähig

Winkel zumindest geht davon aus, dass die meisten SPD-Fraktionsmitglieder im Bundestag keine Ahnung haben, was sie da beschlossen haben. "Wir verstehen aber nicht", so Winkel, "warum Länder wie Brandenburg oder Nordrhein-Westfalen der Bundes-SPD nicht klarmachen konnten, was das für Auswirkungen hat." Daher sei die Berliner Entscheidung für die Rheinbraun-Mitarbeiter auch "nicht diskussionsfähig". Winkel: "Sie verstehen das nicht." Dass der Konzern RWE und die Tochter Rheinbraun aus Garzweiler II aussteigen wollten, sei eine Verdrehung der Tatsachen, sagt der Betriebsrat. Und wenn Umweltministerin Bärbel Höhn behaupte, das Unternehmen habe keine wesentlichen Investitions-Entscheidungen für Garzweiler II getroffen, dann sei das "schlichtweg falsch". Seit Jahren investiere Rheinbraun. Ein großer Teil des Grundstück-Erwerbs sei abgeschlossen. "Rheinbraun hat viel Geld in die Hand genommen, die Umsiedlung der Menschen hat doch schon begonnen." Und wenn RWE in Knapsack tatsächlich ein Gas-Kraftwerk baue, dann sei auch das noch kein Beweis für einen geplanten Ausstieg aus der Kohle. Wenn RWE das Kraftwerk bauen wolle, bevor es andere tun, dann habe er dafür ein "gewisses Verständnis". Die Bergleute fahren am Samstag übrigens nicht allein nach Köln. Eine Abordnung der Kreis-FDP wird sie begleiten. Kreis-Vorsitzender Horst Engel: "Jetzt brennt im Revier die Lunte."

Quelle: Kölner Stadt Anzeiger 13/11/1999

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Angst der Kumpel um den Job wächst
Ökosteuer

Bergleute hoffen, dass die Landesregierung sich in Berlin für die Braunkohle einsetzt

Von Doris Richter

Erftkreis - "Hier herrschte den ganzen Tag Trubel. Das Telefon stand nicht still", sagt Helmut de Jong. Der Betriebsratsvorsitzende des Tagebaus Garzweiler war gemeinsam mit anderen Betriebsräten gestern ausschließlich damit beschäftigt, die Kumpel von Rheinbraun zu informieren und zu beruhigen. Die Belegschaft hat Wut im Bauch. Doch die Kumpel vertrauen und hoffen auf die Landesregierung. Sie soll in Berlin zugunsten des Braunkohle-Tagebaus etwas bewegen.

Die Öko-Steuerpläne der Bundesregierung sehen vor, die Abgaben für Gaskraftwerke mit einem Wirkungsgrad von mindestens 57,5 Prozent zu senken. "Die Wettbewerbsfähigkeit der Braunkohle wird dadurch erheblich beeinträchtigt. Uns werden ständig neue Fußfesseln angelegt", sagt Erwin Winkel, Vorsitzender des Rheinbraun-Gesamtbetriebsrates, nach einer Sitzung der Rheinbraun-Betriebsräte und Vertrauensleute im Tagebau Garzweiler. Bei dieser Zukunftsfrage gehe es um Investitionen in Milliardenhöhe. Winkel: "Wer Energie importiert, exportiert Wertschöpfung und Arbeitsplätze." Mehr als 11 000 Beschäftigte im Braunkohle-Tagebau wären betroffen.

Die Angst um den Job wächst. "Wer soll denn die Steuern noch bezahlen, wenn immer weniger Leute eine Arbeit haben?", fragt Helene Fries. Die 45-Jährige - seit 21 Jahren bei Rheinbraun - ist überzeugt, so könne die Rechnung der Regierung nicht aufgehen. Sie ist optimistisch, dass sich durch den Einfluss von Ministerpräsident Wolfgang Clement und Wirtschaftsminister Peer Steinbrück alles zum Guten wendet.

Das denken auch viele andere ihrer Kollegen. Doch fordern sie nun energisch, die SPD solle endlich ihr Wahlversprechen, Arbeitsplätze zu schaffen, wahr machen. "Im Moment bin ich stinksauer auf die Regierung. Besonders die Umweltministerin Bärbel Höhn gefährdet mit ihren Entscheidungen Arbeitsplätze", meint Siegfried Salchert, Schichtleiter in der Großgeräte-Abteilung, der fast 30 Jahre bei Rheinbraun arbeitet. Hinzu komme, dass die Belegschaft dem Unternehmen schon beim Sparen helfe. Helmut de Jong: "Die Kumpel verzichten seit zwei Jahren auf Lohnerhöhungen. Auch davon hat man irgendwann mal die Nase voll."

Die größte Wut der Belegschaft richte sich gegen die Grünen, berichtete Detlef Loosz, Bezirksleiter der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie und Energie (IGBCE), Rheinland. Von der Landesregierung sei man bisher nicht enttäuscht worden. Positiv werten die Grünen im Erftkreis die Steuerpläne der Berliner Koalition. "Die Entscheidung ist vor dem Anspruch nachhaltiger und innovativer Politik die einzig richtige", urteilt Grünen-Kreisvorsitzende Doris Lambertz. "Die Politik ist aufgefordert, bei der Wahl zwischen technologischen Anwendungen diejenige zu fördern, die nachhaltig ist und bei der die Möglichkeit irreversibler Schäden am geringsten ist." Mit der steuerlichen Besserstellung von Gaskraftwerken zeige die Rot-Grüne-Koalition, dass sie auch in der nationalen Energiepolitik über kein schlüssiges Konzept verfüge, argumentiert hingegen Horst Engel, FDP-Kreisvorsitzender. "Unserer Braunkohle soll das Lebenslicht ausgeblasen werden." Zudem, so Engel, werde man der subventionierten Importenergie schutzlos ausgeliefert und dem Revier drohe ein "Strukturbruch".

Der CDU-Landesvorsitzende Jürgen Rüttgers aus Pulheim wies gestern die Darstellung des Hürther Bundestagsabgeordneten Klaus Lennartz (SPD) vom Dienstag zurück, die CDU habe sich im Finanzausschuss des Bundestages bei der Abstimmung um die steuerliche Befreiung von Gaskraftwerken der Stimme enthalten. Tatsächlich habe die CDU dagegen gestimmt. Lennartz verbreite "die Unwahrheit". Der wiederum blieb gestern bei seiner Darstellung. Im Gegensatz zu Rüttgers sei er in der Sitzung dabei gewesen. Das Gesamtpaket zur Ökosteuer, so Lennartz, habe die CDU in der Tat abgelehnt, nicht aber einen Antrag zur steuerlichen Befreiung von Gaskraftwerken.

Dem widersprach nicht nur Rüttgers, sondern auch der finanzpolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Klaus Müller. Die CDU habe den besagten Antrag abgelehnt. So sei es auch im Protokoll der Sitzung vermerkt, sagte Müller dem "Kölner Stadt-Anzeiger". Konfrontiert mit dieser Aussage, formulierte Lennartz gestern Abend etwas vorsichtiger: "Nach meiner Erinnerung" habe die CDU sich enthalten. Im Übrigen gebe es noch gar kein Protokoll, lediglich den "Bericht der Berichterstatter, der noch nicht von den Fraktionen abgezeichnet ist". Deshalb habe er um ein Wortprotokoll gebeten, das Klarheit schaffen werde.

Quelle: Kölner Stadt Anzeiger 11/11/1999

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Vorteile für Gaskraftwerke kritisiert
Garzweiler II

Düsseldorf - Die Zukunft des Braunkohle-Tagebaus Garzweiler II sowie das damit verbundene 20-Milliarden-Erneuerungsprogramm für veraltete Kohlekraftwerke ist auf Grund der Ökosteuerpläne der Bundesregierung gefährdet. Der Energiekonzern RWE und die Rheinbraun AG haben in einem Brief an die Bundes- und NRW-Landesregierung den Ernst der Lage verdeutlicht, nachdem die rot-grüne Bundesregierung mit ihrem Gesetzentwurf zur zweiten Stufe der Öko-Steuer steuerliche Vergünstigungen für Gaskraftwerke einführen will. Wörtlich heißt es in dem Schreiben: "Wenn die Regelung jetzt so gesetzt wird, müssen wir unsere auf die Braunkohle bezogenen Planungen und insbesondere unsere Investitionsvorhaben auf den Prüfstand stellen." Der Vorstand von RWE und der Rheinbraun AG bat in diesem Zusammenhang NRW-Wirtschaftsminister Peer Steinbrück um ein Gespräch.

CDU-Fraktionsvorsitzender Laurenz Meyer bezeichnete den Brief als Alarmmeldung. In den Berliner Plänen sieht er einen "Todesstoß" für die Braunkohle. Mehrere zehntausend Arbeitsplätze seien in NRW durch den Gesetzentwurf gefährdet. Dieser sieht vor, dass Gaskraftwerke dann steuerlich begünstigt werden, wenn sie 57,5 Prozent des eingesetzten Gases in Strom umwandeln können. Zwar gebe es derzeit keine derart leistungsfähigen Kraftwerke, die Industrie sei aber in der Lage, solche zu bauen, sagte Meyer. Dann seien Braun- und Steinkohleindustrie aufgrund der einseitigen Steuervorteile in NRW nicht mehr konkurrenzfähig.

Auch Wirtschaftsminister Peer Steinbrück (SPD) wertet den Brief als Alarmsignal. "Wir werden keinen Weg mitgehen, der negative Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit der Braunkohle hat", betonte er. Die Landesregierung sei mit den Unternehmensvorständen und der Gewerkschaft im Gespräch.

Steinbrück setzt darauf, dass eine strenge Messtechnik zur Feststellung des Wirkungsgrads vorgeschrieben wird, "die der Braunkohle nutzt". Der Minister geht offenbar davon aus, dass bei einem extensiven Messverfahren Gaskraftwerke die geforderten Werte nicht erreichen können und dann auch nicht steuerlich befreit werden. Notfalls will sich Düsseldorf im Bundesrat gegen die Ökosteuer-Pläne wehren. Steinbrück hofft hier auf die Unterstützung der ostdeutschen Kohleländer.

NRW-Umweltministerin Bärbel Höhn (Grüne) unterstützt hingegen die Berliner Steuerpläne. Die künftige technische Entwicklung spreche für Gaskraftwerke. Garzweiler II sei wirtschaftlich nicht mehr zu realisieren. Rheinbraun suche einen Sündenbock, weil sich das Unternehmen aus der geplanten Investition verabschieden wolle. Im Übrigen wundere sie sich über Steinbrück, der die Braunkohle bevorzugen wolle: "Der Wirtschaftsminister müsste doch eigentlich für freie Marktwirtschaft sein."

Quelle: Kölner Stadt-Anzeiger 10.11.1999

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RWE sieht durch Ökosteuer Gefahr für Braunkohle

Steuer wird wahrscheinlich Karlsruhe beschäftigen

kin DÜSSELDORF. Die RWE Energie AG hat eine Prüfung der Unternehmensplanungen und Investitionsvorhaben im Braunkohlebereich in Aussicht gestellt, wenn die zweite Stufe der Ökosteuerreform heute in der vorgesehenen Form verabschiedet wird. Unmittelbar vor der Abstimmung ist ungewiss, wie sich die Bedenken aus Nordrhein-Westfalen gegen die steuerliche Bevorzugung hoch wirksamer Gaskraftwerke auf das Gesetzesprojekt auswirken werden. In NRW werden Wettbewerbsnachteile für die Braunkohle und ein Aus für den umstrittenen Tagebau Garzweiler II befürchtet. Ein Gespräch zwischen NRW-Ministerpräsident Wolfgang Clement (SPD) und RWE wird dazu innerhalb der nächsten zwei Wochen stattfinden.

Der Finanzexperte und stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion, Joachim Poß, sagte dem Handelsblatt, bei den Ökosteuerverhandlungen zwischen SPD und Grünen seien die Interessen der Braunkohle beachtet worden. Der Umweltpolitiker und SPD-Fraktionsvize Michael Müller sagte, "ein Teil der Schwierigkeiten, denen wir heute ausgesetzt sind, liegt auch darin, dass wir immer wieder nachbessern." Bei den Grünen hieß es, wegen möglicher SPD-Abweichler sei man vor der heutigen Abstimmung in Sorge. Es herrsche "große Unruhe". Die CDU hat namentliche Abstimmung über die Ökosteuer beantragt.

Die Ökosteuerreform wird mit großer Wahrscheinlichkeit das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe beschäftigen. Nach einem Gutachten der Bonner Rechtswissenschaftler Matthias Herdegen und Wolfgang Schön verstößt die Mineralölsteuererhöhung unter anderem gegen Grundsätze des Finanzverfassungsrechts.

Quelle: Handelsblatt 10.11.1999

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Stoppt Rheinbraun Garzweiler II ?

Drohung wegen zweiter Stufe der Öko-Steuer

Köln (an-o). Das Braunkohleunternehmen Rheinbraun hat wegen der zweiten Stufe der Ökosteuer indirekt mit dem Stopp des umstrittenen Braunkohletagebaus Garzweiler II gedroht.

Planungen überprüfen

Rheinbraun erklärte am Dienstag in Köln, würden der Braunkohle tatsächlich "solche Sonderlasten" gegenüber der "Import-Energie Erdgas" auferlegt, müssten die Unternehmen "ihre unternehmerische Planung und ihre Investitionsvorhaben im Bereich Braunkohle auf den Prüfstand stellen"

Wirtschaftlich sinnvoll?

Es müsse "ermittelt werden, ob diese Investitionen auch unter den geänderten Rahmenbedingungen wirtschaftlich sinnvoll sind". Grünen-Landesvorstandssprecher Reiner Priggen (Aachen) warnte davor, den Drohungen der "Kohle-Ayatollahs" nachzugeben.

Berlin muss nacharbeiten

Wirtschaftsminister Peer Steinbrück (SPD) sagte hingegen, das Land werde "keiner Regelung die Hand reichen, die die Wettbewerbsfähigkeit der Braunkohle verschlechtert". Die Bundesregierung in Berlin müsse "nacharbeiten".


Quelle: Aachener Nachrichten 10.11.1999

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Clement tobt und taktiert

Garzweiler II: NRW-SPD auf Konfrontationskurs

Düsseldorf. Eigentlich hatten sie die schweren Waffen bereits im Koalitions-Keller verstaut, die Munitionskiste fest verschlossen. Seit fast zwei Jahren herrschte zwischen Rot und Grün in Düsseldorf weitgehend Frieden. Der entpuppt sich jetzt als trügerisch.

Alte Fronten

Der Streit über die von der Bundesregierung beabsichtigte zweite Stufe der Ökosteuer-Gesetzgebung lässt alte Fronten wieder aufbrechen. Als ob es nie eine Zeit der politischen Ruhe zwischen SPD und Grünen gegeben habe, prügeln die beiden Partner zur Zeit mehr noch hinter den Kulissen aufeinander ein.

Schiefer Haussegen

Doch diesmal ist im Unterschied zu den Fehden der heißen Garzweiler-Diskussionen das Netz der Beteiligten wesentlich größer. Vor allem zwischen Düsseldorf und Berlin hängt der Haussegen schief.

Worum geht es? Bei einer innerhalb der zweiten Ökosteuerstufe vorgesehenen steuerlichen Freistellung von Gaskraftwerken mit hohem Wirkungsgrad würden Braun-, aber auch Steinkohle unter Druck geraten.

Einen Eckwert von 57,5 Prozent vorausgesetzt, der von SPD und Grünen in Vermittlungsgesprächen im Bundestag als Mindest-Wirkungsgrad für steuerliche Vorteile festgelegt wurde, könnten Gaskraftwerke die Kilowattstunde Strom um 0,7 Pfennig günstiger produzieren als die Braunkohle, deren Wirkungsgrad nur bei etwa 40 Prozent liegt.

Kochende Details

Was im Bundestag lediglich eine Detailvereinbarung darstellt, bringt in NRW den Kessel zum Kochen. Prompt machte die RWE-Stromlobby Druck, drohte damit, das Kraftwerk-Modernisierungsprogramm auf Eis zu legen.

Tobender Clement

Und die Politik? Regierungschef Wolfgang Clement (SPD) tobte, als er von dem rot-grünen Kompromiss auf Bundesebene erfuhr. Nach einem seiner bekannten Wutanfälle hatte er seine Umweltministerin als Urheberin des Übels ausgemacht. Tatsächlich verfügt Bärbel Höhn (Grüne) über ausgezeichnete Kontakte nach Berlin.

Über den Tisch gezogen?

"Die Berliner Genossen haben sich von den Ökos über den Tisch ziehen lassen", erklären Regierungsmitarbeiter ganz unverhohlen. Offenbar habe man in der SPD-Bundestagsfraktion die Brisanz der Lage für NRW überhaupt nicht erkannt.

Erfolglose Mission

Während sich das Klima zwischen Rot und Grün in Düsseldorf den Minusgraden nähert, sagte Clement gestern ein Gespräch mit Kraftwerksbetreibern kurzerhand ab und jettete nach Berlin, um der NRW-Landesgruppe den Ernst der Lage vor Augen zu führen und die SPD-Fraktion zum Umdenken zu bewegen.

Ohne Erfolg. Bei einer internen Abstimmung über die Ökosteuer gab es lediglich einige wenige Gegenstimmen.

Clement gibt nicht auf

Doch Clement gibt auch nach diesem Korb nicht auf. Nächstes Ziel ist die Verhinderung des Gesetzes im Bundesrat. Allerdings wird sich NRW bei unterschiedlicher Auffassung von SPD und Grünen der Stimme enthalten müssen. So steht es im Koalitionsvertrag.

Gesetzeswerk kippen

Völlig neue Fronten entstehen - Clement und die NRW-SPD steuern auf Kollisionskurs zu Schröders Bundesregierung. Zusammen mit Brandenburgs Manfred Stolpe (SPD) wollte Clement schon am Mittwoch bei der Tagung der Ministerpräsidenten in Bremen eine Linie festlegen, um das Gesetzeswerk doch noch zu kippen.

Delikates Problem

Derweil bastelt NRW-Wirtschaftsminister Peer Steinbrück (SPD) an einem delikaten Problem. Die technische Aufgabenstellung: Wie lassen sich 57,5 Prozent Wirkungsgrad in solch verschärfter Form messen, dass die Steuererleichterungen Utopie und Braunkohlekraftwerke konkurrenzfähig bleiben?

Neuer Streit in Düsseldorf ist programmiert, Expertenstreit ebenfalls. Garzweiler II ist wieder ein Thema.

Quelle: Aachener Nachrichten 10.11.1999

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Aussichtspunkt bringt Tagebau "näher"

Garzweiler II wirft seine Schatten voraus

Jackerath (ks). Der Tagebau Garzweiler II wirft seine Schatten voraus. Auch wenn der Bandsammelpunkt erst zum Jahre 2006 fertig ist, können Interessierte schon jetzt ein Blick auf dei Vorbereitungen werfen. In Jackerath steht dafür ein neuer Aussichtspunkt zur Verfügung.

Kenner - Vertreter von Rheinbraun, der Gemeinde Titz und der Landwirtschaft - wussten, was sich hinter der Hinweistafel in der Ortslage Jackerath befand.

Im dichten Nebel

Ortsfremde hörten allenfalls die Geräusche von Bagger und Absetzer, als am Donnerstag bei dichtem Nebel der erste Aussichtspunkt kurz hinter der Ortschaft Jackerath seiner Nutzung übergeben wurde. "Damit muss man rechnen, wenn man dies im Herbst macht", erklärte Betriebsdirektor Helmut Beißner, der den Tagebau-Aussichtspunkt vorstellte.

Blick in das "Loch"

Von einer Schutzhütte aus - über zehn Jahre lang wird die der Natur angepasste Plattform zur Verfügung stehen - wirft der Besucher einen Blick exakt auf die Fläche, die später einmal als Drehpunkt für Garzweiler II dient.

Dann werden dort insgesamt sechs Schaufelradbagger und fünf Absetzer ihre Arbeit verrichten, wobei Tagesleistungen von 240.000 Tonnen Abraum erzielt werden.

Verstärkt Kontakt suchen

"Wir greifen massiv in Landschaft und Natur, aber auch in die Lebensbedingungen der hier lebenden Menschen ein. Darum suchen wir verstärkt den Kontakt", so Beißner, der hofft, dass zahlreiche Besucher, aber auch die Bevölkerung der umliegenden Ortschaften den neuen Aussichtspunkt nutzen.

Dieser ist in rund zweimonatiger Planungs-und Bauphase errichtet worden. Man erreicht ihn über ein kurzes Stück Wirtschaftsweg, das direkt hinter der Autobahnbrücke der 61 abzweigt.

Quelle: Aachener Nachrichten 4.11.1999

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"Arbeit auf niedrigem Niveau"

Braunkohlenausschuss kritisiert Gutachten zur Sozialverträglichkeit von Umsiedlungen

Frechen. "Das ist eine Leistung, die ich intellektuell nicht akzeptieren kann. Das Niveau dieser Arbeit liegt auf der Sohle des Tagebaus Hambach. Außerdem trägt sie lyrische Züge, die in einem Gutachten nichts zu suchen haben." - Regierungspräsident Franz-Josef Antwerpes nutzte seinen letzten Auftritt im Braunkohlenausschuss (BKA) in bewährter Manier. Sein Verriss für ein vom Landesumweltministerium in Auftrag gegebenes Gutachten fand neben allgemeiner Heiterkeit breite Unterstützung.

Schmerzlicher Prozess für die Betroffenen

"Entwurf des Zwischenberichtes des Gutachtens zur Evakuierung von Umsiedlungen im Rheinischen Braunkohlenrevier im Hinblick auf ihre Sozialverträglichkeit" heißt das Werk und stammt aus der Feder des Soziologen und Stadtplaners Peter Zlonicky und seiner Mitarbeiter. Das 180 Seiten starke Manuskript, das eigentlich Entscheidungs- und Handlungshilfen für künftige Umsiedlungen geben soll, kommt letztlich zu dem Schluss, dass die Verlagerung von Orten ein schmerzlicher Prozess sei, der über viele Jahre die Lebensqualität der Betroffenen reduziere.

Das bestreitet im Braunkohlenausschuss ernsthaft niemand, das ist im Gegenteil Gemeinwissen, das eines Gutachtens nicht bedarf. Neu ist der Vorschlag, einen "neutralen Dritten", einen Mediator, einzuführen, der zwischen den Parteien vermittelt. Das Gutachten fordert zudem ein "soziales Monitoring", also eine Art Erfolgskontrolle für die Umsetzung von Umsiedlungsplänen. Ferner soll laut Zlonicky ein Umsiedlungsbeauftragter als Anwalt der Betroffenen wirken.

Als solcher fühlt sich in großen Teilen der Braunkohlenausschuss, und seine Mitglieder sowie die Mitarbeiter seiner Geschäftsstelle bei der Bezirksregierung verstehen absolut keinen Spaß, wenn nur im Geringsten ihre demokratische Legitimation in Frage gestellt wird. Schroffe Ablehnung erfährt auch, wer sich dem Verdacht aussetzt, er wolle die alte Diskussion, ob eine Umsiedlung überhaupt sozialverträglich sein kann, wieder aufleben lassen.

Unter diesem Verdacht steht Umweltministerin Bärbel Höhn bei Antwerpes immer: "Da sieht man doch die Janusköpfe auftauchen." Und für den BKA-Vorsitzenden Heinrich Karbig sind Gutachter, die keinen einzigen positiven Aspekt in einer Umsiedlung finden, nicht würdig, zur Auseinandersetzung in den Ausschuss eingeladen zu werden.

Als überflüssig zurückgewiesen

Die geharnischte Kritik hatten BKA-Vertreter nämlich schon im September bei einem Gespräch in Düsseldorf vorgetragen. Zlonicky hatte dabei auf die Vorläufigkeit des Entwurfs verwiesen und seine Bereitschaft zum persönlichen Erscheinen signalisiert. Eingeladen wurde er nicht. "Der Herr hat sich bei mir nicht gemeldet", so Karbig.

So vermutete der Grüne Horst Lambertz aus Hürth, der BKA ereifere sich aus einem Gefühl des Beleidigtseins. Es gefalle vielen nicht, dass der Ausschuss nicht beteiligt worden sei an der Auftragsvergabe. Außerdem wolle die Mehrheit des Gremiums wohl nicht, dass seine vor vielen Jahren verabschiedeten Pläne noch einmal auf den Prüfstand kämen.

Letztlich beschloss der BKA mit großer Mehrheit, das Gutachten mit Verweis auf den umfassenden Braunkohlenplan als überflüssig zurückzuweisen. Für eine Überprüfung der Umsiedlungsplanungen Otzenrath, Spenrath und Holz sehe der BKA keinen Anlass. Joachim Diehl von der Bezirksregierung kündigte die Einleitung dieser Umsiedlungsverfahren für das kommende Jahr an.

In seiner bisherigen Zusammensetzung tagte der BKA gestern zum letzten Mal. Das Gremium muss sich gemäß der neuen Mehrheiten nach der Kommunalwahl in seiner nächsten Sitzung neu konstituieren.

Quelle: Kölnische Rundschau 29/10/1999

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Gutachten in der Luft zerrissen
Braunkohlenausschuss
Zlonicky-Expertise zur Umsiedlung im Gebiet Garzweiler II fand keine Gnade

Frechen/Erftkreis - "Überflüssig, tendenziös, voller falscher Daten und Fakten", urteilten Heinrich Karbig, Vorsitzender des Braunkohlenausschusses (BKA) und einige Vertreter des Gremiums über ein weiteres Gutachten zur Sozialverträglichkeit der Umsiedlung im Gebiet des geplanten Tagebaus Garzweiler II. Dass die Geschäftsstelle des BKA beim Kölner Regierungspräsidenten nichts von dem Gutachten des Städteplaners Professor Peter Zlonicky hält, hatte deren Leiter, Joachim Diehl, bereits in einem Brief an das Düsseldorfer Umweltministerium deutlich gemacht. Dort war der Auftrag erteilt worden - offenbar ohne Wissen des BKA.

Und das rief gestern den Zorn des Kölner Regierungspräsidenten Franz-Josef Antwerpes hervor. Seine Angriffe richteten sich aber mehr gegen die Auftraggeberin, Umweltministerin Bärbel Höhn, als gegen das Gutachten. Zlonicky werde von Höhn als "Trojanisches Pferd" missbraucht. Antwerpes sah in seiner letzten Ausschusssitzung (er geht in den Ruhestand) "überall die Janusköpfe" - gemeint waren Kräfte, die nun trotz der erteilten Tagebau-Genehmigung noch gegen das Projekt Garzweiler II zu Felde ziehen. Das Gutachten - genauer: Entwurf eines Zwischenberichts zu einer Expertise, die erst im November fertig wird - wischte Antwerpes mit gewohnt kräftigen Tönen vom Tisch: Das Papier habe das Niveau "der Sohle von Hambach erreicht", so Antwerpes. Der gesamte Vorgang sei "unerhört".

Besonderen Unmut erregte der Vorschlag des Professors, den Prozess stärker zu demokratisieren. Zlonicky hatte ein Monitoring (etwa: ständige Überwachung) der Umsiedlung vorgeschlagen. Ähnliches geschieht zur Überwachung des Grundwasserpegels im Naturschutzgebiet Schwalm-Nette. Darüber hinaus hatte Zlonicky angeregt, einen neutralen Vermittler einzusetzen, der - unabhängig von Rheinbraun, dem Braunkohlenausschuss, der Planungsbehörden und Gemeinden - die Interessen der Umsiedler vertreten soll. Eine solche "Persönlichkeit (sei) in diesem Verfahren glatt entbehrlich", heißt es in der Stellungnahme der BKA-Geschäftsstelle. Der Wunsch nach einem Vermittler unterstelle, dass der Ausschuss und die Gemeinden "Gegenspieler der Umsiedler" seien. Und das sei "indiskutabel".

Vertreter der Grünen, darunter der Hürther Horst Lambertz, sahen durchweg positive Aspekte im vorgelegten Bericht. Es sei doch begrüßenswert, wenn der Braunkohlenausschuss "Hilfestellung an die Hand" bekäme, meinte er. Das erste Gutachten sei schließlich Jahre alt und sollte durchaus einer Bewertung unterzogen werden. Der Mönchengladbacher Reiner Brandts kritisierte, dass Zlonicky nicht zur Sitzung eingeladen worden sei.

In seiner Entscheidung bemängelte der BKA, dass Ministerin Höhn Inhalt und Auftrag des Gutachtens nicht mit dem Ausschuss abgestimmt habe. Das Gremium schloss sich der niederschmetternden Stellungnahme der Geschäftsstelle an und ließ Düsseldorf wissen, dass für weitere Gutachten "kein Anlass" bestehe.

Quelle: Kölner Stadt Anzeiger 29/10/’99

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Tagebau schockiert afrikanische Gäste

Folgen der Umweltzerstörung sind bereits sichtbar

Holzweiler (sk). Vier Herren und eine Dame aus afrikanischen Ländern sind für zwei Wochen Gäste der Heinrich-Böll-Stiftung und informieren sich besonders zum Thema Politikformen der Ökologiebewegung in Deutschland. Zwei Tage waren sie auch Gäste der Rheinischen Bürgeraktion gegen Braunkohletagebaue und der Erkelenzer Grünen.

"Internationale Kriminalität"

Doctor Mthethwa aus Johannesburg, Südafrika, konstatierte in einem Pressegespräch in Holzweiler kurz nach Rückkehr aus dem Braunkohleabbaugebiet und den vom Projekt Garzweiler II bedrohten Dörfern: "Unsere Umweltschäden werden erst in der Zukunft bemerkbar. Hier kann man die Folgen jetzt schon sehen und mit nach Hause nehmen. Das erscheint mir als internationale Kriminalität."

Keine Naturvielfalt

Und Fred Zinanga aus Harare, Simbabwe ergänzte: "Wir haben mitbekommen, dass schnellwachsende Bäume gepflanzt wurden und später Seen kommen sollen. Das hat nichts mehr mit Naturvielfalt zu tun."

Künftige Zusammenarbeit

Auch Teclemariam Berhane vom Ministerium für Land, Wasser und Umwelt in Asmara, Eritrea, erklärte: "Wir haben hier gesehen, wie die Umwelt zerstört wird." Adele Arendse aus Kapstadt, Südafrika, deren Arbeitsbereich in einer Umweltschutzorganisation die Bekämpfung der Ausdehnung von Bodendegradierungen ist, will Informationen für eine künftige Zusammenarbeit mit ihrer Regierung mitnehmen.

Bedeutsame Arbeit

Reiner Priggen, Sprecher des Landesverbandes der Grünen in NRW, der die Besucher am Nachmittag des ersten Tages zusammen mit Beate Schirrmeister-Heinen begrüßte, wies darauf hin, dass die Bildungsarbeit von parteinahen Stiftungen wie der Heinrich-Böll-Stiftung bedeutsam sei.

So weilte bereits im Jahr 1998 ein Gruppe in der Bundesrepublik und nahm wertvolle Informationen mit nach Hause.

Die afrikanischen Besucher kamen aus Lüchow-Dannenberg, wo sie zwei Tage lang alternativen Energien und auch Widerstandsformen studiert hatten. Nach einem Gespräch mit Rheinbraun beendeten sie ihren Aufenthalt im Kreis Heinsberg.

Quelle: Aachener Nachrichten 22.9.1999

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Schwenkt Kirche um?

Garzweiler II

KDA lobt Rheinbraun-Rekultivierung

nk Erftkreis - Die Evangelische Kirche im Rheinland korrigiert offenbar ihre Haltung zum geplanten Tagebau Garzweiler II. Darauf lassen Äußerungen des Rheinhausener Pfarrer Dieter Kelp schließen. Der Vorsitzende der Konferenz des Kirchlichen Dienstes in der Arbeitswelt (KDA) sagte nach einem Besuch im Tagebau Garzweiler: Die Ökologie habe zwar immer noch einen hohen Stellenwert, die Arbeitsplatz-Situation in Deutschland sei aber "kritisch". Und das falle inzwischen bei der Evangelischen Kirche stärker ins Gewicht.

Zusammen mit Superintendent Jürgen Eberl, zahlreichen Rheinbraun-Betriebsräten, darunter Gesamtbetriebsratsvorsitzender Erwin Winkel und die Leitung des Tagebaus, hatten etwa 35 Mitglieder des KDA Gelegenheit, den Betrieb aus nächster Nähe zu besichtigen. Danach lobte Kelp das Engagement des Unternehmens bei der Rekultivierung. "Rheinbraun holt nicht nur etwas weg, sondern bringt auch etwas zurück." Das müsse man anerkennen. Rheinbraun bemühe sich auch bei der Gestaltung ausgekohlter Flächen um einen Konsens mit den Betroffenen und den Gemeinden.

Kritik übte der KDA an den Verhandlungen mit den Umsiedlern, insbesondere mit denen, "die kein Eigentum haben", also die Mieter. In diesen Fällen hält Kelp stärkere Unterstützung für notwendig. Wünschenswert wäre, dass sich Rheinbraun stärker um den Strukturwandel in der Region bemühe. Die evangelische Kirche habe dazu eine Reihe von Vorschlägen gemacht. Das Unternehmen aber habe in der Region eine starke Position und folglich kein Interesse daran, den Wandel voranzutreiben.

Ob der Tagebau Garzweiler in voller Größe aufgeschlossen wird, ist für den Kirchenmann zumindest fraglich. Für Rheinbraun sei das Risiko gewachsen, denn die Rückholbarkeit des Projekts - etwa bei Schäden an der Natur im Schwalm-Nette-Gebiet - sei garantiert. Aber auch durch den Preisverfall auf dem Strom-Markt sei das Unternehmen unter Druck geraten. Die Entscheidung über Garzweiler II würde allein durch die Berechnungen zur Wirtschaftlichkeit bei Rheinbraun selbst fallen.

Quelle: Kölner Stadt Anzeiger 21/09/1999

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Der Tagebau hat bereits begonnen

Bürgermeister-Kandidaten zu Garzweiler II

Erkelenz. Wesentliche Unterschiede gab es nicht bei der Frage "Wie halten Sie es mit dem Tagebau Garzweiler II" in den Statements der Bürgermeisterbewerber Ullrich Feller (CDU) und Gerd Mai (Grüne) sowie dem Ratsvertreter Matthias Münster (FDP). In der Ablehnung des Tagebaues waren sie sich einig.

Die drei Politiker standen auf Einladung der Bürgerinitiative "Stop Rheinbraun" etwa 50 interessierten Bürgerinnen und Bürgern im Kuckumer Pfarrheim Rede und Antwort. Der SPD-Kandidat Erwin Mathissen sah sich, so Vorsitzender Hans-Josef Dederichs in seiner Begrüßung, zur Teilnahme außerstande.

Matthias Münster war sich sicher, daß der Abbau hinausgezögert oder sogar verhindert werden kann, wenn die Stadt Erkelenz alle ihre Rechte wahrnimmt.

Erster Spatenstich

Ullrich Feller bekräftigte, daß Rat und Verwaltung von Erkelenz den Tagebau Garzweiler II nach wie vor ablehnen. Fakt sei aber, dass er bereits mit dem ersten Spatenstich am Umsiedlungsstandort für Otzenrath, Spenrath und Holz begonnen, das Stadtgebiet nur noch nicht erreicht habe, die Stadt sich aber vorbereiten müsse.

Gerd Mai beantwortete die selbst gestellte Frage, ob weiterer Widerstand noch sinnvoll ist, eindeutig: "Er muss weitergehen, weil er bis jetzt schon erfolgreich war. Es ist viel Sand in die Getriebe der Bagger gestreut und deshalb Zeit gewonnen worden." Durch die Strategie der Zeitverzögerung werde den Betroffenen aber einiges zugemutet. "Das ist nicht zu verhindern. Wir müssen es ihnen aber deutlich machen und erklären."

Die Diskussionsteilnehmer glaubten an eine gute Chance, den weiteren Tagebau verhindern zu können, da durch die Veränderungen auf dem Energiemarkt an die 70.000 Megawatt Überkapazität zu erwarten sind. Mai sah in der Tatsache, daß in der Nachbarschaft ein Gaskraftwerk gebaut wird, das erste Zeichen einer solchen Veränderung

Lebhafte Diskussion

In der anschließenden lebhaften Diskussion wollte ein Versammlungsteilnehmer wissen, was in der Zwischenzeit getan werde, um die Attraktivität der bedrohten Dörfer zu erhöhen. und schnitt auch mögliche Veränderungen bei den Bezirksausschüssen der Stadt an. Alle drei Befragten waren sich einig, dass mehr als Pflichtübungen getan werden müssen und die Bezirksausschüsse sinnvolle Bindeglieder sind. Ullrich Feller konnte sich sogar vorstellen, dass sie künftig nicht nur beratend tätig sind, sondern eigenverantwortlich handeln können. Dazu müssten aber Kompetenzen des Rates an sie abgegeben werden.

Nachrichten-Redakteur Lothar Fischer hatte bei so viel Übereinstimmung keine Mühe mit der Gesprächsleitung.

Quelle: Aachener Nachrichten 18.8.1999

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Natur ist keine Regentonne

Befürworter und Gegner von Garzweiler II diskutierten

Die Grenze zwischen Faszination und Angst ist fließend. Das zu unterstreichen, reichen ein paar nackte Zahlen: 210 Meter tief wird sich der Braunkohletagebau Garzweiler II östlich von Erkelenz in die Erde fressen. 8000 Menschen müssen umgesiedelt werden, damit das Energie-Unternehmen Rheinbraun jährlich rund 100 Millionen Tonnen Braunkohle fördern kann. Bis zu 150 Millionen Kubikmeter Grundwasser muss Rheinbraun pro Jahr abpumpen, wenn die riesigen Bagger 2030 "trockenen Fußes" den tiefsten Punkt erreichen sollen. Die Stadt Mönchengaldbach mit sämtlichen Industriebetrieben verbraucht jährlich "nur" 25 Millionen Kubikmeter Wasser.

Ist ein Projekt von solch gewaltiger Dimension beherrschbar? Eine Frage, die jetzt auch die evangelische Kirchengemeinde Lobberich-Hinsbeck noch einmal nachdrücklich stellte. Denn es ist ein wenig still geworden um Garzweiler II, seit NRW- Umweltministerin Bärbel Höhn im Herbst vergangenen Jahres die wasserrechtliche Genehmigung für den Braunkohletagebau erteilt hat. Helmut Trumpff, Wasserbauexperte bei Rheinbraun, und Werner Ulrich vom Erwachsenenbildungswerk des Kirchenkreises Mönchengladbach diskutierten mit Mitgliedern der Kirchengemeinde über Nutzen und Risiko des gigantischen Vorhabens. Trumpff ist von der Machbarkeit des Projekts überzeugt. Die vom Kreis Viersen befürchteten negativen Auswirkungen auf die wertvollen Feuchtgebiete von Schwalm, Nette und Niers sieht er nicht. Ein weit verzweigtes Rohrleitungssystem soll Sickerschlitze und Sümpfungsbrunnen mit Wasser versorgen, um den Grundwasserstand hier auf ursprünglichem Nieveau zu halten. Kurz: Das Wasser wird unten abgepumpt und oben wieder nachgefüllt. 43 Millionen Kubikmeter hat Rheinbraun allein 1998 über 38 Sickerschlitze und 96 Sümpfungsbrunnen eingeleitet. Das geht so bis zum Jahr 2045, wenn der Tagebau ausgekohlt ist und mit Rheinwasser zu einem riesigen See aufgefüllt wird. Bis 2100 werde dieser See den Grundwasserstand wieder auf Vor-Tagebau-Niveau gebracht haben, erklärt Trumpff ohne eine Spur von Unsicherheit. Die formulierte dafür Ulrich: "Dürfen wir Planungen machen, die über unsere eigene Zukunft hinausgehen? Dürfen wir auf die Zukunft kommender Generationen Anleihen nehmen?", fragte der Kirchenvertreter. Abgesehen von solchen ethischen Probleme sei der ökologische Erfolg der Sümpfungen nicht vorhersehbar. "Die Natur ist keine Regentonne, die man beliebig auffüllen kann", so Ulrich. Dass im Boschbeektal in der Gemeinde Niederkrüchten bereits Auswirkungen von Garzweiler I, nicht II, beobachtet werden, scheint diese Befürchtung zu bestätigen. Doch Trumpff beunruhigt das nicht. Gerade erst sei das Rohrleitungssystem in Richtung Niederkrüchten verlängert worden, um hier zu infiltrieren.

Quelle: Rheinische Post 17.8.1999

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55 Millionen Kubikmeter Ausgleichswasser Als Folge der Sümpfungen durch Rheinbraun notwendig

KREIS HEINSBERG (RP). Als Folge der Sümpfungen ist das Unternehmen Rheinbraun nach einem Konzept des Ministeriums für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft (MURL) zu Ausgleichsmaßnahmen verpflichtet. Dezernent Wolfgang Dieder von der Kreisverwaltung erläuterte dem Ausschuss für Landschaftsplanung und Umweltschutz, dass sich die Ausgleichswassermengen nach dem MURL-Konzept in drei Kategorien unterscheiden.

In die erste Kategorie fallen Grundmengen zur Schonung der Reservoire von Wasserwerken. Der Kreis Heinsberg ist mit den Wasserwerken Uevekoven und Beeck betroffen. Die zweite Ausgleichsmaßnahme geht zu Gunsten von Feuchtgebieten mit bereits eingetretenen oder drohenden ökologischen Schädigungen. Im Kreisgebiet gibt es vier Gebiete dieser Art: die Schwalmaue, der Nüsterbach mit den Unterabschnitten Klingelbach sowie Scherresbruch, die Golkrather Bachaue mit der Renaturierung im Kleingladbacher Siel (Millicher Bach) und Doverener Bach. Rund 17 Millionen Kubikmeter sind als Zusatzwassermengen vorgesehen. Darüber hinaus besteht eine Option auf zusätzliche Wasserlieferungen, wenn die Auswertung von Beobachtungen unerwünschte Charakteränderungen der Feuchtgebiete nicht nur vorübergehender Art erkennen lassen. Als dritte Kategorie gelten Feuchtgebiete, die unter Beobachtung gestellt werden und bei denen ökologische Schäden durch Grundwasser-Absenkung in Zukunft nicht auszuschließen sind. Im Kreisgebiet liegen vier solcher Gebiete: Helpensteiner Bach und Rothenbachtal bei Dalheim, Schaagbachtal, Birgelener Bach bei Wassenberg (östlich der Bahnlinie) und Mühlenbach / Floßbachtal (westlich von Gerderath). Auch bei diesen Gebieten ist es möglich, nachträglich Maßnahmen zum Schutz anzuordnen, wenn sich dies als erforderlich erweist.

Ersatz an drei Stellen In oberirdische Gewässer wird Ersatzwasser unmittelbar an drei Stellen in die Schwalm und den Mühlenbach eingespeist. Insgesamt machen die Ersatzwassermengen für alle drei Kategorien, die von Rheinbraun als Ausgleich von Sümpfungsmaßnahmen zu leisten, sind rund 55 Millionen Kubikmeter pro Jahr aus.

Quelle: Rheinische Post 12.8.1999

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Verwaltungsgericht Aachen weist Klage der Stadt Erkelenz ab

Erkelenz/Aachen. Die Feststellungsklage der Stadt Erkelenz gegen das Land Nordrhein-Westfalen wegen der Braunkohlenplanung Garzweiler II ist gescheitert. Nach der mündlichen Verhandlung entschied die 3. Kammer des Verwaltungsgerichts Aachen am Mittwoch, daß die Feststellungsklage der Stadt ebenso unzulässig ist wie die des Kreises.

Nach Auffassung des Gerichts hat die Stadt kein berechtigtes Interesse auf alsbaldige Feststellung, ob die Braunkohlenplanung ihre kommunalen Interessen verletzt oder nicht. Es sei ausreichend, wenn im Rahmen eines anderen Klageverfahrens die Rechtmäßigkeit des Braunkohlenplanes geprüft werde, da die Stadt derzeit in ihrer Planungshoheit nicht beeinträchtigt werde.

«Eine Anpassungspflicht, die planerischen Ziele des Braunkohlen-Planes umzusetzen, besteht für die nächsten Jahre für die Stadt Erkelenz nicht», meinte der Vorsitzende Richter Storch unter Hinweis auf entsprechende Aussagen von Rheinbraun und der Bezirksregierung. Keine Bedeutung spielt in diesem Zusammenhang die Zeitplanung des Braunkohlenplanes, wonach bis Ende dieses Jahres Rheinbraun einen Antrag zu Umsiedlungsstandorten vorlegen muß.

Stadtdirektor Ullrich Feller hatte in der Verhandlung darauf hingewiesen, daß die Stadt bei der Neuerstellung ihres Flächennutzungsplanes von den Rheinbraun-Plänen in ihren Entwicklungsmöglichkeiten beeinträchtigt würde.

Dieser Auffassung widersprach das Gericht. Den Zielen der Landesplanung folgend, könne die Stadt selbstständig planen. Etwas anders könne nur gelten, falls es zu einer «Konfliktplanung» komme. Dann bestehe die gerichtliche Möglichkeit, die Rechtmäßigkeit des Braunkohlenplanes zu überprüfen.

Die Stadt hat nach Ansicht des Gerichts andere Rechtsmittel als die nachgeordnete Feststellungsklage. Der Stadt stehe nämlich die Möglichkeit offen, ihre Begehren in dem Verfahren auf Zulassung des Rahmenbetriebsplanes für Garzweiler II geltend zu machen. Das Bergamt Düren hat diesen Rahmenbetriebsplan erlassen. Über die Widersprüche, auch der Stadt Erkelenz, gegen den Rahmenbetriebsplan, wird voraussichtlich gegen Jahresende entschieden. Sollten die Widersprüche erfolglos bleiben, stehe der Stadt der Klageweg offen, in dem sie ihre Bedenken gegen die Gültigkeit des Braunkohlenplanes geltend machen könnte.

Das Gericht machte sich damit auch die Argumente des Umweltministeriums zu eigen. In den nächsten fünf Jahren müsse niemand umsiedeln, hatte das Ministerium erklärt. Insofern fehle es an einer Unmittelbarkeit.

Enttäuschend, aber nicht unerwartet war das Urteil für die Stadt Erkelenz. Nachdem im Vorfeld das Gericht Nachfragen gestellt und eine mündliche Verhandlung mit Entscheidungstermin angekündigt hatte, war damit zu rechnen, daß die Feststellungsklage schon an der Zulässigkeit scheitern und es nicht zu einer rechtlichen Überprüfung des Braunkohlenplanes Garzweiler II kommen würde.

Der nächste Schritt in diesem Verfahren wäre ein Antrag auf Zulassung einer Berufung vor dem Oberverwaltungsgericht. Ob die Stadt diesen Weg beschreitet, muß der Rat entscheiden, nachdem die schriftliche Urteilsbegründung vorliegt und bewertet wurde.

Quelle: Aachener-Zeitung 16.6.1999

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Lärmschutzwände an der Autobahn A 61

Wenn der Tagebau Garzweiler II kommt

ERKELENZ (RP). Vor dem im Zusammenhang mit dem geplanten Tagebau Garzweiler II vorgesehenen Ausbau der A 61 auf sechs Fahrstreifen zwischen den Autobahnkreuzen Wanlo und Jackerath werden in Höhe der Orte Keyenberg, Borschemich, Immerath und Pesch Lärmschutzwände errichtet, so der Leiter des Rheinischen Straßenbauamtes Mönchengladbach, Gernot Hawlitzeck, in der jüngsten Sitzung des Braunkohlen-Unterausschusses Nord.

Der Ausbau der Af 61 würde durch den Aufschluß von Garzweiler II notwendig, weil dann die A 44 abgebaggert wird. Sowohl westlich als auch östlich der A 61 ist geplant, auf zwei bis drei Kilometern Länge in Höhe der Ortslagen Keyenberg, Borschemich, Pesch und Immerath Lärmschutzwände mit einer Höhe von drei bis sieben Meter zu errichten. Bei dem vorliegenden Ausbau der A 61 wurde zunächst lediglich ein lärmmindernder Belag zugrunde gelegt.

Die Stadt Erkelenz hatte bereits im Vorfeld des Planfeststellungsverfahrens mit Nachdruck Lärmschutzwände im Interesse der betroffenen Bevölkerung gefordert. Wie Stadtdirektor Ullrich Feller gestern mitteilte, wird diese Anregung nunmehr aufgegriffen: Die Lärmschutzwände sollen bereits vor dem eigentlichen Umbau der Autobahn, der ab 2003 erfolgen soll, aufgestellt werden.

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Wie lange hält ein Provisorium?

Garzweiler II: Ausbau der Autobahn 61

fun Grevenbroich. "Provisorien halten am längsten", sagt der Volksmund. Und angesichts der Planungen rund um das RWE-Kraftwerkserneuerungsprogramm und Tagebau Garzweiler II fürchtet im Unterausschuß Nord des Braunkohlenausschusses inzwischen so mancher Politiker, daß der für ein Jahrzehnt geplante sechsspurige Ausbau der Autobahn 61 eine Übergangslösung von Dauer sein könnte.

Das Gremium beschäftigte sich gestern in Grevenbroich mit dem Thema. Das Rheinische Straßenbauamt Mönchengladbach und die Rheinbraun AG stellten nochmals die Planung vor. Im Jahr 2006 wird der Tagebau die A 44 Aachen-Düsseldorf durchbrechen. Dann muß die A 61 den zusätzlichen Verkehr zwischen den Kreuzen Jackerath und Wanlo aufnehmen können. Dazu soll sie auf der bestehenden Trasse sechsspurig ausgebaut werden, ohne daß weitere Einschnitte in die Landschaft notwendig sind.

Erreicht werden soll dies durch die Nutzung des derzeit großzügigen Mittelstreifens - er wird durch eine schmale Betonmauer ersetzt - und durch geringfügig von der Norm abweichende Fahrspuren. Das Autobahnkreuz Wanlo wird um eine "halbdirekte Umfahrung" für den reibungslosen Verkehr Richtung Süden ausgebaut. Die Kosten für Straßenbau und den dazugehörigen Lärmschutz, die recht ungenau mit "mehreren Millionen je Kilometer" angegeben werden, trägt Rheinbraun.

Das Planfeststellungsverfahren ist noch nicht eröffnet. Wenn aber 2005 die neue Autobahn freigegeben werden soll, muß spätesten 2003 Baubeginn sein. Die Zeit wird knapp.

Die Politiker fürchten aber auch um die Zeit nach der Fertigstellung: Wenn man davon ausgehe, daß durch die modernen BoA-Kraftwerke die Kohlenförderung in Garzweiler verringert werde, dann müsse das Provisorium vielleicht länger halten als bis 2017. Zu diesem Zeitpunkt sollte - legt man die üblichen Fördermengen zugrunde - die A 61 dem Tagebau Garzweiler II weichen.

Quelle: kölnische Rundschau 09/06/1999

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Eine Landschaft vom Reißbrett

Braunkohlenunterausschuß bereiste die Rekultivierungsflächen des Tagebau Garzweiler

Garzweiler. Vogelgezwitscher, blauer Himmel, Sonnenschein. Der steinige Pfad windet sich an Teichen voller Schilfrohr durch das schmale Tal. Ab und an wird der Weg von breiten Furchen unterbrochen, die an ausgetrocknete Wasserläufe erinnern. Der Spaziergänger quert sie am besten im Sprung von einem wohl plazierten Stein zum nächsten. Die Landschaft erinnert hier, einen Steinwurf entfernt von der ehemaligen Bundesstraße 1 westlich von Grevenbroich, mit ihren niedrigen Bäumen an eine Gebirgslandschaft kurz unterhalb der Baumgrenze.

Einen rund 300 Meter weiten Spaziergang durch das junge Elsbachtal schlugen am Montag mittag Mitglieder des Unterausschusses Tagebau Garzweiler im Braunkohlenausschuß ein. Tagebaudirektor Helmut Beißner hatte zur Besichtigungsfahrt durch das Rekultivierungsgelände des Tagebau Garzweiler eingeladen, um von der "besonderen Mühe, die Rheinbraun auf die Rekultivierung verwendet" zu überzeugen.

Erst 1993 wurde mit der Rekultivierung des alten Elsbachtales im nördlichen Flügel des Tagebaues Garzweiler begonnen. Zahlreiche Landschaftsarchitekten und Gärtner verwirklichten hier in detaillierter Kleinarbeit eine Landschaft vom Reißbrett. Ein Paradestück für Neuwald. "Der Jungwald ist kein Altwald, das ist klar", sagte Norbert Möhlenbruch vom Rheinbraun-Forstamt, dennoch gebe es bereits nach zehn Jahren komplette Ökosysteme, wie das Beispiel Sophienhöhe zeige.

Aber die Kommunen seien zurückhaltend was die Neubildung von Wäldern angehe. Das nicht zuletzt wegen fehlender Erträge in den ersten 30 Jahren, so Möhlenbruch. Anders bei den landwirtschaftlichen Flächen.

Schon sieben Jahre nach dem Auftrag von wenigstens zwei Metern Lößboden könne der Landwirt trotz dünner Humusschicht überdurchschnittlich viel ernten. Das liege am nährstoffreichen und wasserspeichernden Lößboden. Da würde nur "erste Sahne" für Felder genutzt.

Nicht nur Zuckerrüben würden auf dem Lößboden wachsen. Zur Demonstration hielt der Geländebus an geeigneter Stelle. Ein Obsthain mit verschiedenen Apfelsorten und Walnüssen an auf der einen Seite, auf der anderen Seite ist es Wein. Selbst das Aroma der Kartoffel würde vom Lößboden profitieren, so der Forstdirektor.

Mehr als zwei Stunden lang führte die Fahrt in zwei Bussen vom Informationzentrum durch den Tagebau Garzweiler zur Abraumkante. Absetzer, die frischen Löß aufschütteten, weiträumige Weizenfelder, neben Lupinen und Luzernen, die ersten Schritte hin zur Urbarmachung, waren Stationen der Reise. Vorbei ging es auch an Hundsrose, Holunder oder Heckenkirsche, Elsbeere, Linden, Eichen oder Hainbuchen.

Quelle: Kölnische Rundschau 01/06/1999

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Rheinbraun sagt 70 Millionen zu

Vereinbarung für Umsiedlungsgebiete unterzeichnet

JÜCHEN (RP). Die Rheinbraun AG wird bis zu 70 Millionen Mark für Entschädigungen von Umsiedlern und die Erschließung von Neu-Otzenrath, Neu-Spenrath und Neu-Holz ausgeben. Das sieht ein Rahmenvertrag vor, den Vertreter des Tagbau-Betreibers und der Gemeinde gestern im Jüchener Rathaus unterschrieben.

Weiterer Schritt zu Garzweiler II

"Das ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu Garzweiler II", sagte Dr. Christian Lögters, für Umsiedlungen verantwortlicher Direktor bei Rheinbraun. Für Rheinbraun sei nun die "Phase des Debattierens zu Ende". Bereits im August soll der erste Spatenstich für Kanalisation, Straßen und Stromversorgung im Neubaugebiet nördlich von Hochneukirch getan werden. Rheinbraun tritt hier in Vorleistung für das Land, das den Neubau der Siedlungen mit Städtebaufördermitteln unterstützen wird. Diese stehen allerdings noch nicht bereit. Wenige Monate nach dem Baubeginn bei der Infrastruktur können schon die ersten Häuser gebaut werden. Bis 2004 soll die Umsiedlung der rund 2400 Einwohner abgeschlossen sein. Natürlich könne es keine "völlige Zufriedenheit" bei den Betroffenen geben, betonte Lögters. Rheinbraun wolle jedoch durch "angemessene und faire Entschädigungen" dazu beitragen, die Vermögensentwicklung der Umsiedler zu sichern.

Jüchens Gemeindedirektor Heinz Spelthahn sprach von einem "wichtigen und guten Tag für die Bürger der Umsiedlungsstandorte". Der Rahmenvertrag sei "Grundlage dafür, daß das Leben am neuen Ort in gutem Standard wiederhergestellt wird." Spelthahn begrüßte, daß Rheinbraun sich ausdrücklich zur Jüchen-Erklärung vom Mai 1995 bekennt: Darin verpflichtet sich der Tagbau- Betreiber, es den Umsiedlern ermöglichen, im neuen Siedlungsgebiet gleich große Häuser zu bauen, wie in den aufgegebenen Dörfern, ohne sich verschulden zu müssen. Auch für die Gemeinde laufen die Umsiedlungen kostenneutral ab.

"Bürger am Ende zufrieden"

"Ich denke, die Bürger sind am Ende doch zufrieden, wie wir mit dem Problem der Umsiedlung umgangen sind", erklärte Jüchens Bürgermeister Rudi Schmitz. Der hohe Prozentsatz an Umsiedlungswilligen unter den Betroffenen sei ein deutliches Signal, daß die Dorfgemeinschaften trotz der Belastungen durch den Umzug erhalten bleibe.

Quelle: Rheinische Post 6.5.1999

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