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Pressearchiv 1999 Hambach, Autobahn 4

 

 

 

 

 

 

 

 


Der Kampf ums eigene Rathaus

Gebietsreform
Kreis Köln musste 1975 kräftig Federn lassen - Bergheimer waren besser dran

Vor 25 Jahren wurden über Nacht 110 000 Einwohner des damaligen Kreises Köln Neu-Kölner. Seit 1969 hatte das Land Nordrhein-Westfalen in insgesamt acht Regionen neue Gemeinden, Städte und Kreise geschaffen. Damit sollten die Leistungsfähigkeit kommunaler Gebilde gestärkt und neue Entwicklungsmöglichkeiten geschaffen werden. Am 1. Januar 1975 trat das so genannte "Köln-Gesetz" in Kraft. Es ordnete auch in den linksrheinischen Kreisen Bergheim und Köln Zuständigkeiten und Zugehörigkeiten. Beide Kreise, abzüglich der nach Köln eingemeindeten Gebiete, gingen in den neuen Erftkreis über. Sitz wurde Bergheim, obwohl erst am 30. September '74 ein neues Kreishaus in Hürth eingeweiht worden war. Der "Kölner Stadt-Anzeiger" beginnt heute mit einer Serie über die Gebietsreform und ihre Folgen.

Erftkreis - Jubel und Triumphgefühle auf der einen, ohnmächtige Wut und tiefe Niedergeschlagenheit auf der anderen Seite: Als am Freitag, 27. September 1974 der Landtag in Düsseldorf das Köln-Gesetz in dritter Lesung verabschiedet hatte, waren aus einstmals 27 selbstständigen Kommunen im Altkreis Bergheim und zehn im bereits 1815 gegründeten Kreis Köln nur noch neun übrig geblieben. Vor 25 Jahren, am 1. Januar 1975, wurden 110 000 Einwohner aus dem früheren Kreisgebiet Neu-Kölner. Das Bergheimer Gebiet blieb - abgesehen vom Verlust der Selbstständigkeit vieler kleiner Gemeinden - fast unangetastet.

Der Kreis Köln musste allerdings erhebliche Federn lassen: Die Gemeinden Rodenkirchen, die Stadt Wesseling, die Gemeinde Lövenich (außer Königsdorf) und die Gemeinde Sinnersdorf (außer dem Ort Sinnersdorf) wurden ebenso wie der Ort Widdersdorf (Brauweiler), Marsdorf (Frechen) und einzelne Bauernhöfe längs der Autobahn nach Köln eingemeindet.

Allerdings bekam der neue Erftkreis auch "Nachwuchs". Die Stadt Erftstadt, die bei der vorausgegangenen Gebietsreform im Aachener Raum erst 1969 aus mehreren Gemeinden, unter anderem Liblar und Lechenich, gegründet worden war und dem Kreis Euskirchen angehörte, wurde dem Erftkreis angegliedert.

CDU-Politiker Bernhard Worms - er gehörte dem aus zehn Landtagsabgeordneten bestehenden Ausschuss an, der die Neugliederungsgesetze vorbereitet hatte - bezeichnete die Gebietsreform als "wichtigste landes- und kommunalpolitische Revolution dieses Jahrhunderts". Er selbst hatte bei den Rundreisen zusammen mit Franz-Josef Antwerpes (SPD) und Herbert Neu (FDP) ungezählte Argumente, Bitten, Beschimpfungen und Beschwerden anhören müssen.

Die Gebietsreform hatte sich schon in den sechziger Jahren abgezeichnet, als Gemeinden auf freiwilliger Basis fusionieren konnten. Bevor dann aber das Jahr 1974 nahte, wurden Modelle entwickelt, wie man mit Nachbarn gemeinsam der drohenden Eingemeindung nach Köln entgehen könne. Das betraf vor allem den Kreis Köln, der ja wesentlich näher an Köln lag. Nicht nur Wesseling, auch die Nachbargemeinde Rodenkirchen wollte nicht "geschluckt" werden. Deshalb dachten die Rodenkirchener über eine Ehe mit Wesseling nach und waren sogar bereit, Brühl in diese Großgemeinde mit einzubeziehen.

Hürth fürchtete vor allem um Efferen. Das Gebiet des heutigen Container-Bahnhofs hatte die Stadt schon fast abgeschrieben, ebenso das Studentenwohnheim. In beiden Fällen waren die Befürchtung unbegründet: Der Landtag beließ Efferen bei Hürth.

Der Kreis wird 25

Am verworrensten war die Situation im Norden des damaligen Kreises Köln. Dort gab es bis 1975 die Gemeinden Sinnersdorf, Pulheim, Stommeln, Brauweiler und Lövenich.

Die Gemeinde Lövenich mit ihren Orten Junkersdorf, Weiden, Lövenich und Königsdorf war schon immer wesentlich städtischer geprägt als die Nachbarkommunen. In den sechziger Jahren hatte es schon freiwillige Tauschaktionen gegeben. So bekam Köln das Stadiongelände in Müngersdorf von Lövenich. Früh erkannte der Gemeinderat, in dem übrigens auch der heutige Erftkreis-Landrat Werner Stump saß, dass Lövenich keine Chance hatte, selbstständig zu bleiben.

Deshalb versuchte die Gemeinde, durch einen Gebietsänderungsvertrag mit der Stadt Köln noch vor dem Tag der Eingemeindung sich möglichst viele Investitionen (wie das Sportzentrum) vertraglich zusichern zu lassen. Diese Taktik ging auf.

Königsdorf lag weiter weg von Weiden, deshalb entging der Ort der Eingemeindung nach Köln und wurde Frechen zugeschlagen, das außerdem noch Grefrath und Habbelrath aus dem Kreis Bergheim und Neufreimersdorf aus der ehemaligen Gemeinde Brauweiler kassierte.

Die übrigen vier Nordgemeinden wurden zur Großgemeinde Pulheim vereint. Doch lediglich Stommeln, das noch in letzter Minute einen Anschluss nach Köln in Erwägung gezogen hatte, wurde komplett in die neue Gemeinde Pulheim geführt. Brauweiler musste Widdersdorf an Köln abtreten. Sinnersdorf verlor Esch, Pesch und Auweiler nach Köln, und auch Pulheim schrumpfte um einige Hektar Land, ein kleiner Streifen mit Wohnhäusern, Firmenhallen und Bauernhöfen ging an Köln.

Aus 26 Kommunen im Kreis Bergheim waren über Nacht drei Städte und eine Gemeinde geworden. Elsdorf wurde einzige ländliche Gemeinde und mit Angelsdorf, Esch, Heppendorf, Oberembt und Niederembt vereint.

Der Stadt Bedburg gehörten nun auch Königshoven, Kaster, Pütz und Lipp an.

Sieben auf einen Streich waren es in Bergheim, das Glesch, Hüchelhoven, Niederaußem, Oberaußem-Fortuna, Paffendorf und Quadrath-Ichendorf aufnahm. Hier gab es bis zum Schluss Diskussionen über die Zugehörigkeit von Glessen, Fliesteden und Büsdorf zur neuen Kommune. Vor allem Glessen und Fliesteden, so die Meinung vieler Landespolitiker vor 25 Jahren, wären ebenso wie übrigens auch die Gemeinde Rommerskirchen (Kreis Grevenbroich, heute Neuss) besser bei Pulheim aufgehoben gewesen.

Am kompliziertesten verlief die Neugliederung im Gebiet der heutigen Stadt Kerpen, das mit Sindorf, Horrem, Mödrath, Blatzheim, Buir, Manheim und Türnich einige sehr selbstbewusste Gemeinden in sich vereinte.

Vor allem die Buirer wollten partout ihre Selbstständigkeit nicht aufgeben. Zunächst wollten sie mit einigen Orten aus dem Kreis Düren eine neue Gemeinde bilden. Notfalls wären sie sogar bereit gewesen, in den Nachbarkreis zu wechseln. Doch dieser Vorschlag fand bei den Verfassungsrichtern keine Gnade. In einem zweiten Prozess ging es um den Plan, zusammen mit Blatzheim eine ländliche Gemeinde des Typs A zu bilden. 1977 ordneten die Verfassungsrichter das Verbleiben von Buir bei Kerpen an. Die neue Gemeinde hätte, so das Gericht, keine Entwicklungschance mehr gehabt.

Anders dagegen Wesseling: Die Stadt klagte mit Erfolg gegen die Eingemeindung nach Köln und kam offiziell am 1. Juli 1976 zum Erftkreis hinzu.

Quelle: Kölner Stadt Anzeiger 31/12/1999

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Die größte Baustelle im Lande

Braunkohle im Wettbewerb

Gewerbegebiete wachsen - Leere Läden in der City

Erftkreis - Aufruhr im Braunkohle-Land: 8000 Bergleute, davon viele aus dem Erftkreis, protestierten Mitte November in Köln gegen das Vorhaben der Regierung, neue Gaskraftwerke mit einem Wirkungsgrad von mehr als 57,5 Prozent von der Ökosteuer freizustellen. Die Kumpels sahen die Wettbewerbsfähigkeit der Braunkohle gefährdet, der RWE-Konzern stellte den Aufschluss von Garzweiler II in Frage.

Doch bald darauf wurde aus Berlin und Düsseldorf Entwarnung gegeben: Nur moderne Gaskraftwerke, die bis Ende März 2003 ans Netz gehen, sollen für zehn Jahre von der Steuer befreit sein. Die Frist könnte allerdings für den britischen Stromversorger PowerGen gerade noch reichen, um in Knapsack ein solches Gaskraftwerk zu errichten - vielleicht baut RWE dort aber auch selbst ein (kleineres) Gas- und Dampfturbinen-Kraftwerk.

Auf Kohle setzen die Essener jedenfalls nicht mehr in Knapsack: Das unrentable Goldenberg-Kraftwerk wird - wie in diesem Jahr verkündet - spätestens 2003 keinen Strom mehr produzieren.

Unterdessen gehen die Arbeiten auf der größten Baustelle Nordrhein-Westfalens weiter: In Niederaußem errichtet RWE für mehr als zwei Milliarden Mark ein Großkraftwerk der BoA-Technologie. Der Rohbau steht inzwischen.

Umzug nach Berlin

Im Zeichen der Liberalisierung des Strommarktes und sinkender Energiepreise setzen RWE und Rheinbraun weiter auf Umstrukturierung, Rationalisierung und Stellenabbau. Die vielzitierte Globalisierung führte dazu, dass in Kerpen mit der Fusion der Autokonzerne Daimler-Benz und Chrysler die dortige Deutschland-Zentrale aufgelöst wird und nach Berlin umzieht.

Nur ein Teil der 160 Mitarbeiter will an die Spree wechseln. Den anderen hat der Konzern Ersatzarbeitsplätze in Mercedes-Niederlassungen der Region oder Abfindungen angeboten. Über leere Läden in den Citys haben im Jahr 1999 nicht wenige Städte des Kreises gestöhnt. In Frechen machte das Kaufhaus Storg dicht, während im Gewerbegebiet die Zeichen weiter auf Expansion stehen.

Dort errichtete die Möbelhaus-Kette Porta für 120 Millionen Mark einen Neubau, der im März eingeweiht wurde. Auch in Bedburg und Elsdorf füllen sich die neuen Gewerbegebiete. Für das ehemalige Panzerwerk in Quadrath-Ichendorf fand sich nach jahrelangem Hin und Her ein Investor, der die Immobilie vermarktet.

Das Phantasialand in Brühl scheiterte mit seinem Vorhaben, eine neue Attraktion in einer bis zu 27 Meter hohen Halle zu bauen, am Einspruch der Stadt. Grünes Licht gab es hingegen für die Errichtung eines "Themen-Hotels", das zugleich Tagungsstätte sein soll. Das Phantasialand erhob gemeinsam mit anderen Freizeitparks Klage gegen das ZDF. Der gebührenfinanzierte Sender wolle ihnen unzulässigerweise mit einer Vergnügungsstätte in Mainz Konkurrenz machen, lautete der Vorwurf.

Quelle: Kölner Stadt Anzeiger 30/12/’99

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"Die Treppe wird von oben nach unten gekehrt"

Zum Jahresende geht Franz-Josef Dostall, Direktor des Knapsacker RWE-Goldenbergwerkes, in den Ruhestand - Sein Credo:

Hürth. Der Mann ist vielseitig: Wann immer Franz-Josef Dostall während seiner 60-Stunden-Arbeitswoche dazu kommt, besucht er mit seiner Gattin klassische Konzerte, sammelt Antiquitäten, liest, widmet sich seinen beiden Enkelkindern und kümmert sich um sein Haus in Essen. Dazu wird er bald schon mehr Zeit haben. Denn der Direktor des RWE-Goldenbergwerkes in Knapsack scheidet zum Jahresende aus dem Konzern aus und geht in den Ruhestand.

Der Grund dafür ist die Zusammenlegung der bisher fünf selbstständigen Kraftwerke in der Region zu den drei Einheiten Weisweiler, Frimmersdorf/Neurath und Niederaußem/Knapsack. "Alle bisherigen fünf Direktoren gehen zum 1. Januar in Pension und ich denke, dass wir angesichts der Tatsache, dass bei uns viele Mitarbeiter mit 55 Jahren in den Ruhestand geschickt werden, mit gutem Beispiel vorangehen müssen", sagt Dostall. Sicher, menschlich tue es ihm schon leid, er habe ein ganz hervorragendes Umfeld im "Go-Werk" und in der Stadt Hürth gehabt, aber nach 40 Jahren Arbeit sei er ehrlich gesagt froh, künftig einen eigenbestimmten Kalender zu besitzen, schmunzelt der 62-Jährige.

Als junger, frischgebackener Betriebswirt fing Dostall 1958 beim RWE-Kraftwerk Weisweiler an, ehe er 1968 in die technische Abteilung der RWE-Hauptverwaltung nach Essen wechselte und dort für die kostenmäßige Abwicklung der Kraftwerksprojekte verantwortlich war. Anfang der 90-er Jahre kam der in Eschweiler geborene Rheinländer schließlich als kaufmännischer Leiter ins Goldenbergwerk, dessen Direktor er seit 1997 ist.

Während seiner langen Dienstzeit beim RWE hat Dostall immer neue Herausforderungen gesucht und angenommen: Gerne erinnert er sich an das Jahr 1992 zurück, als er neben seiner Tätigkeit in Knapsack die Geschäftsführung der "Sko-Energo", eines Joint-Ventures zwischen dem RWE und den Skoda-Autowerken in Tschechien übernahm und jede Woche mehrere Tage in der Nähe von Prag tätig war - dreieinhalb Jahre lang. "Das war eine völlig neue Erfahrung, mit Leuten umzugehen, deren Auffassung durch die Jahre des Sozialismus geprägt war", sagt Dostall.

Überhaupt hat dem ausgeglichenen Manager die Nähe zu seinen Mitarbeitern immer besonders am Herzen gelegen. Bei seinen Gängen durch die Werksanlage begegne er häufig Menschen, die bereits in der dritten Generation im "Go-Werk" arbeiten und angesichts der großen Umschichtungen im Konzern nun immer öfter Angst um ihren Arbeitsplatz haben, berichtet Dostall. "Das macht mich betroffen und ich kann nur hoffen, dass in Zukunft die soziale Komponente bei allen Maßnahmen die auf Mitarbeiter gerichtet sind, einen hohen Stellenwert hat", erklärt der stets freundliche Direktor, der sich selbst nicht als Oberbuchhalter oder Besserwisser sieht, sondern als einer, der gerne die Verantwortung für das gesamte Werk übernommen hat. "Die Treppe wird von oben nach unten gekehrt" lautet nicht umsonst sein Credo, mit dem er, wie er sagt, immer gut gefahren ist.

Um den Standort Knapsack macht Dostall sich keine Sorgen. "Wir sind in der Region immer ein verlässlicher Partner gewesen und schon wegen der Tradition werden wir das Südrevier nicht aufgeben", sagt er. Die Fahne im Goldenbergwerk werde hochgehalten, denn nicht umsonst werde das Servicecenter für den gesamten Braunkohlestandort in Hürth eingerichtet. "Und was die mögliche Errichtung eines Gastkraftwerkes durch Power Gen betrifft, sage ich nur, dass wir die Konkurrenz hier nicht hinkommen lassen", sagt Dostall bestimmt. Wenn es sich rechne, werde auch das RWE über den Bau eines Gaskraftwerkes nachdenken. Zurzeit bestehe betriebswirtschaftlich aber keine Notwendigkeit. Und was die Liberalisierung des Strommarktes betreffe, werde der Kostendruck dazu führen, dass noch mehr rationalisiert und eingespart werden müsse, und es wohl noch enger zu Zusammenschlüssen zwischen Braunkohle und Kraftwerken komme. "Letztlich wird das RWE aber mit einigen wenigen Großen den Markt beherrschen", zeigt sich Dostall sicher.

Und was wünscht er dem RWE für die Zukunft? "Weniger Hochglanzbroschüren, weniger Erklärungsbeurkundungen, aber eine soziale innere Einstellung", sagt der scheidende Direx, der die weitere Entwicklung von einem ganz anderen Platz aus beobachten wird. Denn ab dem Sommersemester 2000 will Dostall noch einmal die Schulbank drücken und sich an der Universität Essen oder Bochum für politische Wissenschaften und Geschichten einschreiben. Damit geht für ihn ein Lebenstraum in Erfüllung. "Denn wenn ich als junger Mann eine Chance gesehen hätte, Pädagoge zu werden, wäre ich niemals in den Industriedienst gegangen", so der künftige Student.

Quelle: Kölnische Rundschau 23/12/1999

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Neuer Vorschlag für den S-Bahn-Haltepunkt Sindorf: freies Feld
SPD steht nicht mehr hinter Winds Plänen


fun Kerpen. Die SPD-Fraktion der Stadt Kerpen sucht in Sachen S-Bahn-Haltepunkt Sindorf den kleinsten gemeinsamen Nenner mit der CDU. Das neue Zentrum Sindorfs, wie es Ex-Stadtdirektor Ferdi Wind bereits mit einem Investor komplett geplant hatte, wird ad acta gelegt. Statt dessen sollen die Weichen gestellt werden für einen Städtewettbewerb, der als Vorgabe lediglich die Notwendigkeit einer Busschleife zu akzeptieren hat.

Der Sindorfer Ortsverein unter Vorsitz von Monika Kirchner hat den neuen Plan entworfen. Mit Stadtvertreter Helmut Schauwinhold kommt der Sachverstand eines Bauingenieurs dazu, der zwar wenig von Städtebau, aber eine Menge von Straßenbau versteht. Folgerichtig hat Schauwinhold für den heutigen Sportplatz, das Schützenheim und das Hallenbad eine knapp 1,5 Hektar große freie Fläche eingezeichnet und eine Schleife für den Bus gemalt.

Diese Bus-Vorfahrt zum S-Bahn-Haltepunkt soll über die Hermann-Löns-Straße führen und - provisorisch - den Sportplatz aussparen. "Das kann auf Dauer nicht so bleiben, würde aber den Druck vom VfL Sindorf nehmen", sagt SPD-Fraktionschef Manfred Steinberg. Die Straße muss bis 2002 fertig sein. Bis dahin wird der neue Sportplatz voraussichtlich nicht bespielbar sein. Später dann soll die Busschleife in einem verkehrstechnisch günstigeren Winkel einen Teil des Sportplatzgeländes in Anspruch nehmen.

Anders als bei Winds Plänen müsse die Stadt allerdings erhebliche Vorleistungen erbringen, sagt Steinberg. Sie müsse die Grundstücke kaufen und erschließen, müsse den Wettbewerb ins Leben rufen und schließlich darauf hoffen, dass sich im Laufe der Zeit mehrere Investoren finden. "Das kann zehn Jahre dauern." Im Bereich des heutigen Hallenbades könnte möglicherweise ein neues Bürgerhaus für Sindorf entstehen.

Das abrücken von den Plänen des früheren Stadtdirektors erklärt Steinberg so: "Wir, vor allem der Ortsverein Sindorf, waren von Anfang an skeptisch. Deshalb haben wir uns ja auch vorbehalten, jederzeit in die Planung eingreifen zu können. Heute ist es einfach so, dass niemand mehr die ganze Planung auf einen Investor zuschneiden möchte."

Quelle: Kölnische Rundschau 18/12/1999

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Umorganisation bei RWE
Knapsack erhielt den Zuschlag

Neues Service-Center mit 130 Leuten

Hürth/Erftkreis - Obwohl der letzte Kessel des Braunkohle-Kraftwerks Goldenberg spätestens 2003 außer Betrieb sein wird, soll am Standort Knapsack "weiter die Fahne von RWE wehen", sagte am Freitag der zum Jahresende in Pension gehende Werkschef Franz-Josef Dostall. Daher wird, so Dostall, im Verwaltungsgebäude des Go-Werks Anfang kommenden Jahres das kaufmännische Service-Center für die Kraftwerke im Rheinischen Braunkohlerevier eingerichtet. In diesem Center werden dann 130 Leute konzentriert, die sich bisher an den fünf Standorten Weisweiler, Neurath, Frimmersdorf, Niederaußem und Knapsack um Einkauf und Controlling gekümmert haben.

Ein weiteres Service-Center für den technischen Bereich (Revisionen, Zu- und Umbauten, Erneuerungen) entsteht in Frimmersdorf. Die Einrichtung der beiden Center steht in Zusammenhang mit Anstrengungen von RWE, durch Rationalisierung Kosten zu senken. Zu diesem Zweck wurden auch die Kraftwerke Frimmersdorf und Neurath sowie Niederaußem und Knapsack zu "Leistungseinheiten" zusammengefasst. Dritte Einheit ist das Kraftwerk Weisweiler.

Im Knapsacker Kraftwerk werden zur Zeit noch 80 Mitarbeiter beschäftigt. Weitere 100 haben in den Bereichen Wasserwirtschaft, Lehrlingsausbildung und Labor ihren Job. Wenn jetzt das Service-Center hinzukommt, sind bis auf weiteres am Standort mehr als 300 Leute unter Vertrag.

Bei RWE wird mit Interesse verfolgt, ob die britische PowerGen tatsächlich in Hürth ein Gaskraftwerk errichtet. Um steuerliche Vorteile in Anspruch nehmen zu können, muss das Gaskraftwerk bis 2002 fertig sein. Und um diesen Termin einhalten zu können, müsse PowerGen schon im Mai anfangen, meint Dostall.

Quelle: Kölner Stadt Anzeiger 18/12/1999

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Autobahn-Ausbau lässt weiter auf sich warten
Landrat bekam Post vom Verkehrsminister


he Erftkreis. Der schon lange geplante Ausbau der Autobahn 4 zwischen den Autobahnkreuzen Köln-West und Kerpen bleibt nach Ansicht von Landrat Werner Stump "vorerst auf der Strecke". Dieses Resümee zieht der Landrat. nachdem er ein Schreiben von Bundesverkehrsminister Reinhard Klimmt erhalten hat.

Stump hatte sich im Auftrag des Kreistages an den Bundesverkehrsminister gewandt mit der Bitte, den Ausbau des Kölner Autobahnringes zwischen den Kreuzen Köln-West und Köln-Nord, den Ausbau der A 4 , den dritten Bauabschnitt der Bundesstraße 59 von Pulheim bis zur Autobahn sowie die Ortsumgehung Erftstadt-Lechenich finanziell abzusichern und den frühest möglichen Ausbau sicherzustellen.

Zwar hatte Klimmt eine positive Mitteilung für die Lechenicher, er sicherte nämlich den Beginn des Ausbaus der Ortsumgehung für das nächste Jahr zu. Für den Ausbau der A 4 sowie der B 59 liegt nach Einschätzung des Bundesverkehrsministers bisher kein Baurecht vor. Entsprechend sind diese Maßnahmen im Investitionsprogramm 1999 bis 2002 der Bundesregierung auch nur in der Prioritätenliste 2 eingruppiert. Die Realisierung hänge von der Finanzlage in diesem Zeitraum ab.

Landrat Stump zeigte sich enttäuscht. Das Schreiben des Ministers zeige deutlich, "dass der notwendige Straßenbau im Erftkreis weitgehend hinter den tatsächlichen Erfordernissen zurückbleibt." Für die heute schon bekannte Dauerstaustrecken werde es keine Entlastung geben. Stump: "Die Folgen sind für die Menschen und den Wirtschaftsstandort Erftkreis absehbar."

Quelle: Kölnische Rundschau 17/12/1999

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RWE-Gaskraftwerk
Turbine am Haken
Energiekonzern und Bayer-Werk Dormagen kooperieren

Dormagen - Das "Herz", das am Haken des Krans hing, hatte es in sich. Für den Transport der 300 Tonnen schweren Gasturbine mussten eigens neue Rampen gebaut werden. Und von der Anlegestelle bei Stürzelberg am Rhein ging es dann mit starker Polizeibewachung dem Zielort entgegen: zum neuen Kraftwerk, das die RWE Energie AG auf dem Gelände des Bayerwerks in Dormagen baut. Inzwischen ist der Koloss längst eingebaut - eine zweite, ebenso starke Turbine wird in absehbarer Zeit folgen.

Der Zeitplan dieses Projektes ist bisher eingehalten worden: Im Juli nächsten Jahres soll das Kraftwerk seinen Betrieb aufnehmen. Der Energiekonzern investiert rund 200 Millionen Euro (oder 400 Millionen Mark) in das Gas- und Dampfturbinen-Kraftwerk. Durch das neue Kraftwerk wird die Energieversorgung des Unternehmens im Dormagener Werk auf den modernsten technischen Stand gebracht. Die Kohlendioxyd-Emissionen sollen gleichzeitig nach Angaben des Unternehmens um 500.000 Tonnen pro Jahr reduziert werden.

In dem neuen Kraftwerk wird Erdgas, das durch eine Pipeline ins Werk geführt wird, in den Brennkammern der Gasturbinen mit zuvor verdichteter Umgebungsluft verbrannt. Das heiße Rauchgas sorgt in der Turbine sowohl für den Antrieb des Luftverdichters als auch für die Stromerzeugung im Generator. Es verlässt die Gasturbine mit einer Temperatur von mehr als 500 Grad. Die Rauchgaswärme wird dann auf einen separaten Wasser-Dampf-Kreislauf übertragen und zur Strom- und Wärmeerzeugung genutzt.

Das Kraftwerk, das nach dem Prinzip der Kraft-Wärme-Koppelung arbeitet, erzeugt pro Stunde bis zu 490 Tonnen Dampf, die als Prozesswärme in den benachbarten Chemieanlagen genutzt werden.

Nach der Inbetriebnahme soll das etwa 40 Jahre alte Braukohlekraftwerk im Ostteil des Werkes stillgelegt werden. Das Erdgaskraftwerk im Westteil wird an die RWE Energie übergeben und in das neue Versorgungskonzept integriert.

Die Bayer-Mitarbeiter, die bisher dort tätig sind, werden vom Energiekonzern übernommen. Den Mitarbeitern, die bisher bei der Verladung der Braunkohle tätig waren, werden Arbeitsplätze in anderen Bereichen angeboten.

Quelle: Kölner Stadt Anzeiger 15/12/1999

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Stein um Stein in luftiger Höhe
Brikettfabrik Wachtberg
Abbruch des alten Schornsteins

Frechen - Es scheint, als würden sie mitten in den Wolken arbeiten, die drei Männer auf dem 80 Jahre alten Kamin in der Brikettfabrik Wachtberg. Der Wasserdampf aus den Anlagen des Rheinbraun-Werkes wabert unaufhörlich um die Schornsteinmaurer herum, nur wenn der Wind einmal günstig steht, können sie einen Blick in den Himmel werfen.

Dieser Anblick ist jedoch alles andere als ermutigend, machen doch Schneeregen und Wind den Männern bei ihren Abbrucharbeiten zusätzlich zu schaffen. "Die Witterung ist das größte Problem", sagt Detlef Gührcke von der Abbruchfirma "Westschrott". Mehrmals mussten die Abbrucharbeiten an dem über 87 Meter hohen Turm unterbrochen werden. Ab Windstärke sieben könne man die Männer aus Sicherheitsgründen nicht nach oben lassen, erklärt Günter Brandmeyer, verantwortlicher Bauingenieur für den Abbruch der oberen 15 Meter des Schornsteines der seit 1985 stillgelegten Kraftwerkskessel 4 und 5.

"Der Abbruch ist eine reine Vorsichtsmaßnahme", sagt Brandmeyer, "bevor der Frost im Winter die Ziegel aussprengt und dann ganze Teile des Turmes herunterfallen." Nach dem Teilabbruch wird der nur noch 72 Meter hohe Turm mit Dachpappe abgedeckt und "wasserdicht" gemacht, damit sich kein Regen- und Kondenswasser zwischen den Ziegeln sammeln kann.

Auf einer Plattform, die an Stahlseilen um den Turm befestigt ist, arbeiten die drei Männer, der Vierte koordiniert und leitet über Funk von unten die Arbeit. Wenn ein Meter runter ist, wird die Plattform Stück für Stück gesenkt. An einer Seilwinde werden die Plattformteile bis zum nächsten Stahlband heruntergelassen und befestigt.

"Bei einem solchen Aufwand schaffen wir nur drei Meter pro Tag", sagt Brandmeyer, der hofft, morgen den Abbruch geschafft zu haben. Dann sind 28.500 Klinkersteine, 16.000 Liter Mörtel und 1370 Kilogramm Stahlbandagen abgebrochen worden. Und der alte, weithin sichtbare Koloss, ist wieder ein Stück kleiner geworden.

Bis er irgendwann ganz verschwinden wird.

Quelle: Kölner Stadt Anzeiger 15/12/1999

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Verschleppt, um für den "Führer" zu schuften
Hürther Stadtarchivar erforscht seit Jahren mit viel Geduld und Akribie die Geschichte der Zwangsarbeiter

kja Hürth. Sie wurden aus der Heimat verschleppt und mussten auch im Rheinischen Braunkohlenrevier für das "deutsche Reich" und seinen "Führer" schuften: Nun erforscht Stadtarchivar Manfred Faust die Geschichte der Zwangsarbeiter und Kriegsgefangenen in Hürth von 1933 bis 1945.

Und während Vertreter der deutschen Industrie, Regierungsbeauftragte und die Anwälte der betroffenen Arbeiter weiterhin um einen Entschädigungskompromiss ringen, stand Faust aus aktuellem Anlass in der jüngsten Sitzung des Kulturausschusses für Fragen zu seinen bisherigen Forschungsergebnissen zur Verfügung. Ein endgültiger Arbeitsbericht soll voraussichtlich Ende kommenden Jahres fertiggestellt und 2001 in der Zeitschrift "Hürther Heimat" des Heimat- und Kulturvereins publiziert werden.

Manfred Faust hat Akten ausgewertet

Bisher hat Faust die Akten des Bergreviers Köln in Düsseldorf ausgewertet, die von 1942 an Auskunft über die Zahl der in den Bergbaubetrieben zur Arbeit missbrauchten Arbeiter geben: Demnach lebten in den Jahren 1943/44 mindestens 2000 Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene in Hürth, die vor allem in der Knapsacker und Kalscheurener Industrie (Degussa und Holzbauwerke), der Landwirtschaft und bei der Reichsbahn eingesetzt wurden. Im Januar 1944 sind in den Büchern insgesamt 1257 Zwangsarbeiter und vor allem Kriegsgefangene in Hürth verzeichnet, die überwiegend in kargen Lagern wie dem ehemaligen Militärschuppen an der Kalscheurener Ladestraße untergebracht waren. 695 von ihnen mussten bei der Vereinigten Ville, 270 in der Grube Berrenrath, 169 in der Grube Berrenrath-West und 123 in der Grube Hürtherberg ihren Dienst verrichten.

Im gesamten Revier waren es nur wenige Monate später insgesamt 4445 Menschen, die laut Faust zu 90 Prozent aus dem Osten kamen, meist aus Russland und Polen. Ab 1943 - nach der Absetzung Mussolinis - wurden zunehmend sogenannte "Badoglio-Italiener" nach Hürth transportiert, die bei der deutschen Bevölkerung wegen des vereinbarten Separatfriedens General Badoglios mit den Alliierten als Verräter verschrien waren und besonders schlecht behandelt wurden.

Einigkeit herrschte bei den Mitgliedern des Kulturausschusses darüber, dass voraussichtlich am Kalscheurener Bahnhof eine Gedenktafel angebracht wird, die an das Leid der Zwangsarbeiter erinnern soll. Zudem unterbreitete SPD-Ausschussmitglied Peter Christian Neu den Vorschlag, eine Straße im neu entstehenden Kalscheurener Gewerbegebiet nach dem polnischen Zwangsarbeiter Pawel Kunysz zu benennen, der 1944 während seines Arbeitsdienstes für die Reichbahn bei einem Rangierunfall ums Leben kam und dessen Kinder im vorigen Jahr auf Einladung von Ex-Bürgermeister Rudi Tonn die Stadt Hürth besucht hatten.

Quelle: Kölnische Rundschau 11/12/1999

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Hunderte schufteten im Tagebau
Zwangsarbeiter
Stadtarchivar erforscht ihre Geschichte - Gedenktafel am Bahnhof

Von Friedemann Siering

Hürth - Wie war das eigentlich mit der Zwangsarbeit in Hürth während der NS-Zeit? Die Diskussion über Entschädigungszahlungen der deutschen Industrie und der deutschen Regierung (acht Milliarden, zehn Milliarden, mehr als zehn Milliarden?) an die noch lebenden, einst ausgebeuteten Arbeiter veranlasste die Hürther SPD, das Thema auf die Tagesordnung des Kulturausschusses zu setzen.

Eine umfassende Antwort gab es in der Sitzung am Mittwoch nicht. Denn Stadtarchivar Dr. Manfred Faust, der sich mit der Geschichte von Zwangsarbeit und Kriegsgefangenschaft in Hürth von 1939 bis 1945 befasst, hat seine Forschungen noch nicht abgeschlossen. Das Ergebnis wird voraussichtlich Ende 2000 publiziert.

Doch einige Quellen konnte Faust bereits auswerten. Von 1934 bis 44 lebten in Hürth "mindestens 2000 Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter", die in der Landwirtschaft und in der Industrie eingesetzt wurden, schätzt Faust. Die Gemeinde hatte damals 30 000 Einwohner. Demnach war wohl jeder zehnte Erwerbsfähige in Hürth Zwangsarbeiter oder Kriegsgefangener. Das Bergamt Köln hat seit 1942 die Zahl der in den Braunkohle-Gruben des Hürther Gebiets zur Arbeit gezwungenen Ausländer aufgelistet.

Danach waren es im Juli 1944 in der Vereinigten Ville 675 Arbeiter, in der Grube Berrenrath 258, in der Grube Berrenrath-West 171 und in der Grube Hürtherberg 76. Im gesamten Rheinischen Braunkohlerevier wurden zu diesem Zeitpunkt 4445 Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter eingesetzt. Auch die Degussa oder die Kölner Holzbauwerke in Kalscheuren beschäftigten Zwangsarbeiter. Wie viele es im Goldenberg-Kraftwerk des RWE und bei der AG für Stickstoffdünger (später Hoechst, heute Chemiepark Knapsack) waren, lässt sich bislang nicht sagen. Die Essener RWE AG durchforstet zur Zeit die eigenen Akten, um die Gesamtzahl der Zwangsarbeiter im Bereich des heutigen Konzerns zu ermitteln. Zu den Archivalien zählen auch die wenigen noch vorhandenen Unterlagen der Kohlegruben, die später unter dem Dach von Rheinbraun zusammengefasst wurden.

Entschädigungsfonds

"Die RWE-Gruppe wird sich dem Thema Zwangsarbeiter grundsätzlich nicht verschließen", sagt Konzernsprecher Dieter Schweer. Man habe "von Beginn an mit großem Interesse" die Verhandlungen über die Einrichtung eines Entschädigungsfonds´ der deutschen Wirtschaft verfolgt. Während bei RWE noch sondiert wird, zählte der Hoechst-Konzern "von Beginn an zu den 16 Firmen, die ihre Bereitschaft zum Einzahlen in den Fonds erklärt haben", wie ein Frankfurter Unternehmenssprecher sagt.

Die Hürther Zwangsarbeiter, die zumeist in Lagern lebten, kamen vor allem aus Russland oder Polen. Gegen Kriegsende wurden auch Italiener aus dem Heer des Generals Badoglio nach Hürth gebracht, der nach Mussolinis Sturz einen Separatfrieden mit den Alliierten geschlossen hatte. Die "Badoglio-Italiener" galten bei den Deutschen als "Verräter".

Im vergangenen Jahr waren die Geschwister Kunysz auf Einladung des damaligen Bürgermeisters Rudi Tonn zu Besuch in der Stadt, in die sie 1943 mit ihren Eltern verschleppt worden waren. Ihr Vater, der Pole Pawel Kunysz, wurde in Kalscheuren als Zwangsarbeiter bei der Reichsbahn eingesetzt. Im März 1944 starb er dort an den Folgen eines Rangierunfalls.

Nach Pawel Kunysz soll nun in Hürth eine Straße benannt werden. Der Kulturausschuss will sich auch dafür einsetzen, dass am Kalscheurener Bahnhof eine Gedenktafel aufgehängt wird, zur Erinnerung an die Zwangsarbeiter, "die in den Hürther Lagern durch Krankheit, Unfall oder Mord Opfer des Nationalsozialismus geworden sind".

Quelle: Kölner Stadt-Anzeiger 10.12.1999

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Braunkohle muss die Kosten weiter senken

Förderung schrumpft

fun Kerpen. Die Braunkohle-Förderung in Deutschland ist weiter leicht rückläufig. Rheinbraun-Chef Berthold Bonekamp rechnet für 1999 mit einer Erzeugung von 160 Millionen Tonnen. 92 Millionen Tonnen werden im rheinischen Revier gefördert.

Damit liege die Förderung um rund 3,6 Prozent niedriger als im Vorjahr, sagte Bonekamp bei der traditionellen Barbara-Feier in Kerpen. Wie im Vorjahr sichere die Braunkohle 27 Prozent der deutschen Stromerzeugung.

Die Zahl der Beschäftigten in der Branche ist von Januar bis September um zehn Prozent gesunken, im Westen auf 12 400, im Osten 11 300 auf Mitarbeiter. Bei Rheinbraun seien seit 1995 jährlich rund 365 Millionen Mark an Sach- und Personalkosten eingespart worden.

Mittelfristig stehe noch einmal eine deutliche Kostensenkung bevor, die sich aber im "kontrollierten Wandel" vollziehe.

Rheinbraun-Chef Bonekamp sieht Änderungen optimistisch entgegen
"Wandel ohne Bruch"

Kerpen-Türnich. "Es handelt sich aber um einen weitgehend kontrollierten Wandel, nicht um einen jähen Bruch", umriss Rheinbraun-Vorstandschef Berthold Bonekamp die weiteren Aussichten im Revier: Schlanker, noch schlanker soll das Bergbauunternehmen werden, billiger, noch billiger die Braunkohle.

Vor rund 500 Bergbauingenieuren bei der traditionellen Brabara-Feier in Kerpen-Türnich verbreitete Bonekamp alles in allem trotzdem Optimismus: "Diese Braunkohlenindustrie hat eine gute Chance."

Bonekamp ist seit 1981 bei Rheinbraun beschäftigt. Seit Oktober sitzt er im Chefsessel. Bei seinem Eintritt ins Unternehmen seien zwei Dinge unumstößlich gewesen: Braunkohle war konkurrenzlos günstig, und ohne sie war eine sichere Energieversorgung nicht denkbar.

Während man hinter diese Feststellung vor knapp 20 Jahren habe mehrere Ausrufezeichen setzen können, stellten sich heute dazu immer mehr Fragen.

Weltweit zusammenwachsende Energiemärkte bedingten fallende Energiepreise: "Ausländische Unternehmen sind bereit, für den Eintritt in den attraktiven deutschen Strommarkt hohe Eintrittsprämien zu zahlen. Überkapazitäten sorgen zudem dafür, dass Strom zu immer niedrigeren, zum Teil nicht einmal kostendeckenden Preisen in den Markt drängt."

Unabdingbar sei deshalb, dass sich die RWE AG in ihrer Gesamtheit auf die neuen Gegebenheiten einstelle. Die Straffung des Konzerns beinhalte zunächst eine gute Nachricht für Rheinbraun: Das Unternehmen sei weiterhin Teil des Kerngeschäftes. Es müsse aber die Wettbewerbsfähigkeit der Braunkohle langfristig sichern. Dazu seien weiterhin erhebliche Anstrengungen nötig.

In den vergangenen vier Jahren hat Rheinbraun bereits jeweils 365 Millionen an Personal- und Sachkosten eingespart. Die Zahl der Mitarbeiter ist in dieser Zeit von 13 240 auf 11 318 gesunken. Im rheinischen Revier werden in diesem Jahr voraussichtlich 92 Millionen Tonnen Kohlen gefördert.

Auch die Verunsicherung durch die Politik sprach Bonekamp an. Die verbesserte Position des Erdgases sei nun Gesetz - entgegen dem frühen Protest der Energiewirtschaft - und habe schädliche Auswirkung auf die Braun- und Steinkohle. Dennoch könne mit dem jetzt gefundenen Kompromiss leben. Rheinbraun stehe weiterhin zum Tagebau Garzweiler II.

"Gas muss nicht so billig bleiben wie heute, Importkohle auch nicht. Von der Braunkohle aber wissen wir, dass wir sie zu weiter sinkenden Preisen anbieten können", unterstrich Bonekamp abschließend die Unverzichtbarkeit des heimischen Energieträgers.

Quelle: Kölnische Rundschau 07/12/1999

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Weiter auf Sparkurs
Rheinbraun

Barbara-Feier mit Bonekamp
Kerpen - Vor 20 Jahren war die Welt der Braunköhler noch in Ordnung, wie sich der neue Rheinbraun-Vorstandschef Berthold Bonekamp erinnert. Es gab zwei "unumstößliche Gewissheiten". Erstens: Die Braunkohle "ist der mit großem Abstand kostengünstigste Energieträger". Zweitens: "Ohne eine rheinische Braunkohleförderung von rund 120 Millionen Tonnen ist eine sichere Energieversorgung nicht denkbar." Hinter diesen Aussagen standen damals "mehrere Ausrufezeichen", so Bonekamp. Er hatte Anfang der 80-er Jahre gerade seinen ersten Job beim Bergbauriesen angetreten. Nun ist er Chef des Unternehmens, und die Ausrufezeichen haben sich mittlerweile "in Fragezeichen verwandelt". Dennoch habe eine schlanke, "auf modernsten Techniken basierende und kostengünstige Braunkohleindustrie mit qualifizierten Mitarbeitern auf längere Sicht eine gute Chance", sagte Bonekamp gestern anläßlich der Revier-Barbara-Feier in Kerpen-Türnich, die alljährlich vom Ring Deutscher Bergingenieure veranstaltet wird. Rheinbraun werde seine Sparpolitik fortsetzen. Von 1995 bis 1998 habe das Unternehmen die Sach- und Personalkosten jährlich um 350 Millionen Mark reduziert. In Folge der Liberalisierung des Energiemarktes müßten die Kosten "noch einmal deutlich vermindert werden". Beim Strukturwandel könne es "nicht nur Gewinner geben", sagte Bonekamp. "Es handelt sich aber um einen weitgehend kontrollierten Wandel, nicht um einen jähen Bruch." In Anspielung auf Berichte, dass Rheinbraun innerhalb des RWE-Konzerns an Bedeutung verliert, äußerte der Vorstandschef: "Die Aktivitäten von Rheinbraun zählen auch künftig zum Kerngeschäft von RWE".

1999 werde die rheinische Braunkohle-Industrie 92 Millionen Tonnen Kohle fördern (1998: 95 Millionen Tonnen). Die Zahl der Beschäftigten im gesamten deutschen Braunkohlenbergbau ging von Januar bis September 1999 um knapp zehn Prozent zurück.

Einer "angespannten Marktsituation mit erheblichem Preisdruck" sieht sich auch das amerikanische Steinkohlen-Unternehmen Consol ausgesetzt, das sich mehrheitlich im Besitz von Rheinbraun befindet. Consol begegne den Problemen "mit vorgezogenen Betriebsstilllegungen und der Konzentration auf die kostengünstigen Förderbetriebe", so Bonekamp.

Garzweiler II werde "planmäßig entwickelt", Rheinbraun stehe weiter zu dem Projekt. Bonekamp: "Ich bedaure, wenn durch gegenteilige Behauptungen von interessierter politischer Seite nicht nur unsere Mitarbeiter, sondern ebenso die Menschen in den umsiedelnden Orten verunsichert werden."

Quelle: Kölner Stadt Anzeiger 07/12/1999

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"Wir stehen knietief im Schlamm"

Braunkohle

Erftkreis - Die Bergleute in Rheinischen Revier werden in den nächsten Tagen auf die Straße gehen. Bereits am Mittwoch wollen die Braunköhler am Frechener Klüttenbrunnen ab 8 Uhr eine Mahnwache aufstellen. Die soll dort bis Freitag bleiben. Am Donnerstag sind gegen 18 Uhr Demonstrationen in Frechen, Eschweiler und Grevenbroich geplant. In Grevenbroich werden der Neusser Landrat Dieter Patt und Betriebsrat Helmut de Jong zu den Demonstranten sprechen.

Die Bergleute wollen damit auf die für Freitag geplante Sitzung des Bundesrates aufmerksam machen. Dort soll die in der Steuerreform vorgesehene Entlastung für Gas-und Dampfturbinen-Kraftwerke (GuD) rückgängig gemacht werden, weil Rheinbraun und die Konzernmutter RWE die Braunkohle, insbesondere den geplanten Tagebau Garzweiler II, nach der Verabschiedung der Steuergesetze in Frage gestellt haben.

Die Rheinbraun-Mitarbeiter fürchten seitdem erneut um ihre Arbeitsplätze. Geschürt wird die Angst auch durch Spekulationen, wonach der Konzern RWE nach der Verschmelzung mit den Dortmunder VEW umgebaut werden soll. Zuletzt hieß es, die Rheinbraun-Hauptverwaltung werde aufgelöst.

Das haben Sprecher von Rheinbraun und RWE dementiert. Betriebsratsvorsitzender Erwin Winkel sprach am Sonntag von "falschen Informationen" und versicherte am frühen Montagmorgen allen Mitarbeitern, dass Rheinbraun nicht zerschlagen werde. Das habe die Mitarbeiter zwar erst einmal beruhigt, so Heinrich Schumacher, Betriebsratsvorsitzender der Kölner Hauptverwaltung. "Ruhe haben wir aber deshalb nicht." Die Stimmung sei nach wie vor gereizt. Die geplante Fusion der Energieriesen RWE und VEW sei "eine zusätzliche Belastung". Schumacher: "Wir stehen knietief im Schlamm."

Die Bergleute, der SPD-Bundestagsabgeordnete Klaus Lennartz sowie Gewerkschafter setzen vor allem auf Ministerpräsident Wolfgang Clement. Er soll im Bundesrat gegen die Steuerreform votieren. Die SPD in Elsdorf hat dazu eine Resolution an die Landesregierung geschickt. In einem Brief an Clement schreibt der Elsdorfer SPD-Vorsitzende Hans-Theo Maljers, Clement solle seine "Kraft dafür einsetzen, dass die zweite Stufe der Ökosteuer in der vorliegen Fassung nicht verabschiedet wird".

Der Bundesverband Braunkohle (Debriv) sieht in der steuerlichen Entlastung von GuD-Kraftwerken eine "energiepolitische Grundsatzentscheidung". Das sei ein gefährlicher Eingriff, der zu gravierenden Strukturveränderungen führen könne. Eine steigende Gas-Nachfrage könne zu einem Versorgungs-und Preisrisiko für Wirtschaft und Verbraucher werden.

Quelle: Kölner Stadt Anzeiger 23/11/’99

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RWE: Rheinbraun wird nicht aufgelöst

Hauptverwaltung
"Gespräche über neue Struktur am Anfang"

Köln - Die RWE AG hat einem Bericht des "Spiegel" widersprochen, wonach ihre Tochter Rheinbraun geschlossen werden soll. RWE-Konzernsprecher Dieter Schweer sagte, eine Zerschlagung von Rheinbraun komme nicht in Betracht. Die Überlegungen zur Neustrukturierung eines fusionierten Unternehmens RWE/VEW hätten gerade erst begonnen. "Erste Ergebnisse erwarten wir bis zum Ende dieses Jahres." RWE sei zuversichtlich, dass Rheinbraun Kostensenkungen erreichen werde, um die volle Wettbewerbsfähigkeit der Braunkohle zu sichern.

Der "Spiegel" hatte berichtet, Rheinbraun drohe der "Kahlschlag". Das Blatt berief sich auf einen "hochrangigen RWE-Manager". Danach gebe es im Mutter-Konzern RWE Überlegungen, die Rheinbraun-Hauptverwaltung nach der geplanten Fusion von RWE und VEW (Vereinigte Elektrizitätswerke Westfalen) aufzulösen und in den neuen Stromkonzern einzugliedern. Insgesamt sollen 1,3 Milliarden Mark eingespart werden. Das Bergbauunternehmen würde damit seine Eigenständigkeit verlieren. Betroffen wären rund 1500 Mitarbeiter der Kölner Hauptverwaltung. Mit dem Personalabbau könne bereits im Sommer 2000 begonnen werden. Damit rücke auch das Ende des umstrittenen Braunkohlentagebaus Garzweiler II immer näher, hieß es weiter. Im RWE-Vorstand sei längst klar, dass sich das Rheinbraun-Projekt und die damit verbundenen Investitionen in die veralteten Kohlekraftwerke nicht rechneten.

Wie RWE-Sprecher Dieter Schweer dementierte auch Rheinbraun-Sprecher Wolfgang Rönnebeck die Auflösung der Hauptverwaltung. Er bezeichnete den Bericht als "reine Spekulation". Der Vorsitzende des Rheinbraun-Gesamtbetriebsrates, Erwin Winkel, sagte, bei dem zitierten "hochrangigen Manager" könne es sich nur um einen "Wichtigtuer" handeln. Die Verhandlungen zwischen RWE und VEW hätten gerade erst begonnen.

Quelle: Kölner Stadt Anzeiger 22/11/1999

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Beton wird nicht schnell genug hart

BoA-Block
Kühlturmbau dauert länger als geplant

Bergheim-Niederaußem - Die Bauarbeiten am Kühlturm des neuen BoA-Blockes am Kraftwerk Niederaußem dauern einige Wochen länger als vorgesehen. "Wir sind nicht so ganz im Plan", bestätigte Kraftwerks-Sprecher Ulrich Nöppert: "Eigentlich sollte der Rohbau des Kühlturmes im Laufe des Novembers fertig werden, doch nun rechnen wir mit seiner Fertigstellung bis spätestens etwa Mitte Dezember."

Dann soll der Koloss seine endgültige Höhe von 200 Metern erreicht haben. Das entspricht der Höhe der beiden weißen Entschwefelungstürme des alten Kraftwerkes. Damit Besuchern deutlich wird, wie hoch das Kraftwerk eigentlich ist, haben die Bauleute zwei gelbe Dreiecke an die Treppentürme gemalt - so hoch wäre die Kreuzblume des Kölner Domes, würde das gotische Meisterwerk neben dem Kraftwerk stehen.

Derzeit arbeiten die Betongießer im eisigen Wind in 185 Metern Höhe. Grund für die Verzögerung ist, dass der säurebeständige Beton, der oberhalb der Kühlturm-Taille in die hölzernen Schalungen gepresst wird, langsamer bindet, als das die Fachleute erwartet haben. Anders als alte Kraftwerks-Kühltürme wird der BoA-Schlot ohne Innenverkleidung gebaut, die turnusmäßig saniert werden muss, da die sauren Kraftwerksdämpfe ihr zusetzen. Der BoA-Beton soll säureresistent und damit auch weniger wartungsaufwendig sein.

Um Zeit aufzuholen, arbeiten die Männer auch nachts am Schlot. Rund um die Uhr wächst der Kühlturm. Erst bei einer Temperatur von minus fünf Grad Celsius würden die Arbeiten eingestellt. Außer dem Kühlturm sieht man derzeit zwischen den vier Treppentürmen auch das Maschinen- und das Schaltanlagenhaus in die Höhe wachsen. Die Arbeiten müssen trotz der Kälte und des für Donnerstag erwarteten Wintereinbruchs mit Schneeregen und Frost weiter gehen, denn für Mitte Januar ist das nächste Großereignis auf der Baustelle geplant. Nöppert: "Dann beginnen wir mit der Kesselmontage."

Das Innenleben des neuen Kraftwerkes ist so riesig, dass es vor Ort montiert und dann eingebaut werden muss. Dafür hat RWE ein Feld hinter der Kohlebahn angepachtet und mit Wegen und Kiesaufschüttungen zu einem Bauplatz hergerichtet. Dieser Bauplatz wird sich ebenfalls Mitte Januar mit Menschen füllen, denn viele Hände sind nötig, um die neuen Turbinen, Anlagen und Kabelstränge fachgerecht zu installieren.

Quelle: Kölner Stadt Anzeiger 17/11/1999

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Kaum noch einer über 54 Jahre alt

Personal- und Sozialbericht der Rheinbraun AG liegt vor

Erftkreis. Die Veränderungen innerhalb der Rheinbraun AG hinterlassen in der Personalstruktur deutliche Spuren. Einstellungsstopp und Vorruhestandsregelung bewirken, dass der Anteil der 20- bis 30-Jährigen relativ gering ist und kaum noch ein Mitarbeiter über das 54. Lebensjahr hinaus bleibt. Das geht aus dem jetzt vorgelegten Personal- und Sozialbericht hervor.

11 318 Menschen waren im Geschäftsjahr 1998/99 bei Rheinbraun beschäftigt, 312 oder 2,7 Prozent weniger als im Vorjahr. 1995 verdienten noch 13 240 Arbeitnehmer ihre Brötchen bei Rheinbraun, darunter 712 Schwerbehinderte. Aktuell sind 7678 im Bergbau tätig und 1412 in den Kohleveredlungsbetrieben. In der Hauptverwaltung Köln arbeiten 1520 Angestellte, in den Gruppenverwaltungen 644. In den sonstigen Bereichen bleiben 64 Stellen. Nirgendwo, so die zwischen Vorstand und Betriebsrat ausgehandelte Regelung, werden bis Mitte 2003 betriebsbedingte Kündigungen ausgesprochen.

Nach wie vor steigend ist die Zahl der Ausbildungsplätze. Bildete das Unternehmen 1995 noch 373 Lehrlinge in verschiedenen Berufen aus, so sind es heute 509, genau 20 mehr als 1997/98. Auch für die Stammbelegschaft steht Lernen auf dem Programm: 4500 Mitarbeiter haben im Berichtszeitraum an Weiterbildungsmaßnahmen teilgenommen.

Wer noch einen Arbeitsplatz hat, genießt die ganze Fürsorge des Unternehmens. Maßnahmen zur Förderung der Arbeitssicherheit haben die Unfallhäufigkeit stark reduziert: Ereigneten sich 1992 noch 14,7 Arbeitsunfälle je Million Arbeitsstunden, so waren es 1999 noch 7,5. Damit schneide man, so die Pressestelle, im Vergleich zum Durchschnitt der gewerblichen Wirtschaft sehr gut ab.

Über die Unterstützung im Arbeitsleben - zum Beispiel durch Betriebspsychologen - hinaus, bietet das Unternehmen auch Hilfen fürs private Wohlergehen, etwa durch preiswerte Werkswohnungen oder durch günstige Kredite zur Eigenheimfinanzierung. So kamen 127 Mitarbeiter in den Genuss von Arbeitgeberdarlehen in einem Gesamtvolumen von 2,8 Millionen Euro.

Quelle: Kölnische Rundschau 16/11/’99

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Unternehmen rechnet neu

Rheinbraun Sprecher: Wettbewerb wird verzerrt


Erftkreis Als eine "schwere Benachteiligung der Wettbewerbsfähigkeit der Braunkohle" wertet Rheinbraun die Entscheidung des Bundestages, moderne Gaskraftwerke steuerlich zu entlasten. Die Entscheidung sei nicht nur von sachlichen Gründen bestimmt gewesen. Damit sind offenbar die Rücksichten der SPD auf den Koalitionspartner gemeint. Dass nun die Chancengleichheit zwischen den Energiearten hergestellt werde, wie vielfach behauptet wird, lässt Rheinbraun-Sprecher Reiner Hochscheid nicht gelten. "Die be- stehenden Wettbewerbsbedingungen werden verändert zu Gunsten einer Importenergie und zu Ungunsten der heimischen Braunkohle." Hochscheid verweist auf Untersuchungen des Deutschen Braunkohlen Industrievereins (Debriv), nach der ein 1000-Megawatt-Kraftwerk in der gesamten Laufzeit eine Wertschöpfung von 20 Milliarden Mark erziele, wenn es mit heimischer Energie betrieben werde. Würden hingegen Importenergien eingesetzt, würden zwei Drittel der Wertschöpfung ins Ausland verlagert.

Rheinbraun werde nun die "Investitionsvorhaben im Revier sorgfältig überprüfen und erneut bewerten", heißt es in einer Mitteilung des Unternehmens erneut. Das betreffe die Tagebaue, gelte aber auch für den Kraftwerkspark, sagte Hochscheid. Und es betreffe nicht nur Garzweiler II, sondern den Bergbau in Deutschland insgesamt.

Von heute auf morgen werden die Vorbereitungen für Garzweiler II allerdings nicht eingestellt. Rheinbraun werde sich nun Zeit nehmen, die Wirtschaftlichkeit von Investitionen neu zu berechnen. Hochscheid: "Das kann einige Monate dauern." Die sorgfältige Abwägung sei das Unternehmen den Mitarbeitern, den Aktionären und der Region schuldig.

420 Millionen Mark

Ob Rheinbraun die Gewinnungskosten der Braunkohle um ein Viertel wird senken können, um bei der Stromerzeugung mit modernen Gaskraftwerken mitzuhalten, sieht das Unternehmen als problematisch an. Hochscheid rechnet: Von 1995 bis 1998 wurden 365 Millionen Mark an Personalkosten eingespart, bis 2003/2004 sollten die Kosten insgesamt ohnehin nochmals um 420 Millionen Mark sinken.

Rheinbraun hat die Hoffnung allerdings noch nicht aufgegeben, dass die Beschlüsse zu Gaskraftwerken in dieser Form doch nicht verwirklicht werden. Das Unternehmen setzt auf die Braunkohlebefürworter in NRW und deren Einfluss in Berlin und im Bundesrat. In diesem Zusammenhang wird insbesondere Ministerpräsident Wolfgang Clement genannt.

Die Energiepolitik der Grünen, die einerseits den Ausstieg aus der Kernkraft forderten, sich mittelfristig auch von der Braunkohle verabschieden wollten und stattdessen auf Gas setzen, lasse keine konkreten Ansätze erkennen, wie die Grundlastversorgung mit Strom gesichert werden könne. Beim Gas bestehe ein hohes Preis- und Versorgungsrisiko. Ob Gaskraftwerke nun wirklich wie Pilze aus dem Boden schießen, sei jetzt zwar noch nicht zu sagen. Hochscheid: "Der Anreiz ist aber da."

Quelle: Kölner Stadt Anzeiger 15/11/’99

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Schröder: Wir versuchen zu helfen

Protest der Braunköhler

8000 Bergarbeiter demonstrierten in Köln gegen Steuerbefreiung für Gas-Kraftwerke

Köln/Erftkreis - Ein gewaltiges Pfeifkonzert empfing den Mann, der doch eigentlich seine Sympathie mit den Demonstranten bekunden wollte. Aber die 8.000 Braunköhler, die am frühen Samstagmorgen auf dem Festplatz an der Deutzer Werft gegen die Ökosteuer-Reform demonstrierten, ließen ihren ganzen Frust an Franz Müntefering, dem designierten Generalsekretär der SPD, und Ministerpräsident Wolfgang Clement aus.

Clement ließ die Bergleute wissen, dass sich das Land und die NRW-SPD für ihre Belange einsetzen werde und alles tun wolle, die Steuerbefreiung für Gas- und Dampfkraftwerke aus dem Reformpaket herauszunehmen.

Diese Steuerbefreiung war der Anlass der Kundgebung, zu der die Gewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) aufgerufen hatte - zwei Kilometer vom SPD-Regionalkongress mit Bundeskanzler Gerhard Schröder entfernt.

Vom "Aus" für die heimische Braun- und Steinkohle sprach die IG BCE, und die Redner beschworen eindringlich den Ernst der Situation, sprachen vom wachsenden Unmut im Revier und verwiesen auf die Opferbereitschaft der Kumpel.

"Wir haben seit 1992 von 15000 Arbeitsplätzen 4500 abgebaut", sagte Erwin Winkel, Gesamtbetriebsrat-Vorsitzender bei Rheinbraun, "und wir haben die Produktionskosten um ein Drittel senken können." Um nach der Steuerreform weiter konkurrenzfähig bleiben zu können, müsse man die Kosten noch einmal um ein Viertel senken, laut Winkel eine "unlösbare Aufgabe".

Uwe Ranczykowski, einer der 8000 vor der Bühne, fasste den Ärger der Rheinbraun-Beschäftigten zusammen: "Es ist doch ein Skandal, dass eine Firma, die ohne Subventionen Geld verdient, kaputtgemacht wird. Und das nur, weil man Gas für ökologisch sinnvoller hält."

Aber auch der Kanzler sollte hören, was die Kumpel ihm zu sagen hatten. Und so machte sich eine Delegation der IG BCE auf den Weg zum Regionalkongress der SPD in der Kölner Messe.

Dort durfte Erwin Winkel zu den Genossen sprechen und fasste, an Schröder gewandt, noch einmal zusammen: "Ihr macht mit einem Federstrich die Anstrengungen der letzten Jahre kaputt. Lasst Euch bitte nicht von den Grünen über den Tisch ziehen und ändert die Ökosteuer-Reform." Starker Applaus von den rheinischen Genossen.

Danach rollten die Kumpel ihre Fähnchen zusammen und wollten gerade aufbrechen, da trat Schröder ans Mikrofon und versprach den Bergleuten: "Wir werden alles versuchen, Euch zu helfen." Für Winkel ein Hoffnungsschimmer: "In dieser Deutlichkeit hätte ich mir diese Worte schon vor einer Woche erhofft."

Obwohl der Kanzler eigentlich nur den Versuch versprochen hatte, war Winkel zuversichtlich: "Auf diese Aussagen kann man ihn in Zukunft festnageln." Nicht so hoffnungsvoll war Peter Meier vom Tagebau Garzweiler, als er den SPD-Kongress verließ: "Das hat doch mal wieder alles nichts genutzt."

Quelle: Kölner Stadt Anzeiger 15/11/’99

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Bergleute wollen Protest von Hagen noch überbieten

IGBCE hat zur Demo 130 Busse gechartert - 10 000 Demonstranten?
Erftkreis/Köln. Im Bereich der Deutzer Brücke könnte es heute Morgen eng werden: 130 Busse hat IGBCE-Bezirksvorsitzender Detlef Loosz geordert, um die Bergleute von Rhein und Ruhr zur Großdemonstration gegen die zweite Stufe der Öko-Steuerreform nach Köln zu bringen. 7000 bis 10 000 Kumpel und Familienangehörige erwartet Loosz zur Kundgebung um 9.30 Uhr auf dem Festplatz "Deutzer Werft".

"Nach den Rückmeldungen bin ich überzeugt, dass die Demo 1995 in Hagen eine Kleinveranstaltung gegen das war, was die SPD diesmal erwartet", sagt der Gewerkschafter. In Hagen protestierten damals 5000 Menschen, die den Tagebau Garzweiler II gefährdet sahen, gegen die Koalitionsvereinbarung der gerade gewählten rot-grünen Landesregierung.

Mit 20 Bussen wird die Belegschaft aus dem Tagebau Garzweiler heute anrücken. Betriebsratsvorsitzender Helmut de Jong hat neben den Aktiven auch die Rentner, die Urlauber, ja selbst, soweit möglich, die Kranken mobilisiert. Um 8 Uhr startet der Konvoi vom Parkplatz des Sozialgebäudes aus. Eine Möglichkeit zuzusteigen gibt es um 8.15 Uhr am Bushof in Kaster.

Rheinbraun setzt auf NRW-Politiker

Mitarbeiter der Fabrik Fortuna und der BOWA treffen sich ebenfalls um 8 Uhr an den jeweiligen Sozialgebäuden. Von Frechen-Grefrath, Frechener Straße, Hürth-Berrenrath, Bertramsjagdweg, und Fabriken Frechen, Pförtner Brickettverladung, startet der Protest-Konvoi jeweils um 8.15 Uhr. Die Bergleute aus dem Tagebau Hambach steigen um 8 Uhr auf dem Zentralparkplatz in Niederzier in die Busse, die aus dem Tagebau Inden um 7.45 Uhr an der Ausbildungsstätte Weisweiler.

"Das Unternehmen begrüßt, dass aus dem politischen Raum Nordrhein-Westfalens und insbesondere von Ministerpräsident Wolfgang Clement klar gegen die beabsichtigte Bevorzugung der Gaskraftwerke Stellung bezogen worden ist", heißt es in einer Rheinbraun-Pressemitteilung zur Entscheidung im Deutschen Bundestag und zu den Reaktionen aus Düsseldorf. Im Vergleich zur ersten Ankündigung, sämtliche Investitionen des Unternehmens würden beim Wegfall der Mineralölsteuer für hocheffiziente Gas- und Dampfkraftwerke (GuD) auf den Prüfstand gestellt, klingt die neue Variante deutlich moderater: "An der Bereitschaft von Rheinbraun, sich unternehmerisch dafür zu engagieren, dass die Braunkohle weiterhin einen bedeutenden Beitrag zur Energieversorgung und Stabilisierung des Arbeitsmarktes leisten kann, hat sich jedenfalls nichts geändert."

Aus dem politischen Raum rufen die Christlich-Demokratische Arbeitnehmerschaft NRW und die FDP Erftkreis dazu auf, an der Demonstration in Köln teilzunehmen.

Quelle: Kölnische Rundschau 13/11/1999

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"Ich hätte es mir sehr einfach machen können"

Brühler Bundestagsabgeordnete Kühn-Mengel stimmte Öko-Steuer zu

Erftkreis. Nein, Probleme mit den Genossen an der Erft erwarte sie nicht, sagte die Brühler SPD-Bundestagsabgeordnete Helga Kühn-Mengel gestern der "Rundschau". Und dies selbst nicht, wo ihr Unterbezirksvorsitzender und Kollege im Bundestag, Klaus Lennartz, ihr Abstimmungsverhalten "nicht gut" findet. Denn auch unter den Genossen an der Erft gebe es Befürworter und Gegner der Öko-Steuer.

Bei der gestrigen Abstimmung zur zweiten Stufe der Öko-Steuerreform, die auch die vor allen Dingen im rheinischen Braunkohlenrevier umstrittene Mineralölsteuerbefreiung für Gas- und Dampfkraftwerke (GuD-Anlagen) enthält, hat Helga Kühn-Mengel für den Gesetzentwurf der Regierungskoalition gestimmt.

"Natürlich hätte ich auch einfach Nein sagen können wie mein Kollege Lennartz und gegen die Öko-Steuerreform stimmen können", erklärte Kühn-Mengel. "Das wäre sicherlich einfacher gewesen." Doch sie hält die Öko-Steuerreform vom Grundsatz her "bis eben auf den problematischen Teil der Mineralölsteuerbefreiung für Gas- und Dampfkraftwerke für gut, akzeptabel, richtungs- und zukunftsweisend".

Sie sehe auch "keine Gefährdung für Garzweiler II unter den Bedingungen, wie wir sie im Gesetz festgeschrieben haben". Denn ein Gas- und Dampfkraftwerk mit einem Wirkungsgrad von 57,5 Prozent sei in der im Gesetz vorgegebenen Frist nur "für ein Werk zu erreichen. Und das wird, wie man weiß, in Greifswald in Mecklenburg-Vorpommern errichtet".

Entscheidung mit "Bauchschmerzen"

Dennoch habe ihr die Entscheidung "erhebliche Bauchschmerzen" bereitet, räumt die Brühler Bundestagsabgeordnete ein. Die habe sie auch in einer persönlichen Erklärung zu Protokoll gegeben. "Und natürlich weiß ich um die Sorgen der Kumpel. Noch kurz zuvor habe ich darüber mit Betriebsräten gesprochen."

Für unredlich hält Kühn-Mengel ebenso wie Lennartz das Verhalten der CDU im Bundestag. Die Christdemokraten, so sagen die beiden SPD-Bundestagsabgeordneten, sollen in den Beratungen über GuD-Anlagen für einen Wirkungsgrad von 55 Prozent plädiert haben.

Quelle: Kölnische Rundschau 13/11/1999

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Unternehmen rechnet neu

Rheinbraun Sprecher: Wettbewerb wird verzerrt

Erftkreis Als eine "schwere Benachteiligung der Wettbewerbsfähigkeit der Braunkohle" wertet Rheinbraun die Entscheidung des Bundestages, moderne Gaskraftwerke steuerlich zu entlasten. Die Entscheidung sei nicht nur von sachlichen Gründen bestimmt gewesen. Damit sind offenbar die Rücksichten der SPD auf den Koalitionspartner gemeint. Dass nun die Chancengleichheit zwischen den Energiearten hergestellt werde, wie vielfach behauptet wird, lässt Rheinbraun-Sprecher Reiner Hochscheid nicht gelten. "Die be- stehenden Wettbewerbsbedingungen werden verändert zu Gunsten einer Importenergie und zu Ungunsten der heimischen Braunkohle." Hochscheid verweist auf Untersuchungen des Deutschen Braunkohlen Industrievereins (Debriv), nach der ein 1000-Megawatt-Kraftwerk in der gesamten Laufzeit eine Wertschöpfung von 20 Milliarden Mark erziele, wenn es mit heimischer Energie betrieben werde. Würden hingegen Importenergien eingesetzt, würden zwei Drittel der Wertschöpfung ins Ausland verlagert.

Rheinbraun werde nun die "Investitionsvorhaben im Revier sorgfältig überprüfen und erneut bewerten", heißt es in einer Mitteilung des Unternehmens erneut. Das betreffe die Tagebaue, gelte aber auch für den Kraftwerkspark, sagte Hochscheid. Und es betreffe nicht nur Garzweiler II, sondern den Bergbau in Deutschland insgesamt.

Von heute auf morgen werden die Vorbereitungen für Garzweiler II allerdings nicht eingestellt. Rheinbraun werde sich nun Zeit nehmen, die Wirtschaftlichkeit von Investitionen neu zu berechnen. Hochscheid: "Das kann einige Monate dauern." Die sorgfältige Abwägung sei das Unternehmen den Mitarbeitern, den Aktionären und der Region schuldig.

420 Millionen Mark

Ob Rheinbraun die Gewinnungskosten der Braunkohle um ein Viertel wird senken können, um bei der Stromerzeugung mit modernen Gaskraftwerken mitzuhalten, sieht das Unternehmen als problematisch an. Hochscheid rechnet: Von 1995 bis 1998 wurden 365 Millionen Mark an Personalkosten eingespart, bis 2003/2004 sollten die Kosten insgesamt ohnehin nochmals um 420 Millionen Mark sinken.

Rheinbraun hat die Hoffnung allerdings noch nicht aufgegeben, dass die Beschlüsse zu Gaskraftwerken in dieser Form doch nicht verwirklicht werden. Das Unternehmen setzt auf die Braunkohlebefürworter in NRW und deren Einfluss in Berlin und im Bundesrat. In diesem Zusammenhang wird insbesondere Ministerpräsident Wolfgang Clement genannt.

Die Energiepolitik der Grünen, die einerseits den Ausstieg aus der Kernkraft forderten, sich mittelfristig auch von der Braunkohle verabschieden wollten und stattdessen auf Gas setzen, lasse keine konkreten Ansätze erkennen, wie die Grundlastversorgung mit Strom gesichert werden könne. Beim Gas bestehe ein hohes Preis- und Versorgungsrisiko. Ob Gaskraftwerke nun wirklich wie Pilze aus dem Boden schießen, sei jetzt zwar noch nicht zu sagen. Hochscheid: "Der Anreiz ist aber da."

Quelle: Kölner Stadt Anzeiger 13/11/1999

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8.000 Bergleute demonstrieren in Köln

Clement verspricht Hilfe

Köln (dpa) - Vor rund 8 000 protestierenden Bergleuten hat Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Wolfgang Clement (SPD) die Rücknahme der Steuerbefreiung für hochwirksame Gaskraftwerke gefordert. Die Landesregierung werde Wettbewerbsnachteile für die Kohle nicht hinnehmen, versicherte er am Samstag in Köln den aufgebrachten Bergleuten.

Clement besteht aber offenbar nicht darauf, im Bundesrat mit Nein zu stimmen. "Im Gesetzgebungsverfahren ist eine Enthaltung bereits ein Nein", sagte er der dpa. Nordrhein-Westfalen werde aber alle Möglichkeiten nutzen, um die Befreiung der Gaskraftwerke von der Ökosteuer aufzuhalten. Die Grünen bestehen auf einer Stimmenthaltung Nordrhein-Westfalens im Bundesrat.

Die Bergleute waren aus Sorge um ihre Arbeitsplätze nach Köln gekommen, wo die SPD eine Parteikonferenz mit Bundeskanzler und Parteichef Gerhard Schröder abhielt. Schröder versicherte auf der Konferenz, der Tagebau Garzweiler II werde nicht durch die Ökosteuerreform gefährdet. Die SPD werde dafür sorgen, dass sowohl Garzweiler II als auch die Erneuerung des Kraftwerkparks realisiert werden könnten. Deutschland werde auf Steinkohle und Braunkohle im Energiemix nicht verzichten.

Der SPD-Landesvorsitzende Franz Müntefering wurde von den Bergleuten gellend ausgepfiffen. Sie machten ihn dafür verantwortlich, dass die nordrhein-westfälischen SPD- Bundestagsabgeordneten für die Ökosteuer gestimmt haben. Seine Rede wurde mehrfach durch empörte Zwischenrufe wie "Verräter", "Lügner" und "Aufhängen" unterbrochen. Der stellvertretende Vorsitzende der IG Bergbau, Chemie, Energie, Klaus Südhofer, bezeichnete die Steuerbefreiung für Gaskraftwerke energiepolitisch als "verheerendes Signal". Die Gewerkschaft werde sich damit nicht abfinden.

Die Grünen verlangen eine Stimmenthaltung Nordrhein-Westfalens im Bundesrat. "Der Koalitionsvertrag gilt", sagte Bauminister Michael Vesper (Bündnis 90/Die Grünen). Dort sei ganz klar geregelt, dass sich die Landesregierung bei strittigen Fragen zwischen SPD und Grünen in der Länderkammer der Stimme enthalten müsse.

Der Tagebau Garzweiler II werde kommen, sagte Clement. "Daran gibt es keinen Zweifel." In dieser Frage seien SPD und Grüne "so weit auseinander, weiter kann man nicht auseinander sein". Seinen Koalitionspartner griff der Düsseldorfer Regierungschef scharf an. "Von den Grünen habe ich in letzter Zeit wenig Ratschläge gehört, sondern viele undisziplinierte Äußerungen". Auf die Frage, ob die Koalition in Düsseldorf gefährdet sei, antwortete er: "Von mir aus nicht."

NRW-Umweltministerin Bärbel Höhn (Bündnis 90/Die Grünen) warnte Clement davor, die rot-grünen Regierungen in Bund und Land zu gefährden. Wenn Clement im Bundesrat mit Hilfe der CDU-Länder eine Mehrheit gegen die Bundesregierung zusammen bringen wolle, "muss er sich genau überlegen, was er tut", sagte sie.

Durch die am Donnerstag vom Bundestag beschlossenen Regelungen sollen Gaskraftwerke mit besonders hoher Energieausnutzung von der Ökosteuer befreit werden. Nach Ansicht der Grünen werden sie damit Kohlekraftwerken gleich gestellt. Clement hält das Gesetz dagegen für eine falsche Weichenstellung, da es die Wettbewerbsposition der Kohle verschlechtere.

Der Vorstandsvorsitzende der RWE AG, Dietmar Kuhnt, gab im Kölner "Sonntag-Express" noch einmal der Hoffnung Ausdruck, dass es "im Hinblick auf die anstehenden Investitionen in Milliarden-Höhe in die Braunkohle" noch Änderungen an der Steuervergünstigung für Gaskraftwerke geben werde. RWE begrüße, dass Clement "klar gegen die beabsichtigte Bevorzugung der Gaskraftwerke Stellung bezogen" habe.

Der nordrhein-westfälische CDU-Vorsitzende Jürgen Rüttgers sicherte den Bergleuten die Unterstützung seiner Partei zu. "Den Tausenden von Kumpeln, die heute in Köln gegen den Verrat der SPD demonstrieren, gehört unsere Solidarität", sagte er auf einem Kreisparteitag der CDU in Aachen.

Quelle: Kölner Stadt Anzeiger 13/11/1999

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"Das ist das Aus"

Betriebsräte-Versammlung

Moron versprach Widerstand der Landesregierung

Erftkreis/Jülich - "Wir lassen uns nicht auf dem Altar des Koalitionsfriedens in Berlin opfern." Für diese kämpferische Bemerkung in Richtung der Genossen an der Spree erntete Rheinbraun-Gesamtbetriebsrats-Vorsitzender Erwin Winkel gestern kämpferischen Beifall. Mit Wut und Enttäuschung über die rot-grüne Bundes- und Landesregierung reagierten die Betriebsräte der Bergbaufirma Rheinbraun auf einer kurzfristig einberufenen Versammlung auf die Verabschiedung der Öko-Steuer. "Das ist das Aus für die Braunkohle", schrie einer wütend in den Saal des firmeneigenen Veranstaltungshauses "Kasino Niederzier" bei Jülich. Aber nicht nur gegen die Grünen richtete sich dieses Mal der Zorn der Betriebsräte. Auch Edgar Moron, der die SPD im Land vertrat, geriet schwer ins Kreuzfeuer - und litt erkennbar darunter. Moron bestand jedoch trotz aller Unmutsäußerungen der Betriebsräte gegenüber seiner Partei darauf, dass die Landes-SPD im Streit um die Genehmigung des Tagebaus Garzweiler II immer treu an der Seite der Braunköhler gestanden habe.

"Was nützt uns das heute", schallte es dazwischen. Moron weiß selbst: "Die Braunkohle ist durch den Beschluss, die Besteuerung von Gas zurück zu fahren, gefährdet." Und er weiss, dass es nicht einfach sein wird, das noch zu korrigieren: "Ministerpräsident Wolfgang Clement wird alle Möglichkeiten im Bundesrat ausschöpfen, um das Gesetz in den Vermittlungsausschuss zu kriegen, aber ich kann nicht hundertprozentig sagen, ob uns das gelingt, denn wir brauchen zwar nicht die Hilfe der CDU, aber die der anderen Bundesländer, in denen die SPD mitregiert."

Von verstärkten Kontrollen der Gaskraftwerke (um nachzuweisen, wann der Wirkungsgrad unter die ausgehandelte Grenze von 57,5 Prozent sinkt, und dann die Privilegien wieder aufzuheben) hält Moron nichts: "Die Technik ist im Fluss, bald sind sicherlich Wirkungsgrade von 60 Prozent möglich. Der Vorteil für das Gas muss aus dem Gesetz raus." Gewerkschaftsmann Fritz Kollertz warnte die SPD: "Wir brauchen für Garzweiler II Planungssicherheit über das Jahr 2016 hinaus, sonst überlegt der ein oder andere bald, ob er seine Investitionen macht."

Quelle: Kölner Stadt Anzeiger 12/11/’99

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Für die Kohle gegen die Fraktion
Lennartz lehnte ab - Kühn-Mengel stimmte Gesetz zu


Erftkreis - Der Hürther SPD-Bundestagsabgeordnete Klaus Lennartz hat gestern Abend im Berliner Reichstag gegen den Beschlussentwurf der rot-grünen Regierungskoalition zur zweiten Stufe der Steuerreform gestimmt, die SPD-Abgeordnete Helga Kühn-Mengel aus Brühl dafür. Bekanntlich hatte im Vorfeld der Abstimmung das Gesetz vor allem unter den Abgeordneten aus NRW für Zündstoff gesorgt, weil nicht wenige von ihnen wegen der Steuerbefreiung für Gas- und Dampfkraftwerke (GuD) gravierende Wettbewerbsnachteile für die Steinkohle im Ruhrgebiet und die Rheinische Braunkohle befürchten.

"Ich habe mit ein wenig Bauchschmerzen zugestimmt", sagte Kühn-Mengel dem "Kölner Stadt-Anzeiger". Sie verstehe die Ängste der Arbeitnehmer in der Region, sie glaube aber auch, "dass politischer Schacher auf dem Rücken der Leute betrieben worden ist". Nach allem, was sie in Berlin gehört habe, auch in Gesprächen mit Experten, seien die Sorgen der Leute im Revier "nicht berechtigt". Der Aufschluss des Tagebaus Garzweiler II sei nach dem Beschluss nicht gefährdet. Die Hürde für die Steuerbefreiung sei "so hoch gesetzt, dass keine echte Gefährdung für die Kohle da ist". Allenfalls ein Kraftwerk im Osten könne die geforderten Werte erreichen, aber auch nur in der Anfangsphase des Betriebes.

Im Übrigen sei die Steuerbefreiung zeitlich befristet bis 2003. Und dann würde sie persönlich einer Verlängerung nicht zustimmen. Gestern aber sei es nicht allein um Gaskraftwerke gegangen, sondern um das Gesamtpaket Steuerreform, das sie für gut halte. Schließlich sei damit unter anderem eine Entlastung des Faktors Arbeit (Senkung der Rentenbeiträge) verbunden und eine Förderung des Öffentlichen Personennahverkehrs.

Lennartz hingegen sieht in der Steuerbefreiung von GuD-Kraftwerken, die einen Wirkungsgrad von 57,5 Prozent erreichen, den Beginn eines Verdrängungswettbewerbes insbesondere zu Lasten der Braunkohle. In einer persönlichen Erklärung betonte er, die 57,5 Prozent könnten bereits nach dem heutigen Stand der Technik erreicht werden. Insofern handele es sich um eine Subvention, die keinesfalls zu "technologischen Innovationen" führe.

Die Stellungnahmen von RWE und Rheinbraun, die wegen der Steuerbefreiung ihre Investitionspläne überdenken wollten, müsse man sehr ernst nehmen, sagte Lennartz. Im Klartext heiße dies, dass Garzweiler II und das 20-Milliarden-Programm des RWE für die Kraftwerke auf dem Prüfstand stünden.

Unsichere Lage

Infolge der Steuerbefreiung sei künftig mit einem höheren Anteil des Erdgases an der Stromproduktion zu rechnen. Liefersicherheit und Preisstabilität seien aber außer Acht gelassen worden. Russland sei ein bedeutender Lieferant, niemand wisse jedoch, wie die politische Lage sich dort weiter entwickele.

Hinzu kämen ökologische Nachteile: Falls das RWE aus dem 20-Milliarden-Programm ganz oder teilweise aussteige, blieben die alten Kraftwerke mit einer relativ hohen Schadstoffausstoß erhalten. Aus all diesen Gründen "und weil ich die Existenz von Arbeitsplätzen und vielen Familien unmittelbar bedroht sehe, ist es für mich eine Gewissensentscheidung, diesem Gesetz nicht zuzustimmen", erklärte Lennartz.

Quelle: Kölner Stadt Anzeiger 12/11/’99

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"Naturschutz hinreichend am Verfahren beteiligt"

Verwaltungsgericht Aachen wies Hambach-Klage des BUND zurück

Aachen/Erftkreis. Der erste Zahn war schnell gezogen: "Der Rahmenbetriebsplan kann so schlecht sein, wie er will. Den können Sie als Naturschutzverbände nicht beklagen." Der Vorsitzende Richter, Rüdiger Storch, ließ keinen Zweifel daran aufkommen, dass sich die 3. Kammer des Verwaltungsgerichtes Aachen nur mit einer Frage beschäftigen werde. Und die lautete: Sind die Naturschutzverbände im Rahmen der Genehmigung des Tagebaus Hambach, zweiter Abschnitt, im Sinne des Gesetze ausreichend beteiligt worden oder nicht.

Kammer ließ Frage nach Verfahren offen

Nach gut zweistündiger Verhandlung und kurzer Beratungspause wies die Kammer die Klage des BUND gegen das Bergamt Düren zurück. Nach Auffassung des Gerichtes wäre die Klage des Verbandes nur dann begründet, wenn seine Beteiligung durch "Umgehung" des Planfeststellungsverfahrens verhindert worden wäre. Die Naturschutzverbände seien aber im Rahmenbetriebsplanverfahren hinreichend beteiligt worden, so die kurze Begründung. Insofern könne die Kammer es offen lassen, ob auf ein Planfeststellungsverfahren mit entsprechender Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) habe verzichtet werden können oder nicht. Die Rechte des BUND jedenfalls seien nicht verletzt worden.

Damit hat sich die Kammer im Wesentlichen den Ausführungen des beklagten Bergamtes Düren und der "beigeladenen" Firma Rheinbraun angeschlossen. Beide hatten auf die umfassenden ökologischen Gutachten im Braunkohlenplan (1977 genehmigt) und auf die faktische Beteiligung der Naturschutzverbände am Rahmenbetriebsplanverfahren hingewiesen. Der Rahmenbetriebsplan für den zweiten Teilabschnitt des Tagebaus wurde 1995 rechtskräftig und regelt den weiteren Kohlenabbau bis zum Jahr 2020.

In einer dritten Stufe soll Hambach voraussichtlich bis 2045 fortgeführt werden. Dabei kommt es zur Umsiedlung weiterer Ortschaften, unter anderem von Kerpen-Manheim. Der Hambacher Forst verschwindet restlos, die Autobahn 4 muss in Richtung Buir verlegt werden.

Kläger sieht neues Recht verletzt

Die Naturschutzverbände bestreiten die Beteiligung nicht, hatten aber von Anfang an gerügt, dass zur weiteren Genehmigung des Tagebaus Hambach nach dem seit 1990 gültigen Recht ein falsches Verfahren gewählt worden sei: Es habe ein Planfeststellungsverfahren inklusive UVP vorgenommen werden müssen. Das Bergamt Düren habe sich aber auf das Recht der 70-er Jahre berufen. Beim Termin in Aachen argumentierte der Vertreter der Kläger damit, man könne nicht wissen, welche Erkenntnisse im Rahmen einer UVP gewonnen und zur Stellungnahme vorgelegt worden wären. Man könne auch nicht beurteilen, wie die Behörde damit hätte umgehen müssen. Zu berücksichtigen seien auch die gravierenden Folgen für Mensch und Natur.

Das Verwaltungsgericht folgte dem nicht. Die Kläger hätten auch im Rahmen einer UVP keine weitergehende Beteiligung erreichen können, als sie im gewählten Verfahren gewährt worden sei. Auf eine Diskussion über den im Hambacher Forst ansässigen und vom Aussterben bedrohten Mittelspecht wollte sich der Richter nicht einlassen: "Das steht hier nicht zur Verhandlung."

In einer ersten Stellungnahme zeigten sich BUND-NRW-Vorsitzender Klaus Brunsmeier und Geschäftsführer Dirk Jansen gar nicht so unglücklich mit dem Urteil. Man habe damit gerechnet und ohnehin mehr auf die politische Wirkung gesetzt als auf eine juristische Formalie. Immerhin sei die Klage nicht als unzulässig eingestuft worden. Peter Inden, der Sprecher der "Bürgerinitiativen gegen die Verlegung der A 4", wertete das Urteil sogar "als kleinen Erfolg auf dem Weg, den Tagebau vor der Autobahn zu stoppen".

Quelle: Kölnische Rundschau 11/11/1999

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BUND fiel auf den Bauch

Klage gegen Hambach

Gericht: Keine Verfahrensfehler bei Genehmigung

Aachen/Erftkreis - Das Verwaltungsgericht Aachen hat gestern am frühen Nachmittag die Klage des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) gegen das Bergamt Düren abgewiesen. Außerdem muss der BUND die gesamten Kosten des größtenteils durch private Spenden der "Bürgerinitiative gegen die Verlegung der Autobahn 4" finanzierten Verfahrens tragen - auch die der Firma Rheinbraun, die beigeladen war. Das Gericht widersprach damit der Auffassung, bei der Genehmigung des zweiten Abschnittes des Tagebaus Hambach habe es Verfahrensfehler gegeben. BUND-Landesvorsitzender Klaus Brunsmeier und Landesgeschäftsleiter Dirk Jansen hatten argumentiert, für den nun zu genehmigenden zweiten Abschnitt von 1996 bis 2020 sei ein neues Planfeststellungsverfahren mit umfangreicher Umweltverträglichkeitsprüfung nach modernen Standards nötig gewesen. Das Bergamt und Rheinbraun aber sehen den gesamten Tagebau Hambach als einen Komplex, der schon 1977 genehmigt worden ist.

Richter Rüdiger Storch zitierte eingangs der Verhandlung aus einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zur Genehmigung des atomaren Endlagers Gorleben: "Nicht das Fehlen einer Umwelt-Verträglichkeits-Prüfung führt zur Sanktion, sondern die Umgehung einer solchen Prüfung." Eine solche bewusste Umgehung durch Bergamt oder Bergbautreibende könne bei Hambach II aber nicht festgestellt werden. Dem BUND sei von Bergamt und Rheinbraun durch "umfassende Beteiligung Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden". Eine weiter gehende Kontrolle hätte der Kläger somit auch bei einer anderen Verfahrensform nicht wahrnehmen können, erläuterte Storch das Urteil. Rheinbraun und das Bergamt werteten den Gerichtsentscheid als Erfolg. Der Tagebau Hambach werde plangemäß weiter geführt.

Die glatte Ablehnung der Klage ist natürlich ein herber Schlag für die Aktivisten, die mit einem Zug aus Kerpen-Buir und Düsseldorf angereist waren. Aber das Urteil lässt bei genauerer Betrachtung durchaus noch Spielräume für den Umweltschutz zu, denn: Richter Rüdiger Storch ließ einen, wenn nicht den zentralen Aspekt, unbeantwortet. Es sei "offen", ob das Bergamt Düren bei der Genehmigung des zweiten Abschnittes (von vieren) auf ein Verfahren verzichten durfte, das eine moderne Umweltverträglichkeitsprüfung einschließe, so Storch. Entscheidend war für ihn lediglich, dass das Bergamt und Rheinbraun sich nicht um eine solche Prüfung herum gemogelt haben.

Möglicherweise bringt das die Umweltschützer aber einen Schritt weiter, denn das eigentliche Ziel des gesamten Gerichtsgangs war: Der BUND will bei den Abschnitten drei und vier des Tagebaus Hambach eine Umweltverträglichkeitsprüfung nach neuen Kriterien durchsetzen. Dirk Jansen sagte, die Klage sei der Versuch gewesen, einen Hebel in das Genehmigungsverfahren zu setzen. Der Versuch darf als gescheitert angesehen werden - jedenfalls zunächst.


Quelle: Kölner Stadt Anzeiger 11/11/1999

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Wird die A4 nun doch verlegt ?

Tagebau Hambach: BUND scheiterte mit Klage

Aachen (hl). Rheinbraun darf vorerst weiter buddeln. Nach nur zweieinhalb Stunden Verhandlungsdauer schmetterte am Mittwoch die 3. Kammer des Aachener Verwaltungsgerichts eine Klage von Umweltschützern ab, die gegen den Tagebau Hambach und gegen eine Verlegung der A4 kämpfen.

Mutmaßlicher Formfehler

Ein weiterer Versuch der Umweltschützer ist gescheitert, die ökologischen Schäden in Hambach durch den Braunkohleabbau zu begrenzen. Ein Versuch, der sich auf einem mutmaßlichen Formfehler des Bergbauamtes Düren stützte.

Nach Ansicht des "Bund für Umwelt und Naturschutz" (BUND) hatte das Amt nämlich im Mai 1993 bei der Genehmigung des Rahmenbetriebsplanes der Rheinbraun AG keinen vorgeschriebenen "Planfeststellungsplan mit Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP)" vorgelegt

Ungenügendes Mitspracherecht

Eine solche UVP sei aber seit 1990 gesetzlich vorgeschrieben. Nun klagte der BUND vor Gericht, dass er wegen fehlenden Informationen sein Mitspracherecht damals nur mangelhaft ausüben konnte. "Der Kläger ist nur zum Schein an einem falschen Verfahren beteiligt worden", meinte der Frankfurter Anwalt des "BUND" Dirk Teßmer.

Dem widersprach das Bergbauamt Düren vehement. "Der Kläger hat von uns alles bekommen," so Rolf Petri, Leiter der Behörde. Sein Amt argumentierte, ein Planfeststellungsverfahren mit UVP sei überhaupt nicht notwendig gewesen.

Altes Recht gilt

Schließlich sei schon 1977 nach umfangreichen ökologischen Gutachten der Gesamtplan Hambach bis zum Jahr 2040 vom Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein-Westfalen genehmigt worden. Das Genehmigungsverfahren von 1993 habe nur einen Teilabschnitt des ganzen Projektes umfasst. Daher gelte für sie noch das alte Bergbaurecht.

Für die Kläger war das nicht nachvollziehbar, wisse man doch erst heute von möglichen Umweltschäden.

Keine Verletzung des Rechts

Für die Entscheidung des Gerichts war unerheblich, ob ein UVP nun vorliegen muss oder nicht. Ihm ging es nur um eine mögliche Verletzung des Mitspracherecht. Und die wurde verneint. Der Kläger habe 1993 Raum für eine Stellungnahme gehabt. Auch mit einem UVP hätte das Bergbauamt Düren die gleiche Entscheidung treffen können.

Der "BUND" will nun prüfen, ob sie vor dem Oberverwaltungsgericht Berufung einlegen können.

Quelle: Aachener Nachrichten 10.11.1999

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Weihnachten soll der Turm fertig sein

FDP-Kreisverband besichtigte den BoA-Kühler des Braunkohlenkraftwerks in Niederaußem

Bergheim-Niederaußem. Vor Weihnachten soll die Außenmauer des Kühlers für den BoA-Block des Kraftwerks Niederaußem fertig sein, sagte Baustellenleiter Ulrich Bauch am Dienstag seinen Gästen vom FDP-Kreisverband. Vorausgesetzt, es kommt keine Frostperiode dazwischen. Fünf Minuten braucht der Aufzug mittlerweile, bis FDP-Kreisvorsitzender Horst Engel und sein Gefolge mit den Betonhochbauern in 180 Metern Höhe auf das ringförmige Klettergerüst steigen können. "Über uns liegen nur noch die Schlote der Rauchgasentschwefelung", sagt Bauch.

Von Feuchtigkeit sind die Laufplanken glitschig. Gegen kalten Wind schützen sich viele gleich mit mehreren Schichten Kleidung unter ihren Parkas. Die Wollmütze klemmt sich manch einer zusätzlich unter den Helm. Bei Westwind ist es wie in einer Waschküche. Dann treibt der Wind die Dampfwolken aus den Kühlern des Kraftwerks warm und feucht durch die Bekleidung.

Sie sind mit ihrer Arbeit im Rückstand, erzählen die Arbeiter der Firma Heitkamp den Politikern, weil derBeton Zeit brauche, um auszuhärten.

Noch bis März 2001 werden die Betonhochbauspezialisten an der Baustelle tätig sein. Wenn der 200 Meter hohe Kühler erst einmal entschalt sein wird, werden im Inneren noch Steigschächte für das Kühlwasser gebaut werden und auf dem Grund die Wasserschalen für das Kühlwasser betoniert.

Auch an anderer Stelle gehe es voran, sagte RWE-Baustellenleiter Wilhelm Pitzen. Schon werde die Trocknungsanlage für die Braunkohle gebaut, bald würden Werkstätten eingerichtet, in denen das Innenleben der BoA-Anlage konstruiert werde.

Quelle: Kölnische Rundschau 10/11/’99

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"SPD hat die Braunkohle geopfert"

Heftige Debatte im rheinischen Revier: Bund plant Steuervorteile für Gaskraftwerke

Erftkreis. Mit einem erneut verschärften Kostendruck für die Braunkohle rechnet die Rheinbraun AG, wenn die rot-grüne Koalition in Berlin ihre Steuerpläne am Freitag im Bundestag so verabschiedet, wie es der Finanzausschuss Ende vergangener Woche beschlossen hat. Um ein Viertel müssten die Gewinnungskosten für Braunkohle dann gesenkt werden, heißt es in einer Pressemitteilung des Unternehmens.

Die Steuerpläne sehen vor, die Betreiber von Gas- und Dampfkraftwerken (GuD) von der Mineralölsteuer (Gas gilt steuerrechtlich als Mineralöl) zu befreien, sofern sie einen Wirkungsgrad von 57,5 Prozent erreichen. "Technisch ist das mit GuD, die neu gebaut werden, ohne weiteres möglich", sagt Rheinbraun-Gesamtbetriebsratsvorsitzender Erwin Winkel. "Ich befürchte, dass sich sogar das ein oder andere bestehende Kraftwerk wirtschaftlich nachrüsten lässt."

Wie eine weitere Kosteneinsparung bei der Braunkohle aussehen soll, ist Winkel schleierhaft, beim Personal jedenfalls sei man an der unteren Grenze angelangt. "Die Belegschaft ist tief enttäuscht, dass über die Steuerpolitik einer sozialdemokratisch geführten Regierung weitere Arbeitsplätze bei Rheinbraun gefährdet werden."

Die "Kohlefraktion" innerhalb der SPD habe diesen Kompromiss durchgesetzt, schreibt der Bundestagsabgeordnete Klaus Lennartz. Ursprünglich habe schon ein Wirkungsgrad von 55 Prozent zur Steuerbefreiung führen sollen. Je niedriger der Grad desto höher der Nachteil für die Braunkohle. Lennartz kritisiert, "dass sich insbesondere die CDU-Abgeordneten aus dem Revier ihrer Stimme enthielten".

Das tun die CDU-Landtagsabgeordneten Michael Breuer und Willi Zylajew nicht: "Einige Tausend Arbeitsplätze im rheinischen Revier hat die SPD für den ,Panzerfrieden` mit den Grünen geopfert", sagte Zylajew vor Betriebsräten. "Die Grünen sind gegen die Braunkohle und gegen die Panzerlieferung an die Türkei." In einem Punkt habe man sich durchsetzen wollen, die SPD habe die Braunkohle geopfert. Für Michael Breuer sind die Auswirkungen von 0,7 Pfennig "Gasvorteil" je Kilowattstunde Strom "dramatisch". Damit stünden die Bergleute im Revier nicht mehr in einer fairen Konkurrenz.

Bei seinem Dienstantritt hatte der Rheinbraun-Vorstandsvorsitzende Berthold Bonekamp vor Wettbewerbsverzerrungen gewarnt. Braunkohle, so Bonekamp im Oktober, sei wettbewerbsfähig, dafür werde man hart arbeiten. Einseitige Veränderungen der Bedingungen zu Gunsten anderer Energieträger seien jedoch nicht zu verkraften.

Quelle: Kölnische Rundschau 10/11/’99

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"Politik gegen die Kohle"
Ökosteuer

ko/nk Erftkreis - "Wir kämpfen für Garzweiler. Aber wenn jetzt massiv versucht wird, die Wettbewerbsbedingungen für die Braunkohle zu verschlechtern, müssen wir auf die Konsequenzen hinweisen." Rheinbraun-Sprecher Reiner Hochscheid spricht von einer Blockadepolitik und neuen Hürden und meint damit die vorgesehene zweite Stufe der Steuerreform. Das Unternehmen werde alle Investitionen, also auch Garzweiler II, auf den Prüfstand stellen.

Denn die Steuerpläne, die eine Reduzierung der Abgaben für moderne Gaskraftwerke mit einem Wirkungsgrad von mindestens 57,5 Prozent vorsehen, führten zu einer Senkung der Erzeugungskosten um 0,7 Pfennig je Kilowattstunde. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, müsste Rheinbraun die Gewinnungskosten für Braunkohle um ein Viertel senken.

Helmut de Jong, Betriebsratsvorsitzender des Tagebaus Garzweiler rechnet damit, dass "morgen kein Bagger läuft und die Leute im Büro stehen". Seine Kollegen seien beunruhigt und wollten einfach informiert werden, so de Jong. Der Betriebsrat zeigte sich erzürnt über die Berliner Politik. "Die Grünen nutzen jede Gelegenheit, uns Feuer zu machen", sagte de Jong. In Berlin werde Politik gegen die Kohle gemacht. Der SPD empfahl er den Ausstieg aus der Koalition - in Düsseldorf und in Berlin. "Dann bekommt die SPD auch wieder bessere Wahlergebnisse." Einen Streik der Bergleute mochte de Jong nicht ausschließen, falls die Steuerreform den Bundestag passiert. "Ich kann mir dann alles vorstellen." Der SPD-Bundestagsabgeordnete Klaus Lennartz hatte im Finanzauschuss des Bundestags einen Erklärung abgegeben, in der er sich gegen die Steuerpläne aussprach. An der Abstimmung nahm Lennartz nicht teil. Er rügt hingegen das Abstimmungsverhalten der CDU, die sich in Berlin enthalten habe, im Revier aber gegen die Steuerreform wettere. "Der CDU war der Wirkungsgrad sogar noch zu hoch angesetzt, die haben gesagt, das sei investitionshemmend." Entscheidend sei jetzt aber, wie der Wirkungsgrad der Gaskraftwerke gemessen werde. Dazu werde es einen Erlass geben, der strenge Maßstäbe vorsehe, so dass nur wirklich moderne Gaskraftwerke entlastet würden. Lennartz: "Es darf nicht sein, dass bestehende Kraftwerke entlastet werden."

Die CDU-Landtagsabgeordneten Willi Zylajew und Michael Breuer werfen der SPD vor, sie opfere tausende Arbeitsplätze im Revier. Die Steuerpläne führten zu einem Wettbewerbsnachteil von sieben Mark pro Tonne Braunkohle. "Die Bergleute im Revier können mit guter Leistung in der fairen Konkurrenz bestehen, mit neuen SPD-Mühlsteinen am Hals gehen sie aber unter."

Quelle: Kölner Stadt Anzeiger 10/11/’99

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Mit den Eichen weicht der Mittelspecht

Tagebau Hambach

Stark gefährdete Vogelart findet nur schwer neuen Lebensraum

Erftkreis - Nicht für alle Tierarten, die vom Abbaggern der Bürgewälder im Zuge des Tagebaus Hambach betroffen sind, kann in den rekultivierten Gebieten der Rheinbraun AG geeigneter Lebensraum als Ersatz geschaffen werden. Dies macht eine Untersuchung des Ornithologen Dr. Olaf Denz deutlich, die jetzt in den "LÖBF-Mitteilungen" der Landesanstalt für Ökologie, Bodenordnung und Forsten (LÖBF) veröffentlicht wurde.

Denz hat die Auswirkungen des Tagebaus auf den Bestand des Mittelspechtes (Picoides medius) im Hambacher Forst untersucht, das einzige bedeutende Vorkommen dieser stark gefährdeten Vogelart in der Rheinischen Bucht. Sein Resümee: Da der Mittelspecht auf alte Eichen als Lebensraum angewiesen ist, kann er in den jungen Rekultivierungen nicht siedeln. Auch ein Abwandern in umliegende ältere Waldgebiete, etwa den Lörsfelder Busch oder den Kerpener Bruch, könne im größeren Umfang nur erfolgen, wenn dort mehr Alteichen stehen gelassen würden. Forstwirtschaftliche Ziele sollten deshalb dem Naturschutz untergeordnet werden.

Mit Hilfe von Klangattrappen, die die typischen "Quää-quää-quää"-Rufe des Vogels zur Revierabgrenzung reproduzierten, hatte Denz die Tiere angelockt und damit ihren Bestand erfassen können. Demnach lebten 1998 im Hambacher Forst 34 Brutpaare des Mittelspechtes von insgesamt 550 bis 600 in ganz Nordrhein-Westfalen. 1995 - als der Hambacher Forst noch rund 500 Hektar größer war - siedelten dort noch 52 Pärchen. In den umliegenden Wäldern ist der Mittelspecht nur vereinzelt nachweisbar, wobei der Bestand in den Kerpener Wäldern Parrig und Bruch im gleichen Zeitraum von acht auf 17 angestiegen ist.

Dies, so Denz, sei ein Indiz dafür, dass sich die Population des Mittelspechtes vom Hambacher Forst nur teilweise in benachbarte Wälder, insbesondere den Parrig, verlagere. Dort herrschten nicht so optimale Bedingungen für den Vogel. Denn der bevorzuge ein dichtes Netz alter Eichen, da er in dessen dickborkiger Rinde Insekten als Nahrung finde.

Dass der tagebaubedingte Verlust an Lebensraum des Mittelspechtes bislang offensichtlich auch von benachbarten Altwäldern "nicht kompensiert" werden kann, hat auch Braunkohlegegner alarmiert. Diese sehen darin einen "weiteren Beleg für die rechtswidrig erteilte Genehmigung des Tagebaus Hambach und des damit verbundenen Umweltfrevels von Rheinbraun". Schließlich sei das Land aufgrund der EG-Vogelschutz-Richtlinie verpflichtet, den Bestand stark gefährdeter Arten zu sichern, so Peter Inden von der "Aktionsgemeinschaft gegen die Verlegung der Autobahn 4".

Mit diesen Vorwürfen schieße Inden "mit Kanonen auf Mittelspechte", entgegnet Rheinbraun-Sprecher Guido Steffen. Im Zuge der Genehmigung für den Tagebau Hambach habe es eine umfangreiche ökologische Untersuchung gegeben, um die "unbestritten schädlichen Auswirkungen mit den positiven abzuwägen". Steffen: "Dramatisieren nützt dem Mittelspecht nichts, er wird wegen des Tagebaus nicht aussterben."

So sieht es auch Ulf Dworschak, Biologe bei der Rheinbraun-Forstabteilung: "Der Mittelspecht ist ein Spezialproblem." Anderen Spechtarten habe man helfen können, in dem man in Rekultivierungsgebieten abgestorbene Baumstämme auslege. Dort könnten diese dann ihre Nisthöhlen anlegen. Dem Mittelspecht nütze dies aufgrund seiner Nahrungsvorlieben wenig. "Wir müssen einfach warten, bis der Wald in einigen Jahrzehnten wieder alt genug ist." Solange könne die Vogelart aber in Rückzugsgebieten, etwa der nördlichen Eifel, überleben. "Von dort wird es dann eine Wiederbesiedlung geben."

Quelle: Kölner Stadt Anzeiger 06/11/1999

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Ausbau der A 4

Rat fasste Resolution

uw Frechen. Der neue Stadtrat hat einstimmig eine Resolution an das Bundesverkehrsministerium verabschiedett, mit der der Ausbau der Bundesautobahn A 4 zwischen Köln und Aachen auf sechs Spuren und damit verbundene Lärmschutzwände für die Wohngebiete Buschbell und Neubuschbell gefordert wird.

Wie die CDU-Fraktion in Frechen erfahren haben will, hat der nordrheinwestfälische Verkehrsminister Peer Steinbrück bereits in einem Brief an den Bundesverkehrsminister Reinhard Klimmt kritisiert, dass der Ausbau der A 4 zwischen Autobahnkreuz Köln-West und Autobahnkreuz Kerpen wegen Sparmaßnahmen der Bundesregierung nicht realisiert werden soll. Noch Anfang dieses Jahres, berichtet die CDU-Fraktionsvorsitzende Susanne Holz, hätte ein Planfeststellungsverfahren Hoffnungen genährt, dass der Bau nun bald beginne. Die Stadt hatte daraufhin in ihrer Stellungnahme an die Bezirksregierung Köln auf zeitnahe Umsetzung gedrängt. Gleichermaßen richteten sich die Hoffnungen auf die geplanten beiden Autobahnanschlussstellen, die die Verkehrssituation in Königsdorf entzerren sollen. Die CDU erwartet jetzt einen positiven Bescheid aus dem Bundesverkehrsministerium.

Quelle: Kölnische Rundschau 05/11/1999

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"Aktien kein Tafelsilber mehr"

Landrat Werner Stump will seinen Haushalt zum Teil durch Wertpapierverkäufe decken

Erftkreis. "Es ist nicht die originäre Aufgabe eines Kämmerers, ein Aktiendepot zu verwalten", sagt Kreisdirektor Günter Hoffmann. Damit deutet er schon im Grundsatz an, dass es aus seiner Sicht Sinn macht, sich mittelfristig von einem Erbe zu trennen, das seinerzeit unter anderen Voraussetzungen in den Besitz des Erftkreises beziehungsweise seiner Vorgänger gelangt ist. Da die besondere Stellung der Kreise und Kommunen im RWE-Konzern nicht mehr gegeben sei, müsse man auch mittelfristig nicht mehr als Aktionär auftreten.

Landrat Werner Stump will die kreiseigenen RWE-Aktien nach und nach verkaufen, um Investitionen zu decken und Altschulden abzubauen. 1,1 Millionen Wertpapiere mit einem derzeitigen Wert von rund 84 Millionen Mark hält der Erftkreis. Von Aktien im Wert von rund 20 Millionen Mark will sich Stump, der heute im Kreistag seinen Haushalt 2000 vorstellt, im Laufe des nächsten Jahres trennen.

Der Verkauf ist politisch umstritten. "Auch wir haben uns hin und wieder von solchen Werten getrennt, wenn Gegenwerte geschaffen worden sind", sagt SPD-Fraktionsvorsitzender Edgar Moron und nennt als Beispiel das Gebäude der Berufsschule Brühl, das noch mit 4,1 Millionen Mark in Stumps 20-Millionen-Paket enthalten ist.

"Verkauf muss spitz gerechnet werden"

"Ob es aber Sinn macht, Aktien, die im Wert laufend steigen und über die Dividende Einnahmen sichern, zu verkaufen, um Kredite mit niedrigen Zinsen abzulösen, muss ganz spitz gerechnet werden", so Moron. Es sehe ganz danach aus, als würde der Erftkreis dabei Verluste einfahren.

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Klaus Lennartz drückt es drastischer aus: "Aktienverkauf zur Tilgung von zinsgünstigen Darlehen ist Verschleudern von Vermögen unter Wert."

"Zinsen können auch wieder steigen. Außerdem ist Entschuldung meines Erachtens ein Wert an sich", kontert CDU-Fraktionschef Willi Zylajew. Dennoch müsse da zweifellos ganz genau gerechnet werden. "Verkauf um jeden Preis ist nicht angesagt. Die lohnende Investition in Zukunft oder die geminderte Last für für nachfolgende Generationen müssen klar erkennbar sein."

"Schritt für Schritt und ohne Hast" empfiehlt Ex-Landrat Wolfgang Bell den Abschied vom Depot. "Die Aktien sind nicht mehr das Tafelsilber, das man hütet wie seinen Augapfel. Die Zeiten haben sich geändert." Es sei ein Irrtum zu glauben, man könne über das Wertpapierpaket noch irgendeinen Einfluss auf die RWE AG ausüben. "Damit kann man nicht mal mehr jemandem ein Pöstchen verschaffen", verweist Bell auf die Motivation, die seiner Meinung nach den ein oder anderen Kommunalpolitiker noch umtreibt.

Mit finanziellen Abstrichen beim Verkauf müsse man leben, sagt Bell, so seien halt die haushaltsrechtlichen Bedingungen. "Wichtig ist nicht die Höhe des Verkaufserlöses, sondern der Nutzen, den man damit für die Bürger des Erftkreises erzielt."

"Die Vermeidung von Neuschulden und der Abbau von alten Krediten sind das oberste Ziel", sagt FDP-Fraktionsvorsitzende Anne Schmitt-Sausen. Dies sei auch Gegenstand der Koalitionsverhandlungen mit der CDU gewesen.

Belastunng durch Zins und Tilgung

Auch günstige Zinsen könnten nicht über die Dauerbelastung durch Tilgung und Zins hinwegtäuschen, die in keinem Verhältnis zu den Einnahmen aus dem Aktienpaket stünden. Investitionen seien sinnvoll, wenn Neues geschaffen werde. "Der Kauf der Berufsschule Brühl war rot-grüner Unsinn. Es gab einen sehr günstigen Mietvertrag."

"Wir haben uns bisher nicht gesträubt, wenn es galt Aktien zu verkaufen. Aktuell haben wir jedoch noch Beratungsbedarf", sagt die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Doris Lambertz. Natürlich gelte weiterhin das Prinzip: "Verkauf bei guten, wichtigen Gründen, nicht um jeden Preis.

Bei Verkauf freut sich die WestLB
Kreis kann nicht frei an der Börse handeln

RWE-Aktien gelangten bereits zu Kaisers Zeiten in den Besitz von Kommunen. 1905 erwarben sie erstmals Anteile, 1910 hatten sie die Mehrheit im Aufsichtsrat, ab 1920 hielten sie die Aktienmehrheit. 1923 sank zwar der Anteil am Kapital unter 50 Prozent, durch das Mehrfachstimmrecht der Gebietskörperschaften behielten die Kommunen aber das Sagen. Das Interesse beruhte auf Gegenseitigkeit: Die RWE AG als Regionalversorger wollte die Kommunen mit ihren Stadtwerken als Konkurrenten ausschalten. Die Kommunen ihrerseits ließen sich ihre Betriebe vergolden und wahrten gleichzeitig ihren Einfluss auf die Energieversorgung.

Das Mehrfachstimmrecht, das den Kommunen pro Namensaktie 20 Stimmen einräumte, wurde im Februar 1998 in einer außerordentlichen Aktionärsversammlung abgeschafft. Die Aktien der Kommunen wurden - gegen Entschädigung - in Stammaktien mit einer Stimme umgewandelt. 17 Millionen kassierte der Erftkreis.

Beim Verkauf von Wertpapieren kann der Kreis nicht einfach an der Börse anbieten. Als Mitglied des Verbandes Kommunaler Aktionäre (VKA), in dem neben den Gebietskörperschaften unter anderem auch die Sparkassen und die WestLB organisiert sind, muss der Kreis die Verkaufsabsichten dem VKA mitteilen. Als Kurs wird der mittlere Wert der vergangenen vier Wochen minus zehn Prozent festgelegt. Nur wenn kein VKA-Mitglied zugreift, kann der Kreis frei verkaufen. Das ist allerdings nur Theorie: Die WestLB wird sich ein solches Geschäft nicht entgehen lassen.

Die Dividende brachte dem Kreis im Jahr 1998 nach entrichteter Körperschaftssteuer Einnahmen in Höhe von rund zwei Millionen Mark. Rund 30 Prozent davon waren an Kapitalertragssteuer und Solidaritätsbeitrag zu entrichten. In diesem Jahr ist mit einer Dividende von 2,15 Millionen, also Nettoeinahmen von 1,5 Millionen Mark zu rechnen.

Die Wertentwicklung der RWE-Aktie ist seit Jahrzehnten positiv. Seit Einführung der Aktie im Nennwert von fünf Mark im Jahr 1995, ist der Kurswert von rund 24 Euro 1995 auf rund 39,24 Euro (Kurs 2. November) gestiegen. Der Höchstkurs lag 1998 bei 56,50 Euro.

Den Zeitpunkt des jeweiligen Verkaufs bestimmt die Kreisverwaltung übrigens laut Kreisdirektor Günter Hoffmann wie der Kleinaktionär in der Nachbarschaft: "Die Zeit ist da, wenn wir das Geld brauchen, also wenn Rechnungen oder Kredite fällig werden."

Haushaltsrechtlich gelten die RWE-Aktien als Vermögen - wie Immobilien. Sie gelten nicht als Rücklage und dürfen nicht zur Deckung des Verwaltungshaushaltes verwendet werden.

Quelle: Kölnische Rundschau 04/11/1999

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Stump will RWE-Aktien für 20 Millionen verkaufen
Kreisetat 2000

Landrat: Entlastung der Kommunen, weniger Schulden

Erftkreis - Landrat Werner Stump (CDU) will im nächsten Jahr die Kommunen im Erftkreis durch den Kreishaushalt soweit wie möglich entlasten. Den Entwurf des Etats, den er am 4. November in den Kreistag einbringen will, präsentierte er gestern: Danach soll die Kreisumlage um 0,23 Punkte auf 39 Prozent gesenkt werden. Daneben ist keinerlei Neuverschuldung geplant. Für rund 20 Millionen Mark sollen zudem RWE-Aktien des Kreises verkauft werden, um Geld für Investitionen und zur Verringerung von Altschulden zu haben.

Zwar sei der Haushaltsentwurf für das Jahr 2000 zu 90 Prozent von der Verwaltung "vorgestrickt" gewesen, da er erst kurz im Amt sei, räumte Stump ein. Dennoch habe er Akzente gesetzt und das verwirklicht, was er jahrelang "in anderer Position" gefordert habe. Insbesondere habe er Wert auf "Gemeindefreundlichkeit" gelegt. Zudem wolle er den "schuldenfreien Erftkreis". Durch den Verkauf der Aktien könnten etwa 4,8 Millionen Mark Altschulden abgebaut werden.

Ein Volumen von insgesamt 528,5 Millionen Mark soll der Haushalt haben. 482,5 Millionen entfallen dabei auf dem Verwaltungshaushalt, aus dem die laufenden Kosten - etwa für Personal - bezahlt werden. 46 Millionen Mark beträgt das Volumen des Vermögenshaushaltes, aus dem neue Investitionen finanziert werden.

Finanzrisiko REVG

Als positive Entwicklung, die sich auch im nächsten Haushalt bemerkbar mache, lobte Stump die Entwicklung der Sozialhilfekosten. "Zum ersten Mal seit Jahren sind diese rückläufig."

Grund dafür seien die sinkenden Fallzahlen, die auch auf das Projekt "Arbeit statt Sozialhilfe" des Kreises und der Kommunen zurückzuführen seien. So bekamen Anfang 1998 noch 21.979 Menschen im Kreis Sozialhilfe, Ende September 1999 waren es nur noch 19.535. Dieser Trend müsse fortgeführt werden.

Größtes Risiko für die Finanzsituation des Kreises sei die Rhein-Erft-Verkehrsgesellschaft (REVG). Gerade erst habe diese wieder vier Milionen Mark an Zuschuss beantragt. Die will der Kreis zur Sicherstellung der notwendigen Liquidität noch dieses Jahr selber zahlen, obwohl man sie auch zu 70 Prozent auf die Kommunen hätte umlegen können, so Stump. Der voraussichtliche Zuschussbedarf der REVG steige damit für 1999 auf 16,5 Millionen Mark. Als Landrat wolle er diese Entwicklung stoppen. Dabei werde berücksichtigt werden müssen, was die Ende September umgesetzte Fahrplanänderung gebracht habe, bei der viele Fahrten gestrichen wurden.

Stump geht davon aus, dass der "Millennium-Haushalt 2000" am 16. Dezember ("Mein Geburtstag") vom Kreistag verabschiedet wird. Eine erste Stellungnahme zum Entwurf gibt es dabei schon von der SPD-Fraktion: Dieser trage deutlich "die Handschrift der Haushaltspolitik der vergangenen Jahre", so Fraktionschef Edgar Moron. Man sehen in dem Entwurf eine "Bestätigung" eigener Politik. Allerdings müsse über den Verkauf der RWE-Aktien noch nachgedacht werden.

Quelle: Kölner Stadt Anzeiger 26/10/’99

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"Die Marktlage zwingt weiter zum Sparen"

Rheinbraun unter neuer Führung


Berthold Bonekamp ist am Montag zum neuen Vorstandsvorsitzenden der Rheinbraun AG berufen worden.

Frage: Herr Bonekamp, Sie sind zum Nachfolger von Dieter Henning ernannt worden. Was haben Sie von Ihrem Vorgänger gelernt, was werden Sie anders machen?

Bonekamp: Ich habe Herrn Henning als Unternehmer schätzen gelernt, der bei aller Weltläufigkeit nie die Bodenhaftung verloren hat. Er war den Regionen, in denen er arbeitete, und den dort lebenden Menschen in besonderer Weise verbunden. Was ich anders machen will: Ich trete mein neues Amt nicht mit dem Anspruch an, das Rad neu erfinden zu müssen, aber jede Zeit hat ihre eigenen Herausforderungen. Die Hauptaufgabe liegt darin, in dieser schwierigen Marktsituation die Wettbewerbsfähigkeit und damit die wirtschaftliche Position von Rheinbraun nachhaltig zu sichern.

Frage: Sie sind der erste Rheinbraun-Chef, der nicht auch Vorstandsmitglied der RWE AG ist. Schmälert das Ihren Einfluss?

Bonekamp: Rheinbraun steht im RWE-Konzern nach wie vor an zentraler Stelle. Unsere nationalen und internationalen Aktivitäten im Braunkohlenbergbau, im Steinkohlenbergbau und im weltweiten Handel mit festen Brennstoffen werden durch die neue Konzernvision als Kerngeschäft bestätigt. Wir begrüßen es natürlich, dass der Konzern alle Kraft darauf konzentrieren will, in diesen Geschäftsfeldern zu wachsen. Im Übrigen hängt der Stellenwert von Rheinbraun nicht von organisatorischen Strukturen ab, sondern von der Wettbewerbsfähigkeit der Produkte und Dienstleistungen.

Frage: Die RWE-Vorstände Dietmar Kuhnt und Manfred Remmel haben bei der Jahrespressekonferenz klar definiert, wo das Ziel liegt: Gewinn um jeden Preis in jedem Bereich des Unternehmens. Wie erreicht Rheinbraun das Klassenziel?

Bonekamp: Von einem Gewinn um jeden Preis hat nie jemand gesprochen, aber natürlich erwartet der Konzern von jedem Unternehmensbereich angemessene Ergebnisbeiträge. Sie sichern die Zukunft des Unternehmens. Rheinbraun hat bisher immer wesentliche Beiträge zum Konzernergebnis geleistet, dies gilt insbesondere ja auch für das abgelaufene Geschäftsjahr. Wir arbeiten daran, dass Rheinbraun weiterhin vernünftige Ergebnisse erzielt.

Frage: Wettbwerbsfähigkeit ist ein viel zitiertes Stichwort. Aber sie wird für die Braunkohle nie klar definiert. Wo liegt der Fixpunkt?

Bonekamp: Durch Liberalisierung und Globalisierung vollzieht sich auf den Energiemärkten ein dramatischer Wandel. Derzeit gibt es einen knallharten Verdrängungswettbewerb, in dem mit Preisen, die mit Kosten wenig zu tun haben, um Marktanteile gekämpft wird; dieses Ausscheidungsrennen wird wohl noch eine Weile so weitergehen. Rheinbraun wird diese Phase überstehen, denn wir haben eine gute Ausgangsbasis und einen langen Atem. Das Klassenziel erreicht derjenige, der Markt-, Preis- und Technikführerschaft gewinnt.

Frage: RWE will sich aufs Kerngeschäft konzentrieren. "Multi Energy/Multi Utility" heißt die Zauberformel. Die Bergleute übersetzen das mit "Lohnverzicht" und "Stellenabbau". Haben Sie eine bessere Übersetzung?

Bonekamp: Immer wieder wird versucht, Gewinne gegen Arbeitsplätze auszuspielen. Dahinter steckt ein falscher Denkansatz, denn nur ein wirtschaftlich erfolgreiches Unternehmen kann langfristig sichere Arbeitsplätze bieten. Die Konzentration des RWE-Konzerns auf Multi Energy/Multi Utility sichert wirtschaftlichen Erfolg, denn damit stellt sich der Konzern schnell und entschlossen auf eine schwierige Marktsituation ein. Natürlich muss weiter gespart werden, und das bedeutet auch - aber nicht nur - Abbau von Arbeitsplätzen. Dieser Prozess läuft nun schon einige Jahre, und wir haben in enger Abstimmung mit den Belegschaftsvertretern sicherstellen können, dass die berechtigten Interessen der Mitarbeiter dabei nicht auf der Strecke geblieben sind. Das wird so bleiben.

Frage: Wie viele Mitarbeiter wird Rheinbraun in fünf Jahren noch beschäftigen?

Bonekamp: Der Kostendruck und damit die Notwendigkeit zu sparen wird weiter anhalten. Im Klartext: Die weitere Personalentwicklung hängt von der Marktlage ab.

Frage: Welche Sorgen haben Sie beim Blick in die Zukunft des Unternehmens?

Bonekamp: Sorgen macht mir, dass in Teilen der Politik immer noch Pläne verfolgt werden, die Braunkohle durch Verschlechterung der Rahmenbedingungen - etwa indem für Gaskraftwerke zusätzliche steuerliche Anreize geschaffen werden - zurückzudrängen. Um es klar zu sagen: Unter den heutigen, besonders angespannten Wettbewerbsbedingungen kann jede zusätzliche Belastung für die Braunkohle das Fass zum überlaufen bringen.

Frage: Was stimmt optimistisch?

Bonekamp: Wir haben eine gute und motivierte Mannschaft, haben früh mit der Rationalisierung begonnen, und wir verfügen über eine solide Finanzausstattung. Bei unseren nationalen Aktivitäten haben wir die Weichen auf Konsolidierung gestellt. Im Ausland stehen die Zeichen auf Wachstum. Rheinbraun ist eines der führenden Bergbauunternehmen weltweit und wird diese Position ausbauen.

Quelle: Kölnische Rundschau 22/10/’99

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"Keinerlei Anlass für Komplexe"

Interview

Herr Bonekamp, was, glauben Sie, hat den Aufsichtsrat bewogen, Sie zum Vorstandsvorsitzenden zu machen? Wie schätzen Sie sich selbst ein, was sind Ihre Stärken?

Bonekamp: Ich bin seit 20 Jahren bei Rheinbraun, ich habe an verschiedenen Stellen im Unternehmen und bei Tochtergesellschaften gearbeitet. Ich kenne also Rheinbraun ganz gut. Zudem habe ich Ausbildungen als Kaufmann und Techniker - in den beiden Feldern, die bei Rheinbraun besonders wichtig sind. Schließlich habe ich bisher als Vorstand das internationale Engagement von Rheinbraun verantwortet, einen Bereich, der künftig an Bedeutung noch zunehmen wird. Das zusammen mag eine Rolle gespielt haben bei meiner Bestellung. Vielleicht kommt hinzu - und damit bin ich bei dem, was ich für meine Stärken halte -, dass ich glaube, ein ganz guter Teamarbeiter zu sein. Es kommt immer mehr darauf an, die komplizierter werdenden Aufgaben als gemeinsame zu begreifen und zu lösen.

Und Ihre Schwächen?

Bonekamp: In so einem Unternehmen wie Rheinbraun trifft man, wie in anderen großen Systemen auch, immer wieder auf Beharrungskräfte, die das Leben schwer machen, wenn man schnell und flexibel auf Marktsituationen reagieren muss. Die Geduld damit ist sicher nicht meine stärkste Tugend.

Sie übernehmen den Vorstandsvorsitz in einer schwierigen Situation. Rheinbraun ist nicht mehr im Holding-Vorstand von RWE vertreten. Wird die Braunkohle nun im Konzern untergebuttert?

Bonekamp: Ich stimme Ihrer Feststellung zu, dass ich mein neues Amt in einer schwierigen Situation antrete. Allerdings teile ich die Einschätzung nicht, dass unser Unternehmen Gefahr läuft, im RWE-Konzern untergebuttert zu werden. Unsere nationalen und internationalen Aktivitäten werden - wie bereits gesagt - durch die neue Konzernvision als Kerngeschäfte definiert, auf deren Entwicklung alle Kraft konzentriert werden soll. Das begrüßen wir natürlich. Im übrigen wird der künftige Stellenwert der Braunkohle nicht von organisatorischen Strukturen abhängen, sondern von der Wettbewerbsfähigkeit unserer Produkte und Dienstleistungen. Darauf konzentrieren wir uns.

RWE schielt nach Partnern im Ausland. Um sich auf dem Strommarkt durchsetzen zu können, wird offenbar an einem großen Stromkonzern gearbeitet. Im Gespräch sind britische Stromerzeuger, VEW und die Zusammenarbeit mit EdF. Was wollen Sie tun, damit Rheinbraun nicht zu einem kleinen Rädchen in einem riesigen Energiekonzern wird?

Bonekamp: Rheinbraun gehört mit den Aktivitäten in der Braunkohle, in der Steinkohle und im Kohlehandel auch künftig zum Kernbereich des auf Multi Utility/ Multi Energy (Energie und energienahe Dienstleistung) orientierten RWE-Konzerns. Schon heute ist Rheinbraun mit der Beteiligung Consol eines der größten Bergbauunternehmen weltweit. Wir werden diese Aktivitäten gezielt weiter ausbauen und mit dem Konzern wachsen. Wir haben keinerlei Anlass für Minderwertigkeitskomplexe.

Sie sind im Rheinbraun-Vorstand für das Auslandsgeschäft zuständig. Deutet Ihre Berufung zum Vorstandsvorsitzenden darauf hin, dass diese Sparte immer wichtiger wird und die rheinische Braunkohle nur noch eine nachgeordnete Rolle spielt?

Bonekamp: Die rheinische Braunkohle ist und bleibt eine tragende Säule unseres Geschäfts. Auch wenn wir hier keine Wachstumsperspektiven sehen, kann diese Industrie noch für lange Zeit einen wichtigen Beitrag zu einer sicheren und preiswerten Energieversorgung leisten. Für das Revier bedeutet das Wirtschaftskraft und Arbeitsplätze.

Die Braunkohle hat es schwer, sich gegen die Konkurrenz-Energien zu behaupten. Grube Carl wurde geschlossen, die Kohlevergasung in Berrenrath eingestellt, die Tage der Brikettfabrik Ville/Berrenrath sind gezählt, der erste Kessel beim Go-Werk abgeschaltet. Da fällt es schwer, an die Zukunft der Braunkohle zu glauben.

Bonekamp: Es ist völlig natürlich, dass wir auf Marktsituationen reagieren müssen. Die Wirtschaft ist ein dynamischer Prozess, und solche betrieblichen Anpassungen sind Normalität. Wenn Sie von Stilllegung sprechen, müssen Sie natürlich auch nach Niederaußem schauen, wo derzeit das größte und modernste Braunkohlenkraftwerk der Welt hochgezogen wird. Das ist eine gewaltige Investition in die Zukunft der Braunkohle.

Wird - so wie die Marktchancen für Braunkohle zur Zeit aussehen - Garzweiler II eigentlich noch aufgeschlossen?

Bonekamp: Natürlich sind wir nicht unbeeindruckt von der Entwicklung auf den Energiemärkten, aber man darf Energiepolitik nicht kurzfristig sehen, sondern muss langfristige Marktentwicklungen im Auge haben. Wir wollen Garzweiler II realisieren, wir haben dafür alle nötigen Schritte getan und sind deshalb im Zeitplan. Wir nehmen aber zur Kenntnis, dass immer noch in Teilen der Politik daran gearbeitet wird, Garzweiler II auf dem Umweg über die Veränderungen von Rahmenbedingungen zu Lasten der Braunkohle zu erledigen. Ich kann mir allerdings nicht vorstellen, dass verantwortliche Politik dies zulässt.

Rheinbraun (und RWE) baut immer weiter Arbeitsplätze ab. Wie viele wollen Sie noch streichen?

Bonekamp: Die weitere Personalentwicklung hängt von der Marktentwicklung ab. Ich will darüber nicht spekulieren, aber klar ist: Der Kostendruck wird weiter anhalten, und das zwingt Rheinbraun auch weiter zu sparen, nicht nur, aber auch durch weiteren Personalabbau. Dieser Prozess läuft schon einige Jahre, und ich denke, Rheinbraun hat bei notwendigen Rationalisierungsmaßnahmen die Interessen der Mitarbeiter nie aus den Augen verloren. Das wird sich nicht ändern.

Wie passt die Reduzierung der Arbeitsplätze mit dem hohen Gewinn zusammen, den Rheinbraun und der Konzern - trotz sinkender Einnahmen beim Stromverkauf - immer noch machen?

Bonekamp: Zum einen: Es wird zwar immer wieder versucht, Gewinne gegen Arbeitsplätze auszuspielen. Der dahinter stehende Denksatz führt aber völlig in die Irre, denn nur ein wirtschaftlich erfolgreiches Unternehmen kann langfristig sichere Arbeitsplätze bieten. Insofern freuen wir uns auch über das gute Ergebnis des abgelaufenen Geschäftsjahres.

Wenn Sie nicht mit Kohle beschäftigt sind, was sind Ihre Hobbys?

Bonekamp: Ich bewege mich gern in der freien Natur, am liebsten mit der Familie und besonders gern in Gegenden, wo man gut essen und trinken kann.

Sie sind geborener Münsterländer, leben aber seit Jahren im Rheinland. Wo gefällt es Ihnen besser? Oder: Trinken Sie lieber Kölsch oder Pils?

Bonekamp: Nach 20 Jahren im Rheinland stellt sich eine solche Frage selbst für einen Westfalen nicht mehr. Dafür habe ich ein anderes Problem. Ich wohne in Grevenbroich. Quasi durch meinen Vorgarten läuft die Grenze zwischen Kölsch- und Alt-Region. Damit stehe ich in einem Konflikt, der das Spannungsfeld zwischen Rheinländern und Westfalen weit in den Schatten stellt.

Quelle: Kölner Stadt Anzeiger 22/10/’99

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Auf die Braunkohle kann man sich verlassen

Rheinbraun hat Geschäftsbericht vorgelegt

Köln (an-o). Die Rheinbraun AG hat im Geschäftsjahr 1998/99 (30. Juni) ihre Braunkohleförderung im Rheinland mit rund 96 Millionen Tonnen auf Vorjahresniveau gehalten. Dies geht aus dem Geschäftsbericht 98/99 hervor, den das Unternehmen am Dienstag vorgelegt hat.

Rheinbraun erwarte, dass die heimische Braunkohle auch "unter verschärften Wettbewerbsbedingungen auf dem Strommarkt bestehen und weiterhin eine stabile und verlässliche Säule der deutschen Stromversorgung" bleiben werde.

Konkurrenz verschärft

Die Liberalisierung des Strommarkts und das "historisch niedrige" Preisniveau für Importenergien hätten die Konkurrenzsituation der Braunkohle jedoch erheblich verschärft.

Von der rheinischen Braunkohleförderung 1998/99 in Höhe von 96,6 Millionen Tonnen seien 85,2 Millionen Tonnen (plus 1,5 Prozent) an die RWE Energie AG zur Stromversorgung geliefert worden.

Geringerer Umsatz

Die Umsatzerlöse von Rheinbraun haben sich nach Angaben des Unternehmens um 5,5 Prozent auf 1496 Millionen Euro (2 926 Millionen DM) verringert. Hauptursache dafür sei eine erneute Senkung des Kraftwerkskohlenpreises, mit der Rheinbraun die Kostensenkungserfolge an den Kunden RWE Energie weitergegeben habe.

Der Personalbestand der Aktiengesellschaft habe sich im Vergleich zum Vorjahr um 2,7 Prozent auf 11.318 Mitarbeiter verringert.

Ergebis verbessert

Trotz der Umsatzeinbußen habe sich das Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit der Gesellschaft im Vergleich zum Vorjahr um 118 Millionen Euro auf 308 Millionen Euro (602 Millionen DM) verbessert.

Dies sei auf die Veräußerungen der Uranerzaktivitäten sowie auf ein deutlich verbessertes Beteiligungsergebnis zurückzuführen.

Mehr an RWE abgegeben

Den Angaben zufolge wurden nach Abzug der Steuern an die Muttergesellschaft RWE AG 220 Millionen Euro (430 Millionen DM) abgeführt. Das seien 127 Millionen Euro mehr als im vorigen Geschäftsjahr.

Die Lausitzer Braunkohle AG (Laubag), bei der Rheinbraun die unternehmerische Führung hat, förderte laut Geschäftsbericht 1998/99 rund 44,6 Millionen Tonnen Kohle. Das entspreche einem Rückgang um 6,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Quelle: Aachener Nachrichten 19.10.1999

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Geschäft im Ausland gemacht

Jahresbilanz Rekordgewinn - Aber Einbußen bei Braunkohle-Erlösen

Erftkreis - Die Zeiten sind schwieriger geworden. Die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Braunkohle sei aber gesichert, heißt es im Geschäftsbericht von Rheinbraun. Die Umsatzerlöse aus dem Braunkohlengeschäft sind allerdings gesunken - um 5,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Dennoch hat der Gewinn mit 602 Millionen Mark einen neuen Rekord erreicht. Hohe Erträge brachten die Beteiligung am amerikanischen Steinkohle-Unternehmen Consol und der Verkauf der Uran-Erzgruben in Übersee. 430 Millionen Mark wurden an die Mutter RWE überwiesen.

Rheinbraun förderte wie im vorigen Jahr 96,6 Millionen Tonnen Kohle im Rheinischen Revier, verkaufte sogar 1,5 Prozent mehr Kohle an RWE Energie (85,2 Millionen Tonnen), konnte aber nicht die Erlöse des Vorjahres erreichen. Der Grund: Rheinbraun hat im laufenden Jahr den Kohle-Preis um etwa vier Prozent gesenkt. Um acht Prozent ist der Absatz von Veredelungsprodukten wie Staub und Brikett gesunken. 11 334 Tonnen Braunkohle wurden verarbeitet. Im Vorjahr waren es 12 607 Tonnen gewesen.

Die Lausitzer Braunkohle AG, bei der Rheinbraun die unternehmerische Führung hat, hat mit 44,6 Millionen Tonnen knapp sieben Prozent weniger gefördert als im vorigen Jahr. Hauptgrund dafür sei die geringere Abnahme durch den wichtigsten Kunden, die VEAG. Die Kraftwerke des Unternehmens hätten durch höhere Nutzungsgrade weniger Kohle verbrannt.

Rheinbraun setzt weiterhin auf die Braunkohle, im Revier und in den Ländern Mittel- und Osteuropas. Im Revier sei mit der Genehmigung des Tagebaus Garzweiler II die Voraussetzung für eine langfristig gleichbleibende Fördermenge geschaffen worden. Für das Auslandsengagement bildet die Beteiligung an der ungarischen Braunkohlen- und Kraftwerksgesellschaft Matra den Ausgangspunkt. Rheinbraun beschäftigt 11.318 Mitarbeiter, 312 weniger als 97/98. Dagegen hat das Unternehmen die Zahl der Ausbildungsplätze auf 210 erhöht.

Quelle: Kölner Stadt Anzeiger 19/10/'99

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"Er ist ein offener Typ"

Betriebsräte bekamen ihren Wunschkandidaten

Für die Arbeitnehmer ist Bonekamp eine sehr gute Wahl", sagte der Vorsitzende des Rheinbraun-Gesamtbetriebsrates, Erwin Winkel, gestern, nachdem feststand, dass Berthold Bohnekamp neuer Vorstandsvorsitzender der Rheinbraun AG ist. Die Arbeitnehmer könnten zu ihm das Vertrauen aufbauen, das bislang zum Rheinbraun-Chef Dr. Dieter Henning bestanden habe. "Auch Bonekamp weiß, wie in der Belegschaft gedacht wird." Dass der Mann, der nun an der Spitze des Braunkohlenunternehmens steht, sein Wunschkandidat war, daraus macht Winkel keinen Hehl. Er sei bereits mit dem neuen Chef im Gespräch. Intensiv wird Winkel in der übernächsten Woche mit Bone¦kamp die anstehenden Probleme beraten.

Da ist zunächst der Umbau des Konzerns, der dem Betriebsrat Kopfzerbrechen bereitet. In Bone¦kamp aber sieht er einen Garanten dafür, dass die Mitbestimmung nach wie vor praktiziert und ausgebaut wird. Grundsätzlich werde es aber mit dem neuen Spitzenmann "keine neue Politik geben". Das bedeute, dass der Umbau des Konzerns und der extrem starke Wettbewerb weiterhin Arbeitsplätze kosten werden. Ein weiterer Abbau von Arbeitsplätzen sei aber nur da möglich, wo Betriebsteile wie die Brikettfabrik Ville/Berrenrath oder der ausgekohlte Tagebau Fortuna/Bergheim tatsächlich stillgelegt würden. Nur in solchen Fällen könnte Personal sozialverträglich abgebaut werden. Ansonsten sei das Unternehmen "am Limit". Winkel: "Wir haben den Endstand erreicht."

Der neue Vorsitzende ist kein Bergmann, sondern Ingenieur und Kaufmann. Damit wird eine alte Tradition aufgegeben. Ein Problem für die Kumpel? Helmut de Jong, Betriebsratsvorsitzender im Tagebau Garzweiler, glaubt das nicht. Man dürfe "den Bergmann" nicht überbewerten, sagte de Jong unmittelbar nach Bekanntwerden der Entscheidung. Der neue Chef müsse vor allem strategisch denken und danach seine Entscheidungen treffen.

De Jong: "Bone¦kamp kennt das Unternehmen." Wichtig sei, dass die Führung von Rheinbraun die Interessen der Braunkohle in der Konzernspitze vertrete. Auch Helmut de Jong hofft, dass der neue Chef die Mitarbeiter "als das höchste Gut" hegt, die Mitbestimmung achtet und mit den Betriebsräten zusammenarbeitet. Große Probleme sieht er da aber nicht. "Bonekamp ist ein offener Typ."

Quelle: Kölner Stadt Anzeiger 19/10/'99

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Der neue Chef heißt Bonekamp

Nachfolge Henning

Vorstand hat nur noch vier Sitze

Erftkreis - Berthold Bonekamp wird neuer Vorsitzender der Rheinbraun AG. Das hat der Aufsichtsrat gestern nachmittag auf einer außerordentlichen Sitzung in Essen einstimmig beschlossen. Der 49-Jährige ist Nachfolger von Dr. Dieter Henning, der aus gesundheitlichen Gründen Ende September auf eigenen Wunsch aus dem Unternehmen ausgeschieden ist.

Bonekamp ist seit Anfang 1998 Mitglied des Rheinbraun-Vorstandes. Das Führungsgremium wird künftig nur noch vier Sitze haben. Die Verkleinerung des Vorstand passe in die Zeit, hieß es zur Begründung bei Rheinbraun. Der Vorstand der RWE AG war bereits von elf auf fünf Sitze verkleinert worden.

Berthold Bonekamp gilt im Unternehmen als dynamischer und unkonventioneller Mann. Und obwohl er das erste Rationalisierungsprogramm bei Rheinbraun mit auf die Schiene gesetzt hat - in knapp sechs Jahren wurden rund 4000 Arbeitsplätze abgebaut -, genießt er offenbar auch das Vertrauen der Betriebsräte (siehe nebenstehenden Kasten).

Man sagt Bonekamp nach, dass er mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg hält, auch wenn diese unbequem ist, stets aber in Gesprächen nach Kompromissen sucht. Als "fair und offen" wird er beschrieben, als jemand, der sich an Vereinbarungen hält. Erstmals steht kein Bergmann an der Spitze des Unternehmens, doch Bonekamp hatte als Leiter der kaufmännischen Gruppenverwaltung Tagebau Kontakt zum operativen Geschäft.

Technische Zusammenhänge dürften ihm nicht ganz fremd sein. In Coesfeld wurde er zum Maschinenschlosser ausgebildet, studierte dann Maschinenbau in Münster, nach dem Abschluss als graduierter Ingenieur dann dort Betriebswirtschaft. Seit 1981 ist Bonekamp bei Rheinbraun, durchlief verschiedene Abteilungen, erhielt 1994 Prokura, wurde ein Jahr später Geschäftsführer der Rheinbraun Handel und Dienstleistungen GmbH.

Am 1. Januar 1998 wurde Bonekamp in den Rheinbraun-Vorstand berufen. Dort ist er - auch weiterhin - für das Auslandsgeschäft zuständig, eine wichtige Sparte mit Wachstumspotenzial. Unter seiner Regie übernahm Rheinbraun die Mehrheit am US-Steinkohleförderer Consol, wurde Consol an der New Yorker Börse plaziert. Bonekamp ist verheiratet, hat zwei Kinder und wohnt in Grevenbroich.

Quelle: Kölner Stadt Anzeiger 19/10/'99

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Wasser für Kraftwerke der Region

Rheinbraun lässt eine neue Rohrleitung bauen, die vom Tagebau Hambach zum Erftkanal führt

Bergheim-Thorr. Auf dem Feld zwischen Kreisstraße 22 und Wiebach sind umfangreiche Bauarbeiten im Gang. Fast in der Breite einer Straßentrasse haben die Baufahrzeuge den Mutterboden abgetragen und das Erdreich freigelegt. Die Baufachleute arbeiten im Auftrag des Unternehmens Rheinbraun, das hier die neue Wassertransporttrasse Wiebach II errichten lässt.

"Die neue Leitung kommt vom Tagebau Hambach und führt an Berrendorf über Widdendorf vorbei zur K 22", erläuterte Manfred Wüllner von der Abteilung Tiefbau der Bergheimer Stadtverwaltung gestern. Wiebach II werde eines Tages parallel zur schon vorhandenen Wasserleitung Wiebach I laufen.

Was die neue Transportleitung von der alten unterscheidet, erläuterte Roland Dittrich von Rheinbraun: "Die alte Leitung ist ein Freispiegelkanal, in dem das Wasser einfach durchfließt, wie er auch bei der städtischen Kanalisation üblich ist. Wiebach II wird eine Druckrohrleitung, die auch zur Kraftwerkversorgung geeignet ist." Dazu seien Rohre mit einem Innendurchmesser von zwei Metern notwendig. Die neue Leitung werde am Erftkanal bei Bergheim-Kenten enden. Dort mündet zur Zeit auch die alte Wasserleitung Wiebach I in den Kanal. Die neue Transportleitung wird das auch können. Sie soll aber ebenfalls an die neben dem Kanal verlaufende Druckrohrleitung für die Versorgung der Kraftwerke in der Region angeschlossen werden. Wohin das Wasser fließt - ob in den Kanal oder ins Kraftwerksnetz - soll dann eines Tages mit einer Art Schieberbauwerk zu regeln sein.

Doch bis dahin wird noch einige Zeit vergehen. Zur Zeit wird entlang der Trasse der Mutterboden abgetragen. Gleichzeitig werden an allen Straßen, die im Wege liegen, die Rohre im Unterpressverfahren verlegt. Bis 2001, so die Planung, werden die Bauarbeiten dauern. Ist die Leitung verlegt, wird der Mutterboden wieder aufgebracht, so dass die Landwirte danach auch wieder ihre Felder bestellen können.

Quelle: Kölnische Rundschau 13/10/'99

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Lennartz: Widerstand gegen Steuerbefreiung für Erdgas

Bündnisgrüne schlagen weitere Stufe der Ökosteuerreform vor

Erftkreis - Seinen entschiedenen Widerstand gegen eine Steuerbefreiung für Erdgas hat der SPD-Bundestagsabgeordnete und Vorsitzende des SPD-Unterbezirks Erftkreis, Klaus Lennartz, jetzt in Berlin angekündigt. Mit seinem Widerstand steht Lennartz an der Spitze einer ganzen Reihe von sozialdemokratischen Bundestagsabgeordneten vorwiegend aus den bundesdeutschen Kohlenrevieren.

Der bündnisgrüne Koalitionspartner hatte eine Steuerbefreiung für Erdgas als ein Bestandteil der Ökosteuerreform in die Diskussion ins Bundeskabinett gebracht. Auch die SPD-Fraktion habe das Thema in den Arbeitsgemeinschaften Finanzen, Energie und Kommunales diskutiert. Mit einem eindeutigen Ergebnis, wie Lennartz berichtet: "Alle waren dagegen." Mittlerweile sei sogar Bundeswirtschaftsminister Müller auf seiner Linie und damit auf eine Ablehnung der Vorschläge eingeschwenkt, sagt Lennartz.

Was Lennartz und seine Bundestagskollegen an der Steuerbefreiung stört, ist die "enorme Wettbewerbsverzerrung gegenüber anderen Energieträgern wie Braun- und Steinkohle, aber auch regenerativen Energien, die das zur Folge hätte". Darüber hinaus habe der Vorschlag zur Folge, dass sich Investitionen, etwa in Braunkohlekraftwerke, nicht mehr lohnten. Denn ihr Bau sei erheblich teurer, das Unternehmen müsse mehr Geld abschreiben, das aber schmälere die Dividende.

Lennartz: "Das könnte zum Beispiel bedeuten, dass die Nachrüstung für BoA nicht zum Tragen kommt, weil sie zu teuer ist." Weil mittlerweile viele in der SPD-Bundestagsfraktion seine Ansicht teilten, ist sich Lennartz sicher: "Das wird den Bundestag nicht passieren."

Derweil hat der energiepolitische Sprecher der Bündnisgrünen im Erftkreis, Uwe Walter, davor gewarnt, "nicht nur auf die billigste Stromquelle zu schauen". Es sei zwar gut und zu begrüßen, "wenn in die Stromwelt etwas Wettbewerb hineinkommt". Doch ein Preis von 19 Pfennig für die Kilowattstunden sei nicht das Einzige. Vielmehr müsse man auch darauf achten, in welcher Art und Weise der Strom erzeugt worden sei und ob die Entsorgungskosten sowie die Folgekosten für die kommenden Generationen wie etwa beim Atomstrom überhaupt in der Kalkulation berücksichtigt seien.

Walter seinerseits ist Anfang September mit seinem Haushalt zu einem Stromlieferanten gewechselt, der sich verpflichtet hat, nur Strom zu vermarkten, der aus regenerativen Energieträgern hergestellt ist. Da zahle er zwar für die Kilowattstunde acht Pfennig mehr, "und das klingt im Vergleich zunächst auch einmal gigantisch". Doch am Ende des Monats komme er mit seinem vierköpfigen Haushalt "vielleicht allenfalls auf eine zusätzliche Belastung von zehn Mark". Und das sei die umweltverträgliche Stromerzeugung allemal wert.

Quelle: Kölnische Rundschau 09/10/1999

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Rheinbraun ohne Sitz

Vorstand der RWE AG hat ab Oktober nur noch fünf Mitglieder

fun Essen/Erftkreis. Es ist so gekommen, wie es viele Braunköhler bereits seit Wochen vorhergesehen haben: Im neuen Holding-Vorstand der RWE-AG wird die Tochter Rheinbraun keinen Vertreter mehr entsenden können. Die Chefetage des Gesamtkonzerns schrumpft ab Oktober von elf auf fünf Vorstandsmitglieder zusammen.

In der Neuausrichtung versteht sich die RWE AG als "Partner für Energie und energienahe Services". Rheinbraun muss sich einordnen in den Bereich "Multi Energy/Multi Utility", der vom Vorstandsvorsitzenden der RWE Energie AG, Manfred Remmel, im Holding-Vorstand vertreten wird.

Rheinbraun-Betriebsratsvorsitzender Erwin Winkel gibt zu, dass es für ein rheinisches Unternehmen etwas gewöhnungsbedürftig sei, plötzlich "Multi . . ." zu sein. "Aber dieses Schicksal teilen wir ja unter anderem mit DEA, und immerhin gehören wir zum Kernbereich des Geschäftes." Da könne man schon noch optimistisch sein, so Winkel. "Wir spielen eine wichtige Rolle." Befürchtungen, Rheinbraun könne künftig ganz in der RWE Energie AG aufgehen und seine Eigenständigkeit verlieren, teilt Winkel nicht. Allerdings hänge alles von der Wettbewerbsfähigkeit der Braunkohle ab.

Der Rheinbraun-Vorstand nimmt zu den Ergebnissen der gestrigen Sitzung des RWE-Aufsichtsrates in Essen nicht Stellung. Es stehe einer Unternehmenstochter nicht zu, übergeordnete Entscheidungen zu kommentieren, so die Pressestelle.

Quelle: Kölnische Rundschau 24/09/1999

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"Wir schließen geordnet"

Brikettfabrik

kja/jat Hürth. "Gedrückt" ist die Stimmung bei Rheinbraun in Hürth, so der Betriebsrat. Das Telefon in seinem Büro klingele ununterbrochen. Für heute wurde eine weitere Versammlung einberufen, 250 Mitarbeiter waren am Freitag dabei, als die Schließung der Brikettfabrik im Jahr 2001 verkündet wurde. "Die Mitarbeiter waren indirekt darauf vorbereitet", so Betriebsdirektor Hubert Gerdes.

Für manchen Beschäftigten ist es innerhalb kurzer Zeit die zweite Umsetzung: Vor zwei Jahren schloss das Unternehmen die HTW-Anlage (Hoch-Temperatur-Wickler) in Berrenrath und versetzte die dort Beschäftigten intern - einige auch in die Brikettfabrik. Immerhin stehen die Arbeitsplätze der rund 160 Mitarbeiter des Kraftwerks in Knapsack vorläufig nicht zur Disposition.

Etwa 90 Beschäftigte werden, so Gerdes, "sozialverträglich ausscheiden". Vornehmlich soll das über Vorruhestandsregelungen erreicht werden. Die gut 100 Arbeitnehmer, die dann noch bleiben, sollen innerhalb des Unternehmens im gesamten Revier arbeiten.

Ob tatsächlich alle Mitarbeiter in den nahe gelegenen Fabriken Wachtberg in Frechen oder Fortuna-Nord in Niederaußem unterkommen werden, ist noch offen. Ein Konzept soll jetzt erarbeitet werden. "Wir schließen nicht überstürzt, sondern ganz geordnet und halten alle laufenden Verträge ein", erklärte Gerdes.

Quelle: Kölnische Rundschau 21/09/1999

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"Wir sind nicht mehr das Herzstück des Konzerns"

Welchen Stellenwert hat Rheinbraun noch in der RWE-Familie?

Erftkreis. Selbstbewusstsein ist zur Zeit nicht die Stärke der Rheinbraun-Mitarbeiter. Wöchentlich ändern sich die Nachrichten aus Essen, und fast immer wird das Braunkohlen-Fundament im rheinischen Revier etwas schmaler: wie jüngst durch die Entscheidung zur Aufgabe von Goldenbergwerk und Brikettfabrik in Hürth.

Jetzt wird gebastelt an der RWE-Konzernstruktur, und es gilt als sicher, dass Rheinbraun-Vorstandsvorsitzender Dieter Henning der letzte Chef war, der auch dem Vorstand der RWE-Holding angehörte. Am Donnerstag tagt der Aufsichtsrat des Konzerns, dann dürfte - davon gehen Insider aus - der bisherige "Elferrat" auf eine "Skatrunde" von vier Vorstandsmitgliedern verkleinert werden.

Weder die Pressestelle in Köln noch die in Essen sind bereit, die dürftige Mitteilung vom Freitag zu kommentieren, in der das Ausscheiden Hennings zum 30. September bekannt gemacht wurde. Aus gesundheitlichten Gründen, hieß es da, RWE-Chef Dietmar Kuhnt habe Henning für seine Arbeit gedankt. Punkt.

Rheinbraun-intern wird dieser lapidare Satz als Herabwürdigung eines verdienten Mannes empfunden. Der künftig fehlende Sitz im Holding-Vorstand gilt als deutliche Absenkung des Rheinbraun-Stellenwertes im Gesamtunternehmen: "Früher waren wir das Herzstück des Konzerns", sagt Helmut de Jong, Betriebsratsvorsitzender im Tagebau Garzweiler, "jetzt sind wir nur noch ein Teilbereich."

Henning sei "ein ganz Großer im Unternehmen, ein Bergmann durch und durch", der deshalb stets die gesamte Belegschaft hinter sich gehabt habe. "Henning hat immer für uns gekämpft, jetzt hat er leider die Kraft nicht mehr."

Man hoffe, dass der Nachfolger wieder aus den eigenen Reihen kommt, blickt Gesamtbetriebsratsvorsitzender Erwin Winkel in die Zukunft. "Der Neue muss die ,Rheinbraun-Kultur` kennen und verkörpern." Bereits Mitte Oktober stehe der neue Chef fest, so Winkel.

Bei aller Verunsicherung sehen die beiden Betriebsräte den Konzern auf dem richtigen Weg. Wettbewerbsfähigkeit sei das oberste Gebot. Insofern sei die Entscheidung, die Brikettfabrik Ville-Berrenrath 2001 stillzulegen, absehbar gewesen. Dafür sichere aber das Kraftwerk Ville langfristig 150 Arbeitsplätze, so Winkel. Und die Entscheidung für ein BoA-Kraftwerk in Neurath stärke die Braunkohle.

"Es ist ein bitterer Weg", sagt de Jong. Das Ende des Tals sei nicht erkennbar, aber die Arbeitnehmer zögen mit. "Vielleicht müssen auch die Aktionäre mal auf etwas verzichten. Es kann nicht sein, dass jedes Jahr eine dicke Dividende ausgezahlt wird und von uns ständig neue Opfer verlangt werden, zum Beispiel jahrelangen Verzicht auf Lohnerhöhungen. Die Leidensfähigkeit hat Grenzen."

Quelle: Kölnische Rundschau 21/09/1999

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Brikettfabrik schließt 2001

Politiker empört

fun Erfkreis/Hürth. Rheinbraun will die Brikettfabrik Ville/Berrenrath voraussichtlich ab Frühjahr 2001 stilllegen. Wie das Unternehmen gestern mitteilte, wird die Produktion von Trockenkohle zur Herstellung von Briketts und Kohlenstaub auf die Fabriken in Frechen und Niederaußem konzentriert.

Das Rheinbraun-Kraftwerk Ville bleibe dagegen "langfristig in Betrieb" und werde auf Braunkohlenbasis "zu wettbewerbsfähigen Preisen unter anderem Fernwärme und Prozessdampf für die Knapsacker Chemieindustrie liefern". Von der Stilllegung sind rund 200 Mitarbeiter betroffen, die gestern im Rahmen einer Betriebsversammlung informiert worden sind. Sie werden versetzt oder scheiden über Vorruhestandsregelungen aus.

In ersten Stellungnahmen reagierten die Landratskandidaten im Erftkreis empört auf die Nachricht. Jahrelange Beteuerungen der RWE AG, am Standort Knapsack festzuhalten, würden immer unglaubwürdiger, sagt Klaus Lennartz (SPD). Nach Ansicht von Werner Stump lässt die neue Marschroute vermuten, dass RWE am Standort Knapsack auch kein neues Kraftwerk mehr bauen wird. Beide Politiker fordern vom Konzern ein klares Konzept zur Stärkung des Standortes Hürth.

Quelle: Kölnische Rundschau 18/09/1999

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Simple Logik

Braunkohle

Es war nur eine Frage der Zeit. Dass die Fabrik Ville-Berrenrath keine Zukunft mehr hat, war abzusehen. Braunkohlenprodukte zu verkaufen ist angesichts der niedrigen Preise für andere Energiearten schwierig. Die Logik ist simpel: Wenn die Erlöse sinken, müssen auch die Kosten reduziert werden, sonst stimmt die Bilanz nicht mehr.

Für Hürth ist die Schließung die zweite Hiobsbotschaft in wenigen Monaten. Denn auch das RWE-Kraftwerk wird abgeschaltet. Es bleibt nun nur noch das Kraftwerk der Brikettfabrik. Doch wie lange noch? Auch wenn Rheinbraun immer wieder betont, in Knapsack konkurrenzfähig Energie produzieren zu können, die Braunkohle ist in Hürth, einem Standort mit Tradition, nur noch eine Randerscheinung. Es ist ein Trost für die betroffenen Mitarbeiter, dass sie in anderen Fabriken untergebracht werden. Das ändert aber nichts daran: Wieder fallen 200 Arbeitsplätze weg.

Die Situation der Braunkohle wird nicht leichter, ihre Stellung im RWE-Konzern auch nicht. Denn auf dem liberalisierten Markt wird nur eines zählen: Wer produziert den billigsten Strom.

Dass in solchen Zeiten auch noch der Vorstandsvorsitzende von Bord gehen muss, wird die Belegschaft weiter verunsichern. Sie wird vermutlich eine hausinterne Nachfolge bevorzugen. Es müsste jedenfalls ein Mann sein, der die Essener daran erinnert: RWE hat eine Verantwortung für die Braunkohlenregion. Und die Menschen hier sind nicht zuletzt auch Kunden.

Quelle: Kölner Stadt Anzeiger 18/09/1999

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Brikettfabrik macht dicht

Rheinbraun

Produktion bis 2001 - Mitarbeiter werden auf andere Standorte verteilt

Hürth - Rheinbraun hat immer wieder abgewehrt: Die Brikettfabrik Ville-Berrenrath ist nicht gefährdet. Jetzt wird sie doch geschlossen: Im Jahr 2001 stellt das Unternehmen dort die Produktion von Braunkohlenstaub und Briketts ein. Betroffen sind 200 Mitarbeiter, sie sollen auf die Fabriken in Frechen und Niederaußem verteilt werden.

Die Schließung der Fabrik Ville-Berrenrath sei notwendig, um die Wettbewerbsfähigkeit von Rheinbraun zu sichern, hieß es gestern. Unternehmenssprecher Reiner Hochscheid sprach von einer "Einsparung in knapp zweistelliger Millionenhöhe" durch die Konzentration der Produktion auf die Standorte Frechen und Niederaußem. Insgesamt stellt das Unternehmen jährlich 1,2 Millionen Tonnen Briketts und 1,8 Millionen Tonnen Kohlenstaub her. 1990 war die Brikett-Produktion noch doppelt so hoch (2,4 Millionen Tonnen). In Berrenrath wurden im Geschäftsjahr 1998/99 gut eine Millionen Tonnen Industriebriketts und Staub hergestellt. Zum Vergleich: 1985 waren es noch 2,5 Millionen Tonnen gewesen.

Dass die Brikettfabrik über kurz oder lang dichtmachen würde, war auch den Betriebsräten klar. "Der Zeitpunkt ist nicht vom Himmel gefallen. Der Absatz ist kontinuierlich zurück gegangen", sagte Erwin Winkel, Vorsitzender des Rheinbraun-Gesamtbetriebsrats. "Wir können aber jedem Mitarbeiter einen adäquaten Arbeitsplatz in einer anderen Fabrik oder im Tagebau anbieten." Die Vorruhestandregelung, die bei Rheinbraun vom 54. Lebensjahr an gilt, sei auf die Jahre 2000 und 2001 ausgedehnt worden. Das Kraftwerk der Brikettfabrik werde "langfristig in Betrieb bleiben und auf Basis der Braunkohle zu wettbewerbsfähigen Preisen unter anderem Fernwärme und Prozessdampf für die Knapsacker Industrie liefern", heißt es in einer Mitteilung von Rheinbraun. Es ist jedoch kein Geheimnis, dass im RWE-Konzern kontrovers über die Zukunft des Berrenrather Kraftwerks diskutiert wird, in dem 150 Mitarbeiter beschäftigt sind.

SPD-Bundestagsmitglied und Landratskandidat Klaus Lennartz forderte gestern: RWE müsse jetzt, da der Standort Knapsack weitere Industrie-Arbeitsplätze verliere, eine verbindliche Erklärung abgeben zum Bau eines neuen Kraftwerks vor Ort. Auch CDU-Landratskandidat Werner Stump will ein klares Konzept. Sollte die Wärmeleistung des Berrenrather Kraftwerks nicht ausreichen, sei die Errichtung einer weiteren Verbrennungsanlage "möglichst auf der Basis von Biomasse" zu prüfen. Der Essener Stromkonzern gab am Freitag nicht nur die Schließung in Berrenrath bekannt, sondern auch eine Vertriebspartnerschaft von RWE Energie und der Rheinbraun-Tochter "RV Rheinbraun Handel und Dienstleistungen". RV verkauft etwa Industriebriketts an Großkunden und soll künftig auch die Lieferung von Strom, Gas und Wasser anbieten. Die RV-Gruppe hat europaweit an 30 Standorten 1200 Mitarbeiter und erzielte im Geschäftsjahr 1998/99 einen Umsatz in Höhe von 1,5 Milliarden Euro. Kommentar zweite Lokalseite

Quelle: Kölner Stadt Anzeiger 18/09/1999

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Henning scheidet bei Rheinbraun aus

Vorstandsvorsitzer geht

Gesundheitliche Gründe - Nachfolge wird noch beraten

Erftkreis - Die Mittteilung war knapp: Dr. Dieter Henning scheidet Ende September auf eigenen Wunsch aus dem Unternehmen aus. In einer Pressemitteilung werden gesundheitliche Gründe für die Entscheidung Hennings genannt. Wer Nachfolger des Vorstandsvorsitzenden bei Rheinbraun wird, hat der Aufsichtsrat, der am Freitag in der Kölner Hauptverwaltung tagte, nicht festgelegt.

Henning ist seit langem krank, die Begründung also keine Floskel. Andererseits ist es aber auch denkbar, dass der Vorsitzende ein Zeichen setzen wollte. Denn der RWE-Konzern soll umgebaut werden, im Gespräch ist, den Holding-Vorstand zu einer operativen Führung zu machen, in der die RWE Energie AG den Ton angibt. Dessen Vorsitzender Manfred Remmel wird sogar schon als Nachfolger des RWE-Chefs Dr. Dietmar Kuhnt gehandelt.

Für den Vorsitzenden von Rheinbraun wäre im RWE-Vorstand dann kein Platz mehr. Hennings Rücktritt könnte ein Protest gegen Pläne sein, den Einfluss der Braunkohle zurückzudrängen.

Henning ist Bergmann durch und durch. Auch wenn er seit 1990 in Chefetagen sitzt, sein Ton trifft den der Kumpel. Das brachte ihm nicht nur die Wertschätzung der Mitarbeiter ein, sondern auch die der Betriebsräte - angesichts des drastischen Personalabbaus bei Rheinbraun in den vergangenen Jahren keine Selbstverständlichkeit.

Henning hat Bergbau in Clausthal studiert, kam 1969 zu Rheinbraun. Zunächst war er Betriebsingenieur im Tagebau Frechen, dann Oberingenieur in Fortuna, schließlich Tagebau-Direktor in Hambach. Ende der 80er Jahre schickte Rheinbraun Henning in den Osten. Dort war Henning zunächst Berater für die ostdeutsche Braunkohle, wurde 1990 Vorsitzender der Lausitzer Braunkohle AG (Laubag). Dort musste die gesamte Braunkohlenförderung neu geordnet werden, das Unternehmen schrumpfte gewaltig. Die Aufgabe gelang, so dass es keine Frage war, dass Henning 1993 Nachfolger von Dr. Hans-Joachim Leuscher an der Spitze von Rheinbraun wurde. Unter der Regie von Henning hat Rheinbraun die Aktivitäten im Ausland stark ausgeweitet. Vor allem der US-Steinkohleförderer erwies sich als Goldgrube

. Die Entscheidung Hennings wird bei den Mitarbeitern bedauert. "Henning hat immer großen Rückhalt in der Belegschaft gehabt", sagte Erwin Winkel, Vorsitzender des Gesamtbetriebsrats. "Der Rücktritt macht das Geschäft nun nicht gerade einfacher." Es komme nun angesicht der Veränderungen in der Konzernstruktur darauf an, einen Vorsitzenden zu bekommen, der das Vertrauen der Belegschaft habe und sich für die Braunkohle einsetze. "Wir müssen unsere Vorstellungen aber noch beraten", sagte Winkel. "Da geht einer von Bord, der die Geschicke des Unternehmen maßgeblich beeinflusst hat und der sie gut beeinflusst hat", sagte Helmut de Jong, Vorsitzender des Betriebsrates Tagebau Garzweiler. "Der war immer für die Leute da."

Quelle: Kölner Stadt Anzeiger 18/09/1999

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Brücke über die Erft soll Weg zum Peringser See verkürzen

Rheinbraun übergab 130 000 Mark teures Bauwerk an Stadt Bergheim

mez Bergheim/Bedburg. "Es ist ein gelungenes Gemeinschaftsobjekt zwischen den Städten Bergheim und Bedburg, Rheinbraun, dem Erftkreis und dem Erftverband", berichtete der technische Beigeordnete Albert Willems, als ihm gestern Arthur Oster von Rheinbraun offiziell die neue Fußgängerbrücke über die Erft neben der Kohlenbahn übergab.

Rheinbraun hatte sich vor Jahren bereit erklärt, die 130.000 Mark teure Brücke zu bauen, damit die Bürgerinnen und Bürger der Orte Glesch und Paffendorf ohne größere Umwege zu Fuß oder mit dem Rad zum Peringser See gelangen können. Nach Auskunft von Horst Druch, Leiter des Bergheimer Tiefbauamtes, wird die mit Eichenholz verkleidete Stahlträgerbrücke in einigen Jahren die alte Brücke an der Paffendorfer Schleuse ersetzen. Aber erst wenn die Anbindung zur Grubenrandstraße fertig ist.

Hinter der Brücke in Richtung See baute die Stadt Bergheim entlang der ehemaligen Klärteiche der Zuckerfabrik einen Radweg aus. Bergheims Beigeordneter appellierte an die Besucher des Naherholungsgebietes, ein waches Auge auf die künftige Nutzung des Sees zu werfen.

"Dass der Peringser See als Badesee missbraucht wird, oder das Gelände rundherum als Grillplatz benutzt wird, müssen wir im Rahmen des Landschaftsschutzes in Zukunft verhindern", erklärte Albert Willems. Arthur Oster von Rheinbraun bezeichnete die Brücke als weiteren Meilenstein der gelungenen Rekultivierung. Er bedankte sich für die gute Zusammenarbeit aller Beteiligten.

Quelle: Kölnische Rundschau 13/09/1999

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Laute Samstage am Rande des Tagebaus

Anwohner leiden unter Krach - Wochenenden werden zur Tortur - Rheinbraun will sich mit der Verkippung beeilen

Bergheim. Wenn Siegfried Jaspert und Elisabeth Börger-Jaspert am Wochenende in ihrem Garten am Ortsrand von Bergheim-Mitte sitzen, dann schreien sie sich an. Dabei ist es nicht so, dass Frau Börger-Jaspert und Herr Jaspert am Wochenende ständig streiten. Grund für die erhöhte Lautstärke ist der Lärm, der bei der Verkippung der Braunkohlegrube im Tagebau Bergheim entsteht.

Angefangen hat Rheinbraun Ende April dieses Jahres mit der Verfüllung des Tagebaus. "Richtig laut wurde es aber erst zu Anfang der Sommerferien", erzählt Jaspert. Vor allem abends und am Wochenende sei eine unerträgliche Geräuchskulisse entstanden. Wie ein stetiges Rauschen, ungefähr so, als ob ein Zug vorbei donnert, beschreibt Jaspert den Lärm. "Zunächst haben wir noch gedacht: Hoffentlich geht das schnell vorbei!"

Ostwind trägt die Geräusche nach Bergheim

Diese Hoffnung erfüllte sich nicht. "Als wir Ende Juli aus dem Urlaub zurück kamen, ging es mit dem Höllenlärm weiter." Am vergangenen Wochenende sei die Situation dann eskaliert, berichtet Jaspert. Donnerstag um 19 Uhr habe der Krach eingesetzt, daraufhin habe er im Tagebau angerufen. Als eine Stunde später immer noch nichts geschehen sei, habe er Rheinbraun nochmals auf die Geräuschsbelästigung aufmerksam gemacht. Daraufhin sei der Absetzer um 400 Meter versetzt worden. Mehr könne man nicht tun, es liege am Ostwind, der die Geräusche nach Bergheim trage, teilte Rheinbraun Jasperts mit.

Als am Samstagabend der Lärm wieder einsetzte, habe er die Polizei angerufen, erzählt Jaspert. Aber dort hörte er, dass der Samstag ein normaler Werktag sei. Erst um halb eins in der Nacht habe der Lärm aufgehört.

Dabei seien die Nächte gar nicht das Schlimmste. Wenn sie das Fenster zumachten, sei wenig zu hören, berichtet das Ehepaar. "Außerdem können wir bei offenem Fenster Ohrstöpsel benutzen oder ein Schlafmittel nehmen." Aber wenigstens am Wochenende wollen Jasperts in ihrem Garten sitzen und sich ungestört unterhalten.

Dass der Tagebau verfüllt werden muss, ist dem Ehepaar klar. Und mit dem "ständig auf den Gartenmöbeln und der Butter liegenden Kohlenstaub" kommt es auch zurecht. "Aber, warum ausgerechnet im Sommer in Wohngebietsnähe mit der Verfüllung angefangen werden muss, ist uns unverständlich."

Guido Steffen, Pressesprecher von Rheinbraun, ist sich des Problems bewusst. "Wir arbeiten an der Verfüllung in drei Schichten. Der Samstag ist bei uns ein normaler Werktag, da wird bis 4.30 Uhr am Sonntagmorgen gearbeitet", gibt er Auskunft. "Leider hatten wir in diesem Jahr sehr häufig Ostwind, dadurch werden die Bandgeräusche noch verstärkt", bedauert Steffen.

Die Frage, warum im Sommer in der direkten Nähe der Wohnbebauung gearbeitet wird, beantwortet Steffen so: "Wir wollen die Grube kurz und schmerzlos verkippen. Dabei wird nach gebirgsmechanischen Prinzipien gearbeitet und das bedeutet, dass wir noch bis Ende des Jahres so nah an Bergheim arbeiten müssen." Wenn die Verfüllung jetzt nicht voran getrieben würde, zögen sich die Arbeiten und damit auch die Geräuchbelästigungen bis in das nächte Jahr hinein. Natürlich werde versucht, an Wochenenden möglichst leise zu arbeiten. Aber aus Betriebsgründen könne darauf nicht immer Rücksicht genommen werden. Im Tagebau Hambach nämlich, aus dem das Material für die Verkippung stammt, werde ständig gearbeitet. Der anfallende Abraum werde deshalb auch ständig nach Bergheim transportiert und hier verkippt.

Quelle: Kölnische Rundschau 10/09/1999

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Bruch und Parrig werden vernetzt

41 Hektar Land soll Platz für Tiere und Pflanzen bieten - Stadt und BUND arbeiten zusammen

Kerpen. Ein neues Naherholungsgebiet entsteht vor den Toren Kerpens in der Erftaue: Kerpener Bruch und Parrig werden ökologisch miteinander vernetzt. 41 Hektar Ackerland umfasst das Gebiet um das Gut Lörsfeld, das Platz für Tiere und Pflanzen bieten, aber auch der Naherholung dienen wird. Auf Gut Lörsfeld wird sich außerdem ein Landwirt ansiedeln, der trotz naturnaher Bewirtschaftung von seinem Land leben kann.

Stadtdirektor Ferdi Wind und Reiner Vetter vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) Erftkreis stellten die Pläne für das Projekt "Drehscheibe Erftaue" vor Ort vor. Die Stadt Kerpen und der BUND hatten vor zehn Jahren ihre Zusammenarbeit begonnen, die Erftaue im Kerpener Stadtgebiet als Landschaftsraum zu entwickeln und von der Bebauung freizuhalten. Nach Angaben von Wind sind die Umgestaltung an der Sindorfer Mühle und die Renaturierung der Erft bereits abgeschlossen. Die Rekultivierung des Tagebaus Frechen sei beschlossen, die Projekte in Gymnich und an der Brüggener Mühle seien in Arbeit.

Wind bezeichnete die ökologische Vernetzung von Parrig und Kerpener Bruch als "Herzstück" in der Entwicklung der Erftaue. Die Nordrhein-Westfalen-Stiftung fördert das Projekt mit 2,2 Millionen Mark. Die Bahn AG brachte 20 Hektar Ausgleichsflächen aus dem Verfahren zur ICE-Neubaustrecke Köln-Aachen in das Projekt ein. Der BUND finanzierte die Planung des neuen Landschaftsraumes. Die Stadt Kerpen hat das Gut Lörsfeld dem bisherigen Eigentümer abgekauft. Dieser siedelt in die Rekultivierung des Tagebau Frechens um. Die Bewirtschaftung des künftigen Bioland-Betriebes soll nach den Prinzipien der Arbeitsgemeinschaft ökologischer Landbau (AGÖL) erfolgen. Ackerbau wird nur einen geringen Teil ausmachen, der Schwerpunkt liegt auf der Tierhaltung. Die Produkte werden im Betrieb selbst verarbeitet, auch Direktvermarktung ist vorgesehen.

"Wir wollen nicht nur Bäume pflanzen, sondern auch kulturhistorische Traditionen aufgreifen", erläuterte Landschaftsplaner Jörg Haafke sein Konzept. Wie vor 100 Jahren sollen Viehweiden das Landschaftsbild in der Erftaue mitbestimmen, statt Monokultur ist eine abwechslungsreiche Landschaft geplant. Neben den Viehweiden entstehen auf dem Gelände um Gut Lörsfeld 8,5 Hektar Waldflächen, die parallel zur Autobahn und zum Erftflutkanal die Verbindung zwischen den Naturschutzgebieten Kerpener Bruch und Parrig schaffen. Hinzu kommen zwei Kilometer Heckengehölze, 1,5 Kilometer Baumreihen und -alleen sowie 1,5 Hektar Obstwiesen. Gepflanzt werden 250 Einzelbäume und rund 90.000 junge Wald- und Heckenpflanzen

Quelle: Kölnische Rundschau 08/09/1999

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Nur noch ein Kessel

Goldenberg

Planung für Gas-Kraftwerk in Knapsack geht weiter

Hürth - Der Countdown läuft: In wenigen Wochen, Anfang Oktober, wird in Knapsack der größere der beiden noch betriebenen Wirbelschicht-Kessel des Braunkohle-Kraftwerks Goldenberg stillgelegt. Der "Kessel K" mit einer Dampfleistung von 400 Tonnen stündlich war erst im Februar 1992 angefahren worden - RWE bejubelte damals den "zur Zeit größten Wirbelschichtkessel der Welt". Jetzt wird er in aller Stille abgestellt. Auch der kleineren Kessel J (vor acht Jahren gebaut) ist spätestens im Jahr 2003 nicht mehr in Gebrauch, wie RWE bereits vor Monaten angekündigt hat. Und spätestens dann - davon geht man im Go-Werk aus - steht in Knapsack ein Gas- und Dampfturbinen-Kraftwerk.

Die Energie für die Knapsacker Chemie-Industrie liefert ab Oktober im Wesentlichen das Rheinbraun-Kraftwerk der Brikettfabrik Berrenrath. Dass in Knapsack überhaupt noch ein Kessel heiß bleibt, dafür gibt es zwei Gründe. Zum einen ist mit dem Land vertraglich vereinbart, dass die Hürther Fernwärme im Wege der Kraft-Wärme-Kopplung gewonnen wird. Das heißt: Heißer Dampf treibt eine Stromturbine an und wird gleich anschließend - zur Verwertung der Restwärme - ins Fernwärmenetz geleitet. In Berrenrath ist das so nicht möglich. Und fiele die Kraft-Wärme-Kopplung weg, müssten wohl Landeszuschüsse für den Bau des Hürther Fernwärmenetzes zurückgezahlt werden. Zweiter Grund: Es muss auch noch Deponiegas der Kölner Müllkippe mit verbrannt werden. Das würde im Berrenrather Kraftwerk ebenfalls Probleme bereiten.

Kontakt mit PowerGen

Wird aber der letzte Kessel in Knapsack abgeschaltet, dann kommt als Ersatz nur ein Gaskraftwerk in Betracht, wie der zum Jahresende ausscheidende Goldenberg-Chef Franz-Josef Dostall bestätigt. RWE würde es im Alleingang bauen - oder aber in Zusammenarbeit mit dem britischen Energie-Konzern PowerGen. Die Briten verfolgen weiterhin ihr Vorhaben, in Knapsack eine solche Energiefabrik zu errichten. Wie zu hören ist, wird nach einer ersten Vorstellung des Projekts bei der Bezirksregierung nun zunächst die umwelttechnische Standortbelastung (etwa eine Veränderung des Geräuschpegels auf dem Knapsacker Hügel) geprüft. Die Ergebnisse liegen voraussichtlich Anfang nächsten Jahres vor. Erst dann könnte ein Genehmigungsverfahren in Gang gesetzt werden. "PowerGen steht nach wie vor in gutem Kontakt mit uns", sagt Dostall. Und unverändert gelte: Ob es eine Kooperation mit den Briten gebe, hänge davon ab, "ob sie eine Morgengabe mitbringen". Mit anderen Worten: RWE will dann auch an Projekten auf der Insel beteiligt werden.

In Knapsack ein 1000-Megawatt-Gaskraftwerk zu bauen hält Dostall allerdings für unsinnig. 300 Megawatt Leistung seien ausreichend, um die örtliche Chemie-Industrie mit Prozessdampf zu versorgen und die Fernwärmekunden zu bedienen. Wenn darüber hinaus Strom erzeugt würde, ginge das zu Lasten der Braunkohle. Außerdem gebe es schon jetzt erhebliche Überkapazitäten auf dem Strommarkt. Falls aber der Bedarf an Prozessdampf in Knapsack deutlich wachsen würde, sei es jederzeit möglich, das Gaskraftwerk zu vergrößern und weitere 150-Megawatt-Module anzubauen.

Quelle: Kölner Stadt Anzeiger 08/09/1999

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Piranhas und Wasserpest

Die Erft

Exotische Tiere und Pflanzen fühlen sich wohl in dem warmen Wasser

Erftkreis - Viele lebende Weihnachtsgeschenke landen oft schon kurze Zeit nach dem Fest im Tierheim. Doch nicht alle Beschenkten wählen diesen Weg, den Hund oder die Katze wieder loszuwerden. Besonders manche Aquarianer gehen anders vor, um sich ihrer Fische oder der ständig größer werdenden Schildkröte wieder zu entledigen. "Alles wird einfach in die Erft gekippt", weiß Dr. Udo Rose, Biologe beim Erftverband.

Die Folgen sind kurios, denn mittlerweile hat sich ein regelrecht tropisches Leben im gesamten Flusslauf entwickelt. "Es sind schon vier Pfund schwere Piranhas von Anglern aus dem Wasser gezogen worden", sagt Timm Schindler, Abteilungsleiter des Erftverbandes. Bei Arbeiten am Kasterer See haben Mitarbeiter des Verbandes erst vor Wochen Schildkröten beobachtet, die sich am Ufer sonnten. Warum exotische Tiere und Pflanzen so gut in der Erft überleben können, ist ebenfalls ganz klar. "Rheinbraun leitet in jeder Sekunde rund zehn Kubikmeter warmes Grundwasser in den Fluß", sagt Biologe Rose. Die Wassertemperatur liegt ständig bei gut 20 Grad, selbst im Winter fällt sie kaum unter zehn Grad.

Tropisches Leben

Dabei ist die Situation zur Zeit schon vergleichsweise moderat. "Während der sechziger und siebziger Jahre war die Erft noch wärmer, weil noch mehr Wasser eingeleitet wurde", erklärt Rose. Dennoch hat er auch heute keine Probleme, beim Einstieg in die Erft auf tropisches Leben zu stoßen. Um Indische Rotalgen in Höhe von Glesch aus dem Wasser zu holen, braucht es keine zehn Sekunden. "Es gibt fremdes Leben hier, aber nicht wie am Amazonas", sagt Rose lachend.

Auch einige Kilometer weiter bei Frimmersdorf schwimmt deutlich sichtbar ein auffälliges Pflänzchen auf dem Wasser. "Brasilianisches Tausendblatt", erklärt Rose, "eine sehr beliebte Aquarienpflanze". Weiter Flußabwärts, in Höhe des Frimmersdorfer Kraftwerkes, fällt die Argentinische Wasserpest dem Biologen sofort ins Auge. Auch die Mühlenerft bei Alt-Kaster ist betroffen. Wissenschaftler, die die Erft als "azonale Wärmeinsel" untersucht haben, entdeckten dort den Großen Algenfarn, der sonst nur in warmen Gegenden Amerikas zu finden ist. "Durch viele dieser Pflanzen bekommt die ufernahe Vegetation ein geradezu tropisches Aussehen", betonten die Wissenschaftler in ihrer Arbeit. Warme Winter können diese Pflanzen überstehen, friert es längere Zeit, gehen sie aber ein. "Dasselbe gilt für ausgesetzte Tiere, die in kalten Wintern schnell verenden", weiß Dr. Rose.

In den kommenden Jahren könnte das Antlitz des Flusses aber wieder tropischer werden. "Das eingeleitete Wasser wird wärmer, je tiefer der Tagebau Hambach wird", glaubt man beim Erftverband. Dazu komme, daß Aquarianer für ständigen Nachwuchs an Pflanzen und Fischen sorgen. Eine Sorge allerdings hat Rose nicht. "Für den Fluß sind diese fremden Lebewesen aber ungefährlich, solange sie nicht in großen Massen auftreten. Und vor mordenden Piranhas braucht auch niemand Angst zu haben, der seine Füße in die Erft hält."

Quelle: Kölner Stadt Anzeiger 27/08/1999

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Tanz zwischen zerfallenden Häusern

Zum "Trotzdem-Fest" der Bürgerinitiative kamen wenige ältere ehemalige Etzweiler Bürger

Elsdorf-Etzweiler. "Bösche, Stroße, Dörfer / ich mach´ alles platt / Alles für mir zeddert / komm ich nöhder rahn / Alles hat Angs vur´m Baggermann", Sänger Addy Clemens schmetterte das Lied vom Baggermann am Sonntagnachmittag am Ende der Etzweiler Waldstraße ins Mikrofon, während die Musiker der Dürener Band "Schweess Fööss" ihre Folk-Gitarren bearbeiteten. Zum "Trotzdem-Fest" der "Bürgerinitiativen gegen die Verlegung der A 4" hatte die Band eigens ein Lied komponiert.

"Etzweiler ist ja nicht mehr zu retten. Wir möchten den Leuten, die noch zu retten sind, zeigen, wie es ist, wenn ein Dorf über ein Jahrzehnt lang ausblutet. Für das Fest boten sich die letzten paar Quadratmeter an, die nicht in Rheinbraun-Besitz sind", sagte Bert Frambach von der Bürgerinitiative in Buir. Vor den sechs privaten Garagen von Willi Hoffmann fand das Fest statt. Neben einer Führung durch den Ort schilderte Hoffmann auch die Wohnverhältnisse: "Wie in Klein-Chickgo" sei es, Plünderungen und Autorennen an der Tagesordnung.

Die unheimliche Zerstörung an den Gebäuden hätten sie an Kriegsbilder erinnert, schilderte Waltraud Schnell von der Bürgerinitiative ihre Beobachtungen. Aber sie begegnete auch beinahe romantisch anmutenden Zeugnissen des Zerfalls, wie einer einzelnen blühenden Rose auf dem sonst verwilderten Grundstück eines Hauses.

"Wir sind die Verheizten", sagten einige Jugendliche aus Neu-Etzeiler und nahmen gegenüber der Bühne Platz, um sich zwei weitere Bands des Nachmittags anzuhören. Und Bürgermeister Harald Schröder stellte sich bei seinem Besuch dem Gespräch mit den Feiernden. Willi Hoffmann hingegen vermisste viele der älteren Generation: "Die haben wohl mit der Umsiedlung abgeschlossen".

Dennoch, noch einmal richtig voll auf dem Fest wurde es am Abend, als der "Feuervogel" seinen Tanz begann. Zu Feuertechnik und Musik entwickelte sich ein phantastisch anmutender Kampf vor dem vermauerten Haus mit der Nummer 11. Schließlich besiegten ein grünes Ur-Reptil und der Feuervogel einen übergroßen Blutsauger. Die bösartige Fledermaus war natürlich nur ein Darsteller der dreiköpfigen Schauspielgruppe, die auf Stelzen daherkam.

Quelle: Kölnische Rundschau 26/08/1999

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Die Riesen sterben langsam

Villewald

Es gibt kaum noch gesunde Altfichten - Pappeln verschwinden

Erftkreis - Was gibt es Schöneres, als an schönen Sommertagen durch den Villewald zu wandern, an schattigen Plätzen Rast zu machen und die gute Luft zu genießen? Das größte Naherholungsgebiet im Erftkreis, in dem schon Kurfürst Clemens August ausritt, erlebt an manchen Wochenenden geradezu einen Ansturm von Besuchern. Nur wenige werden sich beim Blick rechts und links des Wanderwegs Gedanken über den Zustand des Waldes machen. "Wer guckt beim Wandern schon nach oben, in die Baumkronen?", fragt Herbert Mertens, Revierförster in der Ville und zuständig für ein 1460 Hektar großes Areal.

Der Mann mit fast 40-jähriger Berufserfahrung zeigt auf die Baumwipfel. Die Sonne schimmert durch - daran könne sogar der Laie erkennen, dass die Bäume krank sind. In einem gesunden Wald sei vor lauter Blättern der Himmel nicht zu sehen, klärt der Bliesheimer auf. Und dann geht er zu einer Lichtung mit alten Fichten. Kein einziger Baum ist noch gesund. Mühelos lässt sich seitlich durchs Geäst blicken. Die alten Riesen sterben, langsam aber unaufhaltsam. "Mit den Fichten fing es an, dann waren die Buchen geschädigt, nun hat es die Eichen erwischt."

Kleine Blätter

Anderer Ort, gleiches Problem: Auf einem großen Feld stehen Pappeln. so klein waren die Blätter noch nie, und ihre Größe nimmt von Jahr zu Jahr ab. Auch hier haben Schadstoffe in der Luft ihre Spuren hinterlassen. Der "saure Regen" ist in der Öffentlichkeit kaum noch ein Thema. Doch das Problem sei deswegen nicht kleiner geworden, betont der Naturexperte. Der Schadstoffausstoß habe pro Fahrzeug abgenommen. Doch was nütze das, wenn die Zahl der Autos ständig zunimmt? Mertens: "An den Lebensbedingungen hat sich nichts verbessert."

Und damit ist nicht nur die Schadstoffbelastung durch die Luft gemeint. Der "bisweilen kritische Grundwasserstand", unter anderem hervorgerufen durch die zahlreichen Kieswerke in der Umgebung, verschärfe die Lage.

Die Förster behalten den Zustand genau im Auge. Im vergangenen Jahr gab es eine umfangreiche Begutachtung der Bäume. Zur Sommerzeit wurden solche Exemplare mit Farbe markiert, die krank sind. Im Herbst und Winter, wenn die Blätter gefallen sind, können sie wiedererkannt und zurückgeschnitten oder notfalls gefällt werden. Die Lage ist ernst. Doch von einem Waldsterben will der Förster nicht sprechen. Das Schlagwort suggeriere, hier handele es sich um einen Prozess, der unumkehrbar sei. Ein Wald sei ja nichts Statisches. Ständig würden sich Generationen von Laubbaumarten und Nadelhölzern abwechseln. Das beste Beispiel seien die Pappeln. Vor Jahrzehnten wegen ihres schnellen Wachstums geschätzt und von Pappelvereinen gepflanzt und gepflegt, haben die Bäume inzwischen ihre wirtschaftliche Bedeutung verloren.

Früher wurde das Holz für Obstkisten benötigt. Plastik hat den Rohstoff ersetzt. Pappeln, die seitdem in der Ville stehen, haben ein Alter erreicht, in dem sie gefällt werden müssen. Zehntausend von ihnen verschwanden in den vergangenen Jahren. Pappelwälder wurden ausgedünnt und zwischen den Bäumen andere Arten gesetzt. Die großen Bäume boten den jungen Gewächsen Windschutz und bewahrten sie vor zu starker Sonneneinstrahlung. In den 80er Jahren galt es, einen Pappelbestand von rund 1500 Hektar umzuwandeln in einen Mischwald. Auch seltene Arten, wie nordamerikanische und asiatische Tannen, wurden gepflanzt.

In einer "Naturwaldzelle" blieb die Ville sich selbst überlassen. Totes Holz wird nicht entfernt, nur die Wege werden freigehalten. Sogar Mammutbäume gibt es in der Waldzelle. Schilder weisen auf das Naturparadies hin. Wissenschaftler aus Nah und Fern kommen zur Beobachtung.

Die Bürger, da ist Mertens sicher, werden trotz der Probleme weiterhin ihre Freude am Villewald haben können. Doch das Umweltbewusstsein lasse immer noch zu wünschen übrig. Nach wie vor werde fast täglich an den Eingängen zum Wald säckeweise Müll abgeladen. Der Förster mahnt: "Dafür bezahlen müssen wir alle."

Quelle: Kölner Stadt Anzeiger 23/08/'99

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Bewohner müssen jetzt umziehen

Haus Etzweiler

kan Elsdorf. Der Brand im Haus Etzweiler am Montagabend soll nach Auskunft der Polizei in einem Abstellraum unterhalb des Treppenhauses ausgebrochen sein. Aus noch ungeklärten Gründen sei dort Altpapier in Flammen aufgegangen. Über die Holztreppe habe sich das Feuer dann im Erd- und Obergeschoss ausgedehnt. Dagegen meinte der Beigeordnete der Gemeinde Elsdorf, Johannes Mies, am Dienstagabend im Hauptausschuss, es gebe Indizien für Brandstiftung.

Haus Etzweiler soll nun nach seinen Angaben früher als geplant abgerissen werden. Nach dem Brand sei es unbewohnbar. Die Schäden seien vor allem durch das Löschwasser entstanden. "Wohnen ist hier nicht mehr vertretbar", sagte der Beigeordnete. Nach dem Abriss von Haus Etzweiler solle an gleicher Stelle die geplante Containeranlage aufgestellt werden. Das Baugenehmigungsverfahren laufe weiter.

35 Bewohner von Haus Etzweiler, die einer Sippe angehören, hat die Gemeinde in den Unterkünften an der Nußbaumallee untergebracht, wo sie sich fünf Räume teilen. Sie werden demnächst nach Alt-Etz~weiler in ein von den Umsiedlern bereits verlassenes Sechs-Familien-Haus umziehen. Das Haus, das gemeinsam mit Rheinbraun ausgesucht worden war, muss allerdings für den Einzug vorbereitet werden. Das kostet die Gemeinde 20 000 Mark. Elf weitere Bewohner von Haus Etzweiler hat die Gemeinde im Heidehof am Berrendorfer Sportplatz untergebracht.

Quelle: Kölnische Rundschau 19/08/1999

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"Die hatten mich auf dem Kieker"

Haus Etzweiler

Polizei weist Vorwürfe zurück

Elsdorf - Er alarmierte als Erster die Polizei und die Feuerwehr, wies die Löschfahrzeuge ein und verhinderte so möglicherweise eine Katastrophe. Doch trotz seiner Hilfe beim Brand der Asylunterkunft "Haus Etzweiler" landete Hermann Schug in der Polizeizelle. Jetzt soll sich der 40-jährige Künstler, der seit zehn Jahren in direkter Nachbarschaft des Gebäudes wohnt, wegen Widerstandes gegen die Staatsgewalt verantworten. Dabei erhebt Schug selber Vorwürfe gegen die Polizei.

Vom Fenster seiner Wohnung aus hatte Schug am Montagabend beobachtet, wie vom Dach des Flüchtlingsheimes aus Rauch aufstieg. "Im Hof liefen schreiend Frauen und Kinder herum, da habe ich die Polizei angerufen und bin rüber ins Haus", berichtet er. Obwohl im Treppenhaus schon die Flammen loderten, stieg Schug bis in die zweite Etage, weil er annahm, es könnten noch Menschen im Haus sein.

Alle hatten indes schon das Gebäude verlassen, in dem sich zum Zeitpunkt des Brandausbruches nur Frauen, Kinder und Jugendliche aufgehalten hatten, von denen acht Rauchvergiftungen erlitten. Da keine Menschenleben mehr gerettet werden mussten, rannte Schug schließlich zur Straße, um die ersten Feuerwehrfahrzeuge einzuweisen. Dann half er bei der Montage der Wasserschläuche.

Otto Hoffmann, Hauptbrandmeister bei der Etzweiler Feuerwehr, der als einer der ersten Wehrmänner am Brandherd eintraf, lobt so auch Schug: "Das war ganz hervorragend, was der als Zivilist gemacht hat, um uns zu helfen."

Dennoch geriet Schug dann irgendwie ins Visier der Einsatzkräfte: Wie er berichtet, hätten zwei Polizisten in Uniform während der Löscharbeiten die immer noch herumirrenden Flüchtlinge beobachtet und dabei "hämisch gegrinst". Er habe daraufhin die Polizisten nach dem Grund ihrer Freude gefragt und zur Antwort bekommen, man lasse sich die eigene Mimik nicht vorschreiben. "Danach hatten die mich auf dem Kieker", so Schug. Da der Brand mittlerweile unter Kontrolle gewesen sei, habe er seine Kamera geholt und "von Randbereichen aus" den weiteren Einsatz gefilmt.

Schließlich sei ein Polizist an ihn mit dem Vorwurf herangetreten, er behindere die Löscharbeiten und solle das Gelände verlassen. "Ein Wort gab das andere, ich sah mich schließlich als Bindeglied zwischen den Einsatzkräften und den Asylanten." Schließlich habe man ihm den Arm auf den Rücken gedreht und zum Streifenwagen geführt. Dabei sei es zu einem kleineren Handgemenge gekommen.

Schug wurde zur Polizeiwache nach Bergheim gebracht und saß dort bis 1.05 Uhr in der Zelle. Dann wurde er wieder freigelassen und musste mitten in der Nacht zu Fuß nach Hause gehen. "Jetzt habe ich auch noch eine Anzeige bekommen", beklagt er sich. Schug will jetzt selber einen Anwalt einschalten.

Jürgen Chrobok, Sprecher der Erftkreis-Polizei, indes weist die Vorwürfe zurück. Schug habe die Rettungsarbeiten behindert und sei deshalb des Platzes verwiesen worden. "Die Verwahrung erfolgte, da er den zuvor ergangenen Platzverweisen nicht nachgekommen ist." Aus versicherungstechnischen Gründen habe man ihn schließlich nach seiner Entlassung nicht wieder nach Hause bringen können. Näheres könne man nicht mitteilen, da der Einsatz noch analysiert werde.

Quelle: Kölner Stadt Anzeiger 19/08/1999

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Feuer im Flüchtlingsheim

Großalarm für Rettungskräfte - 46 Menschen aus Haus Etzweiler im Rettungsbus untersucht

Elsdorf-Etzweiler. Ein Brand im Haus Etzweiler löste am Montag kurz vor 21 Uhr einen Großalarm bei Feuerwehr und Rettungskräften aus. In dem von Rheinbraun gemieteten Gebäude hat die Gemeinde Elsdorf 53 Flüchtlinge untergebracht. Die komplette Elsdorfer Feuerwehr war im Einsatz. Unterstützt wurden sie von den Bergheimer Kollegen mit der Drehleiter.

Als die ersten Wehrleute am Haus Etzweiler eintrafen, hatten sich die Bewohner und deren Besuch bereits in Sicherheit gebracht. Es brannte sowohl im Erd- als auch im Obergeschoss. Mit schweren Atemschutzgeräten kämpften sich die Helfer zum Feuer vor. Wasserleitungen wurden von der rund 500 Meter entfernten K 34 gelegt.

"Nach knapp einer Stunde war der Brand gelöscht", berichtete der stellvertretende Gemeindebrandmeister Rudi Niephaus. Bis 23.30 Uhr habe man aber immer wieder aufflackernde Glutnester bekämpfen müssen. Kreisbrandmeister Ludwig Bodden machte sich ebenso wie später Elsdorfs Bürgermeister Harald Schröder ein Bild von der Lage.

46 Menschen, davon 17 Kinder, wurden im Rettungsbus der Berufsfeuerwehr Köln vom Leitenden Notarzt des Erftkreises, Heinz-Albert Brüne, und dem Bergheimer Notarzt untersucht. Acht Menschen wurden wegen kleinerer Verletzungen oder Rauchvergiftungen ambulant im Rettungsbus behandelt. Zusätzlich wurden die Flüchtlinge von Notfallseelsorger Dietger Lerch betreut.

Nach Abschluss der Löscharbeiten konnten die Bewohner von Haus Etzweiler in Begleitung von Polizisten nochmals in das Gebäude, um ihre persönlichen Sachen zu holen. Nach Auskunft von Kreisbrandmeister Bodden konnte die Gemeinde die Flüchtlinge in der Nacht nur in noch nicht eingerichteten Container unterbringen.

Die Ermittlungen hinsichtlich der Brandursache waren gestern noch nicht abgeschlossen. Brandstiftung kann aber nicht ausgeschlossen werden. Insgesamt waren rund 150 Helfer bei dem Brand im Einsatz.

Nach Angaben der Gemeindeverwaltung wurden 35 Flüchtlinge vorübergehend in den Containern an der Nußbaumallee untergebracht, elf weitere, für die Pfarrer Lerch eine Unterkunft für die Nacht besorgt hatte, sollen zunächst auf dem Heidehof in Berrendorf unterkommen. Ursprünglich hatte die Gemeinde geplant, dass die Flüchtlinge im Herbst Haus Etzweiler verlassen und in eine neue Containeranlage umziehen. Für diese liegt aber noch keine Baugenehmigung vor.

"Die Gemeinde bemüht sich nach Kräften, für die Bewohner von Haus Etzweiler Unterkünfte zu finden", sagte Hans-Peter Fischer, Pressesprecher der Gemeindeverwaltung. Die Firma Rheinbraun habe ihre Hilfe angeboten.

In den vergangenen Jahren war die Gemeinde immer wieder wegen "menschenunwürdiger Zustände" in Haus Etzweiler kritisiert worden. Ratsmitglieder dagegen warfen den Bewohnern vor, dass diese Haus Etzweiler unbewohnbar gemacht hätten. Anfang dieses Jahres hatte die Gemeinde auf Verlangen des Kreises den Brandschutz in Haus Etzweiler verbessern müssen. Der Rat beschloss damals außerdem, Haus Etzweiler abzureißen und eine Containeranlage zu errichten.

Quelle: Klnische Rundschau 18/08/'99

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Ministerium macht Geld für Umgehung Blatzheims locker

Auch Hermülheim soll entlastet werden
Staatssekretär zu Besuch

Erftkreis - Die Finanzierung für den zweiten Abschnitt der Ortsumgehung Kerpens steht. Dies teilte Lothar Ibrügger, Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, jetzt im Kerpener Rathaus mit, wo die Städte Kerpen, Frechen und Hürth eine gemeinsame Pressekonferenz gaben. Ibrügger äußerte sich auch optimistisch zu den finanziellen Perspektiven für eine Ortsumgehung für Hürth-Hermülheim und zum sechsspurigen Ausbau der Autobahn 4 zwischen Frechen und Kerpen.

Auf Vermittlung des SPD-Bundestagsabgeordneten Klaus Lennartz war Ibrügger in den Erftkreis gekommen, um besonders zum Neubau der Bundesstraße 264 Stellung zu nehmen. Die Straße soll den zweiten Abschnitt der Ortsumgehung Kerpens bilden, so dass Blatzheim umfahren werden kann. Nachdem das Projekt schon gestartet worden war, drohte es wieder zu scheitern, da eine Finanzierungslücke entstanden war.

Wie Kerpens Stadtdirektor Ferdi Wind erläuterte, hätten sich die Kosten für den zweiten Bauabschnitt der Ortsumgehung, die noch 1992 auf vier Millionen Mark geschätzt worden waren, auf 16 Millionen Mark erhöht. Warum dies so sei, werde noch geprüft. Er jedenfalls freue sich, dass das Ministerium die Straße jetzt trotzdem finanzieren wolle.

Ibrügger bat um Verständnis für die Haltung des Ministeriums, dem in den vergangenen Monaten von Kerpener Seite vorgeworfen worden war, dass Straßenbauprojekt zu gefährden. "Minister Hans Eichel hat nichts blockiert." Im Ministerium sei die "gravierende Kostensteigerung" nicht bekannt gewesen, so dass man die Sache noch einmal in Frage gestellt habe.

Eine weitere Ortsumgehung im Erftkreis könnte es mittelfristig auch im Hürth-Hermülheim geben. Wie Hürths Stadtdirektor Walther Boecker erläuterte, habe man eine Lösung gefunden, um die ursprünglich auf 85 Millionen Mark geschätzten Kosten für die Umgehung auf unter 50 Millionen zu senken. Die Straße soll vierspurig sein. Auf eine Tieflage werde verzichtet, um Kosten zu sparen. Ibrüggen waren die Pläne jetzt erläutert worden. Er sei "guten Mutes, dass die Sache klappt", betonte der Staatssekretär. Lennartz wies dabei noch auf die überregionale Bedeutung der Straße hin. Diese sei wegen der nahen Fernsehstudios wichtig für den Erftkreis als Medienstandort.

Weiter soll es auch mit dem sechsspurigen Ausbau der Autobahn 4 zwischen Frechen und Kerpen gehen. Wie Wind dem Staatssekretär erläuterte, gebe es noch Unstimmigkeiten mit NRW-Umweltministerin Bärbel Höhn über die Entwässerung der Autobahn. Aus Sicht der Bundesregierung allerdings, so Ibrüggen, seien die faktischen Anforderungen für die Entwässerung erfüllt. Er gehe davon aus, dass die Misere jetzt dank neuer Vorschläge des Landschaftverbandes gelöst werden könne.

Quelle: Kölner Stadt-Anzeiger 11/08/1999

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Gute Stube im Ortskern

Erster Spatenstich für das drei Millionen Mark teure Bürgerhaus in Neu-Etzweiler gesetzt - Ersatz für die fehlenden Gaststätten

Elsdorf/Neu-Etzweiler. Neu-Etzweiler bekommt eine "gute Stube". So jedenfalls nennt der Architekt Horst Ulrich das Bürgerhaus, das im Laufe des nächsten Jahres für über drei Millionen im Umsiedlungsort entstehen wird. Das Haus soll der größte Bau in Neu-Etzweiler werden und gemeinsam mit dem Dorfteich und der Festweise des Zentrum bilden.

Architekt Ulrich setzte am Samstag nachmittag gemeinsam mit Bürgermeister Harald Schröder, Kirchenvorstand Otto Hoffmann und Alois Herbst von der Firma Rheinbraun den symbolischen ersten Spatenstich. Heute beginnen die Bauarbeiten an dem Gebäude.

Zahlreiche Etzweiler Bürger waren am Samstag zum ersten Spatenstich ins Festzelt gekommen, um sich die Pläne für das Haus anzuschauen. Auf rund 800 Quadratmetern wird das eingeschossige Bürgerhaus unter anderem einen großen, teilbaren Saal für 200 Personen und einen schalldichten Disko-Raum bieten. Ein Schießstand kann in Windeseile im Großraum aufgebaut werden.

Genutzt werden soll das Bürgerhaus hauptsächlich von den Etzweiler Vereinen (der St.-Hubertus-Bruderschaft, der Frauengemeinschaft, der Maigesellschaft "Holdes Grün" und der Interessengemeinschaft Rosenmontagszug), aber auch privaten Anlässen wird das Haus offenstehen.

Offen für Vereine und Familienfeiern

"Einen vergleichbaren Bau hat es im alten Etzweiler und der Gesolei nicht gegeben", sagte Bürgermeister Schröder. "Feiern fanden in den Gaststätten statt, die es wiederum im neuen Ort nicht gibt."

Die Gemeinde Elsdorf übernimmt mehr als zwei Millionen Mark Baukosten, die sich zum Teil über Entschädigungen von Rheinbraun und Landeszuschüsse finanzieren. Die Kirchengemeinde St. Hubertus, die mit der Umsiedlung an die Elsdorfer Gemeinde angegliedert wird, beteiligt sich mit rund 1,2 Millionen Mark an dem Bau. "Wir verstehen das Bürgerhaus als Ersatz für den Pfarrsaal im alten Etzweiler", sagte Kirchenvorstand Otto Hoffmann.

Den ersten Spatenstich verbanden die am Bau Beteiligten mit vielen guten Wünschen. So hoffte Bürgermeister Schröder, dass das Bürgerhaus "den Zusammenhalt der Umsiedler und das Vereinsleben fördern wird". Laut Alois Herbst, bei Rheinbraun für die Abteilung Umsiedlung zuständig, soll das Gebäude "den Mittelpunkt des Gemeinschaftslebens bilden".

Zumindest wird das Bürgerhaus auch an den alten Ort erinnern: Fliesen aus dem Flur des Pfarrhauses werden hier ebenso ihren Platz finden wie die alte Tür mit den beiden schmiedeeisernen Buchstaben "E", die für "Etzweiler Einigkeit" stehen.

Die Umsiedlung ist fast abgeschlossen. "Von den einst 300 Haushalten leben nur noch rund 25 Familien in Etzweiler", sagte Ortsvorsteher Heinz Tesch.

Quelle: Kölnische Rundschau 09/08/1999

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Optimistischer Start ins Berufsleben

56 Jungen und drei Mädchen beginnen heute bei Rheinbraun in Frimmersdorf ihre Lehre - Unternehmen bildet rund 700 Jugendliche aus

Frimmersdorf. Frühaufsteher müssen sie sein, die drei Mädchen und 56 Jungen, die ab Montag in der Rheinbraun-Ausbildungswerkstätte eine Lehre anfangen. Arbeitsbeginn ist um sechs Uhr morgens, "aber ab halb sechs sind die Gebäude geöffnet", wurden die Arbeitsanfänger von einem Vertreter der Personalabteilung aufgeklärt.

Beitrag zur Entspannung auf Ausbildungsmarkt

Am Samstag morgen wurden die angehenden Handwerker und ihre Eltern in der Ausbildungswerkstätte Frimmersdorf von Betriebsdirektor Helmut Beißner begrüßt. Bei Kaffee und kalten Getränken wurden die Jugendlichen über ihre Arbeitsstätte informiert. Dabei standen Verhaltensregeln genauso auf dem Plan wie die Kosten für das Mittagessen oder Fragen zur Gehaltsabrechnung und Krankenversicherung. Auch der Hinweis an die Eltern, auf die Verkehrssicherheit der Fahrräder ihrer Kinder zu achten, fehlte nicht. "Es kommt nicht selten vor, dass ein Ausbilder einen seiner Schützlinge auf der Motorhaube hat, weil dieser ohne Licht um die Kurven gebrettert ist", berichtete Beißner.

Alie kommenden dreieinhalb Jahre werden die jungen Leute nun Kenntnisse für ihren späteren Beruf erwerben, eine spätere Übernahme bei Rheinbraun ist aber nicht vorgesehen. Das Unternehmen versteht sein Engagement als Beitrag zur Entspannung auf dem angespannten Ausbildungsmarkt. 150 000 Mark gibt Rheinbraun jährlich für die Lehrlingsausbildung aus. "Es ist unser grundlegendes Ziel, eine qualifizierte Ausbildung zu ermöglichen", sagte Beißner. Man gebe sich große Mühe Wissen zu vermitteln und habe auch dafür Verständnis, dass Jugendliche mal über die Strenge schlagen. "Aber es gibt auch feste Regeln im Berufsleben und Disziplin heißt vor allem auch Selbstdisziplin", ermahnte Beißner die Jugendliche. So dürfe es keine unentschuldigten Fehlzeiten geben, machte der Betriebsdirektor geltend.

Auch wenn das Unternehmen den jungen Leuten nach ihrer Ausbildung keinen Arbeitsplatz anbiete - wie es vor einigen Jahren bei Rheinbraun noch gang und gäbe war - glaubt Betriebsratsvorsitzender Helmut de Jong, dass die ausgebildeten Handwerker auch auf dem freien Arbeitsmarkt in der freien Wirtschaft gute Chancen haben. Ohnehin könne keiner sagen, "wie es hier in drei Jahren mit Arbeitsplätzen aussieht", fügt de Jong hinzu.

Ausgebildet werden die 59 Jugendlichen in den Berufen Industriemechaniker, Energieanlagenelektroniker, Konstruktionsmechaniker und Zerspanungsmechaniker. Allein in diesem Jahr hat das Unternehmen bereits 200 jungen Leuten einen Ausbildungsplatz angeboten, insgesamt bildet Rheinbraun zur Zeit 700 Jugendliche aus.

Quelle: Kölnische Rundschau 02/08/’99

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Hambach-Kohle verklebt die Kessel

Probleme bei Verbrennung - RWE baut weiter Personal ab


Bergheim/Erftkreis - Die RWE Energie AG wird zum 1. Januar 2000 ihre Kraftwerke in drei "Leistungseinheiten" umwandeln. Auf diese Weise soll weiter Personal eingespart werden. Die Kraftwerke Bergheim-Niederaußem und das Goldenberg-Werk in Hürth werden zu einer Einheit zusammengefaßt. Frimmersdorf bildet mit Neurath eine weitere. Nur das weiter westlich am Tagebau Inden gelegene Kraftwerk Weisweiler bildet eine eigene Einheit. Das teilte der Niederaußemer Kraftwerksdirektor Günther Schöddert gestern mit. Weiterhin ist geplant, ein zentrales "Service-Center" für alle Kraftwerke zu installieren.

Regeln bislang alle Kraftwerke den Einkauf für sich selbst, soll dies zukünftig in einer Abteilung geschehen. Zentralisiert werden soll auch das Meß-und Prüfwesen, die Teams der turnusmäßigen Inspektionen der Kraftwerksblöcke, das Lagerwesen und einzelne Werkstätten. Das Service-Center müsse man sich eher als eine organisatorische denn als räumliche Zusammenlegung vorstellen, betonte Schöddert. Natürlich sei es das Ziel, doppelte Arbeiten zu vermeiden und so den Personalbedarf weiter zu verringern. Braunkohlenstrom stehe unter erheblichem Kostendruck durch die billige Importsteinkohle, deshalb müsse RWE die Betriebskosten senken.

Sicher sei, daß das Goldenbergwerk "so bald wie möglich" vom Netz gehe. Verträge wie der mit der Stadt Köln über die Verbrennung von Gas aus der Mülldeponie hinderten RWE zur Zeit daran, die beiden Hürther Blöcke sofort abzuschalten. Von der 350 Mann starken Hürther Belegschaft gehörten rund 100 Mitarbeiter zum Bereich des Zentrallabors, das weitergeführt werde, so Schöddert. Auch bisher seien schon einige Mitarbeiter nach Niederaußem übernommen worden. Fest steht, daß Schöddert nicht Chef der neuen Leistungseinheit werden wird, denn er wird am 7. Februar 2000 65 Jahre alt und geht in Pension. Über Personalien werde ohnehin erst geredet, wenn Dr. Gerd Jäger am 1. Oktober 1999 die Nachfolge von Professor Werner Hlubek an der Spitze von RWE Energie übernommen habe. Auch die Betriebsräte würden wohl erst im Jahr 2002 zusammengelegt, sagt Harald Könen, Vize-Betriebsratsvorsitzender von Niederaußem.

Mit Sorge blickt das RWE auch auf die Qualität der Braunkohle. Das Niederaußemer Kraftwerk versorgte zwar auch im Wirtschaftsjahr 1998/99, das am 30. Juni endete, 4,3 Prozent aller Deutschen mit Strom, aber es wurden 22 Milliarden Kilowattstunden weniger produziert als im Vorjahr (513 Milliarden Kilowattstunden). Grund ist der hohe Alkaligehalt der Braunkohle, besonders der aus Hambach, der dazu führt, daß die Asche schmilzt und die Kessel verklebt, was Ausfälle zur Folge hatte. Sollte Garzweiler II an wirtschaftlichen Gesichtspunkten scheitern, sehen selbst die BoA-Planer technische Probleme auf sich zu kommen, wenn sie allein auf die Kohle aus Hambach angewiesen sind.

Quelle: Kölner Stadt-Anzeiger 30/07/’99

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"Eine Arbeit, bei der ich morgens den Kopf abgebe"

Malochen für den höchsten Kühlturm der Welt: Betonhochbauspezialist Björn Kwahs schuftet täglich zehn Stunden für den BoA-Block

Bergheim-Niederaußem. Für den "letzten Mann vorm Beton" gibt es nur wenige Handgriffe: Björn Kwahs spannt zwei Betonschalen zusammen und biegt den überstehenden Draht ab. Jetzt sitzt die Schalung fest zwischen den Abstandhaltern, der Beton kann kommen.

Oft genug hängt Björn Kwahs der Kübel mit säurefestem Spezialbeton buchstäblich im Nakken. Dann heißt es, noch einen Zahn zulegen, die Spannschlösser im Akkord anbringen und spannen. Mehrere hundertmal am Tag die gleichen Handgriffe.

Kwahs ist nach Eisenflechtern, Aus- und Einschalern sowie Kletterern der letzte, bevor "der Beton kommt". Die hohe Spezialisierung gewährleitet die Schnelligkeit der Truppe. "Einer jagt hier den anderen", sagt Theo Lattiras, der wie Kwahs aus dem Ruhrgebiet kommt.

"Es muß ja weiter gehen", sagt Kwahs, so wie seine rund 60 Kollegen, die auf dem Ringgerüst den Kühlturm Tag für Tag um mindestens einen Meter in die Höhe schrauben. Allen sitzt der Terminplan im Nacken: Ende November sollen sie fertig sein. Etwa um zehn Meter ist die Truppe im Rückstand.

Es ist nicht irgendein Gebäude, das Björn Kwahs mit hochzieht. Mit 200 Metern wird der Kühlturm für den BoA-Block am Kraftwerk Niederaußem der höchste der Welt sein. Neben dem Nettogehalt von rund 4000 Mark motiviert ihn auch das. Alle sind peinlich genau in ihrer Arbeit. Täglich wird die erst nach innen, dann nach außen geneigte Form des Turms neu ausgelotet. Nur der Meter genau in Taillenhöhe wird im Lot betoniert werden können. George Lattiras überträgt mit der Winkelwasserwaage die Gradzahl auf die Schalungshilfen.

Per Handy die kleine Tochter trösten

"Eine Arbeit, bei der ich morgens den Kopf abgebe und abends wieder aufsetze." Doch Lattiras und die anderen haben auch hier den Ehrgeiz, exakte Arbeit zu liefern, nicht weiter als einen Zentimeter vom Sollwert abzuweichen.

Das Wort von der "Primatenarbeit" macht bei den Bauarbeitern die Runde. Für den 24jährigen Betonhochbauspezialisten Björn Kwahs heißt das, ab 6 Uhr zehn Stunden zu arbeiten, fünf Tage in der Woche, manchmal auch samstags. 150 Überstunden sammeln sich da schnell an. Die werden abgefeiert, wenn die Firma Heitkamp aus Herne mal keinen Kühler hochzieht.

Zwischen Schalöl, Rost und Betonspritzern träumt Kwahs von Sonne und den weißen Stränden der Dominikanischen Republik. Da soll es im August hingehen. Auf dem Turm dagegen bringt das Wetter meist unerfreuliche Abwechslung. "Wie es hier regnet. Ist doch nicht normal", murrt Einschaler Hans Marek, der wenige Meter vor Kwahs arbeitet. Und wenn es heiß ist, wabern aus den anderen Kühltürmen heiße Dampfwolken nieder.

George Lattiras und sein Bruder Theo wohnen mit Björn Kwahs wochentags in einer engen Wohnung mit bunt zusammengewürfelten Möbeln nur wenige hundert Meter von der Baustelle entfernt. Das Trio war schon öfter zusammen auf Montage. Auch privat sind die drei ein eingespieltes Team.

"Nein Süße, das geht doch nicht. Du weißt doch, ich muß hier arbeiten", vertröstet Theo am Handy seine vierjährige Tochter, während er die Schnitzel in der Pfanne wendet, George den Salat wäscht, und Björn die gebratenen Pilze pfeffert. Manchmal sei es nicht so einfach, ein Familienleben zu führen. Gelsenkirchen ist nicht weit, aber zu weit weg, um täglich zu fahren. "Das machst du vielleicht zweimal die Woche. Öfter hältst du einfach nicht durch". Björn und George ist erst kürzlich eine Liebe zerbrochen, an der Arbeit habe das schon auch gelegen, sagen sie.

Auch Oberpolier Roland Albert runzelt bei der Frage nach dem Privatleben die Stirn. "Die Familie muß es schon mitmachen", sagt er, der am Wochenende rund 600 Kilometer weit nach Hause fährt. Seit 25 Jahren ist er verheiratet, seit 20 Jahren auf Montage. Eine Ahnung von dem, was "auf Montage sein" heißt, hatte Kwahs schon auf der Fahrt zum Kraftwerk "Schwarze Pumpe" bei Spremberg. Das war unmittelbar nach seiner Lehre als Beton- und Stahlbetonbauer im Sommer 1994. 650 Kilometer ging es da von Wanne-Eickel in Richtung Osten. Tagsüber habe er bei 30 Grad Hitze auf dem Kühler malocht und am Feierabend überhaupt nichts zu tun gehabt. "Überall nur Kopfsteinpflaster" erinnert er sich. In Bergheim sei das anders. Da ginge er schon mal in den Angelpark auf ein T-Bone-Steak und ein Bier oder ins Bergheimer Steffi. Gegen die Monotonie hilft auch der Ausblick aus der Höhe nichts. Der Colonius zeigt sich am Horizont winzig, daneben der Kölner Dom. Bei guter Sicht ist sogar Düsseldorf auszumachen. Manchmal aber stellt sich Björn Kwahs auf den oberen Rand der Schalung, hält sich an den Armierungseisen fest, lehnt sich vor und läßt sich dort, so kurz vor dem Sprung auf die äußere Brüstung, für einen Moment wippen: "Das ist wie fliegen". Und dann sieht er das Wochenende vor sich liegen: "Was Theo? Noch zwei Stunden, dann haben wir es geschafft".

Quelle: Kölnische Rundschau 27/07/1999

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Internet und eigenes Logo

Pläne für das Gewerbegebiet Türnich 3 vorgestellt - Stadt und Rheinbraun arbeiten zusammen

pro Kerpen. "Ein sehr spannendes Projekt" ist der Industrie- und Gewerbepark Türnich 3 für Rheinbraun. Am Mittwoch wurden im Kerpener Rathaus die Pläne für die im Anschluß an das bereits besiedelte Gewerbegebiet Türnich 2 ausgewiesene Fläche vorgestellt. Auf 88 Hektar sollen sich hier neue Unternehmen ansiedeln. Für 120 Mark pro Quadratmeter inklusive der Erschließungskosten sind die Grundstücke zu haben; allerdings erst ab einer Größe von 1000 Quaratmetern. Die Aufträge zur Erschließung seien bereits vergeben, "am 8. September ist der offizielle Baubeginn", berichtete Kerpens Stadtdirektor Ferdi Wind.

Das geplante Industriegebiet Türnich 3 gehört zur Hälfte Rheinbraun und zur anderen Hälfte der Stadt Kerpen. "Das Konzept steht auf einer vernünftigen wirtschaftlichen Basis", so Alois Herbst, Abteilungsleiter Liegenschaft/Umsiedlung bei Rheinbraun. Deshalb habe sich Rheinbraun entschlossen, die Vermarktung in Zusammenarbeit mit der Stadt Kerpen zu organisieren. "Für Rheinbraun ist dies das größte Bauprojekt außerhalb der Umsiedlungenen", erläuterte Herbst.

Der Verkauf der Grundstücke sei bereits in vollem Gange, sagte Wind. "Und die Nachfrage ist sehr positiv." Sechs Hektar sind bereits an Unternehmen verkauft, für weitere fünf Hektar habe man Optionen vergeben. Geplant ist auch eine Vermarktung über das Internet. Sogar ein eigenes Logo sei für die professionelle Vermarktung entwickelt worden.

Mit den beiden Gewerbegebieten Türnich 1 und Türnich 2 entsteht mit 132 Hektar einer der größten zusammenhängenden Gewerbe- und Industriebereiche in der Region Köln-Aachen. "Sehr wichtig für die Stadt ist, daß zur Erreichung der Industriegebiete kein Ort durchfahren werden muß", findet Wind. Es bestehe eine optimale Verkehrsanbindung, ohne daß die Bürger einer Lärmbelästigung ausgesetzt seien.

Quelle: Kölnische Rundschau 22/07/’99

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Schollen sinken langsam

Bergschäden rund um den Tagebau Hambach halten sich in Grenzen

fun Erftkreis. Die Heppendorfer sind in den letzten 42 Jahren am tiefsten gesunken. Um bis zu 3,29 Meter ist der Ortsteil der Gemeinde Elsdorf durch die Grundwasserabsenkung im Bereich des Tagebaus Hambach abgesackt. Elsdorf selbst sank 2,35 Meter. An 43 000 Festpunkten werden die Veränderungen regelmäßig gemessen.

Werner Schäfer, Leiter der Rheinbraun-Abteilung "Bergschäden", lieferte am Dienstag dem Braunkohlenunterausschuß Hambach eine Bericht über die Sachdenssituation. Sie sei alles andere als dramatisch, sagte Schäfer. Da die Absenkungen sich nur millimeterweise und nie abrupt vollzögen, hielten sich auch Auswirkungen auf Grundstücke und Gebäude in Grenzen.

Zu etwa 100 Bergschäden im Jahr komme es derzeit im gesamten Einzugsgebiet des Tagebaus Hambach. Dies entspreche - mit einer Ausnahme - dem Erfahrungswert der vergangenen vier Jahrzehnte. Bergheim habe Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre eine Sonderstellung eingenommen und den Durchschnittswert auf 160 erhöht.

Rheinbraun bemühe sich, die Schäden schnell und unbürokratisch zu bereinigen, sagte Schäfer, räumte allerdings ein, daß sich Verfahren je nach Prüfungsaufwand auch einmal verzögern könne. "Wir betreiben keinesfalls irgendeine Hinhaltetaktik."

Quelle: Kölnische Rundschau 17/06/1999

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RWE reformiert seine Versorgungsbereiche

Neue Anforderungen im freien Strommarkt

fun Erftkreis. Der "Netzbereich Erft", zu dem jetzt der gesamte Erftkreis zählt, zeigt bereits die neuen Strukturen der Reform innerhalb der RWE Energie AG: Netzbetreuung und Energievertrieb sind strickt von einander getrennt, um den Anforderungen des freien Marktes und der sicheren Stromversorgung besser gerecht werden zu können.

Bereits im April hatte die RWE Energie AG bei einer Pressekonferenz in Düren die Umstrukturierung vorgestellt.

2500 Arbeitsplätze fallen weg

2500 Arbeitsplätze sollen allein in der Netzbetreuung und im Vertrieb sozialverträglich eingespart werden, um die Wettbewerbsfähigkeit im harten Konkurrenzkampf garantieren zu können. Auf dem Strommarkt werde bald ähnlich aggressiv um Kunden gerungen wie im Bereich der Telekommunikation, hieß es damals.

Adolf Schweer, der Leiter des Netzbereiches Erft, bestätigte gestern in Bergheim die Zahlen erneut. Es sei jedoch niemand entlassen worden. Eine Vorruhestandsregelung und die Flexibilität der Mitarbeiter, die zu einem Standortwechsel bereit seien, hätten überall zu annehmbaren Lösungen geführt. Im Bereich "Netzbetreuung" seien zudem kaum Arbeitsplätze einzusparen. "Ein PC kann keine Leitungen reparieren", so Schweer. Im kaufmännischen Bereich gebe es da mehr Möglichkeiten.

In der Betreuung von Strom-, Gas- und Wasserleitungen unterhält RWE in Bedburg, Frechen und Kerpen weitere Außenstellen, sogenannte Netzbezirke, um bei auftretenden Störungen für Reparaturen schnell vor Ort sein zu können. Während hier die Präsenz zur Sicherung der Versorgung unabdingbar sei, lasse sich die Kundenbetreuung problemlos zentralisieren. So wird das im Ausbau befindliche "Call-Center" in Brühl künftig der Kundschaft in ganz Deutschland als Ansprechpartner zur Verfügung stehen, und die Rechnungen kommen aus dem "Billing-Center" in Essen.

Großkunden profitieren vom Preiskampf

Bisher profitieren vor allem Großkunden vom Preiskampf auf dem Strommarkt. Inzwischen entdeckten verschiedene Anbieter aber auch schon kleinere Einheiten, etwa Gewerbetreibende, die sich zu Abnehmergemeinschaften zusammenschließen. Irgendwann könne möglicherweise auch der Privatkunde in den Mittelpunkte des Interesses rücken, so Schweer. Denn schließlich könne mit Einführung einer Strombörse praktisch jeder Geschäftsmann mit Energie Handel betreiben.

Quelle: Kölnische Rundschau 17/06/1999

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"Wir müssen uns bewegen"

Chemiepark Knapsack - Studie: Nur Mittelfeld im Standort-Vergleich

Hürth. Jetzt hat es der Industriestandort Hürth-Knapsack schwarz auf weiß: Im weltweiten Vergleich belegt er einen Platz im Mittelfeld. Der Spitzenreiter liegt in den Niederlanden. Horst-Dieter Schüddemage, Leiter der InfraServ, die den Chemiepark vermarktet: "In den Bereichen, die wir beeinflussen können, müssen wir uns bewegen." Außerdem gelte es, die politischen Rahmenbedingungen zu verbessern. "Mittelfeld reicht nicht."

Die Studie, die im Auftrag von InfraServ von Aventis, Dienstleister der Hoechst AG, durchgeführt wurde, vergleicht elf Standorte. Sechs davon sind von Hoechst in Deutschland, je einer liegt in den Niederlanden, Spanien, Frankreich, den USA und Indien. Basis für die Analyse waren vier typische Chemieanlagen.

Geradezu erschütternd fällt das Ergebnis des Vergleichs aus, wenn es um die Frage der Kosten geht. Der Kapitalwert am niederländischen Standort ist zwei-bis mehr als dreimal höher als in Knapsack. Auch der Abstand der Niederländer zu den übrigen deutschen Industrieplätzen ist beachtlich. Grund hierfür, so die Studie, seien hohe Energie- und Personalkosten sowie die Steuersätze. "Wenn es um Standortentscheidungen geht, rechnet jedes Unternehmen mit dem gesetzlichen Steuersatz, nicht mit den real gezahlten Steuern", so die Erklärung.

Energiekosten im Mittelfeld

Die Energiekosten sind ein Punkt, den die Unternehmen selbst beeinflussen können. Hier zeigen sich bereits innerhalb Deutschlands gravierende Unterschiede: An einem Standort sind sie annähernd doppelt so hoch wie an einem anderen. Auch hier hält sich Knapsack etwa in der Mitte. Nach dem angekündigten Rückzug von RWE vom Chemiehügel ist Zeit für neue und entschlossene Verhandlungen.

Gute Kritiken erntet der Standort bei den sogenannten qualitativen Kriterien (Infrastruktur, Genehmigungsverfahren, Kriminalität und ähnliches). 83 derartige Faktoren wurden begutachtet. In punkto Nutzwert sind die deutschen Standorte demnach führend, Knapsack rangiert insgesamt auf Platz vier. Jedoch sind die Abstände zwischen allen Standorten, mit Ausnahme von Indien, gering.

"Jetzt wissen wir wenigstens, wo wir stehen", so Schüddemage, der einräumen mußte, daß sein Credo - "Wir sind der beste Standort in Europa" - wohl revidiert werden muß. Er wolle sich auch keineswegs darauf beschränken abzuwarten, bis die Politik die Rahmenbedingungen verbessere: "Wir müssen hier in Knapsack selbst die Strukturen verändern." Dazu gehöre, Arbeit effizienter zu gestalten. Darüber hinaus müsse ein Cracker, eine von weltweit wenigen Großanlagen für die Petrochemie, nach Knapsack kommen. Logistisch sei der Weg mit dem geplanten Containerbahnhof vorgezeichnet.

Aber: "Die Höhe der Steuern dominiert die übrigen Standortvorteile." Insbesondere bei der Abschreibung hätten die Niederlande die eindeutig besseren Karten. Ähnlich sehe es in den gesamten Benelux-Staaten aus, Antwerpen boomt. Ferner seien Personal- und Reparaturkosten dort deutlich günstiger - ein Punkt der nur bedingt im Einflußbereich der einzelnen Unternehmen liegt.

Auch wenn das Ergebnis der Studie den Vorstellungen der InfraServ sicher nicht so ganz entspricht, sieht Schüddemage einen Vorteil: "Wir kennen jetzt unsere Position und die Richtung, in die wir uns bewegen müssen." Und Bewegung tut Not, will Knapsack nicht die "dicken Brocken" an sich vorüberziehen lassen. Der Frage der Energieversorgung durch ein eigenes Kraftwerk kommt dabei eine nicht unbedeutende Rolle zu. Doch RWE baut auch in Antwerpen.

Quelle: Kölnische Rundschau 03/06/1999

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Betonwerk statt Brikettfabrik

Industriehügel Knapsack

Neue Ansiedlungen auf Rheinbraun-Areal - Sechs Hektar Land erschlossen

Hürth - Die Brache füllt sich, ein wenig zumindest. Rund 100 Hektar freie Fläche gibt es im Knapsacker Technologie- und Industriepark - zwei Hektar hat Rheinbraun jetzt an den Mann gebracht. Die Beton-Union baut an der Ecke Industriestraße/Bertramsjagdweg ein Betonwerk. Ein zweites Grundstück erwarb die Hürther Spedition Eilfro, die demnächst mit Bauarbeiten beginnt. Und nebenan will die Firma Pepsik auf dem ehemaligen Terrain der ehemaligen Brikettfabrik Vereinigte Ville einen Reparaturbetrieb für Gabelstapler betreiben. Unter dem Namen "Technologie- und Industriepark Knapsack" versuchen RWE und Rheinbraun sowie der Chemiepark und die Immobilienfirma, gemeinsam den Standort zu vermarkten. Bei aller nach außen demonstrierten Eintracht sind die vier Partner zunächst daran interessiert, die passenden Nutzer für ihre eigenen Grundstücke zu finden.

Gestern nun lud die Rheinbraun AG zur Einweihung des ersten Bauabschnitts auf ihrer Freifläche ein. Sechs Hektar wurden erschlossen, bei großer Nachfrage sollen auch die übrigen neun Hektar in Rheinbraun-Besitz für Ansiedlungen vorbereitet werden. "Ein Bahnanschluß besteht bereits", so Dr. Christian Lögters, Bereichsleiter Liegenschaften bei Rheinbraun. Die drei neuen Investoren wollen in Knapsack alles in allem 60 Leute beschäftigen. 20 davon werden im Betonwerk arbeiten, das die Beton Union Eifel errichtet.

Laut einer Aufstellung der Hürther Wirtschaftsförderung haben inzwischen mehr als 100 Firmen ihre Filialen auf dem Industriehügel. Dazu zählen kleine Dienstleister, aber auch Chemiefirmen mit mehreren hundert Mitarbeitern. Insgesamt haben 2500 Leute einen Job in Knapsack - das sind weniger, als einst allein die Hoechst AG beschäftigte. Stadtdirektor Walther Boecker sagte gestern, mit der Erschließung des Gewerbe- und Industrieareals bei Rheinbraun werde kleineren und mittleren Unternehmen eine Perspektive geboten. Boecker mahnte zugleich, "hochakzeptiertes Industriegebiet" nicht zugunsten kurzfristiger Ansiedlungserfolge zu verschleudern.

Quelle: Kölner Stadt-Anzeiger 01/06/’99

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Betonkurs

Münteferings Verkehrspolitik folgt den eingefahrenen Mustern

Die EU hat vor kurzem festgelegt, was benachteiligte Regionen mit der Strukturhilfe aus Brüssel fördern sollen. Da ist von Innovation die Rede, von Umwelt, Nachhaltigkeit und der Gleichstellung der Geschlechter. Auch regionale Wirtschaftskreisläufe sollen gestärkt werden. Und was fällt den Deutschen dazu ein? Autobahnen - mal wieder.

Etwa drei Milliarden Mark aus Brüssel haben die ostdeutschen Länder aus ihren Fördergeldern abgezweigt und an Bundesverkehrsminister Müntefering weitergeleitet. Der hat versprochen, noch einmal 4,9 Milliarden Mark draufzulegen und davon schöne neue Verkehrswege zu bauen. Etwa zwei Drittel der Mittel sind für Straßenbau vorgesehen; der Rest geht in die Schiene.

Müntefering setzt das Spiel seines CDU-Vorgängers ungebrochen fort: Zum einen betont er immer wieder, den Verkehr von der Straße auf die Schiene verlagern zu wollen, um dann genau das Gegenteil zu tun. Auch die Masche, möglichst viele Projekte anzufinanzieren und so einen Fortsetzungszwang zu erzeugen, hat Müntefering von Wissmann abgekupfert. Der Rügendamm oder die Verbindung Schwerin-Wismar hätten auf Jahre keine Chance, weil schon das Geld im Bundeshaushalt für die Ostseeautobahn nicht ausreicht. Doch sobald EU-Gelder drinstrecken, muß die Asphaltpiste irgendwann fertig werden. Bei der Verteidigung der Pfründe gegen den sparwütigen Finanzminister Eichel ist das EU-Argument bestimmt auch ein Trumpf.

Und die Grünen? Zwar steht im Koalitionsvertrag, daß die Investitionen für Straße und Schiene angeglichen werden sollen. Doch mal wieder halten die Grünen still. Schließlich sind ja auch ein paar gute Projekte dabei wie die Mitte-Deutschland-Bahn von Görlitz nach Paderborn. Und immerhin hat Müntefering es vermieden, provokative Projekte wie die ICE-Trasse Erfurt-Nürnberg oder die Ostseeautobahn aufzunehmen. Wer interessiert sich schon für die Ortsumgehung Wolgast? Weil kein öffentlicher Aufschrei zu erwarten ist, bleibt der Verkehrsplan unterhalb der Schmerzgrenze der grünen Bundestagsfraktion. Solche Art von Taktiererei aber unterstützt die Betonpolitik à la Müntefering. So wird auch der überübernächste Verkehrsminister keine umweltfreundliche Politik machen können.

Quelle: TAZ 27.5.1999

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Plötzlich Geld für Autobahnen

Trotz leerer Kassen: Bundesprogramm stellt acht Milliarden für umstrittene Verkehrsprojekte in den neuen Ländern in Aussicht Von Thorsten Denkler

Berlin (taz) - Bis gestern litt die Bundesregierung noch unter knappen Kassen. An neue Autobahnen war nicht zu denken. Über Nacht ist alles anders geworden. Das Bundeskabinett beriet gestern das Bundesprogramm "Verkehrsinfrastruktur Neue Bundesländer". Das Programm wäre mit rund acht Miliarden Milliarden Mark dotiert; fünf Milliarden aus Bundesmitteln und drei Milliarden aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (Efre). Mit dem Geld sollen in den Jahren 2000 bis 2006 vor allem Bundesautobahnen in den neuen Ländern gebaut werden, die aus Geldmangel auf die lange Bank geschoben worden waren. Dazu gehören etwa die A 241 von Schwerin nach Wismar, die A 17 von Dresden nach Prag und auch die Rügenabindung an die A 20 - allesamt höchst umstrittene Projekte.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) wirft Bundesverkehrsminister Franz Müntefering (SPD) in einem offenen Brief vor, mit diesem Programm den eigenen Koalitionsvertrag zu verletzen. Eigentlich sollten die Investitionen in Straße und Schiene angeglichen werden. In dem Sonderprogramm aber spielt der ÖPNV nur eine untergeordnete Rolle. "Der Verkehrsminister glaubt anscheinend immer noch, mit Autobahnen Probleme lösen zu können", ärgert sich Tilmann Heuser, Verkehrsreferent beim BUND.

Glücklich sind auch die Grünen mit dem Vorgehen des Verkehrsministers nicht. Sie wurmt vor allem, daß Projekte in die Förderung aufgenommen wurden, die eigentlich noch hätten überprüft werden sollen. Die Projekte fallen jetzt aus der im Koalitionsvertrag vereinbarten Prüfung des Bundesverkehrswegeplans heraus.

Die neuen Bundesländer müssen dem Maßnahmenpaket der Bundesregierung zustimmen. Weil die Zuständigkeit für die Planung und Finanzierung von Autobahnen, überregionalen Schienentrassen und Wasserstraßen beim Bund liegt, haben sie mit der Regierung ein Geschäft gemacht: Die neuen Länder geben von den ihnen zugewiesenen 40 Milliarden Efre-Mark drei Milliarden Mark dem Bund, und im Gegenzug baut derdie Infrastruktur der Länder aus.

Daß dieser Schuß auch nach hinten losgehen kann, zeigt sich am Land Thüringen. Es hat von den ihm zustehenden EU-Mitteln 510 Millionen Mark in die Verantwortung des Bundesverkehrsministers übergeben. "Nach den jetzigen Plänen bekommen wir aber nur 375 Millionen wieder", wundert sich Klaus Hofmann, Sprecher im Ministerium für Wirtschaft und Verkehr. Damit soll die Autobahn A 71 gebaut werden. Aber die Thüringer wollen eigentlich auch ihr Schienennetz ausbauen. Vor allem die ICE-Trasse Erfurt - Nürnberg und der zweigleisige Ausbau der Mitte-Deutschland-Strecke liegt ihnen am Herzen. Sollte keines dieser beiden Projekte realisiert werden können, wird Thüringen seine Zustimmung verweigern. Damit wäre das gesamte Bundesprogramm gestorben.

Quelle: TAZ 27.5.1999

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"Gaskraftwerk sicherer denn je"

Diskussionen um den Standort Hürth

Erftkreis. "Ich bin nach der jüngsten Entwicklung sicherer denn je, daß am Standort Hürth ein Gaskraftwerk entstehen wird", sagt Horst-Dieter Schüddemage, Chef der Firma InfraServ, die den Technologie- und Industriepark Hürth vermarktet. Schüddemage geht davon aus, daß die RWE Energie AG und die englischen Firma PowerGen sich in "irgendeiner Form kooperativ einigen werden".

Während es im Erftkreis die Spatzen von den Dächern pfeifen, daß die Engländer am Mittwoch zunächst in Hürth-Knapsack und dann in Essen waren, werden Gespräche von der RWE Energie AG weder bestätigt noch dementiert. Pressesprecherin Barbara Eckrich wiederholt die bekannte Position: "Fernwärme und Prozeßdampf können weiterhin braunkohlenbasiert geliefert werden." Als Lieferanten für Prozeßwärme für die Zeit nach dem Goldenbergwerk - es soll spätestens Mitte 2003 abgeschaltet werden - nennt Eckrich das Rheinbraun-Kraftwerk in Berrenrath. Den Kunden verspricht sie ein gutes Angebot.

Die Politiker wollen auf jeden Fall am Standort Hürth festhalten. Klaus Lennartz und alle Hürther SPD-Politiker haben in einem Schreiben den RWE-Vorstand aufgefordert, eine Perspektive zu entwickeln und schnellstens die Zukunft des Energie- und Industriestandortes Hürth vor Ort in einer Gesprächsrunde zu erörtern.

Der CDU-Landtagsabgeordnete Willi Zylajew sieht im Kraftwerk Berrenrath als Prozeßwärmelieferanten nur eine vorübergehende Lösung, die es RWE aber ermögliche, relativ schnell das Goldenbergwerk aufzugeben. Nach Zylajews Einschätzung bringt die jüngste Entwicklung aber die PowerGen-Pläne weiter nach vorne. Die Firma habe eine fünfjährige Option auf ein äußerst wertvolles Grundstück und werde wohl davon Gebrauch machen.

FDP: Befremdliche Informationspolitik

Für die Grünen ist ein Gaskraftwerk in Hürth die "einzig realistische Perspektive". "Ob dieses von RWE oder PowerGen oder in Kooperation zwischen beiden errichtet werden wird, ist zweitrangig", schreibt Kreisvorsitzende Doris Lambertz in einer Pressemitteilung. Es sei jedoch wichtig, sich der Realität zu stellen. Dazu gehöre auch die Erkenntnis, daß der Tagebau Garzweiler II "faktisch unnötig" sei.

Die Landratskandidatin der FDP, Anne Schmitt-Sausen, kritisiert die "befremdliche Informationspolitik von RWE", mit der bis zuletzt ein Festhalten am Goldenbergwerk signalisiert worden sei. Um im Veränderungsprozeß ein Stück voranzukommen, fordert Schmitt-Sausen die Stadt Hürth auf, ein "Energieforum" einzuberufen. Ziel müsse es sein, mit neuen Investitionen neue Arbeitsplätze zu schaffen. Dazu gehörten auch der Ausbau des Industrieparks Knapsack und die Gewährleistung einer optimalen Energieversorgung.

Quelle: Kölnische Rundschau 28/05/’99

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Modernes Kraftwerk Nr. 2

RWE Energie AG: Investitionsentscheidung klares Signal für Festhalten an Braunkohletagebau Garzweiler II

mig Essen/Köln. Der Vorstand der RWE Energie AG hat gestern in Essen die Weichen für den künftigen Braunkohle-Kraftwerkspark gestellt. Ein zweites großes "Braunkohlekraftwerk mit optimierter Anlagentechnik" (BoA) und einer Leistung von rund 1000 Megawatt (MW) baut der größte Stromerzeuger Deutschlands am Standort Grevenbroich-Neurath, heißt es in einer Mitteilung. Die Planung beginne sofort, die Inbetriebnahme solle im Jahr 2006 erfolgen. Die Bauarbeiten für das erste BoA-Kraftwerk in Niederaußem mit ebenfalls 1000 MW Leistung verliefen planmäßig, so daß die Stromerzeugung voraussichtlich 2002 starte.

NRW-Ministerpräsident Clement und der SPD-Fraktionsvorsitzende im Landtag, Manfred Dammeyer, begrüßten die Entscheidung als klares Signal für ein Festhalten der RWE Energie AG am Tagebau Garzweiler II. Auch Unternehmenssprecherin Barbara Eckrich sagte, aus RWE-Sicht sei der Tagebau nach wie vor erforderlich für eine wirtschaftliche und sichere Stromversorgung. Dagegen meinte NRW-Umweltministerin Höhn, mit der Entscheidung für das Kraftwerk werde noch "keine einzige Mark" in den Tagebau investiert. RWE halte sich also die Möglichkeit eines Abrückens offen. Rein rechnerisch bedeutet die Inbetriebnahme der neuen Kraftwerke bei gleicher Stromerzeugung einen geringeren Verbrauch, da die BoA-Technik die in der Braunkohle enthaltene Energie etwa ein Drittel effektiver umwandelt.

Allerdings könnten derzeit weder über die Mengen- noch über die langfristige Kapazitätsentwicklung der Kraftwerke gesicherte quantitative Aussagen gemacht werden, sagte Eckrich. Der jetzt gefaßte Beschluß sieht keine Kapazitätsausweitung vor: Am Standort Frimmersdorf werden bis spätestens Mitte 2003 vier 150-MW-Blöcke geschlossen, in Weisweiler weitere zwei. Stillgelegt wird das Kraftwerk Goldenberg, ferner ein 100-MW-Steinkohlekraftwerk in Dettingen/Bayern.

Damit fallen insgesamt mindestens 400 Arbeitsplätze weg. Der Abbau soll ohne betriebsbedingte Kündigung durchgezogen werden. Jedes der neuen Großkraftwerke kommt mit eine Mannschaft von rund 100 Leuten aus - so viele benötigen auch die alten Blöcke, die knapp ein Sechstel der Strommenge erzeugen können.

Quelle: Kölnische Rundschau 27.5.1999

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"Positives Signal für die Braunkohle"

Stimmen zur Standortentscheidung

fun Erftkreis. "Grundsätzlich ist die Entscheidung für ein zweites BoA-Kraftwerk ein eindeutig positives Signal für die langfristige Zukunft der Braunkohle", kommentiert Guido Steffen von der Rheinbraun-Pressestelle die Nachrichten aus Essen. "Wir haben allen Grund zur Freude."

Die Politiker im Erftkreis teilen diese Einschätzung nicht ganz. Sie begrüßen zwar die Entscheidung zum Neubau in Neurath, können sich aber mit der Schließung des Goldenbergwerks nicht anfreunden.

Landrat Wolfgang Bell betrachtet den Abbau von Arbeitsplätzen mit Besorgnis. Es gelte, alle Kräfte zur Schaffung zukunftsfähiger Arbeitsplätze zu bündeln.

Die SPD bezeichnet den Standort Hürth-Knapsack als "einen der besten in Europa". Wenn die RWE Energie AG sich hier zurückziehe, müsse sie mit ausländischer Konkurrenz rechnen. Die Kreispolitiker Klaus Lennartz und Edgar Moron fordern zusammen mit dem Hürther Stadtdirektor Walter Boecker und dem dortigen SPD-Fraktionsvorsitzenden Engelbert Faßbender den Essener Konzern auf, in den Standort Hürth zu investieren, statt ihn aufzugeben.

Für den CDU-Kreisfraktionsvorsitzenden Werner Stump ist die Stillegung in Hürth Knapsack "ein kalter Schuß in die Region", der so nicht hingenommen werden könne. "Die RWE Energie AG bricht hier Vereinbarungen, die im Zusammenhang mit der Genehmigung des Tagebaus Garzweiler II verbindlich getroffen worden sind", sagt Stump und erinnert daran, daß in Hürth modernste Kraftwerkstechnik (Kobra) erprobt werden sollte. "Auch ein Konzern muß Zusagen einhalten, zumindest aber Ersatz anbieten, wenn die Verhältnisse neues Handeln erfordern."

Zusammen mit seinen Landtagskollegen Michael Breuer und Willi Zylajew kritisiert Stump die Entwicklung allerdings auch als "Folge der wirtschaftsunfreundlichen Politik von Rot-Grün", die noch mehr Arbeitsplätze kosten werde.

Quelle: Kölnische Rundschau 27/05/1999

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RWE-Vorstand hat entschieden: Aus für Standort Hürth - Frimmersdorf schaltet Blöcke ab

BoA II wird in Neurath gebaut

Erftkreis. Sektlaune in Neurath, Katerstimmung in Frimmersdorf, Totenglocken am Standort Hürth: Der Vorstand der RWE Energie AG hat am Dienstag abend die Weichen für die Zukunft der Kraftwerke im Revier gestellt. Das zweite Braunkohlenkraftwerk mit optimierter Anlagentechnik (BoA) wird in Neurath gebaut, die Nachbarn in Frimmersdorf bleiben zumindest vorerst mit reduzierter Leistung am Netz. Im Kraftwerk Goldenberg aber stehen spätestens ab Mitte 2003 die Turbinen still.

"Das müssen wir alle erst einmal verdauen", schildert Pressesprecher Willi Schmitz die Lage im Goldenbergwerk. Eine solche Entscheidung sei so nicht absehbar gewesen, es herrsche Überraschung und Betroffenheit in der Belegschaft.

Über das hausinterne IntraNet haben die Kraftwerker in Hürth Kenntnis von der offiziellen Pressemitteilung der Konzernleitung in Essen bekommen: "Am Standort Goldenberg sollen schnellstmöglich, jedoch bis spätestens Mitte 2003 die dauerhaft nicht wettbewerbsfähigen Kraftwerksanlagen stillgelegt werden", heißt es darin.

Kein Gaskraftwerk mit PowerGen

Die "Fernwärme- und Prozeßdampflieferung" werde jedoch fortgesetzt, so die Verlautbarung. Auf Nachfrage erklärt Barbara Eckrich, Pressesprecherin der RWE Energie AG, diese Energienachfrage der im Technologie- und Industriepark Hürth ansässigen Firmen werde "braunkohlenbasiert aus vorhandenem Bestand" befriedigt. Frühere Spekulationen über den Bau eines Gaskraftwerkes in Zusammenarbeit mit der englischen Firma PowerGen seien nach wie vor gegenstandslos.

Für Kraftwerksdirektor Jürgen Peter Schirmer ist die Entscheidung gegen Frimmersdorf sicher keine gute Nachricht. Jahrelang hat er für ein BoA-Kraftwerk an "seinem" Standort gekämpft und nun - nach dem Zuschlag für Bergheim-Niederaußem - zum zweiten Mal den kürzeren gezogen.

Dennoch bemüht er sich um eine optimistische Sicht: "Wenn wir 2003 vier 150-Megawatt-Blöcke stillegen müssen, dann heißt das doch positiv betrachtet, daß acht der kleinen und die zwei 300-MW-Blöcke weiterhin in Betrieb bleiben." Damit seien rund 1200 Arbeitsplätze vorerst gesichert. Es gelinge ihm leider nicht ganz, gibt Schirmer zu, diese Sichtweise der gesamten Belegschaft zu vermitteln. Da sei schon Enttäuschung spürbar.

In Neurath hätten die Sektkorken knallen können, doch Chef Horst Lenkewitz berichtet nur von verhaltener Freude. Spontane Feiern hätten nicht stattgefunden. Jetzt sehe man zunächst der Planungsphase entgegen und dem Baubeginn etwa 2002. "Dann wird sich sicher auch irgendwann ein Anlaß für ein Fest finden." 2006 soll das neue Kraftwerk mit 1000 MW Leistung ans Netz gehen. Spätestens dann wird es bei den Kraftwerken in Frimmersdorf und Weisweiler - hier werden zunächst zwei Blöcke abgeschaltet - zur weiteren Stillegung von Kraftwerksblöcken kommen.

Die RWE-Energie AG betont in ihrer Pressemitteilung, daß mit den jetzt gefällten Entscheidungen keine betriebsbedingten Kündigungen einhergehen. Die Umstrukturierung werde im Personalbereich sozialverträglich zum Beispiel über die konzernspezifische Frühpensionierungsregelung vorgenommen. Die RWE Energie AG beschäftigt zur Zeit rund 18 000 Mitarbeiter. Mindestens 2500 Arbeitsplätze werden durch die Neuordnung der Regionalversorgung entfallen. Bei den Kraftwerken werden in den nächsten Jahren zusätzlich einige hundert Stellen eingespart. Die genaue Zahl lasse sich noch nicht nennen, so Eckrich.

Quelle: Kölnische Rundschau 27/05/1999

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"Wir müssen neue Arbeit suchen"

Reaktionen von Arbeitnehmern

Hürth-Knapsack - Nicht auf offiziellem Wege, sondern aus dem Internet erfuhr gestern die Belegschaft des RWE-Kraftwerkes Goldenberg in Hürth-Knapsack von den Plänen des Unternehmens, das Kraftwerk bis spätestens 2003 zu schließen. Wie einer der betroffenen Arbeitnehmer weiter berichtete, war die Nachricht im Internet entdeckt, ausgedruckt und wenig später den Beschäftigten mitgeteilt worden. "Ein Schock für uns alle", urteilte der 50jährige, der seit 27 Jahren im Werk beschäftigt ist. Dennoch sei die Stimmung der Belegschaft "verhältnismäßig ruhig", wie ein Mann aus dem Lager fand: "Wir sind betroffen, aber früher wären alle richtig auf die Barrikaden gegangen."

Die zurückhaltenden Reaktionen könnten damit zusammenhängen, daß viele darauf hoffen, bis zum Jahre 2003 im Zuge der sogenannten 55er-Regelung noch den Vorruhestand zu erreichen. Doch sicher sei dies keineswegs. "Vielleicht ist hier nächstes Jahr schon Schluß", meinte einer skeptisch.

Betroffen von der Schließung des Kraftwerks sind in jedem Fall die jüngeren Kräfte und die Auszubildenden. "Erst seit heute wissen wir es definitiv", berichteten ein 34jähriger und ein 45jähriger Arbeiter aus dem Bereich Gerüstbau: "Wir müssen uns wohl eine neue Arbeit suchen." Drei Auszubildende, die den Beruf des Industriemechanikers lernen, zuckten die Schultern. Im Frühjahr 2000 sei ihre Lehre beendet. "Dann sollen wir Jahresverträge bekommen." Das sei wenigstens ein Anfang. "Besser, als wenn wir direkt nach der Ausbildung auf der Straße stehen würden."

Quelle: Kölner Stadt Anzeiger 27/05/’99

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Bürgermeister Peters fordert kurzfristige Erstellung  "Vernetztes Wärmekonzept Braunkohlerevier"
"Erdwärme wird nicht genutzt"

Bergheim. "Was an der Nordsee oder in Italien Sinn macht, muß bei uns noch lange nicht das Richtige sein. Windkraft und Solarenergie sind bei uns nicht so ergiebig. Wir sitzen aber an einer anderen Quelle: der Erdwärme aus den Tagebauen, die bis zu 500 Meter tief sind. Diese Energie verpufft ungenutzt in die Umwelt. So ein Umgang mit Ressourcen ist heute nicht mehr zeitgemäß", erklärt Bürgermeister Jürgen Peters. Gemeint sind damit unter anderem die Sümpfungswässer aus dem Tagebau Hambach, die mit einer Temperatur von zirka 28 Grad Celsius in die Erft fließen. Das rheinische Braunkohlerevier hat mit seinen zahlreichen Tagebauen und Großkraftwerken als Energiezentrum Geschichte geschrieben. Kohle und Strom prägen die Region auch heute noch. "Jedoch muß in Zeiten knapper werdender Rohstoffe und angesichts der veränderten umweltpoltischen Vorgaben die heimische Energie besser genutzt werden", so Peters. Im Revier schlummern riesige Wärmevorkommen, für die es bislang kein sinnvolles Konzept zur wirtschaftlichen und technischen Nutzung gibt. Peters schwebt da ein "Vernetztes Wärmekonzept Braunkohlerevier" vor. Ausgangspunkte für dieses Konzept sind die Nutzung der warmen Sümpfungswässer, der Erdwärme in den tiefen Tagebauen sowie die Wärmerückgewinnung aus den Kühlkreisläufen der Braunkohlenkraftwerke. Unterstützung für seine Ideen sucht Peters bei den Unterausschüssen Nord und Hambach. Für die Tagesordnung der nächsten Sitzung des Unterausschusses Nord am 8. Juni beantragte Peters die kurzfristige Erstellung eines vernetzten Wärmekonzeptes für das Braunkohlerevier, da mit der Verfüllung des Tagebaus Bergheim begonnen wurde. Außerdem will Peters sich an das Bundesforschungsministerium, an das Ministerium für Wirtschaft, Mittelstand, Technik und Verkehr sowie an die Landesinitiative Zukunftsenergie wenden. Zudem will die Stadt Fachleute zu einer Energiekonferenz für das Revier einladen. Dr. Frank-Michael Baumann, Leiter der Landesinitiative Zukunftsenergie, findet die Ideen von Bürgermeister Peters "faszinierend". Er hat ihn zur nächsten Sitzung des Arbeitskreises Wärmepumpentechnik eingeladen, um dort seine Ziele zu präsentieren. Peters: "Wenn wir die umweltfreundliche Energie der Erdwärme nutzen, können im Revier viele neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Und die Heizkosten für die Einwohner im Revier könnten auch erheblich sinken."

Quelle: Stadtblatt 22/05/1999

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Auch bei der Braunkohle wird gestrichen

Essen. Die RWE Energie AG baut im Rahmen der Programme zur Kostensenkung weitere Arbeitsplätze ab. Das Unternehmen hatte schon im Verlauf der in diesem Jahr beginnenden organisatorischen Umstrukturierung der Regionalversorgungsgesellschaften die Streichung von 2500 Stellen angekündigt.

Die vom «Handelsblatt» genannte Zahl von weiteren 2000 Arbeitsstellen wollte das Unternehmen auf AZ-Anfrage nicht bestätigen. Die Planungen seien noch nicht beendet, so daß eine konkrete Zahl nicht genannt werden könne, teilte RWE Energie mit. Jedoch seien die Mannschaften der fünf Braunkohlekraftwerke der rheinischen Schiene von dem Programm «Synergien und Beschaffungsoptimierung» betroffen. Die Rheinbraun stehe bei der Maßnahme allerdings außen vor.

Die RWE Energie AG beschäftigt derzeit im Braunkohlebereich 5000 Mitarbeiter. Betriebsbedingte Kündigungen seien im Zusammenhang mit dem geplanten Personalabbau jedoch nicht vorgesehen. Wie bereits im Bereich der Regionalversorgung solle eine Reduzierung der Mitarbeiterzahl unter anderem durch Frühpensionierungen erreicht werden.

Quelle: Aachener-Zeitung 18.5.1999

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Zur Kohle finden Kirchen keinen Kompromiß

Tagebau Hambach

Bürgerinitiative und Naturschützer diskutierten mit Vertretern der Konfessionen

Kerpen-Buir - Egal ob ökologisch oder sozial - über die Verträglichkeit vom Tagebau Hambach ist schon viel gestritten worden, oft bei Diskussionsveranstaltungen der Bürgerinitiative (BI) gegen die Verlegung der A 4. Jüngst luden Peter Inden von der BI und die evangelische Kirche Düren in die Aula der Buirer Grundschule ein - Thema: Was sagen Kirchenvertreter zur Tagebauproblematik?

Die Haltung von Dr. Dietrich Ruchay, Umweltbeauftragter der Diözese Köln, kam beim Publikum gar nicht gut an. "Zu diffus", fand eine Zuhörerin die Aussagen des Katholiken. "Bergbau ja", meinte Ruchay nämlich, "aber keiner, der zerstört. Die Natur muß sich regenerieren können". Daß Ruchay von "erträglichen Lösungen" sprach, war den Zuhörern nicht genug: "Wo bleibt die konkrete Stellungnahme der katholischen Kirche?"

Da fand Hans Stenzel, Mitglied der Energiesynode des evangelischen Kirchenkreises Jülich, schon deutlichere Worte: "Eine Sozialverträglichkeit von Tagebauen gibt es nicht. Der Tagebau Hambach darf nicht erweitert werden. Bürger müssen noch mehr Druck machen, weil die Politiker in dieser Frage festgefahren sind." Gegen die Dimensionen, die der Braunkohleabbau im Rheinland angenommen habe, könne die Natur sich nicht mehr wehren. Trotzdem müsse die Kirche den Dialog mit den Betreibern führen. Denn Tagebaue seien keine "Naturkatastrophe", sondern "vorsätzliches Handeln".

Stenzel zum Thema Rekultivierung: "Rheinbraun gibt sich unendlich viel Mühe, doch das Pflaster ist zu klein, um diese riesige Wunde zu heilen". Der Braunkohleabbau sei mit dem christlichen Schöpfungsgedanken nicht vereinbar, formulierte Stenzel entschlossen - eine Aussage, für die er viel Applaus erhielt. Deswegen könne er es auch nicht gutheißen, wie Rheinbraun in den Wasserhaushalt eingreife.

Über das Wasser im Tagebau referierte auch Dr. Horst-Robert Langguth, Geophysiker an der Hochschule Aachen. Ihn beschäftigt etwa die Frage, wo das Wasser herkommt, das vor rund zwei Jahren plötzlich im Tagebau Hambach durchbrach. Daß das chloridhaltige sehr warme Wasser aus der Ader komme, die auch die Quellen in Aachen speise, hielt der Wissenschaftler für unwahrscheinlich. Parallelen zwischen der Haltung der evangelischen Kirche und der des Bundes für Umwelt- und Naturschutz (BUND) stellte Dirk Jansen vom BUND fest. Auch dem Naturschutzbund gehe es um den Erhalt der Schöpfung. Der Tagebau Hambach, demnächst das "größte Loch der Welt", vernichte den ökologisch und historisch bedeutungsvollen Hambacher Forst und die fruchtbaren Böden ringsum. Interessant für die etwa 50 Zuhörer waren die Informationen von Ulrich Jochimsen, Autors des Buches "Die Stromdiktatur". Er plädierte für eine "Demokratisierung der Energieproduktion". Denn wenn etwa mit Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen die Energieversorgung dezentralisiert werde, lasse sich Energie sparen und der Braunkohleabbau könne immens zurückgefahren werden. Dänemark, wo er seit einiger Zeit arbeite, so Jochimsen, sei da wesentlich fortschrittlicher.

Die katholische Kirche bekenne nicht Farbe, bemängelte Inden. Die Pfarrgemeinde Buir, die eigentlich Mitveranstalter sein wollte, sei auf Beschluß des Gemeinderates noch abgesprungen, so Inden.


Quelle: Kölner Stadt Anzeiger 10/05/1999

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Solarenergie ist Bedburgern zu teuer

Rat gegen Kollektoren auf Dreifachturnhalle

mez Bedburg. Der Ökonomie gaben die Ratsmitglieder den Vorrang vor der Ökologie. Bedburgs Politiker hatten sich überlegt, eventuell Solarkollektoren auf dem Dach der Dreifachturnhalle zu errichten, um damit das Brauchwasser zu erwärmen. In einem Gutachten der Rheinbraun-Haustechnik wurde auch eine Kosten-Nutzen-Analyse vorgestellt. Demnach würden sich die Kollektoren erst nach 40 bis 50 Jahren amortisieren. Bei einem eventuellen Zuschuß von maximal 50 Prozent wären es immer noch 20 bis 25 Jahre.

Richard Kreutzer, Ingenieur der Rheinbraun-Haustechnik, erläuterte in der Ratssitzung den Politikern nochmals sein Gutachten. "Die Ausnutzung der Solarenergie wird in unseren Breitengraden überschätzt", erklärte der Fachmann. Die Kollektoren hätten im Jahr nur einen Wirkungsgrad von 35 bis 70 Prozent. Auch bei einer Förderung müsse die Stadt noch mit 42 bis 62 000 Mark an reinen Baukosten für die Flach- oder Röhrenkollektoren rechnen.

Hinzu kämen die laufenden Betriebskosten. "Wenn Sie sich für die Solarkollektoren entscheiden, müssen sie jedes Jahr draufzahlen", berichtete Kreutzer. Wenn es darum ginge, die Maßnahme als Beispielprojekt für den Umweltschutz umzusetzen, sei dies in Ordnung. Rein ökonomisch betrachtet seien die Solarkollektoren absolut unwirtschaftlich.

Quelle: Kölnische Rundschau 05/05/’99

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Die Natur kehrt nun zurück

Über 1000 Besucher wanderten am Sonntag durch das rekultivierte Tagebaugebiet

Kerpen-Mödrath. Über 1000 Wanderer aus den umliegenden Orten des ehemaligen Tagebaues Frechen pilgerten am Sonntag morgen zum neugestalteten Aussichtspunkt Mödrath, um sich über den aktuellen Stand der Rekultivierung zu informieren. Die Firma Rheinbraun und die Städte Kerpen und Frechen hatten zu einem Wandertag durch das neue Naherholungsgebiet eingeladen. Gleichzeitig wurde der Gedenkstein, der an die umgesiedelte Ortschaft Alt-Mödrath erinnert, an neuer Stelle enthüllt.

Unter den Besuchern waren auch viele aus den ehemaligen Ortschaften, die dem Tagebau weichen mußten. So auch Elfriede Speer, die 1941 noch in Alt-Mödrath geboren wurde und wie insgesamt 7000 Menschen wegen des Tagebaues umsiedeln mußte. "Ich hoffe, daß alles wieder schön wird", sagte die heute 58jährige. Ein bißchen Wehmut spiele aber immer mit, wenn sie in ihre alte Heimat zurückkehre.

Neben landwirtschaftlichen Flächen sollen jetzt auf dem ehemaligen Abbaugebiet ein riesiges Naherholungsgebiet mit Wäldern, Wiesen und Wanderwegen entstehen. Außerdem ist ein 55 Hektar großes Gewerbegebiet bei Türnich geplant. Die Fortschritte der Rekultivierung erläuterte Diplom-Ingenieur Helmut Beißner, der als Betriebsdirektor des Tagebaues Garzweiler für die Restverfüllung und Rekultivierung des ehemaligen Tagebaues verantwortlich zeichnet.

Wie Beißner betonte, sind bereits drei Viertel des ehemaligen Abbaufeldes rekultiviert. Für die noch verbleibenden 256 Hektar würden ab Juli noch rund sechs Millionen Kubikmeter Löß aus dem Tagebau Garzweiler verteilt. Bis 2002 entstehe so "eine hochattraktive Bergbaufolgelandschaft mit einem noch zu verdoppelnden leistungsfähigen Gewerbegebiet Türnich im Süden und einem 120 Hektar großen Naherholungsgebiet mit einem rund 20 Hektar großen See", so Beißner.

Im Vergleich zu früher werde die neue Landschaft deutlich mehr Waldflächen haben, betonte Beißner. Im nördlichen und östlichen Teil des Rekultivierungsgebietes seien große Flächen aufgeforstet worden. Auf Kerpener Stadtgebiet sei außerdem ein sogenannter Retentionsraum angelegt worden, der als Stauraum für Hochwasser der Erft dienen könne. In seinem Mittelpunkt werde auch der 20 Hektar große und 25 Meter tiefe See sowie drei Bioteiche liegen, die ab 2001 mit Brunnenwasser aufgefüllt werden sollen.

"Das wird ein ausgezeichnetes Naherholungsgebiet" resümierte Adolf Hanz, von 1978 bis 1986 Betriebsdirektor des Tagebaues Frechen. Im Gegensatz zu früheren Rekultivierungen sei die neue Landschaft nicht terrassenförmig, sondern wellenförmig angelegt. "Da kann durchaus etwas daraus werden", meinte auch der Vorsitzende des Naturschutzbundes im Erftkreis Karl-Heinz Jelinek. Die Rekultivierung könne der Landschaft Starthilfe geben, damit sie sich zu einem geschlossenen, reichen Ökosystem entwickeln kann.

Quelle: Kölnische Rundschau 03/05/1999

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"Wesentliche Arbeit leistet die Natur"

Rekultivierung im Tagebau Frechen

Von Martina Bremer

Kerpen/Frechen - Aus allen Richtungen strömten die Menschen herbei: Zu Fuß, per Rad und im Auto waren Hunderte unterwegs. Ihr Ziel war ein neues Naherholungsgebiet. Die Rheinbraun AG hatte mit den Städten Kerpen und Frechen zum Wandertag geladen, um das Rekultivierungsgebiet im ehemaligen Tagebau Frechen und den Aussichtspunkt Mödrath vorzustellen. Neue Ackerflächen, ein Leistungszentrum für den westfälischen Reitsport, Felder für ökologische Landwirtschaft, im Süden ein Gewerbegebiet (Türnich III) und das etwa ein Quadratkilometer große Freizeitareal, in dessen Mitte eine Seenlandschaft angelegt ist, sind auf dem ehemaligen Tagebaugebiet entstanden.

Vor knapp 40 Jahren war dort der erste Tieftagebau der rheinischen Braunkohle aufgeschlossen worden, der bis 1987 insgesamt rund 350 Millionen Tonnen Braunkohle geliefert hat. Mit dem Kohlenabbau mußten auch große Mengen Sand, Kies und Ton bewegt werden. Um das riesige Loch wieder zu schließen, wurden bisher 550 Millionen Kubikmeter Abraum verfüllt. Weitere 30 Millionen sollen dort noch bis zum Jahr 2001 verkippt werden, berichtete Betriebsdirektor Helmut Beißner bei der Einweihungsfeier. "Damit ist unser Teil getan, die wesentliche Arbeit leistet die Natur."

Doch viele Anwesende sahen beim Blick auf das Naherholungsgebiet nicht die Tonnen aufgetürmter Erde und auch die zahllosen neugesetzten Pflanzen: Sie hatten längst vergangenen Zeiten vor Augen. "Da hinten war Mödrath, und die Straße hier ging durch den Ort und dann den Berg hoch nach Grefrath", erinnerte sich Heinz Holz aus Horrem. "Wir haben die Entwicklung des Tagebaus immer vom Rande aus verfolgt", erzählte seine Frau Käthe. Auch das Ehepaar Christel und Klaus Ginsberg hat "oft geguckt, was hier so passiert - vor allem, wenn die Verwandtschaft aus Island zu Besuch war". Demnächst können sie mit ihren Gästen "durch das schöne Naherholungsgebiet" wandern.

Zur ausgiebigen Erkundungstour durch das Gebiet haben Ursula und Peter Müller sich gleich im Anschluß an die Einweihung aufgemacht ("Wir gehen gerne wandern und nehmen die lange Strecke") . Auch bei Kerpens Bürgermeister wurden dabei Erinnerungen wach. Aufgewachsen in Grefrath, wohnhaft in Türnich, war für ihn "der Tagebau immer mit Emotionen verbunden". "Es ist toll, hier wieder Wälder und Wiesen entstehen zu sehen", sagte Müller.

Quelle: KSTA 03/05/’99

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