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Pressearchiv 1998 Klimaschutz, Energiepolitik

 

 


Energieverbrauch in Deutschland sinkt

Hamburg (rtr) - Der Energieverbrauch in Deutschland wird in diesem Jahr nach Branchenangaben um 1,7 Prozent geringer ausfallen als im Vorjahr. Mit einem Minus von 7,5 Prozent sei der Rückgang bei der Atomenergie besonders kräftig, teilte der Mineralölwirtschaftsverband (MWV) mit. Wasser- und Windkraft könnten ein Plus von 4,5 Prozent verbuchen - sie machen allerdings nur 0,5 Prozent des Verbrauchs aus, während die Atomkraft auf einen Anteil von zwölf Prozent komme. Wichtigster Energielieferant sei hierzulande nach wie vor das Mineralöl mit einem Anteil von gut 40 Prozent, gefolgt von Erdgas (21 Prozent), Steinkohle (14,5 Prozent) und Braunkohle (10,6 Prozent).

Quelle: TAZ 30.11.1998


Solarstrom zwischen Alltag und Zukunftsmusik

Die Photovoltaik erobert "Inseln", ein Durchbruch ist hierzulande nur im Privatbereich in Sicht

Ein Durchbruch auf breiter Front ist für den Solarstrom in Deutschland nicht in Sicht. Darüber waren sich die Teilnehmer des Internationalen Symposiums "Chancen der Solartechnik zur Jahrtausendwende" kürzlich im fränkischen Coburg weitgehend einig. Denn mit 1,50 bis 1,70 Mark pro Kilowattstunde kostet die saubere Energie aus der Steckdose immer noch rund zehn mal mehr, als wenn sie ein konventionelles Kraftwerk produziert.

Pläne in Bonn und Brüssel

Zwar verspricht die neue Bundesregierung ein Hunderttausend-Dächer-Programm für die kommenden sechs Jahre. Und die Europäische Union will eine Million Photovoltaik-Systeme bis zum Jahr 2010 installiert sehen. Aber selbst wenn die Mittel bereitgestellt werden, und wenn man den zu erwartenden technischen Fortschritt berücksichtigt, werden solche Programme den Preis für die Kilowattstunde kaum in den Bereich herkömmlicher Stromproduktion drücken. Auch darüber sind sich die Experten einig.

Also wird die Photovoltaik in den nächsten Jahren weiter eine Nischen-Technik bleiben und nur sogenannte Inseln bedienen, die vom herkömmlichen Strom-Netz nur sehr teuer oder gar nicht erreicht werden. Das bestätigen auch Organisationen wie Eurosolar in Bonn, die auf der politischen Ebene Bewegung in die Photovoltaik-Entwicklung bringen wollen.

In Nischen ist der Solarstrom tatsächlich erheblich erfolgreicher als man gemeinhin vermutet. Und damit sind nicht nur die Sonnenzellen im Taschenrechner oder die Solar-Armbanduhren gemeint. Große Inseln fernab von jeder Stromleitung gibt es auch in Deutschland noch. Zum Beispiel die Hütten des Alpenvereins wie Watzmannhaus und Purtscheller Haus in den Bayerischen Alpen.

Für die Neue Traunsteiner Hütte in den Berchtesgadener Alpen erläutert Hüttenwirt Ralf Amberger in Coburg die Vorteile des Solarstromes: 220 000 Mark hat die Photovoltaik-Anlage gekostet, die zwischen 70 und 140 Kilowattstunden während der von Ostern bis Oktober dauernden Saison liefert – zusammen mit 24 Bleibatterien als Stromspeicher. Zwar läuft weiterhin bisweilen ein Dieselgenerator und deckt die Spitzenzeiten oder Schlechtwetterperioden ab. Aber statt fünftausend Liter Kraftstoff braucht er nur noch höchstens 1700 Liter im Jahr. Und das ist eine gewaltige Einsparung, muß doch der Diesel in Fässern erst mit einer Seilbahn der Bundeswehr in die Höhe gebracht und von der Bergstation über einen 3,7 Kilometer langen Weg mit Spezialfahrzeugen zur Hütte gefahren werden.

Auch das Auto selbst ist übrigens eine Insel, die ihren elektrischen Strom über einen Diesel- oder Otto-Generator via Lichtmaschine selbst produziert. Im Kraftfahrzeug werden immer häufiger stille Verbraucher vom Telephon über die Kühlbox bis zur modernen Bordelektrik installiert. Sie bringen die Batterie oft an den Rand ihrer Kapazität. Also baut zum Beispiel die Münchner Firma Webasto auf Schiebedächer ein Solarmodul, das die Batterie tagsüber nachlädt, auch wenn das Auto wochenlang steht. Wenn die Karosse in der Sonne parkt, kann die Solarzelle das Gebläse betreiben und damit die Temperaturen im Innenraum auf erträgliche Grade senken. Für die Käufer der Luxuslimousine Audi A8 sind die siebenhundert Mark Aufpreis für die Photovoltaik bei einem Gesamtpreis von 3200 Mark für das Schiebedach sicher verkraftbar. Bereits im Handel sind auch Solarzellen für weitere mobile Inseln vom Wohnmobil und Omnibus bis zum Boot oder Nutzfahrzeug.

Ihren größten Trumpf aber spielt die Photovoltaik in vielen Entwicklungsländern aus, in denen mehr als zwei Milliarden Menschen in absehbarer Zeit keine Aussicht auf einen Anschluß an die Hochspannungsleitung haben. Erstmalig unterstützt dort auch die Weltbank den Solarstrom und macht ihn damit salonfähig.

Nutzen in der Dritten Welt

Sinnvoll sei ein Einsatz dort vor allem, wenn er "Mehrwert" schaffe, betont Hubert Aulich von der Erfurter Firma PV SILICON, die den Rohstoff für Solarzellen in alle Welt liefert. Wenn eine Photovoltaik-Anlage eine Wasserpumpe, die Felder bewässert, oder eine Nähmaschine, auf der Kleidungsstücke genäht werden, antreibe, dann könne der Besitzer damit Geld verdienen und für den Kauf weiterer Solarmodule verwenden. Auf diese Weise ließen sich in ländlichen Bereichen wirtschaftliche Entwicklungen anstoßen, von denen nicht nur die Einheimischen profitierten, sondern an denen auch die Hersteller der Photovoltaik-Elemente verdienten.

Die Entwicklung aber wird weitergehen, meint Aulich. So lasse sich die Dicke der Siliziumscheiben in den Solarmodulen von heute rund 0,3 Millimeter auf einen Zehntel Millimeter verringern. Dadurch würden auch die Herstellungskosten sinken. Billiger als Strom aus Fossilenergie-Kraftwerken aber werde die Photovoltaik ohne zusätzliche Steuern auf "schmutzige Energie" vorerst nicht werden.

Trotzdem sieht Adolf Goetzberger vom Freiburger Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme eine gute Chance für den Solarstrom auch in Deutschland. Denn alle Berechnungen gehen von den Bedingungen in der Wirtschaft aus. Dort werden solche Anlagen mit Fremdkapital finanziert, für die man zur Zeit knapp sechs Prozent Zins im Jahr bezahlt. Da summieren sich gewaltige Beträge auf, wenn eine Anlage dreißig oder mehr Jahre in Betrieb ist. Ganz anders ist die Situation für den Privatmann, der das Geld für eine Anlage auf dem Sparkonto hat. Dafür aber bekommt er zur Zeit geringe Zinsen, die er versteuern muß und die an Wert verlieren. Für ihn ist die Solaranlage daher wirtschaftlich interessanter als es gemeinhin dargestellt wird.

Wenn dann noch der Prestige-Wert einer solchen Anlage wächst, die durchaus für Beträge zu haben ist, die manche Familie für eine Fernreise oder die Unterhaltungselektronik ausgibt, könnte es geradezu einen Boom bei den privaten Photovoltaik-Anlagen geben, meint Thomas Schmalschläger von der Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie in München. An diesem Punkt will seine Gesellschaft in den nächsten Jahren ansetzen. Die Hunderttausend-Dächer-Kampagne der Bundesregierung kommt ihm gerade recht. Denn ein solches Programm erhöhe den Anreiz und könne damit den Marktdurchbruch einleiten, der bei der Nutzung der Sonnenenergie für die Warmwasserbereitung längst erreicht ist.

Quelle: Süddeutsche Zeitung 30.11.1998

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Klimaziel unerreichbar

Esso: Wegen Atomausstieg kann Rot-Grün bis 2005 nur 15 Prozent Kohlendioxid sparen

Berlin (taz/dpa) - Ohne erhebliche Einbußen beim Lebensstandard wird die Bundesregierung das Klimaziel nicht mehr erreichen. So das Ergebnis der jüngsten Energieprognose des Mineralölkonzerns Esso. 25 Prozent weniger Kohlendioxidausstoß bis zum Jahr 2005 im Vergleich zu 1990 habe die Regierung angepeilt, möglich sei jedoch nur ein Abbau um 14,5 Prozent. Der Ersatz eines Teiles der derzeit 19 deutschen AKW torpediere den Klimaschutz. Klimaschutz und Atomausstieg seien, sagte Esso- Direktor Rainer Haegermann, "ein Widersprich in sich, der nicht lösbar ist". Esso geht davon aus, daß der Anteil der Kernenergie bis 2020 um fünf Prozent sinken wird.

Das Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie hatte dagegen festgestellt, daß bis zum Jahr 2005 gleichzeitig die Risiken der Atomenergie vermieden und der Ausstoß an Treibhausgasen gemindert werden könne. "Klimaschutzstrategien sind nicht mit Einbußen des Lebensstandards gleichzusetzen", sagt Manfred Fischedick vom Wuppertal Institut. Moderne Techniken böten ein großes Potential, Energie einzusparen. Um das geplante Klimaschutzziel noch erreichen zu können, müsse man zügig handeln. Esso prognostiziert, daß durch Energiesparen der Verbrauch bis 2020 um fünf Prozent sinken werde - legt man zwei Prozent Wachstum pro Jahr zugrunde. Die Erhöhung des Spritpreises um sechs Pfennig durch die Koalition nannte der Esso-Direktor "moderat" im Vergleich zu früheren Erhöhungen. Trotz wachsenden Autoverkehrs bis 2020 werden laut Esso-Prognose die Schadstoffemissionen sinken. 69 Prozent weniger Stickoxide und 76 Prozent weniger Kohlenwasserstoffe würden durch mehr Katalysatoren und strengere Richtlinien für den Schwefel- und Benzolgehalt im Sprit erreicht. Außerdem werde der Verbrauch um ein Fünftel zurückgehen.

Fischedick vom Wuppertal Institut hält diese Annahme für zu pessimistisch: Mit 6,2 Litern bei Benzin- und 4,3 Litern bei Dieselfahrzeugen seien die angenommenen Verbrauchswerte viel zu hoch angesetzt. Für "ein Unding" hält er den Esso-Vorschlag, durch den Ausbau von Straßen Stauverkehr zu vermeiden. Zwar werde im Stau unnötig Sprit vergeudet, aber "mehr Straßen bedeuten schlicht mehr Verkehr."

Quelle: TAZ 25.11.1998

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Esso-Studie: Energieproduktivität wächst kräftig

ESSO AG / Gas wird für Industrie wichtiger – Neue Chancen für Wind- und Solarstrom

gof BONN. Trotz weiteren Wirtschaftswachstums von durchschnittlich 2 % pro Jahr wird der Primärenergieverbrauch im Jahr 2020 um rund 5 % unter dem heutigen Niveau liegen. Dies ist das Ergebnis der jährlichen Energie-Prognose der Esso AG. Dabei setzt das Unternehmen in seiner Untersuchung voraus, daß die wettbewerbsorientierte Energiepolitik fortgesetzt wird und gleichzeitig die Verbrauchssteuern mäßig, aber kontinuierlich angehoben werden. Die Entkoppelung von Wirtschaftswachstum und Energieverbrauch werde sich auch deshalb verstärken, weil in den kommenden Jahren von einer stark verbesserten Energieeffizienz auszugehen sei.

Im einzeln gelten für die verschiedenen Energieträger folgende Prognosen: Der Mineralölverbrauch wird bis 2020 um 16 % sinken. Dennoch bleibt das Mineralöl mit einem Anteil von 35 % der wichtigste Energieträger. Innerhalb der einzelnen Mineralölprodukte verläuft die Entwicklung laut Esso-Studie jedoch unterschiedlich. Dem Erdgas wird vor allem eine steigende Bedeutung zugemessen. Zwar seien dem Erdgas in den Bereichen Haushalte, Kleinverbraucher und Industrie enge Wachstumsgrenzen gesetzt. Dagegen dürfte sich im Kraftwerksbereich ein neuer Markt eröffnen. Für den Neubau wettbewerbsfähiger moderner Gas- und Dampfkraftwerke böten sich in der Großindustrie und als Ersatz für Kernkraftwerke gute Möglichkeiten, meint die Esso AG. Insgesamt soll laut Studie der Gasverbrauch bis 2020 um rund ein Drittel steigen.

Die Zukunftsaussichten für die deutsche Steinkohle werden wegen fehlender Wettbewerbsfähigkeit und rückläufiger Subventionen als ungünstig bewertet. Insgesamt sei jedoch ein leichter Anstieg des Steinkohlenverbrauchs zu erwarten, wobei preisgünstige Importkohle stark an Bedeutung gewinnen werde. Für die Braunkohle wird ein leichter Rückgang prognostiziert. Insgesamt könne die Braunkohle jedoch ihre Position im deutschen Energiemarkt mit einem Anteil von 11 % weitgehend behaupten.

Die Prognose für die Kernenergie ist nach dem Regierungswechsel mit großen Unsicherheiten behaftet. Die Esso AG geht aber davon aus, daß die bestehenden Kernkraftwerke nicht vor dem Ende ihrer technischen Laufzeit abgeschaltet werden. Mit dem Bau neuer Kernkraftwerke wird jedoch nicht mehr gerechnet. Vor diesem Hintergrund würde sich deshalb bis zum Jahr 2020 ein Rückgang der Kernenergie um mehr als ein Drittel ergeben. Der Anteil der erneuerbaren Energien wird sich dagegen voraussichtlich verdoppeln, wenngleich der Strom aus Sonne, Wind und anderen regenerativen Quellen mit einem Gesamtanteil von 5 % nur eine begrenzte Rolle spielen werde.

Wie auch schon in der letzte Studie hält die Esso AG das von der neuen Bundesregierung bekräftigte Ziel, den CO2-Ausstoß bis 2005 um 25 % zu senken, für nicht realistisch. Ohne Gefahren für die wirtschaftliche Entwicklung sei bestenfalls eine Verminderung der Schadstoffemission um 15 % erreichbar. Von 2005 bis 2020 sei höchstens eine weitere Reduzierung um 1,5 % auf dann 16,5 % möglich. Dieser moderate Rückgang erkläre sich nicht zuletzt mit dem geplanten Ersatz von Kernkraftwerken durch Kraftwerke mit fossilen Energieträgern (Gas und Steinkohle). Die CO2-Belastung durch den Straßenverkehr werde wegen der verbesserten Motorentechnik jedoch trotz steigenden Verkehrswachstums insgesamt um mehr als die Hälfte sinken.

Quelle: Handelsblatt 26.11.1998

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Esso erwartet rückläufigen Energieverbrauch

Bonn (Reuters) - Die Mineralölgesellschaft Esso AG erwartet bis zum Jahr 2020 trotz weiteren Wirtschaftswachstums einen Rückgang des Energieverbrauchs in Deutschland.

In der heute in Bonn vorgelegten Energieprognose 1998 des Unternehmens hieß es: "Bei einem durchschnittlichen Wirtschaftswachstum von zwei Prozent pro Jahr wird der Primärenergieverbrauch im Jahr 2020 um fünf Prozent unter dem heutigen Niveau liegen". Der Anteil der Kernenergie werde dabei auf acht von derzeit 13 Prozent sinken. Diese Prognose sei allerdings unsicher.

Steinkohle werde ihren Anteil um zwei Prozent steigern, während die Braunkohle werde ihren Anteil von elf Prozent halten können, heißt es in der Prognose. Mineralöl werde auch im Jahr 2020 mit einem Anteil von 35 Prozent mit Abstand der wichtigste Energieträger sein. Der Mineralölverbrauch werde allerdings um knapp 16 Prozent auf 134,3 Millionen Tonnen sinken. Erdgas werde im Energiverbrauch eine immer größere Rolle spielen. Im Jahr 2020 werde Erdgas bereits 27 Prozent des gesamten Bedarfes decken.

Quelle: Remscheider GA 25.11.1998

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Wahre Wundermaschinen

Gas-und-Dampf-Kraftwerke nutzen den Brennstoff optimal und können zudem Heizwärme liefern

Wenn Ingenieure von modernen Gaskraftwerken reden, geraten sie leicht ins Schwärmen. Da fällt schon mal das Wort "Wundermaschine" oder "Revolution". Dabei galt Gas jahrlang als Edelstoff, den zu verbrennen verpönt war. Jetzt halten selbst eingefleischte Umweltschützer Gas für ein "strategisches Element" im atomaren Ausstiegsszenario. Weil Sonne und Wind schwankende Stromlieferanten sind, wird man – Energiesparen und Einhalten von Klimazielen vorausgesetzt – nur durch Gaskraftwerke die Atommeiler ersetzen können.

Die Gas-Euphorie liegt in der Technik begründet. Die ersten Kolbendampfmaschinen Ende des letzten Jahrhunderts litten unter wahrem Energiehunger und verbrauchten für jede Kilowattstunde Strom zehn Kilogramm Kohle – das entsprach einem Wirkungsgrad von einem Prozent. Moderne Kohlekraftwerke bringen es auf 45 Prozent.

Konkurrenzlos ist dagegen Gas, das mittlerweile an die Grenze von 60 Prozent herankommt. Dabei sind neuere Gaskraftwerke noch nicht einmal teuer in der Anschaffung: Pro Kilowatt müssen die Betreiber 900 Mark investieren, beim Kernkraftwerk können es 4000 sein.

Der Trick der hohen Ausbeute besteht darin, zwei Kraftwerke – eine Gas- und eine Dampfturbine – hintereinanderzuschalten, daher der Begriff "Gas-und-Dampf-Kraftwerke", kurz GuD. Die Gasturbine verfeuert zunächst den Brennstoff und erhitzt dabei Luft auf 1400 Grad Celsius – nichts anderes also, als im Triebwerk eines Flugzeugs geschieht. Gasturbinen alleine setzen aber nur knapp 40 Prozent der Wärmeenergie in Strom um. Wenn man jedoch die etwa 500 Grad Celsius heiße Abluft nutzt, um damit eine Dampfturbine anzutreiben, läßt sich der Wirkungsgrad auf 58 Prozent steigern.

Besonders effektiv sind GuD-Anlagen, wenn man die Abwärme aus der Dampfturbine nicht verpuffen läßt, sondern damit Häuser heizt oder sie in Betrieben nutzt. Weil auch kleinere Gaskraftwerke rentabel sind, kann man sie dezentral dort bauen, wo neben Strom auch Wärme gebraucht wird. Mit dieser "Kraftwärme-Kopplung" erreicht man derzeit Wirkungsgrade von 85 Prozent, weshalb die Bonner Regierung gezielt diese Technik fördern will.

Gemäß den Gesetzen der Thermodynamik kann eine Wärmemaschine nicht mehr als 75 Prozent der zugeführten Energie in Strom umsetzen. Allerdings wissen Fachleute auch, daß der Wirkungsgrad um so höher ist, je größer das Temperaturgefälle zwischen Turbineneingang und -ausgang ist.

Mit allerlei Finessen haben Ingenieure die Verbrennungstemperatur im Inneren der Gasturbine auf 1400 Grad Celsius hochgeschraubt. Das freilich hält kein Metall aus ohne zu schmelzen, weshalb man die Turbinenschaufeln mit hitzebeständigen Keramiken beschichtet. Dampf, der durch Kanäle im Inneren jeder einzelnen Schaufel kreist, wirkt kühlend; ein hauchdünner Luftfilm an der Oberfläche sorgt zudem dafür, daß die heiße Luft nicht das Material berührt.

Bei den Kraftwerksbauern ABB und Siemens-KWU ist man zuversichtlich, innerhalb der nächsten Jahre die Marke von 60 Prozent zu überspringen. Kein leichtes Ziel, denn "je näher man sich der theoretischen Grenze von 75 Prozent nähert, um so schwieriger wird es, den Wirkungsgrad weiter zu steigern", weiß Dietmar Hein, Professor für thermische Kraftanlagen an der Technischen Universität München. Man werde noch bessere Werkstoffe, noch bessere Dampferzeuger, noch bessere Kompressoren brauchen, so Hein. "Wir drehen an mehreren Schrauben", bestätigt Siemens-Sprecher Wolfgang Breyer.

Derzeit bemüht man sich beim Erlanger Konzern jedoch, die Technik zu optimieren. Denn der stürmische Anstieg des Wirkungsgrades hat dazu geführt, daß nicht immer ausgereifte Komponenten ausgeliefert worden sind. Viele GuD-Anlagen haben deshalb Anlaufschwierigkeiten, etliche fallen immer wieder aus.

Fast unschlagbar sind GuD-Kraftwerke auch bei den Emissionen. Anders als bei Atommeilern entsteht bei der Verfeuerung von Gas freilich auch Kohlendioxid, doch nur die Hälfte der Menge, als wenn Kohle verbrannt wird. Die Bilanz fällt zugunsten der GuD aus, weil Erdgas weniger kohlenstoffintensiv ist und die Anlagen effizienter arbeiten.

Allerdings, so wenden Kritiker ein, müsse man die Treibhauswirkung des Gases selbst berücksichtigen. Denn Erdgas besteht im wesentlichen aus Methan, das über zwanzigmal stärker den Treibhauseffekt ankurbelt als Kohlendioxid. Das ist deshalb kritisch, weil beim Transport, vor allem durch marode sibirische Leitungen, Erdgas in die Atmosphäre entweicht. Eine Rechnung besagt, daß der Klimavorteil gegenüber Erdöl verschwindet, wenn die Transportverluste mehr als fünf Prozent der geförderten Erdgasmenge ausmachen.

Bis zu zehn Prozent, hieß es noch vor einigen Jahren, verpufften in den Staaten der ehemaligen Sowjetunion. Doch auch dort ist die Technik verbessert worden, es gibt weniger Lecks in den Leitungen. Neuen Messungen der Ruhrgas AG zufolge belaufen sich die Verluste in Rußland heute auf ein bis zwei Prozent, in Deutschland liegen sie bei 0,6 Prozent.

Etwa 10 000 Megawatt an Kraftwerkskapazität, so hat Hans Joachim Ziesing berechnet, müsse man im Fall eines Ausstiegs aus der Kernenergie ersetzen. "Das entspräche einem Plus von 15 Prozent des derzeitigen Gasverbrauchs", sagt der Leiter der Abteilung Energie, Umwelt, Rohstoffe am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin. Es entstünde also bei einem zeitlichen gestaffelten Ausstieg "keine plötzliche geballte Nachfrage", so Ziesing.

Doch weil der Brennstoff weltweit ein Renner ist, kann es durchaus zu einem Anstieg des Gaspreises kommen. Kaum Sorgen machen Experten sich um die Reserven. Die bekannten, leicht zugänglichen Quellen werden bei gleichbleibendem Verbrauch in etwa 80 Jahren verfeuert sein. Doch unter den Meeren lagern riesige Gasblasen.

Quelle: Süddeutsche Zeitung 23.11.1998

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70 Millionen für Limmatkraftwerk

Das 65jährige Fluss- kraftwerk Wettingen wird modernisiert. Gleichzeitig sollen die Limmatufer zwischen Dietikon und Baden renaturiert werden.

Von Ruedi Baumann

Für Ingenieure ist das Wettinger Kraftwerk ein Museum, für Naturliebhaber ist der Stausee zwischen Wettingen und Oetwil zum Wander- und Vogelparadies geworden. 1933, als das Elektrizitätswerk der Stadt Zürich (EWZ) die Limmat aufstaute, war das noch anders. Man kritisierte den sterilen Flusslauf und befürchtete, dass Wettingen mehr Strom liefern werde, als Zürich je brauchen könne. Heute deckt das Werk noch 5 Prozent des Stadtzürcher Strombedarfs.

20mal mehr Restwasser

Wie Stadtrat Thomas Wagner am Donnerstag an einer Medienkonferenz ausführte, gibt es zwei Gründe, warum das Kraftwerk erneuert werden muss. Die idyllische Limmatschleife rund ums Wettinger Kloster ist zum leblosen Stillwasser geworden. Gemäss neuem Gewässerschutzgesetz muss die Restwassermenge von heute 0,6 m3 pro Sekunde auf 7,5 m3 im Winter und 12 m3 im Sommer erhöht werden. Zweitens ist das Kraftwerk altersschwach. Transformatoren und elektromechanische Schaltanlagen, die im Originalzustand sind, müssen nach 65 Jahren Dauerbetrieb ersetzt werden.

Nach jahrelangen Vorverhandlungen hat das EWZ bei den Kantonen Aargau und Zürich ein Konzessionsprojekt für die Erneuerung des Kraftwerks eingereicht. Damit die geforderte Restwassermenge nicht nutzlos übers Wehr fliesst, ist laut EWZ-Direktor Gianni Operto der Einbau einer neuen Turbine auf Limmatniveau oder 18 Meter unter Stauseeniveau geplant. Die drei heutigen Turbinen, die 22 Meter unter dem Stausee liegen, bleiben bestehen. Die Jahresproduktion des Werkes bleibt damit etwa gleich.

Kompliziert wird das Projekt, weil die 80jährige Konzession im Jahr 2013 ausläuft. Damit sich die Investitionen von rund 70 Millionen Franken amortisieren lassen, muss die Konzession zur Nutzung der Wasserrechte vorzeitig verlängert werden. Verhandlungen mit den Kantonen Aargau (80 Prozent des Gebiets) und Zürich sind im Gang. Voraussichtlich im Jahre 2001 kann das Zürcher Stimmvolk über den Erneuerungskredit abstimmen. Geplanter Baubeginn wäre im Jahre 2002, vollendet wäre die Erneuerung 2007.

Mehr Natur als Konzessionspreis

Um zu einer neuen Konzession zu kommen, muss das EWZ ein gutes Dutzend Renaturierungsmassnahmen zwischen Dietikon und Baden finanzieren. Vorgesehen sind neue Inseln und Kiesbänke im Wettinger Limmatknie, das betonierte Ufer in Neuenhof soll Röhrichtstreifen und Gebüsch weichen, und in Spreitenbach wird der Dorfbach fischgängig gemacht. In Geroldswil soll die in Uferdämmen gefangene Limmat verbreitert werden, wodurch eine dynamische Flussaue entstehen soll. Beim Wettinger Stauwehr schliesslich ist eine Fischtreppe geplant. Dadurch können Fische wieder frei zwischen Aare, Limmat und Sihl wandern.

Von der Rentabilität her drängt sich eine Erneuerung des Kraftwerkes nicht unbedingt auf, ein Neubau wäre heute schon gar nicht mehr möglich. Laut Direktor Gianni Operto will das EWZ "ein Zeichen für die erneuerbare Energie" setzen. Trotz Liberalisierung des Strommarkts und trudelnder Strompreise habe die Wasserkraft "eine langfristige Zukunft".

Quelle: Tages-Anzeiger 20.11.1998


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Klimagipfel produziert heiße Luft. Trittin zufrieden

Konferenz in Buenos Aires beschließt statt klarer Klimaschutzaktionen einen neuen Katalog mit 138 Fragen. Bundesumweltminister Jürgen Trittin nennt es "einen Erfolg", daß bis Ende des Jahres 2000 die notwendigen Entscheidungen getroffen werden sollen

Berlin (taz) - Wenigstens einer ist zufrieden mit dem Ergebnis des Klimagipfels in Buenos Aires: der grüne Bundesumweltminister Jürgen Trittin. Über den Aktionsplan, den die Delegierten aus 161 Staaten am Samstag verabschiedeten, sagte er: "Man kann das als einen Erfolg bezeichnen." Bis Ende 2000 würden alle wichtigen Entscheidungen zur Umsetzung des Klimaprotokolls von Kioto getroffen.

Der "Erfolg" besteht darin, daß in Buenos Aires die Staatengemeinschaft eine Liste von 138 Fragen aufgestellt hat. Fragen, die eigentlich schon vor dem Klimagipfel abgearbeitet werden sollten, damit konkrete Maßnahmen zur Reduktion der Treibhausgasemissionen beschlossen werden können.

Bis zum Jahr 2000 soll nun vor allem geklärt werden, wie die Industrieländer ihre Klimaschutz-Verpflichtungen durch Maßnahmen außerhalb ihres Landes - vor allem in den Entwicklungsländern - erfüllen können. Dazu gehört die Frage, um wieviel im eigenen Land die Emissionen vermindert werden müssen und wie viele der Klimaschutzmaßnahmen ins Ausland ausgelagert werden können.

Auch der Handel mit "heißer Luft" soll ermöglicht werden. Unter "heißer Luft" verstehen die Klimaexperten die Reduzierung der Treibhausgasemissionen, die nicht durch Klimaschutz, sondern durch den Zusammenbruch von Industrien im ehemaligen Ostblock zustande gekommen ist. Insbesondere Rußland und die Ukraine möchten Emissionsrechte in Höhe des eingesparten Ausstoßes verkaufen. Die USA setzen darauf, dann diese Verschmutzungsrechte zu kaufen und dadurch ihrerseits ihre Reduktionsverpflichtungen zu erfüllen, ohne wirklich weniger Treibhausgase produzieren zu müssen. Alle anderen Maßnahmen blockieren die USA, solange die Entwicklungsländer nicht ihrerseits Emissionen reduzieren.

"Wir hatten die Verabschiedung einiger grundlegender Prinzipien für den Handel mit Emissionen erwartet", sagte Dörte Bernhardt von der Umweltorganisation Germanwatch. Der Gipfel von Buenos Aires ist nicht über das hinaus gekommen, was vergangenes Jahr auf dem Kioto-Gipfel beschlossen wurde. Dort hatten sich die Industriestaaten verpflichtet, ihren Ausstoß von Treibhausgasen bis 2012 um 5,2 Prozent gegenüber dem Stand von 1990 zu verringern. Die Details, wie dies erreicht werden könnte, wurden damals ausgespart. Sie sind auch heute noch unklar. Sogar der "Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen" sieht in dem Aktionsplan von Buenos Aires nur einen "mageren Fortschritt für den Klimaschutz".

"In Buenos Aires wurde der Stillstand festgeschrieben", urteilte der Klimaexperte des WWF, Stephan Singer, nach Abschluß des Gipfels. "Stillstand ist Rückschritt", hatte vor einem Jahr die umweltpolitische Sprecherin der Grünen, Michaele Hustedt, gemahnt. Ihr Parteigenosse Trittin scheint Stillstand schon für einen Fortschritt zu halten.

Quelle: TAZ 16/11/’98

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Exxon & Co blockieren den Klimaschutz

Wenig greifbare Ergebnisse auf dem Klimagipfel in Buenos Aires

Der Streit auf dem Klimagipfel in Buenos Aires um den Handel mit Verschmutzungslizenzen ist mehr als nur ein Streit um die besten Mittel zum Umweltschutz, es ist ein Vehikel für die Konkurrenz der Wirtschaftsstandorte im globalisierten Wettbewerb. "Je mehr der Handel mit Verschmutzungslizenzen beschränkt wird", heißt es in einem internen Papier des "US-Business Roundtable" an die US-Regierung, "desto mehr würde Europa seine Wettbewerbsposition verbessern". Dieser US-amerikanische Wirtschaftsverband - zu dem unter anderem Exxon, General Motors und die Chase Manhatten Bank gehören - rechnete den Unterhändlern der USA genau vor, welche Klimaschutzregeln ihrer Meinung nach welche Einbußen an Wirtschaftswachstum bedeuten würden. Für sie ist der Klimaschutz ein rein ökonomisches Problem. Und da gilt: Weil Europa nicht so verschwenderisch mit Energie umgeht wie das Land der unbegrenzten Klimaanlagen, hätte die EU einen deutlichen Wettbewerbsvorteil, wenn mit Klimaschutz ernst gemacht würde. Die Angst der US-Wirtschaft geht so weit, daß sie auch von China verbindliche Verpflichtungen verlangt, obwohl ein US-Bürger zehnmal mehr Energie verbraucht als ein Chinese.

Diese Interessen haben auf die Verhandlungen voll durchgeschlagen. In geübter Manier haben die USA wesentliche Fortschritte verhindert. Der "Aktionsplan von Buenos Aires" ist im wesentlichen ein Zeitplan, bis zum Jahr 2000 alle offenen Fragen zu klären, die eigentlich schon bis zu diesem Klimagipfel abgehakt sein sollten - so war es jedenfalls noch vor einem Jahr in Kioto beschlossen worden. Immerhin listet der Aktionsplan alle 138 noch offenen Fragen akribisch auf - doch letztlich ist das nur ein Verschieben.

Die Diskussion um das Klimaschutzprotokoll von Kioto hat eine neue Qualität. Als sich die Weltgemeinschaft im Protokoll von Montreal auf ein Verbot der ozonschichtzerfressenden FCKWs einigte, hatten die betroffenen Industriezweige nicht genügend Macht, ein Abkommen zu torpedieren, das die lebenswichtige Ozonschicht schützen sollte. Beim Kiotoprotokoll ist das anders: Hier geht es um die Modernisierung wichtiger Industriezweige, wie der Kohle-, der Stahl-, der Auto- oder der Mineralölindustrie. Und um unseren Lebensstil. So ist etwa der Verkehr eine der wesentlichen Quellen für den stetigen Anstieg der ausgestoßenen Treibhausgase, der auch die international so klimafreundlich auftretende EU noch vor große Probleme stellen wird.

Die USA stehen ganz vorn in der Reihe der Länder, die vehement versuchen, Schlupflöcher ins Kioto-Protokoll zu reißen. Die Polarisierung zwischen der bösen USA und den guten Europäern täuscht darüber hinweg, daß es auch hier große Widerstände und Halbherzigkeiten gibt. Schon in Kioto und diesmal wieder drohte die einheitliche Position der EU mehrfach während der Verhandlungen auseinanderzubrechen. Immer mehr EU-Länder finden Gefallen daran, selbst anderswo billig Verschmutzungsrechte einzukaufen, um zu Hause nicht so viel machen zu müssen. Und auch Deutschland, das bereits unter der früheren Bundesumweltministerin Angela Merkel (CDU) im Klimaschutz international immer ein Antreiber war, hat nun selbst unter einer rot-grünen Regierung deutliche Probleme, wirksame Maßnahmen zu beschließen. Das beweist der mühsame Einstieg in die Ökosteuer gerade anschaulich.

Selbst wenn die Beschlüsse von Kioto bis 2000 ohne große Schlupflöcher umgesetzt würden, reicht das laut UN-Klimabericht noch nicht, um den Treibhauseffekt zu verhindern. Weitere drastische Minderungen müssen folgen. Doch die Aussichten sind nicht gut. Es deutet nichts daraufhin, daß die USA von ihren Positionen abrücken werden, nur weil man zwei Jahre länger verhandelt. Und ohne die USA wäre ein Protokoll nicht das Papier wert, auf dem es steht.

Es gibt eine Menge Klimaschutzmaßnahmen, die die Wettbewerbsfähigkeit durch Innovationen eher verbessern als verschlechtern. Etwa Energiesparen, Wärmedämmen und die Ökosteuer. Mit solchen Maßnahmen sollte man zu Hause fortfahren, unabhängig vom schleppenden Verlauf der Klimaverhandlungen. Das ist die eigentliche Lektion von Bunos Aires.

Quelle: TAZ 16/11/’98

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Umweltschützer widersprechen Trittin War grüner Umweltminister auf einem anderen Klimagipfel?

Mitunter geht die Wandlung vom Saulus zum Paulus schnell. Der grüne Bundesumweltminister Jürgen Trittin ist noch nicht einmal einen Monat im Amt, und schon erklärt er die von Umweltexperten scharf kritisierten Vereinbarungen des am Sonnabend zu Ende gegangenen Klimagipfels von Buenos Aires zum »Erfolg«. Nicht nur Natur- und Umweltschutzverbände widersprachen Trittin, selbst SPD- Umweltexperte Michael Müller wertete den »desaströsen Klimagipfel« als »Nullergebnis«.

Nach zähen Verhandlungen hatten sich die Teilnehmer der UN-Klimakonferenz in letzter Minute doch noch auf ein gemeinsames Schlußpapier zur Verringerung von Treibhausgasen einigen können. Die Delegierten aus 160 Staaten vereinbarten einen »Aktionsplan«, mit dem das Kyoto-Protokoll zur Bekämpfung der Erderwärmung aus dem vergangenen Jahr umgesetzt werden soll. Im Dezember 1997 war auf dem Klimagipfel in Kyoto beschlossen worden, die Emission von sechs Treibhausgasen in der Zeit zwischen 2008 und 2012 um insgesamt 5,2 Prozent gegenüber 1990 zu verringern. Kernstücke der Vereinbarung sind der Handel mit Emissionsrechten sowie der »Mechanismus Saubere Entwicklung« (CDM). Im Aktionsplan wurde allerdings beschlossen, erst im Jahr 2000 genaue Strategien festlegen zu wollen.

Nicht nur die Verschiebung der Einführung von konkreten Maßnahmen, auch die Inhalte des Aktionsplanes wurden von Experten kritisiert. Auf Druck der Vereinigten Staaten sind beim Handel mit Verschmutzungsrechten keinerlei Obergrenzen für die eigene Kohlendioxidproduktion vorgesehen. Umweltminister Trittin war eigentlich mit dem Vorsatz nach Buenos Aires gefahren, den Aufkauf von Emissionszertifikaten auf die Hälfte der nationalen Reduktionsverpflichtungen eines Landes zu beschränken. Die osteuropäischen Länder haben durch das Wegbrechen ihrer Industrie hohe Überkapazitäten an Emissionsrechten, die vor allem die Vereinigten Staaten als Hauptverursacher der globalen Umweltverschmutzung erwerben wollen, um ihren Ausstoß an Klimagasen nicht reduzieren zu müssen. Auch die möglichen CDM-Maßnahmen werden kritisch gesehen. Im Rahmen der CDM kann ein Industrieland oder ein privater Akteur in einem Drittland Klimaschutzprojekte durchführen und sich die dadurch eingesparten Emissionen gutschreiben lassen. Problematisch daran ist: Auch der Bau von Atomkraftwerken würde dazuzählen.

Das Ergebnis von Buenos Aires könne man »wirklich nicht als Erfolg für den Klimaschutz bezeichnen«, urteilte Jochen Flasbarth, Präsident des Naturschutzbundes, im Gegensatz zu Trittin. Besonders enttäuschend sei, daß die Umsetzung der ohnehin unzureichenden Klimaschutzziele von Kyoto nun bis zum Jahre 2000 verschoben worden seien. Greenpeace- Klimaexperte Karsten Smid forderte die Industrieländer auf, im eigenen Lande zu beginnen, statt auf internationale Erfolge zu warten. »Minister Trittin muß eine klimafreundliche Verkehrspolitik durchsetzen und darf sich dabei nicht vom Automann Schröder ausbremsen lassen«, so Smid. Selbst der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen nannte die Ergebnisse von Buenos Aires einen »mageren Fortschritt für den Klimaschutz«.

Quelle: Junge Welt 15.11.1998

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UNO / Konferenz klammert wesentliche Streitpunkte aus

Kompromiß bei Klimagipfel

rtr BUENOS AIRES. Nach langwierigen Verhandlungen hat die Klimakonferenz der Uno in Buenos Aires am Samstag eine Vereinbarung über die Umsetzung des Klimaabkommens von Kyoto erreicht. Die Umweltminister der rund 170 Teilnehmerstaaten beschlossen zum Abschluß des fast zweiwöchigen Treffens, daß sich die Industrieländer bis zum Ende des Jahres 2000 auf konkrete Wege zum Erreichen des Klimaziels von Kyoto verständigen. Zahlreiche Kontroversen konnten bei den Verhandlungen in der argentinischen Hauptstadt aber nicht gelöst werden.

Bei der Weltklimakonferenz in Kyoto hatten die Teilnehmer beschlossen, daß die Industrieländer den Ausstoß klimaschädigender Gase, allen voran Kohlendioxid, bis spätestens zum Jahr 2012 um durchschnittlich 5,2 Prozent im Vergleich zum Niveau von 1990 senken müssen. Die Folgekonferenz von Buenos Aires sollte Maßnahmen zur Umsetzung dieses Ziels beraten.

Doch trotz langwieriger Beratungen mußten wesentliche Streitpunkte ausgeklammert werden, um ein Scheitern der Konferenz zu verhindern. So beharrten die USA auf ihrer Position, nach der auch Entwicklungsländer einen Beitrag zum Klimaschutz leisten sollten. Dies wird von den armen Staaten, aber auch der EU abgelehnt, weil dadurch eine Beeinträchtigung von deren Entwicklungschancen befürchtet wird. Auch in der Frage des ebenfalls von den USA geforderten globalen Handels mit Verschmutzungsrechten gab es keine Einigung. Die offenen Fragen wurden auf die nächste jährliche Folgekonferenz von Kyoto vertagt.

Die USA hatten zwar am Donnerstag als eines der letzten Industrieländer das Abkommen von Kyoto unterzeichnet. Zugleich hatte Präsident Bill Clinton aber erklärt, das Abkommen erst dann dem Senat zur Ratifizierung vorzulegen, wenn sich auch wichtige Schwellenländer zu einer Reduzierung ihres Treibhausgas-Ausstoßes verpflichteten.

In Kyoto wurden neben den armen Ländern auch wichtige Schwellenländer wie Indien und China von der Vereinbarung ausgenommen. 23 Prozent der weltweiten Kohlendioxid- Emissionen werden von den USA erzeugt. In den vergangenen fünf Jahren ist der Schadstoffausstoß dort um mehr als acht Prozent gestiegen. Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) hatte während des Treffens bekräftigt, die Bundesregierung halte an ihrem Ziel fest, die klimaschädlichen Emissionen in Deutschland bis 2005 um 25 Prozent zu reduzieren.

Quelle: HANDELSBLATT, Sonntag, 15. November 1998

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Der leidige Handel mit dem Dreck

Die USA und Japan wollen beim Klimagipfel in Buenos Aires nicht vom Verkauf von CO2-Emissionen lassen

Ein Lautsprecher unterbricht die Monotonie im Pressezentrum der Klimakonferenz in Buenos Aires. Die Schar von Journalisten läßt augenblicklich von ihrer Arbeit am Computer ab und sucht mit gierigen Blicken nach den Ruhestörern. Eine Gruppe von Aktivisten der "Freunde der Erde" und "Nord-Süd-Initiative", zwei internationale Umwelt- und Klimaschutzorganisationen, tanzen in karnevalesker Aufmachung daher. Einer ist als Tiger verkleidet, der die Ölmultis Exxon-Esso symbolisiert, ein anderer spielt den Yankee am Gängelband der gestreiften Bestie.

Die Umweltschützer werfen der Nummer eins des internationalen Erdölhandels vor, daß sie den Widerstand gegen das Kyoto-Protokoll weltweit organisiere. Die Firma habe eine Kampagne gegen die Unterzeichnung des Klimaschutzabkommens durch die US-Regierung finanziert und ihre Manager seien in zahlreichen Hauptstädten gegen das Protokoll vorstellig geworden. Während manche der Konkurrenten anfingen, sich um erneuerbare Energiequellen zu kümmern, beharre Exxon ausschließlich auf dem Ölgeschäft.

Tags zuvor hatte die Umweltstiftung WWF mit einer Parodie des geplanten Handels mit Verschmutzungslizenzen für Abwechslung in der öden Konferenzlandschaft gesorgt. Ein Aktivist mit Jelzin-Maske stieg auf einen Stuhl und bot Millionen Tonnen Kohlendioxyd zur Versteigerung an. Rußlands Industrie wird infolge der Finanz- und Wirtschaftskrise in den nächsten Jahren wesentlich weniger Dreck und Gift ausstoßen, als ursprünglich vorgesehen war. Deshalb verfügt Moskau über "ungenutzte" Quoten an Treibhausgasemissionen, die es laut einer Klausel des Kyoto-Protokolls an andere Nationen verkaufen kann. Akteure mit Masken der Regierungschefs von Großbritannien, Deutschland, Japan und der USA stritten sich in der Tragikomödie um diese "Rechte", bis der Hammer sauste.

WWF und andere Umweltgruppen warnen vor den Folgen eines unbegrenzten Handels mit Emissionen, wie ihn vor allem Washington und Tokio fordern. Sie geißeln das als "Klimaschwindeleien". Denn: "Wer Treibhausgase produziert, darf sich nicht freikaufen, indem er von anderen Ländern, die weniger Kohlendioxyd emittieren, Verschmutzungsrechte erwirbt", sagt Stephan Singer, Leiter des WWF-Klimareferats. Wichtiger und richtiger sei es, daß der Ausstoß von Treibhausgasen durch Energiesparen, Erschließung von erneuerbaren Energien, Kraft-Wärme-Koppelung, Erhebung einer CO 2 -Steuer, Entwicklung neuer Technologien und andere Maßnahmen vermindert werde. Ansonsten laufe das Kyoto-Protokoll Gefahr, "wie ein Soufflé" zusammenzufallen. Bei keinem dieser Bereiche, so beklagen die Klimaschützer verschiedenster Herkunft, seien während der Vertragsstaatenkonferenz der UN-Klimakonvention in Buenos Aires bis jetzt nennenswerte Ergebnisse erzielt worden. Die Vertreter der Europäischen Union, die vor einem Jahr in Kyoto lauthals verkündeten, sie hielten eine 15prozentige Verminderung der Treibhausgasemissionen bis 2010 für möglich, hätten ihre Ziele inzwischen zurückgesteckt. Bei der dritten Klimakonferenz in Japan habe sich die EU wie ein Löwe gebärdet, jetzt an den Gestaden des Rio de la Plata hingegen wie ein Lamm. Auch Deutschlands neuer Umweltminister Jürgen Trittin mußte rasch feststellen, daß im zentralen Punkt der Verhandlungen, dem Emissionshandel, bisher "keine Fortschritte" zu verzeichnen seien.

Den Experten und Beobachtern entgeht gewiß nicht, daß die EU in zwei Lager gespalten ist, die in Sachen Klimaschutz aneinander vorbeireden. Auf der einen Seite Staaten wie das vorbildliche Dänemark, wie Österreich und Deutschland, die den Geist von Kyoto ernstnehmen wollen, auch wenn Theorie und Praxis bisher nicht immer übereinstimmten. Auf der Gegenseite die Holländer, die ihre Emissionen in den vergangenen Jahren wider alle Versprechungen massiv erhöht haben. Briten und Italiener auch, die in diesen Belangen dem Diktat der USA folgen.

Verschiedene Nichtregierungsorganisationen (NROs) haben in Buenos Aires auf den Zusammenhang zwischen der weltweiten Erwärmung und der Ausbreitung alter und neuer Seuchen hingewiesen. Seit 1980 sind etwa 30 Infektionskrankheiten ausgemacht worden, die der Medizin zuvor unbekannt waren. Altbekannte Übel wie Malaria, Cholera, Dengue-Fieber und Gelbfieber, die man weitgehend überwunden glaubte, fordern wieder viele Todesopfer. Das ist nach Ansicht von Sachverständigen eine Folge des Trends zur Erwärmung, kürzerer Winter und der Zunahme extremer Wetterereignisse.

Schaden nehmen dabei nicht nur die Menschen, vor allem Kinder und Alte. Auch die Wirtschaft leidet unter der Klimaänderung. Die jüngste Erwärmung im Zeichen der "El Niño"-Strömung brachte der Fischindustrie in Peru und Ecuador Milliardenverluste ein. Immer heftigere Überschwemmungen und Dürrekatastrophen dezimierten die Erträge in der Landwirtschaft vieler Staaten. Cholera und Dengue-Fieber bremsen den Tourismus in den Andenländern und in der Karibik. Zentralamerikas Entwicklung wurde durch den Wirbelsturm Mitch um mindestens ein Jahrzehnt zurückgeworfen.

Manche NROs rütteln im Schatten der Vertragsstaatenkonferenz die Öffentlichkeit mit solchen Hiobsbotschaften auf. Andere Gruppen von Umwelt- und Klimaschützern regen sie mit Erfolgsmeldungen an. Zu diesem Kreis gehört der "Internationale Rat für lokale Umweltinitiativen" (ICLEI), dem sich bisher nahezu 300 Städte in aller Welt, so auch in Deutschland, angeschlossen haben. Sie zählen 175 Millionen Einwohner und sind für sieben Prozent der globalen CO 2 -Emissionen verantwortlich. Mit vielfältigen Maßnahmen erreichten sie im Verlauf der 90er Jahre eine Verminderung des Kohlendioxyd-Ausstoßes um 50 Millionen Tonnen.

"Wenn alle Städte der USA unsere Politik zur Senkung der Treibhausgasemissionen nachahmen würden, könnte unser Land die Vorgaben des Kyoto-Protokolls spielend erfüllen", rechnete ein Delegierter aus der ICLEI-Stadt Portland (Oregon) dem Publikum vor. Sein Kollege aus Kopenhagen sagte schlicht: "Wir Dänen lieben Fahrräder." Das müsse wohl stimmen, warf aus dem Auditorium jemand ein. Denn im Hof des dortigen Rathauses müsse man sich den Weg zwischen Hunderten von Rädern hindurch bahnen.

Berlin konnte als "führendes Mitglied der ICLEI-Klimakampagne" von einer 15prozentigen CO 2 -Reduktion seit 1990 berichten. Das sei vor allem mit Kraft-Wärme-Koppelung, umweltfreundlicher Bautechnik und vermehrter Nutzung von erneuerbarer Energie erreicht worden. Die Provinzstadt Naga (Philippinen), knöpft Fahrzeugbesitzern, die zuviel Abgase verbreiten, bei der ersten Kontrolle acht Mark ab. Werden sie aber ein zweites Mal als Umweltsünder erwischt, wird kurzerhand das Fahrzeug beschlagnahmt.

Quelle: Frankfurter Rundschau 12.11.1998

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Pläne genehmigt: Auf Urfelder Acker entsteht ab 1999 ein privater Windkraftpark

Mit 17 Pfennig in Gewinnzone?

Wesseling. Ein Acker ist ein Acker, sollte man meinen. Nicht so an der Gemeindegrenze zwischen Wesseling und Bornheim. Dort haben die Äcker ganz unterschiedliche Auflagen. Besonders, wenn es um Windkraftanlagen geht. Während nämlich der Wesselinger Boden gut mit einem Windrad von bis zu 130 Meter Höhe leben kann, ist der Bornheimer Krume, zehn Meter entfernt, offenbar nur ein Turm von maximal 100 Meter Höhe zuzumuten.

Nun trifft es sich, daß Wesseling rot-grün regiert wird und sich regenerativen Energien durchaus aufgeschlossen zeigt, während in Bornheim die CDU das Sagen hat. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

Mit solchen Stolpersteinen kennt sich Karl-Heinz Weißbart aus. Dabei will der Mann hoch hinaus. Genau genommen auf bis zu 135 Meter. Soviel hat der Landschaftsbeirat dem privaten Stromproduzenten für seine vier Windräder, die in Wesseling-Urfeld entstehen sollen, zugestanden. Eine "wichtige Hürde" sei das Einverständnis dieses Gremiums gewesen, sagt der Investor, denn das Gelände ist Landschaftsschutzgebiet.

Im zweistelligen Millionbereich bewege sich die geplante Investition, bestätigt der Wesselinger. Vier Windräder mit Leistungen von einem, beziehungsweise 1,5 Megawatt, sollen dem einsamen RWE-Turm auf dem Acker Gesellschaft leisten. Einspeisen will Weißbart den Strom ins Umspannwerk Sechtem, doch er denke bereits über eine Eigenvermarktung nach. Schließlich entstehe zur Zeit gleich nebenan ein neues Industriegebiet, "das muß man im Auge behalten". Schon bei 17 Pfennig pro Kilowattstunde sei das Projekt rentabel, rechnet Weißbart vor - meilenweit entfernt von den 40 Pfennig, die das RWE als Nenngröße für profitable Windstromerzeugung kalkuliert.

Schon vor geraumer Zeit hatte der Wesselinger Stadtrat das Gelände unmittelbar an der Grenze zu Bornheim zur "Konzentrationsfläche" für Windkraftanlagen erklärt. Basis dieser Entscheidung war zum einen das Bekenntnis zu regenerativen Energien, zum anderen eine Karte des RWE, das just diesen Acker zu einem der wenigen lohneswerten Standorte für Windenergie in der rheinischen Tiefebene erklärt hat. Aber die Wirtschaftlichkeit einer solchen Anlage hänge immer von der Höhe ab, sagt Weißbart. Wobei er nicht beabsichtigt, bis auf 130 Meter zu steigen - "ich denke, ich komme mit 105 bis 120 Meter aus".

Der gelernte Chemiker hat einschlägige Erfahrung. In Nettersheim betreibt er ein 57-Kilowatt-Rad, dem er gerne ein weiteres hinzufügen würde. Der Standort sei ideal, erzählt Weißbart: genau auf einem Hügel. Doch seine Expansionspläne in der Eifel reiben sich zur Zeit an etlichen Widerständen, wobei Weißbart nicht ins Detail gehen möchte, wer da auf wessen Rechnung den Bremser spielt. "Aber man braucht Sitzfleisch", betont er.

Im Erftkreis, zumal in Wesseling, sei das ganz anders. "Die politische Konstellation" sei für Vorhaben wie die seinen "sehr günstig", lobt Weißbart das Rathaus der Chemiestadt. Zwar liegt dem Wesselinger Baudezernenten Heinrich Ferber bislang noch kein Bauantrag vor. Doch Weißbart rechnet nicht mit Schwierigkeiten: 1999 will er den ersten Turm aufstellen. Dann wird das RWE-Windrad auf dem Bornheimer Acker ziemlich klein aussehen.

Quelle: Kölnischge Rundschau 12/11/’98

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Neues Blockheizkraftwerk am Netz

Aalen (sz) - Das neue Blockheizkraftwerk nahm Oberbürgermeister Ulrich Pfeifle im Gaswerk in Betrieb.

Der Stadtwerke-Ausschuß hatte den öffentlichen Teil seiner Sitzung ins Gaswerk verlegt, um die "wichtigste Investition der Stadtwerke im Jahr 1998" (OBPfeifle) zu besichtigen. Rund 1,1 Millionen Mark hat das Blockheizkraftwerk gekostet, veranschlagt waren ursprünglich 1,3 Millionen Mark.

Seit 1981 betreiben die Stadtwerke auf dem Betriebsgelände Gaswerk ein Blockheizkraftwerk. Es versorgte zunächst die Gebäude des Gaswerks und über eine Fernwärmeleitung das Hallenbad.

1994 wurde die Hermann-Hesse-Schule (früher Pestalozzischule) ans Fernwärmenetz des Hallenbades angeschlossen, 1996 kam das Freibad Hirschbach hinzu, in diesem Jahr waren es der Neubau des Finanzamtes sowie die Lebenshilfe. Das fortgeschrittene Alter der Anlage und die erheblichen Änderungen in der Wärmeabnehmerstruktur machten die Investition erforderlich. "Maschinen geht es wie Menschen", sagte Stadtwerke-Direktor Gerhard Kohn, "sie altern beständig".

Angetrieben werden die Motoren des neues Kraftwerks durch Erdgas. Sie erzeugen Strom, der wiederum ins Netz der Stadtwerke eingespeist wird. Gleichzeitig erzeugen sie Abwärme, die von den Wärmeverbrauchern genutzt wird. Das neue Kraftwerk erzeugt jährlich rund 4600 Megawatt-Stunden Wärme und etwa 3400 Megawatt-Stunden Strom. Zum Vergleich die Zahlen des alten Blockheizkraftwerks: 3460 und 1700 Megawatt-Stunden. Auch die Umwelt profitiere aufgrund erheblicher Kohlendioxyd-Einsparungen von der neuen Anlage, betonte Kohn.

Quelle: Schwäbische Zeitung 10.11.1998

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Klimapolitik kommt unter die Räder

Studie: Deutschland verfehlt Klimaziel, weil Transport CO2-Reduzierung auffrißt: Verkehrs-Abgase steigen um 28 Prozent

Berlin (taz) - Die Bundesrepublik wird ihr offizielles Klimaziel nicht erreichen. Die Reduzierung beim Ausstoß des Klimagases CO2 um 25 Prozent bis zum Jahr 2005 wird vor allem durch die Zunahme des Autoverkehrs verhindert. Das ist das Ergebnis einer Studie des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt und Energie, die im Auftrag von Greenpeace erstellt wurde. Wegen eines drastischen Anstiegs des CO2-Gesamtausstoßes im Verkehr wird die Klimabelastung in den nächsten Jahren und Jahrzehnten noch zunehmen. Einsparungen, die Industrie, Handel und Gewerbe vornehmen, werden somit zunichte gemacht.

Ausgehend vom Jahr 1995 haben die beiden Verkehrswissenschaftler Rudolf Petersen und Karl-Otto Schallaböck eine Prognose bis 2020 erstellt. Demnach wird es allein durch den bundesdeutschen Verkehr einen Anstieg um 28 Prozent des CO2-Ausstoßes geben, was einer zusätzlichen Belastung der Atmosphäre von 241 Millionen Tonnen Kohlendioxid entspricht. Besonders stark wirkt sich der Flugverkehr auf das Klima aus, da Flugzeuge neben Kohlendioxid auch andere Abgase wie Wasserdampf und Stickoxide in großer Höhe ausstoßen. Das Wuppertal Institut hat errechnet, daß der Ausstoß von Kohlendioxid durch die Fliegerei um 46 Prozent zunehmen wird. Im Lkw-Verkehr werden die Emissionen von 48 auf 67 Millionen Tonnen steigen, also ein Anstieg um 38 Prozent.

Die Wissenschaftler gelangen zu ihrem Ergebnis, daß der Schadstoffausstoß durch den Verkehr massiv zunehmen wird, auch durch die Beobachtung der Trendentwicklung, einer Verbrauchsprognose und einer Analyse der Planung des Straßenausbaus durch das Bundesverkehrsministerium. Auch die soziodemographische Entwicklung wurde einberechnet: In Zukunft werden immer mehr ältere Menschen immer länger Auto fahren können. Auch der technische Fortschritt bei der Reduzierung der Emissionswerte durch das Auto wurde in der Studie berücksichtigt.

"Vor allem zwei Dinge müssen getan werden", zieht Rudolf Petersen aus seiner Studie die Konsequenz. Zum einen sollen Verbrauchsvorschriften die Grenzwerte für Pkws regeln, außerdem müsse die ökologische Steuerreform konsequent durchgesetzt werden. "Die Steuer müßte jedoch als Entwicklungspfad in ein Gesamtkonzept eingebunden sein" - und nicht als Einnahmequelle für die notleidenden Staatsfinanzen verstanden werden. Möglich sei es etwa, wie in Großbritannien eine prozentuale Benzinpreiserhöhung pro Jahr festzulegen, um die Mehrbelastung für Unternehmen und die Bevölkerung planbar zu machen. Der Anfang, sechs Pfennig mehr pro Liter zu verlangen, sei zwar nicht besonders viel, jedoch immerhin ein Anfang - das Wuppertal Institut empfiehlt, Benzin jährlich um fünf Prozent zu verteuern.

Quelle: TAZ 9.11.1998

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Ernstfall für Rot-Grün

Klimaschutz ohne Kernkraft - die Regierung ist konzeptlos Von Fritz Vorholz

Zwei Männer, zwei Worte. Jürgen Trittin und Werner Müller. Der eine Umwelt-, der andere Wirtschaftsminister der neuen rot-grünen Regierung. Die Botschaft des einen, Trittins, auf dem Weg zur Klimakonferenz in Buenos Aires: Die Industrieländer müssen beim Klimaschutz voranschreiten, also Energie sparen und weniger Kohlendioxid (CO2) in die Erdatmosphäre pusten. Die Erkenntnis des anderen, Kanzler Schröders Organisators des Atomausstiegs: Wer aus der Kernenergie herauswill, der muß in Kohle- und Gaskraftwerke herein - und also damit leben, daß mehr Treibhausgase in die Luft geblasen werden. Was nun, Rot-Grün? Kotau vor den Herausforderungen der Umweltpolitik?

Tatsache ist: Die Kernenergie erspart Deutschland rund 150 Millionen Tonnen Kohlendioxid, rund ein Sechstel der jährlichen Gesamtemissionen. Wer, mit gutem Grund, aus der Atomenergie aussteigen will, der muß also beim Energiesparen einsteigen - zumal wenn er sich auf die Fahne schreibt, am Klimaschutzziel der alten Regierung (minus 25 Prozent CO2 bis 2005 gegenüber 1990) festzuhalten. Zu diesem Einmaleins gehört auch die Einsicht, daß Wind- und Sonnenstrom die Meiler nicht ersetzen können.

Beim Energiesparen nachlegen heißt nicht zwangsläufig, beim Stromsparen nachzulegen. Zwar gäbe es dafür zahlreiche Möglichkeiten - allein die Stand-by-Schaltungen der Elektrogeräte beschäftigen zwei Atommeiler; und ein dezentralisierter Kraftwerkspark würde gleichzeitig Innovationen fördern und Energie sparen helfen. Aber selbst wenn die Stromwirtschaft nur einen bescheidenen Beitrag zum Klimaschutz leisten würde - sofern Haushalte, Verkehr und Industrie ihre Energieeffizienz überproportional steigern, wäre das kein Unglück. Rein rechnerisch.

Fragt sich nur, ob Anlaß zu dieser Hoffnung besteht. Eher weniger, denn dazu gehörte mehr als eine halbherzige Ökosteuer, die schon zerfleddert wird, noch ehe sie im Gesetzblatt gedruckt ist. Vorzugsregeln für den Mittelstand und für die Ostdeutschen sind bereits im Gespräch. So bleibt die Energiewende ein leeres Versprechen.

Das ist gefährlich. Atomausstieg und Klimaschutz sind schließlich Prestigeprojekte der rot-grünen Regierung. Verheddert sie sich darin, ist sie schon halb gescheitert.

Quelle: Die Zeit Nr.46/1998

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Die Industrie täuscht die Öffentlichkeit

Rezension: Der Klima-Gau. Ein Sachbuch über Erdöl und Macht in der Weltpolitik

Im April platzte die Bombe. Der Ölkonzern Shell tritt aus der Industrie-Lobbygruppe "Global Climate Coalition" (GCC) aus, die in den USA und auf internationalem Parkett gegen Klimaschutz- Maßnahmen kämpft. Die GCC, die nach eigenen Angaben mehr als 230.000 US-Firmen sowie internationale Energie-, Auto-, Chemie- und Luftfahrtkonzerne vertritt, hält die wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Treibhauseffekt für nicht ausreichend bewiesen, um Gegenmaßnahmen einzuleiten. Shell steht neuerdings zum Kyoto-Protokoll und sieht auch für die Industrie große Chancen besonders beim weltweiten Ausbau der erneuerbaren Energien. Im August meldete die Presseagentur AP: "Heißester Juli der Geschichte". DPA-Meldung im Juli: "Südkorea ertrinkt in sintflutartigen Regenfällen." AP-Meldung Mitte August: "140 Millionen Menschen von Flut in China betroffen." Für den amerikanischen Publizisten Ross Gelbspan haben diese Wetterextreme ein und die selbe Ursache: Es sind Reaktionen der Natur auf die beginnende Aufheizung der Erdatmosphäre.

Kann ein Sachbuch über den Klima-Gau so spannend sein wie ein Roman von Ken Follett? Die Antwort liegt auf 248 Seiten vor. In erschreckender Weise liefert Gelbspan die Belege dafür, wie vor allem die großen Kohle- und Erdölgesellschaften seit langem eine Kampagne der Desinformation und Informationsunterdrückung mit Hilfe einer handvoll Wissenschaftler, insbesondere der Global Climate Coalition, weltweit steuern. Das einzige Ziel der Täuschungsmanöver: Eine öffentliche Diskussion zum Thema Klimawandel soll verhindert werden. Kohle und Erdöl, so weist der ehemalige Herausgeber des Boston Globe nach, haben sich in den letzten Jahrzehnten "unfreiwillig selbst zur gefährlichsten aller Massenvernichtungswaffen gewandelt". Und genau deshalb geben beide Branchen Millionen dafür aus, der Öffentlichkeit einzureden, daß es keine globale Erwärmung gibt. Anschaulich ruft Gelbspan zum Widerstand gegen die Verschleierungsstrategie vor allem der Erdölindustrie auf. Doch der Autor liefert auch konkrete Antworten darauf, wie der Klima-Gau noch verhindert werden kann, wenn schnell gehandelt wird. Die weltweite Verbreitung sanfter Energien könnte am Anfang der Problemlösung stehen. Gelbspan plädiert für ein Sofortprogramm, ein energiepolitisches "Manhattan Project". Eine riesige Denkfabrik, bestehend aus Industriebossen, Ingenieuren, Regierungsvertretern und Energieexperten sollte entscheiden, welche erneuerbaren, klimafreundlichen Energien für welche Zwecke und Regionen am besten geeignet sind. Ganz pragmatisch sein Vorschlag: "Die Werbebranche setzt ihr ganzes kreatives Potential nutzbringend ein, die weltweite Akzeptanz erneuerbarer Energien zu fördern." Ross Gelbspans Buch liefert klare Antworten darauf, weshalb die fossile Lobby auch weiterhin alles daran setzen wird, den Klimawandel abzustreiten. Es geht um Milliarden Profite, die den Konzernen verlorengehen, wenn sich Gelbspans sanfte Energiewende doch noch politisch durchsetzen sollte. Sein Plädoyer: "Würde man die Steuererleichterungen und Subventionen umschichten auf die kommerzielle Nutzung von Windparks, auf die Energieversorgung von Gebäuden durch Brennstoffzellen und Photovoltaik-Anlagen sowie auf Kraftwerke mit Wasserstoffenergietechnik, dann würden mit dieser Initialzündung die erneuerbaren Energien in die Weltliga der Branche katapultiert."

Ross Gelbspan: "Der Klima-Gau, Erdöl, Macht und Politik", 248 Seiten. Gerling Akademie Verlag, ISBN 3-932425-05-7, 56 DM

Quelle: TAZ 07/November/’98

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USA nennt auf Klimakonferenz keine Reduktionsziele

Buenos Aires (dpa) - Die USA haben es auf der UN-Klimakonferenz abgelehnt, konkrete Schritte zur Verringerung von Treibhausgasen zu nennen.

Umweltschützer reagierten am Freitag in Buenos Aires sichtlich verärgert. «Die USA sind der weltgrößte Emittent von Treibhausgasen, dabei stellen sie nur vier Prozent der Weltbevölkerung. Sie nehmen die Welt als Geisel», erklärte Peter Green im Namen von 200 internationalen Umweltschutzorganisationen. Die USA warfen ihrerseits der Europäischen Union vor, die Verhandlungen zu erschweren, da die EU über keine einheitten aber nicht vorgelegt werden. Auch auf Nachfragen von Journalisten waren keine konkreten Ziele zu erfahren. Nach dem Protokoll von Kyoto sollen die USA die Emissionen von Treibhausgasen um sieben Prozent reduzieren.

Auch zum Handel mit Emissionsgutscheinen gab es weiterhin keinerlei Übereinkunft. US-Delegationsleiterin Melinda Kimble sagte, «wir wollen keine Obergrenzen bei den flexiblen Mechanismen zur Treibhausgasreduktion. Die EU spricht von einer Obergrenze von 50 Prozent, doch einzelne EU-Staaten lehnen selbst diese 50 Prozent ab.»

Die EU unterstrich, daß ein wesentlicher Teil des Kyoto-Protokolls den Staaten eine nationale Verantwortung zum Klimaschutz zuweise. «Wir können nicht erkennen, daß flexible Maßnahmen funktionieren sollen, wenn zu Hause nichts geschieht», erklärte Jos Delbeke von der EU-Kommission mit Blick auf die USA. «Unser Minimalziel ist die Erstellung eines konkreten Arbeitsplanes mit Zeitvorgaben», sagte Helmut Hojesky, Abteilungsleiter im österreichischen Umweltministerium.

Unter flexiblen Maßnahmen versteht Washington unter anderem Klimaschutzprojekte von Industriestaaten in Entwicklungsländern. Den Bau eines Kraftwerkes in der Dritten Welt könnte sich dann die USA auf ihrem nationalen Klimakonto gutschreiben lassen, ohne daß eigene Kraftwerke oder Industrieanlagen verbessert werden müssen. «Unsere schlimmsten Befürchtungen werden nun wahr», sagte Ute Collier von der Umweltschutzorganisation WWF. «Die Industriestaaten suchen in Buenos Aires nach dem einfachsten Weg, die eigenen Reduktionsverpflichtungen von Kyoto zu umgehen.»

Kritik kam auch von einigen Nichtregierungsorganisationen. Da zahlreiche Themen in kleinen Arbeitsgruppen behandelt würden, sei es für Staaten mit kleinen Delegationen sehr schwierig, wenn nicht gar unmöglich, dem Konferenzverlauf zu folgen und ihrer Positionen einzubringen.

Quelle: nordwest.net Politik 6.11.199

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Klimaschutz droht zum Handel mit heißer Luft zu werden

Auf den ersten Blick ist der Gedanke bestechend: Reiche Industriestaaten bezahlen für den Klimaschutz in ärmeren Entwicklungsländern und bekommen dafür eine Gutschrift auf dem eigenen Umweltkonto. Doch was da vor einem Jahr beim Klimagipfel im japanischen Kyoto unter dem Begriff "emission trading" (Handel mit dem Recht auf Schadstoff-Ausstoß) manchen als Zauberformel für die internationale Zusammenarbeit im Umweltschutz galt, gerät immer mehr in Verruf. Bei der zur Zeit in Buenos Aires stattfindenden Klimakonferenz bahnt sich um diesen "Handel mit heißer Luft", wie Umweltverbände es nennen, ein heftiger Streit an.

Ein Jahr nach Kyoto kommen die 160 Unterzeichnerstaaten des Klima-Protokolls in der argentinischen Hauptstadt zusammen, um darüber zu beraten, wie die vereinbarten Ziele zur Rettung des Weltklimas umgesetzt werden können. Und diese Ziele sind aus der Sicht von Umweltverbänden bescheiden genug: Zwischen 2008 und 2012, so haben es die Vertragsstaaten in Japan vereinbart, sollen die Industrieländer 5,2 Prozent weniger klimaschädliche Gase - vor allem Kohlendioxid (CO2) - ausstoßen als 1990. Wohlgemerkt: nur die Industriestaaten. Schwellen- und Entwicklungsländer sollen erst später in dieses Boot steigen. Das Ergebnis von Kyoto war für viele Beobachter zwar nicht gerade ein Meilenstein für den Klimaschutz, doch erkannten die Industriestaaten erstmals ihre Pflicht an, den Ausstoß von "Klimakillern" zu reduzieren.

Umweltschützer befürchten nun, daß die Vereinbarung von Kyoto in Buenos Aires allzusehr aufgeweicht wird. Mit der Möglichkeit des "emission trading" könnten sich reiche Länder von ihren Reduktionsverpflichtungen freikaufen - vorausgesetzt, es gibt einen Verkäufer, der genügend "freie" Emissionsrechte besitzt. Und den gibt es. Ausgehend vom Basisjahr 1990 hat Rußland durch den Zusammenbruch ganzer Bereiche seiner Industrie bereits jetzt seinen CO2-Ausstoß um 30 Prozent reduziert - weit mehr als nach dem Kyoto-Protokoll gefordert. Auf diese "überschüssigen" 25 Prozentpunkte richten sich nun die begehrlichen Blicke der USA, die zu den Verfechtern eines "marktwirtschaftlichen Prinzips" beim Klimaschutz zählen. Setzen sie sich in Buenos Aires durch, wird zwar der russischen Staatskasse, nicht aber dem Weltklima geholfen.

Ob das "emission trading" in Argentinien vereinbart wird, gilt als völlig offen. Zu den schärfsten Kritikern gehört der deutsche Umweltminister Jürgen Trittin - ebenso wie seine Vorgängerin Angela Merkel. Es sei nicht einzusehen, so Trittin, daß zur Finanzierung des American Way of Life die Deindustrialisierung Rußlands in Kauf genommen werde. Bis vor kurzem war dies auch noch die Haltung der Europäischen Union, die nun aber davon abgerückt ist. Trittin und seine Kollegen dürften es schwer haben, sich gegen die USA durchzusetzen.

Es gibt aber auch Stimmen, die davor warnen, den USA zuviel abzuverlangen. Obgleich Washington sich mit seinen Bremsbemühungen in Kyoto weitgehend hatte durchsetzen können, hat der US-Kongreß diese Vereinbarung bis heute nicht ratifiziert. Beobachter in den USA halten es für unwahrscheinlich, daß dies noch während der noch zwei Jahre dauernden Amtszeit Bill Clintons geschieht. Alles was den US-Abgeordneten als Verschärfung erscheinen könnte, dürfte diesem Ziel nicht gerade förderlich sein. Wird das Prinzip des "emission trading" in Buenos Aires gekippt, dürfte die Ratifizierung des Kyoto-Protokolls durch die größte Industriemacht der Welt in weite Ferne rücken und das Abkommen damit fast wirkungslos machen.

Die Diplomaten basteln daher an einer Kompromißformel, die eine Obergrenze beinhalten würde. Nach einem Modell, das immer wieder genannt wird, müßten die Industriestaaten mindestens 50 Prozent ihrer Reduktionsverpflichtungen im eigenen Land erbringen. Den Rest dürften sie zukaufen oder durch die Finanzierung von Projekten zum Klimaschutz in Drittstaaten erbringen.

Quelle: Hannoversche Allgemeine 4.11.1998

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Der BUND verliert seine alte Mitte

Mit dem Rücktritt des bisherigen Vorsitzenden Hubert Weinzierl kommt es im BUND zum offenen Richtungsstreit über das Verhältnis zur rot-grünen Bundesregierung und über die Strategie der Zukunft Von Matthias Urbach

Berlin (taz) - Dem Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) steht am kommenden Samstag eine Richtungsentscheidung bevor. Nachdem die Integrationsfigur Hubert Weinzierl (62) nach 15 Jahren im Amt nicht erneut für den Vorsitz des BUND kandidieren will, werden sich die BUND-Delegierten wohl entscheiden müssen zwischen seiner Stellvertreterin Angelika Zahrnt (54) und Hubert Weiger, dem Geschäftsführer des Bund Naturschutz in Bayern (BN), dem bayrischen Landesverband des BUND. Während Weiger im BUND-Jargon für den "bayrischen Fundamentalismus" steht, gilt Zahrnt als eine Vertreterin des Dialogs mit Gewerkschaften, Kirchen und auch der Wirtschaft.

Hubert Weinzierls Rückzug auf seinen Posten als Landesvorsitzender des BN stellt auch einen Generationswechsel beim BUND dar. Vor 23 Jahren dehnte er zusammen mit dem ehemaligen Grünen Herbert Gruhl den bayrischen BN auf ganz Deutschland aus und gründete den BUND. Es ging den beiden um einen "konsequenten Naturschutz". Der BN hatte einen großen Anteil daran, daß im Bayrischen Wald vor 28 Jahren der erste Nationalpark Deutschlands entstand. Der BUND wird mit dem wertkonservativen Forstwirt und Unternehmer Weinzierl identifiziert. Auch wenn er selbst für den bayrischen Ökofundamentalismus stehe, sei Weinzierl auf Bundesebene stets moderat aufgetreten, urteilen viele BUNDler.

Vor drei Jahren machte erstmals jemand Weinzierl das Amt streitig, nämlich Ute Wiegand-Nehab, die jetzige Vorsitzende des Verkehrsclubs Deutschland (VCD). Sie unterlag. Doch Weinzierl kündigte schon damals an, nicht wieder antreten zu wollen.

Die Volkswirtin und Informatikerin Zahrnt steht für einen pragmatischeren Kurs einschließlich der Kooperationen mit der Wirtschaft: "lösungsorientiert" und "ohne absolute Ziele" beschreibt sie selbst ihren Kurs. Sie hat das Thema Ökosteuer vorangebracht und sich viel in die Nachhaltigkeitsdebatten eingemischt. Ein Weg, der auch die Entwicklung der Umweltpolitik der Grünen kennzeichnet: eine Einbeziehung von Sozialem und Wirtschaft, der Dialog mit Kirchen, Gewerkschaften und Unternehmern - eben der Wandel vom Stichwort "Umweltschutz" zum Thema "Nachhaltigkeit", wie es auch der Rio-Gipfel vor sechs Jahren gefordert hat.

Gespräche sind das eine. Doch in der zuletzt stark zunehmenden Kooperation des BUND mit Unternehmen, etwa Hertie, Milupa und Deutscher Bahn, sahen viele BUNDler ihre Prinzipien über Bord geworfen. Der Streit eskalierte vor einem Jahr, als sich der thüringische Landesverband eigenmächtig vom Stromkonzern Veag sein Klagerecht gegen den Pumpspeichersee Goldisthal für sieben Millionen Mark abkaufen ließ.

Der zweite Kandidat für den Bundesvorsitz, Hubert Weiger, ist Forstwirt und Professor für Naturschutz in Kassel und von Anfang an im wissenschaftlichen Beirat des BUND. Er steht für den bayrischen Weg, gilt als unnachgiebig und kritisiert intern auch schon mal die Haltung seines Namensvetters Weinzierl als zu lasch. Weiger gilt als exzellenter Fachmann und fordert denn auch eine "Priorität der Fachpolitik". Er will zu einer kompromißloseren Lobbypolitik zurückkehren. Das ist sicherlich ein naheliegender Weg, um unter einem grünen Umweltminister den Abstand zur Bundesregierung zu wahren.

Weiger gilt auch - nicht unwesentlich - als charismatischer als Angelika Zahrnt. Doch für sie sprechen ihre umfangreichen Kontakte in andere gesellschaftliche Gruppen. Ihre Anhänger glauben, daß sie die neuen Möglichkeiten durch die rot-grüne Koalition besser nutzen kann. Weiger fahre auch in Bayern einen zu kompromißlosen Kurs, seine "an der steinharten CSU gestählte Haltung tauge nicht für Bonn", so ein BUNDler.

Einige Mitarbeiter in der Bundesgeschäftsstelle des BUND fürchten, daß mit Weiger als neuem Chef der Rückhalt für die neue Kampagnenpolitik schwindet. Seit einem Jahr macht der BUND ein wenig im Stile von Greenpeace Kampagnen wie "Overdose", bei denen sich der Umweltverband auch nicht zu schade ist, ein HipHop-Konzert zu organisieren, um den Kids zu demonstrieren, daß Dosen uncool sind. Das ist nicht die Sache vom bayrischen Professor Weiger.

Der Ausgang der Abstimmung über den Vorsitz voraussichtlich am Samstag auf der dreitägigen Bundesdelegiertenversammlung in Bad Hersfeld in Hessen gilt als offen. Am Freitag können sich die Umweltschützer schon mal in ihre neue Rolle einfinden, wenn Bundesumweltminister Jürgen Trittin dort spricht. Am Samstag müssen sie dann entscheiden, wie sie sich auf die neue Regierung einstellen wollen: in harter Opposition oder in kritischer Zusammenarbeit.

Quelle: TAZ 3.11.1998

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Entwicklungsländer gegen CO-2-Beschränkungen

rtr BUENOS AIRES. Bereits am ersten Tag des Welt-Klimagipfels in Buenos Aires ist es am Montag zum Streit mit den Entwicklungsländern um die Maßnahmen gegen den sogenannten Treibhaus-Effekt gekommen. Vertreter der Volksrepublik China und anderer Entwicklungsländer lehnten den Vorschlag der gastgebenden argentinischen Umwelt- Ministerin Maria Julia Alsogaray ab, das Thema einer freiwilligen Selbstbeschränkung der Entwicklungsländer bei den CO-2-Emissionen auf die Tagesordnung zu setzen. Der Kohlendioxid-Ausstoß wird von Experten für die schleichende Erwärmung des Erdklimas mitverantwortlich gemacht.

China werde es solange ablehnen, sich auf Begrenzungen der Treibhausgas-Emissionen einzulassen, bis es durch wirtschaftliches Wachstum zu einem Land mit mittlerem Entwicklungsstand geworden sei, erklärte ein Sprecher der chinesischen Delegation vor dem Plenum. Viele andere Länder der Gruppe77 (Entwicklungsländer) schlossen sich dieser Linie an. Sie halten den Industrieländern vor, da sie die Hauptverantwortlichen für den Treibhauseffekt seien, müßten sie auch die Hauptlasten tragen.

In London legte unterdessen das Britische Meteorologische Institut einen alarmierenden Bericht über die Folgen eines weiteren Anstiegs der Temperaturen vor. Bis zum Jahr 2050 würden nach Schätzung der Wissenschaftler große Teile des tropischen Regenwaldes im nördlichen Brasilien zerstört sein und die Vegetation werde bis dahin ihre Fähigkeit zur Absorbierung von Kohlendioxid ganz verloren haben. Millionen Menschen würden verschärft unter Trinkwassermangel leiden.

Quelle: HANDELSBLATT, Dienstag, 03. November 1998

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Die Windkraft boomt und wird damit zum Problem

Noch sind Windanlagen ein unberechenbares Element in der Stromkalkulation der Energieversorger. Forscher wollen das ändern

Stellen Sie sich vor, Sie sind ein Energieversorger und betreiben ein Kraftwerk mit 1 300 Megawatt Leistung. Sie wissen aber nicht, wieviel Strom es gerade erzeugt, und Sie haben auch keine Ahnung, wieviel es morgen liefern wird." Cornel Enßlin illustriert mit diesem Beispiel ein Problem des Unternehmens PreussenElektra, das große Teile Norddeutschlands mit Strom versorgt. Das fiktive Kraftwerk mit der Leistung eines großen Atomkraftwerks ist über viele tausend Quadratkilometer verteilt – es sind Windanlagen, die Strom ins PreussenElektra-Netz einspeisen.

Enßlin ist Mitarbeiter des Projektbereichs Windenergie des Kasseler Instituts für Solare Energieversorgungstechnik (Iset). Dort tüfteln er und seine Kollegen an der Lösung des Problems. Das Ziel: Die Windkraftanlagen in ganz Deutschland sollen zu einem einzigen, virtuellen Kraftwerk vereinigt werden. Damit wären die Energieversorger in der Lage, ihren "Kraftwerkspark" effizient zu nutzen. Das ist derzeit nicht der Fall. Die Ursache ist der Boom der Windenergie.

Vor acht Jahren, als das Bundesforschungsministerium sein Förderprogramm "250 Megawatt Wind" auflegte, steckte die neue Technik noch in den Kinderschuhen. Heute drehen sich bundesweit fast 6 000 Windturbinen mit einer Leistung von zusammen 2 600 Megawatt – das entspricht der Leistung von zwei großen Kernkraftwerken und deckt ein Prozent des Stromverbrauchs hierzulande. Deutschland ist damit weltweit Spitzenreiter in der Windenergienutzung.

Zwei Milliarden Kilowattstunden

Der belächelte Öko-Windmüller gehört der Vergangenheit an; die Turbinen sind zu einem ernstzunehmenden Faktor in der Stromerzeugung geworden. Im Einzugsgebiet von PreussenElektra etwa lieferten 2 800 Windräder im vergangenen Jahr zwei Milliarden Kilowattstunden umweltfreundlichen Strom; das sind immerhin 3,7 Prozent der Stromerzeugung des Energieversorgers. Der wachsende Anteil wird für Kraftwerksbetreiber aber zum Problem. Denn das Zusammenwirken der Windanlagen und der konventionellen Kraftwerke führt zu Problemen.

"Auf jeden Fall drosseln wir die Kohlekraftwerke, wenn die Windkraftanlagen Strom einspeisen", sagt PreussenElektra-Pressesprecherin Petra Uhlmann, "das Problem ist nur, daß man sehr schwer voraussehen kann, wann und wo die Windenergieanlagen wieviel Strom erzeugen." Andere Kraftwerke "sind planbarer", betont Uhlmann, sprich: Man kann ihre Leistung je nach Bedarf regeln.

Wann Industrie und Haushalte wieviel Strom benötigen, können die Energieversorger aufgrund ihrer langjährigen Erfahrung ziemlich genau abschätzen. Auf diese Bedarfsschwankungen reagieren sie jeweils flexibel mit ihren sogenannten Grund-, Mittel- und Spitzenlastkraftwerken.

Ständig wird der Verbrauch in den großen Leitzentralen der Energieversorger gemessen, damit diese ihre Energieerzeugung daran anpassen können. Die erneuerbaren Energien Wind und Sonne stellen zusätzliche Anforderungen an das System, denn sie lassen sich nicht regeln und liefern mal mehr, mal weniger Strom.

Besonders problematisch dabei ist: Derzeit unterscheiden die Meßgeräte in den Leitzentralen nicht, ob gerade der Energieverbrauch sinkt, weil etwa ein Fußballspiel zu Ende ist und viele Fernsehapparate abgeschaltet werden, oder ob stattdessen mit auffrischendem Wind mehr Strom ins Netz eingespeist wird. Martin Hoppe-Kilpper, der am Iset den Projektbereich Windenergie leitet, erläutert: "Aus der Sicht der Energieversorger erscheint Windenergie als ,negative Last‘, also wie ein Rückgang des Stromverbrauchs."

Die bislang so genau abschätzbaren Tagesschwankungen des Verbrauchs würden mit dem zunehmenden Anteil von eingespeister Windenergie deutlich größer, klagt Hanns Bouillon von der Abteilung Hauptschaltleitung und Lastverteilung bei der PreussenElektra. Die Folgen sind Bouillon zufolge gravierend: "Der Regelaufwand der Kraftwerke steigt, sie verschleißen stärker, häufig sind mehr Blöcke am Netz als notwendig, und die Stabilität des Netzbetriebs ist gefährdet." Die Einspeisung von Windenergie kann nach Ansicht des PreussenElektra-Experten die Wettbewerbsfähigkeit des Energieversorgers einschränken. Die Lösung des Problems liegt für ihn in der Kooperation mit den Iset-Experten. Sie arbeiten daran, die Windenergie-Einspeisung in Echtzeit zu erfassen und sogar eine Prognose zu erstellen.

Am Iset laufen die Daten der Windenergienutzung in Deutschland zusammen. Auf einer Karte, die über den Computermonitor flimmert, sind zahlreiche kleine Pfeile zu sehen. Sie zeigen im Zeitraffer, wie sich Richtung und Stärke des Windes im Verlauf des vergangenen Tages verändert haben, und zwar an den Standorten von rund 200 Windenergieanlagen in ganz Deutschland.

Bislang geht das nur im Nachhinein. Nacht für Nacht ruft ein Computer über eine Modemverbindung die tagsüber gespeicherten Daten von den Windrädern ab und spielt sie in eine zentrale Datenbank ein. Grundlage ist das "Wissenschaftliche Meß- und Evaluierungsprogramm" im Rahmen des Projekts "250 Megawatt Wind", welches das Iset im Auftrag des Forschungsministeriums seit 1990 betreut. Unter den vielen Daten, die das Institut von den Windanlagen abruft, sind auch jene, die Energieversorger bereits jetzt zur Abschätzung des Beitrags der Windkraft auswerten: Windstärke, Windrichtung und die Menge des eingespeisten Stroms. Doch noch mangelt es an verläßlichen Hochrechnungen und vor allem an der schnellen Auswertung.

Heute benötigt dies noch eine Rechenzeit von einer Woche, doch arbeitet das Iset bereits an der Verbesserung. "Bis zum Jahr 2000 wollen wir ein funktionierendes System erstellt haben", kündigt Martin Hoppe-Kilpper an. Bei der Expo in Hannover soll die "Leitwarte eines großräumig verteilten Kraftwerks" präsentiert werden, inklusive Erfassungs- und Prognosesystem. Die vielen tausend Anlagen erscheinen dann wie ein einziges Kraftwerk: das Windkraftwerk Deutschland. "Das ist ein völlig neuer Ansatz", schwärmt Hoppe-Kilpper.

Neue Versorgungsstruktur

Zugleich ist es eine Modellanlage für eine Stromversorgung mit einem hohen Anteil erneuerbarer Energien. Die Integration in den Kraftwerkspark ist dabei nur ein Zwischenschritt. Längerfristig erfordert ein hoher Anteil regenerativer Energien eine andere Versorgungsstruktur. "Man braucht dann Kraftwerke, die sehr schnell regelbar sind und geringe Fixkosten aufweisen", fordert Joachim Nitsch, der am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Stuttgart die Abteilung für Systemanalyse und Technikbewertung leitet. Moderne Gas- und Dampf-Kraftwerke müßten dann die großen Kohle- und Kernkraftwerksblöcke ersetzen. Diese sogenannten GuD-Kraftwerke nutzen die eingesetzte Energie weit besser aus als die Energiegiganten aus der Atom- und Kohleära.

"Das ist ein langsamer Umbauprozeß, der technisch aber zu bewältigen ist", betont Nitsch, "zumal er über Jahrzehnte geht". Oft werde übersehen, daß dieser Wandel notwendig sei. "Wenn man viel Sonnen- und Windenergie in das heutige Netz einspeist, wird es problematisch."

Nitsch ist aber zuversichtlich. Nach einem Szenario, das er mit dem Freiburger Institut für Solare Energiesysteme erstellte, könnten "fluktuierende" Energien wie Solar- und Windstrom im Jahr 2030 rund 20 Prozent und im Jahr 2050 die Hälfte des Strombedarfs decken.


Quelle: Berliner Zeitung 23.10.1998

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Eine Hochhauswand erzeugt Strom

Am Helene-Weigel-Platz entsteht gegenwärtig Europas größte Solaranlage. Bis zum Jahresende wird die Südfassade des Doppelhochhauses mit einer sogenannten Photovoltaikanlage versehen. 426 Quadratmeter groß soll die Solar-Wand werden. "Die Arbeiten beginnen Ende nächsten Monats", sagt Birgit Hoplitschek, Pressesprecherin der Wohnungsbaugesellschaft Marzahn (WBG). Verkleidet wird die gesamte Fassade des 70 Meter hohen Hauses Nummer 7 – mit Ausnahme der ersten beiden Geschosse. Insgesamt 480 blaugefärbte Modulplatten werden montiert, von denen jede 72 Solarzellen zur Stromerzeugung enthält. Hoplitschek spricht von einem "Modellvorhaben", mit dem zugleich der Wohnstandort am Helene-Weigel-Platz aufgewertet werden soll. "Wir wollen damit den Umweltgedanken auch in Marzahn unterstützen."

Das läßt sich das Unternehmen viel kosten: Immerhin kostet die Solaranlage rund 1,5 Millionen Mark. 1,1 Millionen Mark übernimmt die WBG, der restliche Betrag soll von der Bewag und der Investitionsbank Berlin kommen. Erzeugen soll die Solar-Wand pro Jahr etwa 25 000 Kilowattstunden Strom – die Einsparung sollen jährlich bei 8 600 Mark liegen. Nicht eben viel angesichts der hohen Investitionssumme. Nach Berechungen von Fachleuten hat sich die Photovoltaikanlage erst im Jahr 2087 völlig amortisiert.

Trotzdem werden die Mieter schon im kommenden Jahr von ihrer Solar-Wand profitieren können, wenn auch nur geringfügig. "Wir gehen davon aus, daß die Mietnebenkosten pro Wohnung um 24 bis 25 Mark jährlich sinken", erklärt die WBG-Sprecherin. Das wären etwa zwei Mark pro Monat. Bei Tests von alternativen Energieformen lasse sich zudem keine einfache Rechnung aufmachen, "was unter dem Strich an Geld rauskommt".

Das wird auch bei der Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie so gesehen. Zum einen weil Anlagen, wie sie jetzt in Marzahn zum Einsatz kommen, noch teure Einzelanfertigungen sind, wie Mitarbeiterin Tina Zeidler sagt. "Bei einer Massenproduktion würden die Preise natürlich deutlich sinken". Zum anderen entstünden durch Sonnenergie keine Folgekosten. Denn im Gegensatz zu anderen Energieträgern entsteht bei der Nutzung der Sonnenenergie kein Kohlendioxidausstoß. Die Umwelt wird nicht belastet. Neben diesem ökologischen hat die Solar-Wand an dem Marzahner Hochhaus für Zeidler noch einen anderen Effekt: "Das Haus sieht mit der blauen Fassade einfach schöner aus."

Quelle: Berliner Zeitung 24.10.1998

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Größte Photovoltaik-Inselanlage Südtirols auf der Vöraner Alm - Morgen Eröffnung

Vöran (ki) - Ohne Sonne kein Leben; das ist die einfache Formel, die seit Anbeginn unserer Zeit gültig ist. Daß dieses Naturgesetz auch anders verstanden werden kann, beweisen die Vöraner. Auf der Vöraner Alm, 1876 Meter über dem Meer, wird über eine sogenannte Photovoltaik-Anlage Strom direkt von der Sonne "abgezapft" und damit alles Leben auf der Alm in Gang gehalten. Das innovative Projekt wird am Sonntag vorgestellt.

Es ist kein Zufall, daß diese alternative Energieform gerade in Vöran zum Einsatz kommt. Anfang 1996 wurde das 850- Seelen-Dorf auf dem Tschögglberg im Rahmen eines Arge- Alp-Projektes zur "energiebewußten Gemeinde" auserkoren.

Viele Anstrengungen der Vöraner Gemeindeverwalter rechtfertigen diesen Titel: so der Bau des Bio-Solar-Fernheizwerkes (es versorgt das gesamte Dorfzentrum mit Heizenergie und Warmwasser), die Errichtung eines Hackschnitzelwerkes für eine Gewerbezone, die Veranstaltung von Kongressen zu diesem Thema und die Bemühungen, den Energieverbrauch in der Gemeinde einzuschränken.

Das neueste Liebkind der Vöraner Gemeindevertreter ist die Photovoltaik-Inselanlage auf der Vöraner Alm. Hinter dem Wortungetüm verbirgt sich eine Technologie, mit deren Hilfe Strom aus der Kraft der Sonne erzeugt werden kann. Dafür sorgen 160 Solarmodule, die auf der Südseite des Stalldaches auf einer Fläche von 68 Quadratmetern montiert wurden.

In den Siliziumzellen befinden sich Halbleiter, die die Lichtenergie in elektrischen Strom umwandeln, und zwar mit einer Nennleistung von 8,5 Kilowatt. Der Strom wird in 24 überdimensionalen Batterien gespeichert. "Wir kommen also auch ein paar Tage ohne Sonne aus", erläutert Vörans Bürgermeister Alfons Alber.

Im Land gibt es zwar noch eine andere, noch größere Photovoltaik-Anlage, allerdings wird hierbei der erzeugte Strom in das Netz gespeist; im Fall Vöran wird er hingegen in den Batterien gespeichert und ausschließlich für die Alm verwendet.

Die Kosten der Anlage sind mit 200 Millionen Lire nicht ganz ohne, "aber sie sind sicher gerechtfertigt, wenn man bedenkt, wieviel die Verlegung einer Leitung auf die Alm kosten würde", rechnet Alber vor. Die Finanzierung des Projektes übernimmt das Land. Bisher wurde die Alm über ein Stromaggregat versorgt, das mit über 10.000 Litern Diesel pro Jahr angetrieben wurde.

Anregungen für die Photovoltaik-Anlage haben sich die Vöraner in Deutschland geholt. "Der bayerische Alpenverein betreibt einige Schutzhütten mit diesem System. Allerdings wird die Energie der Sonne meist als thermische für die Warmwasseraufbereitung genutzt", erklärt Konrad Innerhofer, Leiter des Vöraner Bauamtes.

Eine solche thermische Solaranlage soll demnächst auf der Leadneralm errichtet werden. Den Beschluß dazu haben die aufgeschlossenen Gemeindevertreter bereits gefaßt.

Am morgigen Sonntag um 14 Uhr wird die Anlage ihrer Bestimmung übergeben. Bürgermeister Alfons Alber stellt bei dieser Gelegenheit das neue Emblem der Gemeinde vor ("Vöran - natürlich energieversorgt"). Im Rahmen der Feier wird Landesrat Michl Laimer das Dieselaggregat aus- und die Photovoltaikanlage einschalten. Ein kostenloser Buszubringerdienst auf die Alm steht ab 9 Uhr beim Gasthof "Zum Grünen Baum" bereit.

Quelle: Dolomiten Lokales 24.10.1998

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EU-Minister gegen strenge Klima-Auflagen

US-Unterhändler: Weltgipfel "ohne konkrete Ergebnisse"

BONN, 7. Oktober. Den Industriestaaten sollen nach dem Willen der EU-Umweltminister keine scharfen Vorschriften gemacht werden, wie sie ihre Klimaschutzverpflichtungen erfüllen. Bei einem Treffen in Luxemburg konnte sich die deutsche Bundesregierung nicht mit ihrer Forderung durchsetzen, den Industriestaaten vorzuschreiben, mindestens die Hälfte der Treibhausgasmengen im eigenen Land zu reduzieren. Vor einem Jahr hatten 160 Staaten beim Weltklimagipfel in Kyoto vereinbart, daß die Industriestaaten die Emission von klimaschädlichen Gasen über die nächsten 14 Jahre um 5,2 Prozent gegenüber 1990 verringern. Der Vertrag erlaubt es den Industrieländern jedoch, auf Emissionsminderungen im eigenen Land zu verzichten und stattdessen Klimaschutzmaßnahmen in Entwicklungsländern zu finanzieren oder Rechte zum Treibhausgasausstoß von anderen Staaten zu kaufen.

Die USA werden den Klimavertrag nicht ratifizieren, solange nicht festgelegt ist, daß Reduktionsziele ohne Einschränkungen im Ausland erfüllt werden können und solange Entwicklungsländer sich nicht zu einem stärkeren Beitrag zum Klimaschutz bekennen. Rafe Pomerance, einer der US-Unterhändler für Klimafragen, sagte, die USA erwarteten daher von der Weltklimakonferenz im November in Buenos Aires "keine konkreten Ergebnisse". Das Ziel, den Ausstoß von Treibhausgasen um 5,2 Prozent zu mindern, sei "politisch anspruchsvoll", sagte Pomerance. (chs.)

Quelle: Berliner Zeitung Politik 8.10.1998

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La Niña: Die ganz normale Katastrophe

El Niño bekommt eine kleine Schwester.

Von ANGELIKA HILLMER

Hamburg ist ein Mekka der internationalen Klimaforschung. So gehören die Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Meteorologie (MPI) zum Kreis einiger weniger Wissenschaftlerteams, die imstande sind, das jeweilige Ausmaß des regelmäßig wiederkehrenden pazifischen Klima-Phänomens El Niño treffsicher im voraus zu berechnen. Diese Klimaschwankung hielt zuletzt vom April 1997 bis April 1998 große Teile der Welt in Atem und wirkt bis heute nach. Mojib Latif, Klimaforscher und Sprecher des Hamburger MPI, schaut jedoch nach vorn und prognostiziert die nächste "ganz normale Klimakatastrophe": La Niña (spanisch für "das Mädchen), die kleine Schwester von El Niño ("der Junge" oder "das Christkind").

   Erst El Niño, jetzt La Niña? Für Latif zwei "normale" Katastrophen, weil sie natürlich und nicht von Menschen verursacht sind. Allerdings zwei Phänomene mit umgekehrten Vorzeichen: La Niña wird im kommenden Winter Regenfluten in Südostasien und Dürren im westlichen Südamerika bringen. Doch im Gegensatz zum großen Bruder, dem heftigsten El Niño, der seit Beginn der Aufzeichnungen vor gut 100 Jahren gemessen wurde, werde sich La Niña eher moderat geben, so Latif.

   Die Hamburger Klimaforscher können die Befindlichkeit des wetterbestimmenden Geschwisterpaares bereits ein Jahr im voraus abschätzen. Dazu dient ihnen ein Rechenmodell, dessen Hauptaufgabe es ist, die Entwicklung der globalen Klimaerwärmung zu prognostizieren. Das MPI hat dieses Modell entwickelt, das nun in Instituten in England und Kalifornien Jahreszeitenvorhersagen ausspuckt. Die Wissenschaftler sind dadurch in der Lage, potentiell betroffene Länder schon Monate vor den Klimakapriolen vor Dürren oder Überschwemmungen zu warnen.

Beitrag zur Sicherung der Welternährung

Die kleinen Klimakatastrophen entstehen meist im Pazifik, denn dort sind die Schwankungen der Meerestemperatur besonders groß. In dem Ozean besteht üblicherweise ein markantes Temperaturgefälle: Der westliche Teil ist mit 30 Grad Celsius relativ warm. Entsprechend stark ist die Verdunstung, die den Tropenwäldern in Südostasien Regen garantiert. Der Ostpazifik ist zehn Grad kälter. Vor der Küste Mittel- und Südamerikas sorgen kalte Strömungen für wenig Niederschlag und sind die Grundlage der südamerikanischen Küstenwüsten. El Niño bezeichnet eine Situation, bei der das Temperaturgefälle schwindet: Warme Wassermassen schieben sich in den östlichen Pazifik. Dort ist das Wasser bis zu vier Grad wärmer als normal. Die ungewöhnlichen Wassertemperaturen drehen das Klima um: Im regenverwöhnten Südasien herrscht Trockenheit, die Wüsten an den amerikanischen Westküsten erhalten Regen, fangen an zu blühen. La Niña verstärkt dagegen das Temperaturgefälle im Pazifik und damit die üblichen Klimabedingungen: Den trockenen Regionen drohen Dürren, den regenreichen Überschwemmungen.

   Wie riesige Linsen "lauern" das warme El-Niño-Wasser oder die kalte La Niña bereits Monate vor ihrem Auftauchen in etwa 100 bis 200 Meter Meerestiefe. Dort werden sie von einem Netz aus etwa 50 Meßbojen erfaßt, das in einem rund 10 000 Kilometer langen und 100 Kilometer breiten Streifen entlang des Äquators installiert ist. Die Daten werden dann in die Klimamodelle gespeist und hochgerechnet.

   Keine andere Meeresregion wird so genau überwacht. Denn El Niño und La Niña betreffen Gebiete von der Größe Nordamerikas. Der Einfluß auf das Klima berührt nicht nur die Pazifikanrainer, sondern reicht bis zum äquatorialen und südlichen Afrika sowie an die Ostküsten Nord- und Südamerikas.

   Nur Europa sowie Nord- und Mittelasien sind nach den Modellen der Hamburger Klimarechner in bezug auf El Niño bislang "statistisch unauffällig". Das hiesige Klima läßt sich ohnehin schwer in Modelle fassen, denn es ist wankelmütiger als in tropischen Breiten, wo Phänomene wie der Monsun vorherrschen, auf die klimatologisch Verlaß ist.

   Latif: "Wir testen unsere Vorhersagen, indem wir die Ausgangsbedingungen leicht ändern. Wenn die Modelle trotzdem zu einem annähernd gleichen Ergebnis kommen, dann können wir ihnen gut vertrauen. Wenn schon leichte Varianten der Ausgangssituation zu einem anderen Ergebnis führen, dann ist die Prognose nichts wert."

   Das ist für Europa der Fall. Trotzdem haben auch die Hamburger die pazifischen Geschwister im Visier. "Für einen Zeitraum von einem Jahr lassen sich die Oberflächentemperaturen des Meeres recht zuverlässig vorhersagen", so Latif. "Und diese zeigen annähernd dieselben Schwankungen wie beispielsweise die Niederschläge oder der Maisertrag in Simbabwe."

   Damit leisten die MPI-Wissenschaftler auch einen Beitrag zur Sicherung der Welternährung: "Unsere Partner in England und Kalifornien warnen die betroffenen Regierungen vor drohenden Dürren und Überschwemmungen", so Latif, "damit diese Vorsorge treffen." Die Welternährungsorganisation der UNO versucht, die von Dürre bedrohten Gebiete mit hochwertigem Saatgut für Nahrungspflanzen zu versorgen, die möglichst unempfindlich gegen Trockenheit sind. Dort, wo starke Niederschläge drohen, könnte der Anbau von trockenheitsliebenden Pflanzen wie Baumwolle oder Tabak eingeschränkt werden.

Mehr Hurrikane über dem Atlantik

Über den Umweg des Weltmarktes kann El Niño sogar bis nach Deutschland reichen. Schon vor einigen Jahren sprach ein Vertreter eines deutschen Waschmittelkonzerns beim MPI vor: Er hatte festgestellt, daß die Preise für den Rohstoff Kokosöl kurz nach extremen El-Niño-Jahren in die Höhe schnellten - auf das Vier- bis Fünffache des Ausgangsniveaus. Denn die Palmen dürsteten und setzten weniger Früchte an. Erfährt der Konzern rechtzeitig von den El-Niño-Warnungen, so kann er noch zum niedrigen Preis Vorräte anlegen.Treffen die Prognosen der Hamburger Rechenkünstler ein, so war der El Niño 97/98 ein Vorgeschmack auf die Zukunft. Denn die Modellrechnungen weisen darauf hin, daß es durch die Klimaerwärmung zu einem Dauer-El-Niño kommen könnte: "Wir sprechen da von einem Zustand Mitte/Ende des nächsten Jahrhunderts", erklärt Latif.

   Andere Klima-Modelle widersprechen dieser Prognose. Dagegen sind Vorhersagen für La Niña weitgehend gesichert und Abkühlungen der Pazifikoberfläche bereits meßbar: Das launische Mädchen wird einigen Regionen Probleme bereiten - nicht nur Südostasien und Südamerika. Latif: "Es werden mehr Hurrikane über dem Atlantik entstehen, Kalifornien und Florida unter Trockenheit leiden, und Kanada wird klirrenden Frost erleben."

   Vielleicht werden solche mittelfristigen Prognosen in ein paar Jahren auch für den Nordatlantik und Europa möglich sein. Die Hamburger MPI-Wissenschaftler arbeiten derzeit daran, hiesige Wetterentwicklungen exakter prognostizieren zu können. Wenn dies gelänge, ließe sich sogar in Deutschland ohne Risiko ein Badeurlaub planen.

Quelle: Hamburger Abendblatt Politik 22.9.1998

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Europaparlament korrigiert Klimabeschluß

Blamage vermieden

Berlin (taz) - Im letzten Moment besann sich das Europaparlament (EP) doch noch eines Besseren. Auf Drängen von Umweltschützern und Grünen änderte es gestern den Entwurf des eigenen Umweltausschusses für eine Klimaschutz-Erklärung zum kommenden Klimagipfel in Buenos Aires. Statt den grenzenlosen Handel mit Emissionsrechten zu verlangen (taz von gestern), wie es der Entwurf vorsah, fordert das EP nun, daß jedes Land mindestens die Hälfte der nationalen Klimaschutzmaßnahmen im eigenen Land erbringen müsse. Mit dieser Position, so verlangte das Parlament gestern, möge nun die EU- Kommission in die kommenden Verhandlungen starten. Dem geänderten Antrag stimmte eine große Mehrheit zu. Ein weitergehender Antrag der Grünen, daß mindestens drei Viertel aller Maßnahmen im eigenen Land ergriffen werden müssen, fand jedoch keine Mehrheit. Trotzdem war die grüne Abgeordnete Hiltrud Breyer zufrieden: "Wir haben eine Blamage des Parlaments verhindert."

Der Kauf von Emissionsrechten erlaubt es Ländern, die weniger tun, als es das Klimaprotokoll verlangt, sich dafür bei anderen Staaten freizukaufen, die mehr tun, als sie müssen. Am 6. Oktober wird der EU-Umweltministerrat seine Strategie für Buenos Aires festlegen.

Quelle: TAZ Wirtschaft 17.9.1998

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BUND gibt Umweltpolitik der Bundesregierung Note "mangelhaft"

Bonn (AP) - Als "Armutszeugnis" hat der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) die Umweltpolitik der Bundesregierung kritisiert.

Bundeskanzler Helmut Kohl habe in der ablaufenden Legislaturperiode in allen für die Umwelt bedeutenden Fächern versagt, erklärte der stellvertretende BUND-Vorsitzende Ralf-Uwe Beck heute in Bonn. Er warf Kohl vor, den Naturschutz den Interessen der Unternehmen geopfert zu haben. Der BUND präsentierte die Ökobilanz der Bundesregierung in Form eines "Schulzeugnisses für Dr. Helmut Kohl", in dem der Bundeskanzler einen Notendurchschnitt von 4,9 erzielt.

Unter dem Schlagwort "Deregulierung" habe die Bundesregierung in den vergangenen Jahren die Bürger immer weniger an Entscheidungen teilhaben lassen, die für den Umweltschutz wichtig seien, sagte Beck. "Die Bürger sind beim Umweltschutz aber viel weiter als die Politik, die mit schlechtem Beispiel hinterherhinkt," fügte er hinzu.

Der BUND gab Kohl die Note "mangelhaft" in Rechnen, weil er die Umweltkosten der Magnetschwebebahn Transrapid zu gering einschätze und "angebliche" Erfolge beim Klimaschutz falsch berechne. In naturwissenschaftlichen Fächern wie Erdkunde und Biologie ließ der BUND die Bundesregierung ebenfalls durchfallen. Kohl habe sich kaum für Arten- und Biotopenschutz eingesetzt und lasse zu, daß täglich 130 Fußballfelder Boden mit Teer und Beton versiegelt würden.

"Ungenügend" gab der BUND Kohl im Fach Religion. "Als Christdemokrat leistet er zur Bewahrung der Schöpfung kaum etwas", sagte Beck. Kohl gehe nicht auf die "klare Ablehnung" der Atomkraft in der Bevölkerung ein. Die beste Note im Zeugnis des BUND, ein "Befriedigend", erhielt Kohl im Fach Deutsch. "Er hat gute Fähigkeiten in der Disziplin Schönreden", sagte Beck.

Quelle: Böblinger Bote Politik 16.9.1998

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Ein Herz für Schlupflöcher

Europaparlament stimmt heute über seine Position zum Kioto-Protokoll ab. Beschlußvorlage gäbe Umweltsündern freie Hand, den Klimaschutz auszutricksen. Kritiker sehen darin einen "Kniefall" vor den USA Von Matthias Urbach

Berlin (taz) - Die Entscheidung kam überraschend: Vor zwei Woche erarbeitete der Umweltausschuß des Europäischen Parlaments (EP) eine Beschlußvorlage für eine Klimaschutz-Erklärung, die eine komplette Umkehr der bisherigen Position des Parlaments bedeuten würde. Heute wird das EP darüber abstimmen, ob es vom endgültigen Klimaschutz-Protokoll "ein höchstmögliches Maß von Flexibilität einschließlich dem Handel von Emissionsrechten" verlangen will. Was harmlos klingt, gehört zu den großen Schlupflöchern im Klimaabkommen von Kioto. Der Ausgang der Abstimmung ist noch unklar.

Für jedes Industrieland wurden vergangenen Dezember Quoten festgelegt, um die der Ausstoß an klimaschädlichen Gasen vermindert werden muß. Schafft ein Land eine stärkere Minderung, soll es, so der Wunsch der USA, anderen Ländern erlauben können, entsprechend mehr ausstoßen zu dürfen - gegen Bares, versteht sich. Diese Emissionsrechte sollen handelbar sein wie Aktien.

In Kioto hatte die EU noch gegen diesen Plan gehalten. Der Grund: Es ist absehbar, daß sowohl Rußland als auch die Ukraine aufgrund des Zusammenbruchs der Schwerindustrie weniger ausstoßen als erlaubt. Staaten wie die USA und Australien könnten sich dort von ihren Klimaschutzverpflichtungen freikaufen.

Bundesumweltministerin Angela Merkel hatte schon in Kioto klargemacht, daß sie den Handel ablehnt. Als Kompromiß sei lediglich die Erlaubnis denkbar, bis zur Hälfte der nationalen Verpflichtungen durch Emissionshandel zu decken. Auch das Europaparlament hatte noch im Frühjahr beschlossen, der Handel dürfe "eine Ergänzung", aber "kein Ersatz" für Klimaschutz zu Hause sein.

Doch im Umweltausschuß war davon nichts mehr zu spüren. Ein Antrag der Grünen, den Emissionshandel auf maximal ein Viertel der nationalen Verpflichtungen zu begrenzen, wurde rundweg abgelehnt. Sowohl der konservative potugiesische Abgeordnete Carlos Pimenta als auch der Ausschußvorsitzende Ken Collins von der britischen Labour-Partei sprachen sich für eine flexible Formulierung aus, um den US-Kongreß von seiner Ablehnung abzubringen.

Für das grüne Umweltausschußmitglied Hiltrud Breyer ist die Vorlage schlicht "ein Kniefall vor den Interessen der USA". Auch Umweltverbände sind "bestürzt". "Es macht keinen Sinn, den US-Kongreß zu überreden, indem man dem Protokoll alle Substanz nimmt", schreiben Helmut Röscheisen vom Deutschen Naturschutzring und Jürgen Maier vom Forum Umwelt und Entwicklung in einem Brief an alle EP-Abgeordneten, "und es in ein perverses Instrument umwandelt, um weiter wachsende Emissionen zu legitimieren." Sie fürchten vor allem, daß ein solcher Beschluß die Verhandlungsposition der EU schwächt, wenn im November in Buenos Aires um die Details des Kioto-Protokolls gefeilscht wird. Allerdings ist auch unter den Fachministern der EU die Ablehnung des Emissionshandels längst nicht mehr einhellig. Einem Antrag Dänemarks, ihn auf die Hälfte der nationalen Verpflichtung zu begrenzen, stimmten auf einem informellen Ministertreffen nur Österreich und Deutschland zu.

Jetzt scheinen manch EU-Abgeordneten die Konsequenzen zu dämmern, die die Beschlußvorlage für den Umweltschutz hätte. "Das wird repariert", kündigte ein Sprecher der Sozialdemokraten an.

Quelle: TAZ 16.9.1998

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Die Energie wird doppelt genutzt

Bürstadt/Lampertheim. Bereits seit 1992 besitzt das Lampertheimer Hallenbad ein eigenes Blockheizkraftwerk. Ähnliches ist für Bürstadts Briebelpark geplant. Deshalb wollen sich die Kommunalpolitiker demnächst in der Spargelstadt umschauen. Der "SM" hat die Anlage schon vorab unter die Lupe genommen

Sechs Zylinder, sechs Liter Hubraum und mehr als 80 PS: Zwei Gas-Motoren mit diesen Daten versorgen das Hallenbad mit der nötigen Energie. Bis zu 5500 Stunden im Jahr laufen die Maschinen. Sie produzierten fast ein Drittel des Heizbedarfs und beim Strom sogar einen Überschuß, berichtet Hans-Josef Kissel vom EWR Worms, das die Anlage betreibt.

Das Blockheizkraftwerk schone nicht nur das Lampertheimer Stadtsäckel sondern viel mehr noch die Umwelt. Während bei der herkömmlichen Stromerzeugung die entstehende Abwärme über Abgase, Kühlwasser und Getriebeöl verloren gehe, werde sie bei der neuen Technologie bewußt zum Heizen verwendet, erläutert der Fachmann das Prinzip.

So lasse sich 90 Prozent der Energie nutzen, die im Gas stecke. Ansonsten würde im besten Fall ein Wirkungsgrad von 40 Prozent erreicht, weiß Kissel. Durch die höhere Effizienz fallen - aufs Kilowatt gerechnet - weniger Schadstoffe an: gegenüber Strom und Wärme aus Kohle und Öl rund die Hälfte an Kohlendioxid und ein Viertel weniger Stickoxide.

Umweltschonend schlage in Lampertheim auch die zusätzliche Wärmerückgewinnungsanlage zu Buche, betont der Experte. So müsse die herkömmliche Heizung als Notfall-Reserve lediglich zugeschaltet werden, wenn's draußen bitterkalt oder das Bad proppenvoll ist. Gerade einmal 20 Stunden seien diese Gasbrenner im vergangenen Jahr gelaufen.

Anders als für Bürstadt geplant, hat Lampertheim keinen Leasingvertrag mit dem Kraftwerksanbietern abgeschlossen. Das EWR ist Eigentümer der Anlage und verkauft Strom sowie Wärme an die Stadt - allerdings zu Sonderkonditionen. Das hat seinen Grund: Denn als Lampertheim 1992 die gesamte Energietechnik des Schwimmbads umstellte, sei die Anlage für das Wormser Unternehmen eine Art Modellprojekt gewesen, so Kissel: "Das war unser erstes Blockheizkraftwerk." Ran

Quelle: Mannheimer Morgen 17.9.1998

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Aktion vor der Frankfurter VDEW-Zentrale

Greenpeace: Stromkonzern diskriminiert regenerative Energien

Frankfurt. Greenpeace -Aktivisten errichteten am Dienstag vor der Zentrale der Vereinigung Deutscher Elektrizitätswerke (VDEW) eine zwei Meter hohe Steinmauer. »Stromlobby mauert -Stromwechsel jetzt!« ist darauf zu lesen.

Damit symbolisieren die Umweltschützer die Blockadepolitik des Lobbyverbandes der Stromkonzerne gegen eine ökologische Energiewende. Der Protest von Greenpeace richtet sich gegen die sog. »freiwillige Verbändevereinbarung«, für die die VDEW maßgeblich verantwortlich ist. Vor allem Strom aus regenerativen Energien werde durch diese Vereinbarung durch völlig überhöhte Gebühren diskriminiert und damit im Wettbewerb benachteiligt.

Auch bei der Entwicklung des neuen Energiewirtschaftsgesetzes habe die VDEW mehrfach verlangt, von Umwelt-Auflagen befreit zu werden. Von den Stromkunden fordert die VDEW jedoch, für die Kosten sauberen Stromes aufzukommen.

Greenpeace fordert eine staatlich geregelte Netzzugangsverordnung, die es den Verbrauchern ermöglicht, ohne zusätzliche Kosten sauberen Strom zu beziehen. Um diese Forderung durchzusetzen, sammelt Greenpeace Absichtserklärungen per Postkarten, Telefon, Fax oder Internet. Ziel ist, möglichst viele Stromkunden zu gewinnen, um eine ökologische Stromversorgung durchzusetzen.

Quelle: Main-Echo 15.9.1998

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Ökosteuern – aber die richtigen

Neue Studien plädieren für ein geschlossenes System

Die Debatte um Ökosteuern bekommt Schwung und endlich eine Richtung. Das Umweltbundesamt in Berlin wartet auf zwei Studien, die es beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) sowie bei der Universität Köln in Auftrag gegeben hat, und die darüber Auskunft geben sollen, wieviel Steuern eine konsequent konzipierte umfassende ökologische Steuerreform Vater Staat einbringen könnte. Diese Studien, so unfertig sie noch sein mögen, setzen Marksteine. Zum ersten: Es kommt darauf, alle Energieträger zu besteuern, und das Benzin relativ am stärksten. Dann, und nur dann, beschert eine ökologische Steuerreform das Aufkommen, das den Arbeitnehmer, den "Faktor Arbeit", wie die Wissenschaft ihn nennt, steuerlich so wirksam zu entlasten vermag, daß er seine Arbeitskraft wieder wettbewerbfähig gegenüber Maschinen und Kapital anbieten kann. In den beiden kommenden Studien wird empfohlen, Steuern auf Strom und Heizung in dem Maße zu erheben oder zu erhöhen, daß ein Mehraufkommen von rund 64 Milliarden DM erzielt wird.

Höhere Mineralölsteuern würden noch einmal diesen Betrag einbringen, 65 Milliarden DM. Hinzu kämen steigende Gebühren für Abfall und Abwasser, so daß sich die Wissenschaftler in Berlin ein Gesamtaufkommen von jährlich über 140 Milliarden DM versprechen, das allerdings nicht vor Ablauf von zehn Jahren erreicht werden würde.

Zum zweiten: Die beiden Studien werden feststellen, daß eine ökologische Steuerreform mithin nicht Arbeitsplätze kosten muß, sondern im Gegenteil die Aussicht auf zusätzliche Job eröffnet, und zwar allein schon deshalb, weil die Arbeitskraft billiger wird. Tatsächlich gibt es keine Untersuchung, in der schlüssig nachgewiesen worden wäre, daß Ökosteuern zwangsläufig Jobs vernichten. Vielmehr sollte es zumindest möglich sein, eine ökologische Steuerreform sozusagen arbeitsplatz-neutral auszugestalten.

Zum dritten: Die Europäische Kommission propagiert zwar für die gesamte EU ein Konzept umfassender Öko- Mindeststeuern. Das Argument der Regierungskoalition, umfassende Ökosteuern könnten wegen der Gefahr der Wettbewerbsverzerrung auf dem Binnenmarkt auch nur für die gesamte EU eingeführt werden, wird durch die kommenden Studien aber nicht bestätigt. Es komme eben darauf an, die Steuerreform langsam, Schritt für Schritt einzuführen, und so den Produktivitätsvorsprung der heimischen Industrie zu nutzen, so begegnet die Wissenschaft diesem Argument.

Im Grund erledigen sich solche Einwände letztlich von selbst, denn eine gut konzipierte ökologische Steuerreform soll ja nicht Produktionskosten hinauftreiben und die Steuereinnahmen aufblähen, sondern die steuerliche Belastung der Produktion lediglich umschichten. Vermutlich wäre die Brüsseler Behörde sogar ganz froh, wenn eines der großen Mitgliedsländer endlich mit einer Reform begänne. Es würden sich dann vermutlich überraschend viele Mitläufer zusammenfinden.

Der Widerstand der Wirtschaft gegen Ökosteuern liegt wohl auch mehr im Mißtrauen gegen die politischen Parteien begründet, die Ökosteuern auf ihre Fahnen geschrieben haben. Und womöglich spielt die Überlegung mit, daß sich hohe Arbeitskosten durch den Abbau von Arbeitsplätzen umgehen lassen, höhere Energiesteuern aber nicht.

Indes gibt es auch aus den Reihen der Unternehmer bereits Vorschläge für eine Ökosteuer-Reform, sogar zugunsten eines runden, in sich geschlossenen Systems von Steuern auf alle Energieträger. So spricht sich der Hamburger Investmentbanker Hans Hermann Münchmeyer für ein System aus, durch das Strom- und Kohlesteuern neu erhoben, für Erdgas und Mineralöle die bestehenden Steuern beibehalten werden. Münchmeyer hebt den Charakter eines in sich geschlossenen Systems hervor, nicht zuletzt, um einen dritten Mehrwertsteuersatz zu verhindern. Ohne Beschlüsse auf europäischer Ebene will allerdings auch der Investmentbanker die Industrie in Teilen von zusätzlichen Ökosteuer-Lasten ausgenommen wissen.

Der wissenschaftlichen Diskussion nach zu urteilen, werden die Bündnis 90/Die Grünen ihrer Rolle als politische Vordenker in Sachen Ökosteuern gerecht. Mit ihrem Modell würden sie schon bis zum Jahre 2005 ein Öko-Steueraufkommen von 102 Milliarden DM erzielen, oder besser: zusätzliche 15 Milliarden DM pro Jahr. Dafür müßte allerdings der Benzinpreis um 30 Pfennig je Liter heraufgesetzt werden. Der Lohn des Schrecks wäre die Senkung des Jahresbeitrages zur Rentenversicherung um 1,5 Prozentpunkte.

Quelle: Süddeutsche Zeitung Wirtschaft 14.9.1998

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Strom aus den Strömungen der Meere

Riesige Unterwasser-Turbinen vor der britischen Küste geplant - Auch Uni Kassel beteiligt - Forschungsgelder aus Brüssel


London - Die absolut umweltfreundliche Stromerzeugung, ohne Strahlungsgefahren von Kernkraftwerken, ohne Verschandelung der Landschaft durch unförmige Windturbinen, ist kein "grüner" Zukunftstraum mehr. Englische Ingenieure stellen dafür in Zusammenarbeit mit der Universität Kassel eine bisher ungenutzte Naturkraft in den Dienst des Menschen: das Meer.

Meeresströmungen und der Gezeitenhub bergen ein enormes Kraftpotential, das jetzt erstmals ernsthaft als "Motor" für die Stromerzeugung entdeckt wird. Die britische Firma IT Power hat in einer Machbarkeitsstudie gezeigt, daß Turbinen, die auf dem Boden der Meerenge Pentland Firth zwischen Schottland und den vorgelagerten Orkney-Inseln verankert werden, 5000 Megawatt Strom erzeugen können. Das entspricht der Leistung von fünf Atomkraftwerken.

Das britische Ministerium für Verkehr und Industrie kam in einer Studie zu dem Ergebnis, daß die Nutzung der bisher bekannten Strömungen in Küstengewässern der Britischen Inseln bis zu einem Fünftel des Elektrizitätsbedarfs der Nation decken würde.

Die Studien werden als so ermutigend angesehen, daß IT Power noch im September mit finanzieller Unterstützung der Europäischen Union die ersten Bohrungen auf dem Meeresboden zur Verankerung von "Unterwasserwindmühlen" zwischen Devon und Cornwall startet. Die Konstrukteure tauften ihr Kind in Anlehnung an Windturbinen auf dem Land "maritime Strömungsturbinen". Der immense Druck von Meeresströmungen setzt ihre gigantischen, 15 Meter langen Flügel in Bewegung. Im Schnitt drehen sich die Flügel zwei bis drei Meter pro Sekunde und erzeugen damit 300 Kilowatt Strom. Die gewonnene Energie wird über Kabel auf das Festland geleitet und in das nationale Versorgungsnetz eingespeist.

Peter Fraenkel, technischer Direktor von IT Power, erläuterte das Prinzip, die Kraftreserven des Meers nach dem Windmühlenprinzip anzuzapfen, so: "Die Gezeiten entstehen durch die Anziehungskraft des Mondes auf die Oberfläche der Ozeane. Dadurch kommt es zu einem Neigungswinkel im Meer, dessen Folge die Strömungen sind. Meeresströmungen sind dort besonders kräftig, wo das Wasser durch Meerengen gedrückt wird oder Landzungen bezwingen muß." An solchen Stellen ist die Verankerung von Unterwasserturbinen am lohnendsten. Fraenkel kann sich vorstellen, daß an strategischen Stellen auf dem Meeresboden britischer Küstengewässer eine Fülle von Turbinen in Gruppen verankert werden. Das wahre Potential der Kraftreserven läßt sich noch nicht schätzen, weil viele Meeresströmungen kartographisch noch nicht erfaßt sind. Die Kosten von "Meeresstrom" wurden zunächst mit 18 Pfennig je Kilowattstunde berechnet. Das ist dreimal so teuer wie mit konventionellen Mitteln erzeugter Strom. Serienbau der Turbinen würde die Kosten drastisch senken.

Die neue Methode der Stromerzeugung ist so umweltfreundlich, daß Naturschützer unbesorgt sein können. Meeresbiologen haben bei einer Untersuchung in Schottland nachgewiesen, daß die Turbinenflügel für Fische nicht lebensbedrohend sind, weil sie so langsam rotieren, daß Fische rechtzeitig ausweichen können. Ein weiterer Vorteil: Anders als ihre älteren Brüder auf dem Land sind die Energiespender auf dem Meeresboden an der Oberfläche nicht zu hören. Einzige Gefahr: Treibnetze könnten sich verfangen. Sie müßten deshalb durch Markierungen als Sperrgebiete für die Schiffahrt ausgewiesen werden.

Quelle: DIE WELT, 12.9.1998

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Elektrizitätswerke wettern gegen Öko-Strom

Verband gegen ¸¸Zwangssubventionierung'' - Photovoltaik im Aufwind

Bonn - Die Stromversorgungsunternehmen halten die Bonner Politik zur Förderung erneuerbarer Energien für unrealistisch.

Das vom Bundesumweltministerium vertretene Ziel, den Anteil dieser Energien an der Stromerzeugung bis zum Jahr 2010 zu verdoppeln, sei mit einem großen Fragezeichen zu versehen, sagte der Präsident der Vereinigung Deutscher Elektrizitätswerke (VDEW), Heinz Klinger, in Bonn. Es werde noch Jahrzehnte dauern, bis die Stromwirtschaft aus Wind- und Wasserkraft, Müll oder Solarzellen so viel Strom erzeugen könne, wie es heute bei Kohle,Gas und Kernkraftanlagen der Fall sei.

Klinger betonte, daß bislang nur wenige Bürger bereit sind, für Öko-Strom aus erneuerbaren Energiequellen mehr Geld zu bezahlen. Das Interesse an den ¸¸grünen Tarifen'' der Elektrizitätsunternehmen sei sehr gering. Der Öko-Strom werde sich erst dann am Markt durchsetzen, wenn mehr Kunden bereit seien, den teureren Strom aus erneuerbaren Energien zu bezahlen. Der VDEW-Präsident betonte, daß die Elektrizitätsunternehmen nach wie vor die Subventionen zur Förderung erneuerbarer Energien ablehnen. Es sei ¸¸in Ordnung'', daß die Stromversorger verpflichtet würden, Strom aus diesen Energiequellen zu kaufen: ¸¸Nicht akzeptieren können wir aber die Höhe der vorgeschriebenen Vergütungen'', sagte Klinger. Diese ¸¸verordnete Zwangssubventionierung'' sei nicht effizient, führe zu Mehrkosten von 400 Mio. DM und verschlechtere die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Stromkonzerne. Klinger schlug vor, statt dessen die Betreiber von Wind- und Wasseranlagen sowie anderer Anlagen zur Gewinnung von erneuerbarer Energie mit steuerlichen Investitionsanreizen zu fördern.

Laut Klinger stieg 1997 die Zahl der Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien um 18 Prozent auf 18200. Das größte Plus gab es bei Photovoltaikanlagen. Dort war ein Zuwachs von 36 Prozent auf 6935 zu verzeichnen. Eine Steigerung von 16 Prozent auf 4871 konnten die Windkraftrotoren verzeichnen. Die Leistung aller Regenerativkraftwerke wuchs 1997 um sieben Prozent auf 7500 Megawatt. Der Anteil der erneuerbaren Energien am gesamten Stromverbrauch stieg auf 4,7 Prozent.

Quelle: Stuttgarter Nachrichten 9.9.1998

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Gegenwind aus Brüssel

Von Andreas Oldag

EU-Kommissar Karel Van Miert sorgt bei renditebewußten Anlegern für Unruhe. Die haben in den vergangenen Jahren viel Geld in Finanzierungsmodelle zum Bau von Windkraftanlagen gesteckt. Die Anleger wurden mit Renditeversprechungen von 10 bis 20 Prozent gelockt. Doch nun könnte sich die Finanzierung als Flop erweisen. Van Miert zieht gegen die hohen Subventionen für regenerative Energien zu Felde. Nach dem EU-Recht sind Zuschüsse für umweltfreundliche Produktionen zwar erlaubt. Doch Brüssel hat den Verdacht, daß es bei der Förderung der Windkraftanlagen um lukrative Geschenke für Investoren geht. Die Bundesregierung ist in Zugzwang geraten. Die von Wirtschaftsminister Günter Rexrodt erst Ende April mühsam durchgesetzte Reform des Energiewirtschaftsrechts steht zur Disposition. Danach wird die bereits seit 1990 bestehende großzügige Subventionierung alternativer Energien fortgesetzt. Die Rechnung bezahlen die großen Energieversorgungsunternehmen (EVU), die gesetzlich gezwungen sind, Windstrom in ihr Netz einzuspeisen.

Gewiß gibt es für die Förderung erneuerbarer Energien gute Argumente.

Rund 30 Firmen, die vornehmlich aus dem mittelständischen Bereich stammen, bauen in Deutschland Windkraftanlagen. In der Branche sind rund 10 000 Menschen beschäftigt. Derzeit sind etwa 5000 Windkraftanlagen in Betrieb, die allerdings nur einen geringen Teil zur Gesamtstromerzeugung beisteuern. Problematisch wird es aber , wenn die massive Förderung der Windenergie andere Arbeitsplätze gefährdet. So sichert beispielsweise die Verstromung der Braunkohle in den neuen Bundesländern Tausende von Jobs. Der größte ostdeutsche Energieversorger, die Vereinigte Energiewerke AG (Veag), Berlin, muß aber nun durch die Abnahmeverpflichtung für Windenergie erhebliche finanzielle Belastungen einplanen. Schlimmstenfalls könnten die mit Milliardenaufwand gebauten und inzwischen hochmodernen Braunkohlekraftwerke zu Investitionsruinen verkommen.

Falls die Kommission in der Windenergieförderung eine vertragswidrige Beihilfe sieht, wird dies bei den großen Energieversorgern auf breite Zustimmung stoßen. Nur ist dabei zu bedenken, daß die EU-Behörde ihre endgültige Position noch nicht gefunden hat. Denn stets hat die EU auch zu erkennen gegeben, daß sie die umweltfreundliche Windenergie fördern will. Der für Energiepolitik zuständige EU-Kommissar Christos Papoutsis plant eine europaweite Regelung, die auch die Einspeisung von erneuerbaren Energien regelt.

Vielleicht haben sich die Energieversorger zu früh gefreut. Und die Anleger können wieder dank der Subventionen auf hohe Renditen hoffen.

Quelle: Süddeutsche Zeitung 8.9.1998

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Der Strom kommt aus dem Wald

Neues Kraftwerk verbrennt geschreddertes Unterholz

In Fürstenwalde ist gestern ein neues Heizkraftwerk ans Netz gegangen. Es verbrennt Holz aus den umliegenden Wäldern, das nicht für Möbel oder Bauholz geeignet ist, also meist Unterholz und kleinere Baumstämme. Jährlich werden dabei rund 10 000 Tonnen – etwa 500 LKW-Ladungen – geschreddert und in einem Dampfkessel verbrannt. Mit der erzeugten Wärme heizen zur Zeit etwa 360 Wohnungen im Umkreis des Werks, möglich wären bis zu tausend. Drei Kilogramm Holz ersetzen dabei einen Liter Heizöl. Fünf Megawatt Leistung schafft das Holzschnitzel-Kraftwerk an Wärmeenergie, dazu bis zu einem Megawatt an Strom, der in einer separaten Turbine erzeugt und ins regionale Netz eingespeist wird. Betreiber und Erbauer des Kraftwerks ist die Fürstenwalder Wärmeversorgungs-GmbH. Das 6,5-Millionen-Projekt wurde ohne Fördergelder über einen Immobilienfonds finanziert. Es ist das dritte Werk in Fürstenwalde, das Energie aus erneuerbaren Quellen erzeugt. Eine Biogasanlage versorgt bereits 2 000 Wohnungen mit Strom aus Gülle und Hausabfällen, das Fürstenwalder Schwimmbad wird aus einer Rapsölanlage beheizt. Der Anteil alternativer Energien an der Gesamterzeugung beträgt in Fürstenwalde derzeit 11 Prozent, bis zum Jahr 2001 sollen es 25 Prozent sein.

Quelle: Berliner Zeitung 8.9.1998

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Ein Prosit auf die Klimakatastrophe

Die Umweltkommissare Maxeiner und Miersch auf der schwierigen Suche nach Ökoirrtümern, die sie selbst fabriziert haben

DIRK MAXEINER und MICHAEL MIERSCH: Lexikon der Ökoirrtümer", Eichborn Verlag, Frankfurt 1998, 416 Seiten, 44 Mark.

Die Lage ist beunruhigend. Vulgär-Apokalyptiker und grüne Latzhosen-Brigaden liegen im ökologischen Beißkrampf und nerven uns beharrlich mit ideologischen Glaubenssätzen und hohler Katastrophenprosa, ein einziges großes Kassandrakartell. Aber jetzt ist Schluß mit lustig. Von wegen der Wald stirbt, das Klima kippt, das Genmonster kommt – alles Quatsch. "Die ökologischen Gewißheiten implodieren wie defekte Bildröhren", wenn man nur genauer hinsieht. Den unerschrockenen Blick auf die Fakten reklamieren zwei tapfere Autoren für sich, die mit einem "Lexikon der Ökoirrtümer" wenigstens "den gröbsten Unsinn" der Umweltszene abräumen und ein wenig "Ordnung in die Dinge bringen" wollen. Die zum Schweigen gebrachte Restvernunft bahnt sich ihren Weg.

In ihrem neu erschienenen Lexikon haben Dirk Maxeiner und Michael Miersch "die gängigen Ökothesen" gesammelt und versuchen sie zu widerlegen. Das Buch ist in kleine Häppchen aufgeteilt, süffig geschrieben, mit einer kräftigen Portion Polemik gewürzt. Allerdings hört der Spaß dann doch überraschend schnell auf: Schon auf der zweiten Seite wird die Tschernobyl-Katastrophe arithmetisch bereinigt und die Zahl der Opfer auf 50 Menschen heruntergerechnet. Nur diejenigen Rettungshelfer und Feuerwehrmänner, die unbestreitbar und direkt an den Folgen der Reaktorexplosion starben, werden als Strahlentote anerkannt. Tausende, die anonym in der Todesursachenstatistik verschwinden, sind für die Autoren eine ökologische Fata Morgana, die Erfindung von Moralmultis und Endzeitgruslern. Zynischer hätten auch ausgefuchste Moskauer Stalinisten die Opferbilanz nicht frisieren können.

Das Buch wimmelt vor Zitaten. Jede Kapitelüberschrift zitiert eine gängige Ökothese, die angeblich durch die Lande geistert und die es nun zu entlarven gilt. Doch es wird nirgends gesagt, wer diese Behauptungen überhaupt aufgestellt hat. Das ginge auch schlecht, weil die Autoren sich selbst ihre Thesen paßformgerecht zusammengebastelt haben. Da wird dann ein möglichst haarsträubender Unsinn Grünen und Umweltleuten in den Mund gelegt, um ihn unter Absingen schmutziger Lieder mit viel Getöse abzuräumen. Beispiele: "Die Luftverschmutzung nimmt zu", "Flüsse und Seen verdrecken immer mehr", "Das Leben ist heute ungesünder als früher", "Vegetarier leben länger". Angeblich sind das gängige Ökothesen.

Gut gebrüllt, die Herren, nur: Niemand bestreitet, daß viele Gewässer in den letzten Jahren sauberer geworden sind, daß Schwermetalle, Dioxin, Asbest und viele andere Schadstoffe zurückgehen – während andere zunehmen. Wo, bitteschön, sind die grünen Frontkämpfer, die gegen die Fleischtöpfe rebellieren, weil der Vegetarismus angeblich ein biblisches Alter garantiert? Welcher Greenpeacer steigt der Moderne aufs Dach, weil früher alles besser war? Man sollte nicht jeden Unsinn auf der grünen Bewegung abladen. Daß sich die Umweltbilanz in vielen Bereichen teilweise dramatisch gebessert hat, ist übrigens das Verdienst der Umweltbewegung, also genau derjenigen, die in dem Buch gerne als eine Art grüne Zeugen Jehovas verhöhnt werden, die körnerkauend auf den immer neu prophezeiten Weltuntergang warten.

Widerspruch zum Konsens

Während die eine Hälfte der Ökoirrtümer schlicht Hirngespinste der Autoren sind, werden andere tatsächlich existierende Ökothesen mit einseitiger Faktenauswahl und schrägen Interpretationen entlarvt. Gerne wird Dingen widersprochen, die längst als gesellschaftlicher Konsens akzeptiert sind. Eklatantestes Beispiel ist die Klimadiskussion. Während sich die gesamte Weltgemeinschaft und alle großen Volkswirtschaften unter großem Ringen auf einen Fahrplan zur Reduzierung von CO2 verständigen, halten die zwei "fröhlichen Aufklärer" - so bezeichnet der Klappentext die Autoren aus München – den Klimaschutz nicht nur für Mumpitz, sondern auch für Größenwahn: Dies sei, schreiben sie, "die gleiche Anmaßung wie im Glauben an universelle technische Machbarkeit", zumal, Ozonloch hin, Treibhaus her, das Klima sowieso "macht, was es will".

Ganz ignorant wollen die beiden Vorkämpfer "für eine konstruktive Veränderungskultur" (hui!) aber doch nicht sein. Deshalb machen sie es sich zur Gewohnheit, der Umweltbewegung immer auch ein wenig recht zu geben, vor allem, wenn die Faktenlage erdrückend ist. So entlarven sie die Behauptung "wir brauchen immer mehr Energie", zwar als angeblichen Ökoirrtum, müssen aber gleichzeitig zugeben, daß der Energieverbrauch im weltweiten Maßstab tatsächlich steigt, während er im eigenen Lande stagniert. Erst polemisieren sie gegen die Ökothese, daß Bioprodukte gesünder sind, um dann anzumerken, daß es in der Tat "Hinweise auf die gesundheitliche Überlegenheit der Biolebensmittel gibt". Daß für den Pelzmantel Tiere gequält werden, sei ein Ökoirrtum, daß viele Tiere in Fallen krepieren und elend gehalten werden, gestehen sie zu. Ja was denn nun: Männchen oder Weibchen? Irrtum oder vielleicht doch ein Stückchen ökologischer Wahrheit?

Ein anderes beliebtes Mittel ist, sich nach Kräften dumm zu stellen: Da wird dann die virtuelle Ökothese "Bahnfahren ist grundsätzlich umweltfreundlich" von der wunderbaren Erkenntnis widerlegt, daß ein vollbeladenes Auto besser ist als ein leerer Zug. Daß die Ökobewegung da noch nicht draufgekommen ist! Und noch ein letztes, das schönste Beispiel aus dem Buch. Die Autoren glauben zwar nicht an die Gefahr der Klimakatastrophe, die sie zur letzten Utopie linker Weltuntergangspropheten erklären, aber für den Fall, daß sie irgendwann doch noch dräut, spenden sie schon mal makabren Trost: Wir werden großartige Weinjahrgänge mit "explodierenden Mostgewichten" erleben. Ein Prosit auf den Klima-GAU! Und alles wird gut.

Im Einführungskapitel haben die beiden Ökomissionare der anderen Art das ideologische Gerüst zu ihrem Buch geliefert. In einer Zeit, in der die Umwelt überall unter die Räder des ökonomischen Primats gerät, monieren sie allen Ernstes, daß "Umweltschutz sakrosankt geworden" sei. Und während Politik und Wirtschaft die Arie vom rauchenden Schornstein und Sharholder Value singen, glauben Maxeiner & Miersch noch fest daran, daß sich Politiker "mit Ökophrasen moralischen Glanz verschaffen". Ein oberflächliches und ein ärgerliches Buch, dessen Autoren als selbsternannte Speerspitze einer neuen Aufklärung daherkommen und dabei vor allem eines sind: out of time!

Quelle: Süddeutsche Zeitung 6.9.1998

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Chancen stehen gut für regionale Energieagentur

Landkreis bewirbt sich als Träger um EU-Projekt zum Klimaschutz

Grevesmühlen Die Pläne für eine von der Europäischen Union geförderte Energieagentur in Nordwestmecklenburg nehmen Gestalt an. Wenn der Landkreis als Träger den Zuschlag bekommt, könnte das Vorhaben zur besseren, nachhaltigen Nutzung von Energiequellen Anfang 1999 beginnen.

SAVE II heißt das mehrjährige Förderprogramm der Europäischen Union, das helfen soll, städtische und regionale Energieagenturen zu etablieren. Hauptziel des Energiemanagements ist es, das Verbraucherverhalten in Sachen Energienutzung zu verbessern sowie örtliche und erneuerbare Energiequellen stärker als bislang zu nutzen. Hintergrund für die EU-Finanzspritze ist die Bekämpfung von Klimaveränderungen und damit verbunden die geplante weltweite Reduzierung des Kohlenmonoxidausstoßes um 20 Prozent in den nächsten Jahren. Zur Zeit arbeiten europaweit 33 Energieagenturen mit Hilfe der EU-Förderung von jeweils 300000 Mark für die ersten drei Betriebsjahre. In Deutschland werden bislang nur die Städte Freiburg und Stuttgart gefördert.

Die Chance, daß der Landkreis Nordwestmecklenburg den Zuschlag für die Höchstförderung von 300000 Mark bekommt, sind sehr gut. Das jedenfalls sagt Heiner Wilms, Vorsitzender des Wirtschafts- und Landwirtschaftsausschusses des Kreistages und Geschäftsführer der Stadtwerke Grevesmühlen. Lediglich "kleine Nachbesserungen" im Antrag seien jetzt noch erforderlich, sagte Wilms unter Berufung auf die jüngste Mitteilung der EU. Um das Konzept zu vervollständigen, müssen bis dahin weitere Kooperationspartner für das Agenturvorhaben gefunden werden. "Das konnen beispielsweise Energieversorgungsunternehmen, bereits bestehende Energieagenturen, aber auch Städte und Gemeinden", wirbt Wilms. Zudem sollen jetzt konkrete Projekte erarbeitet werden. Wilms rechnet damit, daß die hiesige Energieagentur bereits Ende dieses Jahres, spätestens Anfang 1999 die Arbeit aufnehmen wird.

Im Boot ist zum einen der Landkreis Nordwestmecklenburg, nicht zuletzt, weil als Antragsteller für die Aufnahme ins SAVEII-Programm nur Kommunen mit mehr als 100000 Einwohnern in Frage kommen. Vom Wirtschafts- und Landwirtschaftsausschuß des Kreistages, der sich in dieser Woche erneut mit dem Projekt befaßte, wird das Vorhaben begleitet. Kosten, so heißt es in einem Papier des Ausschusses, entstünden dem Kreis nicht. Vielmehr komme die Arbeit der Agentur dem gesamten Kreis zugute, sagt Wilms, längerfristig vielleicht sogar der gesamten Region Westmecklenburg.

Hauptlast tragen vielmehr die Stadtwerke Grevesmühlen, Initiator des Energievorhabens für Nordwestmecklenburg, und die Bundesanstalt für Arbeit. Sie wollen den erforderlichen Eigenanteil sowie die nationale Kofinanzierung tragen. Hinzu kämen schließlich die Fördermittel in Höhe von 300000 Mark. Ist die dreijährige Förderungszeit verstrichen, dann soll sich die Agentur finanziell selbst tragen, erläuterte Wilms.

Abgesehen von der regionalen Zusammenarbeit mit Institutionen, Kommunen und Unternehmen im Kreis ist auch die internationale Kooperation ein Ziel der Energieagentur. Das sehen die Förderbedingungen der EU im Sinne einer nachhaltigen europäischen Energiepolitik vor. So sucht jetzt die Sträussler Europa & Strategie Beratung als Planer für das NWM-Vorhaben nach Partnern in Finnland und Schottland. In Grevesmühlen, so Wilms, würden die neuen Energie-Partner demnächst erstmals zusammentreffen.

Quelle: SVZ Online  4.9.1998

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Verzicht auf MVA rechnet sich

Der Ausstieg aus dem geplanten Bau einer Müllverbrennungsanlage in Moringen-Blankenhagen kostet den Landkreis Northeim 13,9 Millionen Mark. Auf die Zahlung dieser Summe zum 1. November 1998 für bereits geleistete Planungs- und Vorbereitungsarbeiten habe sich der Landkreis mit dem Vertragspartner, der EAM-Umwelt GmbH, geeinigt, teilte Oberkreisdirektor Ralf-Reiner Wiese am Mittwoch mit. Die ursprüngliche Forderung habe um ein Mehrfaches höher gelegen. "Wir sind mit einem blauen Auge davongekommen", sagte Wiese.
Der Kreis Northeim hatte Anfang dieses Jahres den Vertrag gekündigt, der die Lieferung von zunächst 100 000 Tonnen und später von 75 000 Tonnen Müll pro Jahr an die Verbrennungsanlage vorsah. Als Grund wurde angegeben, daß sich die eigene Müllmenge seit Vertragsbeginn vor vier Jahren drastisch auf etwa ein Viertel reduziert habe und keine Müll-Zulieferer zu finden seien. Sowohl die Nachbarkreise als auch Kommunen in anderen Bundesländern hatten eine Mitnutzung der Verbrennungsanlage abgelehnt. Hinter der EAM-Umwelt AG steht die Energie-AG Mitteldeutschland (EAM), die weite Teile Südniedersachsens und Nordhessens mit Elektrizität versorgt. Die auf Kosten von rund 400 Millionen Mark veranschlagte Verbrennungsanlage wird nicht gebaut, weil der Kreis Northeim den entsprechenden Vertrag mit der EAM im März gekündigt hatte.
Trotz der zunächst hoch scheinenden Summe von 13,9 Millionen Mark sei der Ausstieg aus der Müllverbrennung für die Einwohner des Kreises unter dem Strich finanziell von Vorteil, sagte Wiese. Die Verträge zur Ablieferung von Müll seien 1994 zum damaligen Preis von 420 Mark pro Tonne abgeschlossen worden. Dieser Preis liege um mehr als 200 Mark über heutigen Preisen.
Den Auftrag an die EAM zum Bau der Müllverbrennungsanlage hatte eine Kreistagsmehrheit von SPD, CDU und Wählergemeinschaft 1994 gegen den Widerstand der Grünen und der FDP beschlossen.

Quelle: Hannoversche Allgemeine  4.9.1998

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Das Trojanische Pferd der Stromlobby Obskure »Landschaftsschützer« machen gegen Windenergie mobil

Ende Juni waren in der Bundesrepublik 5 536 Windkraftanlagen mit 2 346 Megawatt Leistung in Betrieb. Sie können im Jahr knapp fünf Milliarden Kilowattstunden Strom produzieren, das entspricht etwa einem Prozent des deutschen Stromverbrauchs.

Windkraftanlagen arbeiten umweltverträglich, leise und effektiv, betonen Umweltschützer. Sie emittieren weder Kohlendioxid noch Radioaktivität. Und während der 20jährigen Nutzungszeit gewinnen sie 40- bis 85mal soviel Energie, wie für ihre Errichtung und den Betrieb verbraucht wird.

Windkraftanlagen verursachen ohrenbetäubenden Lärm und verschandeln die Landschaft, sagen die Windenergie- Gegner. Die Windräder machen die Anwohner nervös, vertreiben Touristen und Vögel und entwerten Immobilien. Und überhaupt sei Deutschland das letzte Land, »in dem der Windkraftvandalismus noch hemmungslos wütet«.

Mit den zuletzt genannten und ähnlichen Argumenten zieht seit rund drei Jahren vor allem der »Bundesverband Landschaftsschutz« (BLS) gegen die Windkraft zu Felde. Bei dem obskuren Verband, der auf seinen Publikationen eine Kontaktadresse im schleswig-holsteinischen Emmelsbüll angibt, nach jW-Recherchen dort aber weder ein Büro gemietet noch eine Telefonnummer angemeldet hat, handelt es sich ganz offensichtlich um eine verdeckte Propaganda- Abteilung der Strom- und Atomlobby.

Wo immer Windkraftanlagen gebaut oder geplant werden, ist meist auch schon der BLS zugegen. Er hilft und berät bei der Gründung von »Bürgerinitiativen«, verschickt dicke Informationspakate und bietet die Vermittlung von Referenten und Rechtsberatung an. Nach Angaben des Bundesverbandes Windenergie (BWE) sind durch die Propaganda der selbsternannten Landschaftsschützer bereits mindestens sechs größere Windkraftprojekte gekippt worden.

So zum Beispiel auch ein Windpark im bayrischen Posseck. Nach »Bürgerprotesten« liegt hier seit Januar der Bau von drei 1,5-Megawatt-Anlagen auf Eis. Angaben der Umweltschutzorganisation Robin Wood zufolge waren im Dezember die ersten BLS-Flugblätter in der Gemeinde aufgetaucht. Unter der Überschrift »Ein Virus kommt selten allein« seien die geplanten Kraftwerke als »Öko-Heuchelei mit krankmachenden Belästigungen« dargestellt worden, die nichts zum Klimaschutz beitrügen, sondern »klimatologisch sogar kontraproduktiv« seien.

Als einen der Oberdemagogen des BSL hat Robin Wood den Rechtsanwalt Thomas Mock ausgemacht, der bei Veranstaltungen und Bürgerversammlungen wahre Horrorszenarien über die gesundheitlichen Auswirkungen der Windmühlen entwirft: Abgerissene Rotorblätter, die wie wildgewordene Granaten durch die Luft jagten, Mensch und Tier gefährdeten. Und dann dieser »monotone Lärm - wub, wub, wub«. Am schlimmsten aber sei der sogenannte »Infraschall«, Töne in sehr tiefen Frequenzen, die von den Menschen bewußt gar nicht wahrgenommen würden. Der da solche Angst verbreitet, ist im Hauptberuf leitender Angestellter der in Bonn ansässigen Firma VAW Aluminium AG, einem der größten Stromfresser im Land.

Robin-Wood-Recherchen förderten noch weitere Verflechtungen zutage. So wurden die meisten Briefumschläge, in denen die BLS ihre Propaganda verschickt, in der Zentrale der Firma Hochtief in Köln abgestempelt. Hochtief wiederum aber ist eine Tochter des Stromriesen RWE, der auch dick im Atomgeschäft steckt und unter anderem die beiden Reaktoren in Biblis betreibt.

Die vermeintlichen Landschaftsschützer, resümiert denn auch BWE-Pressesprecher Ralf Bischof im Gespräch mit jW, seien in Wahrheit »das Trojanische Pferd der Stromkonzerne«.

Quelle: Junge Welt  4.9.1998

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Steife Brise gegen Windkraft

"Aachener Modell" der kostendeckenden Windstrom-Vergütung soll in Aachen nicht mehr gelten. Ausgerechnete ein rot-grüner Stadtrat verwässerte das Modell

Von Michael Franken

Köln (taz) - Ausgerechnet in Aachen soll die kostendeckende Vergütung (kV) für Windstrom nicht gezahlt werden. "Was hier passiert, ist ein Skandal", schimpft Norbert Hürkamp, Mitglied des Vereins Wind. Zunächst zeichneten sich vielversprechende Entwicklungen ab.

Im Juni 1994 hatte das Düsseldorfer Wirtschaftsministerium einen Erlaß für die Einführung einer kostendeckenden Vergütung zur Förderung regenerativer Energien verabschiedet. Danach sollten private Betreiber von Solarzellen und Windrädern für den Strom, den sie ins öffentliche Netz einspeisen, einen Betrag pro Kilowattstunde (kWh) erhalten, der es ermöglicht, daß sich ihre Investitionen innerhalb von zwanzig Jahren auch rechnen.

Beim Solarstrom pendelte sich die Vergütung bei rund 1,80 Mark für jede produzierte Kilowattstunde ein, beim Windstrom lag der Betrag um die 30 Pfennig. Im Gegenzug erlaubte das nordrhein- westfälische Wirtschaftsministerium den Energieversorgern an Rhein und Ruhr, an der Tarifschraube zu drehen. Mit einer Preiserhöhung von einem Prozent sollten die Kosten auf alle Verbraucher verteilt werden.

"Als Aachener Modell hat dieser Ökostrom-Tarif schon Geschichte gemacht. Rund zwanzig Kommunen und Stadtwerke bieten bundesweit die kostendeckende Vergütung an, nur in Aachen treten die Energieversorger und der Stadtrat jetzt auf die Bremse", ärgert sich Windkraft- Fan Hürkamp. Das "Aachener Modell" gelte zwar in vielen anderen Städten bei der Windstromvergütung, nur nicht in Aachen. Faktisch wird der Ausbau der Windenergie blockiert, und bis heute gebe es keine Anlage, die auf der Basis der kostendeckenden Vergütung Strom produziert, schimpft Hürkamp.

Zum Vergleich: Die Stadtwerke in Remscheid und in Gütersloh zahlen 15 Jahre lang zwischen 25 und 28 Pfennig je Kilowattstunde für Windstrom. "Wir orientieren uns am Aachener Modell", sagt der Remscheider Stadtwerkdirektor Wolfgang Roth.

Nicht so die Stadt Aachen: Obwohl ein Gutachten der Fachhochschule Jülich vorliegt, wonach im Raum Aachen eine kostendeckende Windstrom-Produktion ohne Investitonszuschüsse nur mit 23,44 Pfennig pro Kilowattstunde möglich ist, werden diese Vorgaben von der Mehrheit des rot-grünen Stadtrats ignoriert. Eigenmächtig und ohne jede Begründung wurden in der Berechnung für eine kostendeckende Vergütung des Windstroms die Zinssätze für Eigen- und Fremdkapital um jeweils ein Prozent und der Betriebskostenansatz von 4 auf 3,5 Prozent per Ratsbeschluß mit dem Segen der Ratsmitglieder der Fraktion der Bündnisgrünen abgesenkt.

Das hat für private Windradbetreiber zur Folge, daß sie jährlich 45.000 Mark unter der Kostendeckung bleiben. Merkwürdig ist, daß es für diese Abweichung der Zinssätze von den Vorgaben der Strompreisaufsicht in Düsseldorf keine offizielle Erklärung gibt. "Da wird einfach etwas durchgepeitscht, und über die Konsequenzen denkt scheinbar niemand nach", kritisiert Hürkamp.

Monika Kuck, umweltpolitische Sprecherin der Grünen im Aachener Stadtrat, beurteilt die Entwicklung allerdings ganz anders. "Unsere Fraktion will mehr Ökostrom. Nicht wir blockieren den Ausbau der Windenergie, der Widerstand kommt aus der Verwaltung."

Fest steht: Für private Betreiber ist der Zug in puncto Windenergie in Aachen so gut wie abgefahren. Eine kostendeckende Vergütung ist nach den aktuellen Vorgaben des Stadtrats nicht mehr drin. Und die Aachener Strommanager setzen auf Zeit: Stadtwerke-Chef Dieter Attig will erst dann richtig klotzen, wenn die Preise für die modernen 1,5-Megawatt-Anlagen fallen. "Bis dahin konzentrieren wir uns auf den Photovoltaik-Ausbau", so Attig.

Wolf von Fabeck, der Geschäftsführer des Solarenergie-Fördervereins und quasi Pate des Aachener Modells, ist nicht gut auf die Kommunalpolitiker zu sprechen. Seine Bilanz: "Ich bin verärgert über die Grünen, weil die mit ihren Stimmen dafür gesorgt haben, daß in Aachen der Ausbau der Windenergie blockiert wird." Von Fabeck fürchtet sogar, daß es auch bei Solarzellen schon bald zu einer Aushöhlung der kostendeckenden Vergütung kommen könnte.

Dabei wäre alles so einfach, wenn die Energieversorger und der Stadtrat in Aachen bei ihren ursprünglichen Leisten blieben. Eine Strompreiserhöhung von einem Prozent, das ist der Preis, den alle Verbraucher für mehr umweltfreundlichen Strom in der Kaiserstadt zu bezahlen hätten, würde gerade mal 7,50 Mark im Jahr ausmachen.

Quelle: TAZ Wirtschaft 28.8.1998

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Frisches Wasser für Ferieninseln

Solare Meerwasser-Entsalzungsanlagen sollen Strom auf dem Festland sparen und Tankschiffe überflüssig machen

Von Petra Krimphove

Wer je das südspanische Festland im Sommer bereist hat, kennt die sonnenverbrannte Erde, ein Zeichen für die Wasserknappheit rund um das Mittelmeer. Der Tourismus bringt diesen Regionen zwar Geld, verschärft aber den Mangel an Frischwasser. Denn Urlauber sparen selten daran. Seit vielen Jahren wird daher im westlichen Mittelmeerraum, in der Ägäis und auf den Kanarischen Inseln mit stromfressenden Anlagen Meerwasser entsalzt. Tankschiffe bringen zusätzlich das kostbare Naß vom Festland auf die Ferieninseln.

Umweltfreundlicher wäre es, das Meerwasser mit Hilfe von Sonnenenergie zu erhitzen und zu destillieren. Die Umsetzung dieser einfachen Idee scheiterte bisher aber daran, daß herkömmliche warmwassererzeugende Sonnenkollektoren aus Metall bestehen und vom Salzwasser zersetzt werden.

Eine Entwicklung des Fraunhofer Instituts für Solare Energiesysteme (ISE) in Freiburg könnte jedoch den Durchbruch für die solarbetriebene Meerwasserentsalzung bringen. Die Forscher haben einen neuartigen Kunststoffkollektor konstruiert, der dem ständigen Kontakt mit Salzwasser standhält und die Energie für die Destillation von täglich tausend Liter Meerwasser liefern kann. Der Kollektor ist das Herzstück einer Demonstrationsanlage, die im Rahmen eines EU-Projekts im Laufe der nächsten drei Jahre auf Gran Canaria installiert und getestet wird. Ein Heißwasserspeicher sorgt dafür, daß die Anlage auch nachts läuft und somit rund um die Uhr Meerwasser entsalzt.

Den Treibhauseffekt nutzen

Sonnenkollektoren erzeugen warmes Wasser mit Hilfe eines Absorbers. Dies ist die meist mit Schwarzchrom beschichtete Kupferfläche, an der man Solaranlagen auch hierzulande schon von weitem erkennt. In den Absorber sind kleine Wasserrohre integriert, seine Oberfläche ist mit Glas abgedeckt. Auf diese Weise wird die Sonnenwärme wie in einem Treibhaus "gefangen". Die Temperatur auf der schwarzen Oberfläche erhöht sich und erwärmt so das Wasser in den Rohren.

Zum Aufheizen von Süßwasser, etwa in einem Wohnhaus, ist dieses Prinzip gut geeignet. In Verbindung mit dem aggressiven Salzwasser konnten die Metallabsorber bisher jedoch nicht eingesetzt werden.

Die Wissenschaftler des Fraunhofer Instituts suchten daher nach einem Ersatzmaterial, das dem Meerwasser standhält und zugleich die Wärme so gut leitet wie Metall. Sie experimentierten mit Kunststoff, der im Salzwasser nicht korrodiert. Doch Kunststoffteile geben die gespeicherte Wärme tausendmal langsamer an das Wasser ab als Bauteile aus Metall. Die Effizienz des Kollektors wäre damit verschwindend gering.

Schließlich gelang es den Forschern nach sechs Jahren Entwicklungszeit, den Wirkungsgrad von Kunststoffabsorbern drastisch zu steigern. Sie konstruierten einen Absorber mit einem Hohlraum, den das Wasser großflächig in Schlangenlinien durchfließen kann. Die Flüssigkeit nimmt dadurch die in der Oberfläche gespeicherte Wärme erheblich besser auf.

Eine weitere Herausforderung war die Beschichtung des Kunststoffs. Jeder gute Absorber ist beschichtet, um die Wärmeaufnahme zu erhöhen. Erst dadurch wird der Kollektor leistungsfähig. Herkömmliche Metallabsorber werden galvanisch mit Schwarzchrom beschichtet. Dazu legt man eine elektrische Spannung an das Werkstück an und taucht es in eine Metallsalzlösung.

Da Kunststoff nicht leitet, kam diese Technik nicht in Frage. Statt dessen verwendeten die Freiburger Wissenschaftler ein Verfahren, das im Fensterbau bereits in großem Umfang eingesetzt wird, um Glas mit einer Reflexionsschicht zu überziehen. Sie beschichteten ihre Testabsorber mit Hilfe der Sputter-Technik. Beim Sputtern (wörtlich: Spritzen) schlagen Argon-Ionen in einem Vakuum winzige Teilchen aus einem Stück des Beschichtungsmaterials heraus und verteilen es hauchdünn auf dem gewünschten Material. Die technische Lösung erforderte viel Aufwand: Die Wissenschaftler mußten am ISE eigens eine Anlage bauen, um wenige Quadratmeter ihres Testabsorbers mit Edelstahloxynitrid zu überziehen.

Das Ergebnis ist ein Kunststoffabsorber, der Meerwasser bis auf 85 Grad Celsius aufheizen kann und damit die Voraussetzungen für die Destillation schafft. Das Entsalzungsmodul der Anlage stammt von der Münchener Firma TAS.

In einer Art Kreislauf wird darin ständig Meerwasser erhitzt und über Kunststoffvliese geleitet. Von der feuchtwarmen Oberfläche steigt Dampf auf, der sich an den Rohren eines benachbarten Wärmetauschers niederschlägt und als Kondenswasser in einen Auffangbehälter tropft.

Durch eine geschickte Kombination von Kollektor, Verdunster und Kondensator (siehe Grafik) gelang es den ISE-Entwicklern, das Meerwasser in zwei Schritten zu erwärmen. Zunächst durchströmt es den Wärmetauscher, der gleichzeitig als Kondensator wirkt. Danach fließt es durch den Spezialkollektor und wird auf 85 Grad Celsius erhitzt.

Tausend Liter am Tag

Die so funktionierenden solarbetriebenen Entsalzungsanlagen sind zunächst für Gemeinden mit geringem Frischwasserbedarf gedacht. Ein Beispiel dafür nennt Projektleiter Matthias Rommel: "In Griechenland etwa gibt es viele kleine Inseln, für die tausend Liter Frischwasser am Tag, wie sie unser Prototyp erzeugt, völlig ausreichen." Eine solarbetriebene Entsalzungsanlage würde dort aufwendige Frischwasserimporte vom Festland überflüssig machen.

In Zukunft halten die Forscher auch größere Anlagen für möglich, die zehntausend Liter Meerwasser täglich entsalzen können. An der Entwicklung beteiligen sich Wissenschaftler aus den Mittelmeerländern: Sowohl das spanische Forschungszentrum Ciea (Centro de Investigacion en Energia y Agua) auf Gran Canaria als auch die Agricultural University of Athens sind Forschungspartner des Freiburger Instituts.

Der neue Kollektor könnte auch für die übrigen Nutzungsbereiche der Solarenergie von großer Bedeutung sein. Industriell beschichtete Kunststoffabsorber wären erheblich preiswerter als die bisher eingesetzten Metallkollektoren.

Quelle: Berliner Zeitung Vermischtes 26.8.1998

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"Rufen Sie Bingo"

Umwelt-Lotterie "BingoLotto" startet ab 1. Januar 1999 auch in Hamburg

Sonntag ist Bingo-Tag. Ab dem 1. Januar 1999, das beschloß gestern der Senat, wird es auch in Hamburg eine Umwelt-Lotterie namens "BingoLotto" geben. Die Gewinnzahlen werden sonntags zwischen 17 und 18 Uhr im Fernsehsender N 3 bekanntgegeben. "Dann müssen Sie, wenn Sie gewonnen haben, Bingo rufen und schnell zum Telefonhörer greifen", erklärte Umweltsenator Alexander Porschke (GAL) begeistert die Regeln des Glücksspiels.

Das besondere an der Umwelt-Lotterie ist, daß ihre Überschüsse ausschließlich Umwelt- und Entwicklungsprojekten zugute kommen. Wie in Niedersachsen, wo Öko-Lotto seit September 1997 existiert, können Kunden in Hamburg künftig für fünf Mark und 50 Pfennige in jeder Lotto-Annahmestelle ein Los kaufen. Während der BUND die neue Lotterie "begrüßte", kritisierte das "Eine Welt Netzwerk Hamburg" den Senat: Anders als in Niedersachsen, wo automatisch von jedem Los 1,25 Mark für den Umweltschutz abgeführt würden, schütte Hamburg nur den Überschuß nach Abzug der Spielgewinne und Verwaltungskosten aus. "Das ist ein Kompromiß", räumte die Umweltbehörde zähneknirschend ein.

Welche gemeinnützigen Organisationen in den Genuß des Geldes kommen werden, ist noch unklar, weil es noch kein Vergabegremium gibt. Eventuell könnte eine Stiftung diese Aufgabe übernehmen.

Porschke hofft, daß im ersten Jahr der Lotterie eine Million Mark Überschuß zur Verfügung stehen. "Das geht natürlich nur, wenn viele mitspielen." Teure Autos als Gewinne winkten aber nicht, so Finanzsenatorin Ingrid Nümann-Seidewinkel (SPD). "Die Sachpreise liegen bei maximal 1000 Mark pro Person."

Quelle: TAZ Lokales 25.8.1998

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Solarenergie nach dem Vorbild der Photosynthese

Eine zweistufige Photozelle erzeugt erstmals Wasserstoff aus Sonnenlicht. Auf einer Konferenz in Berlin wurden diese und andere Neuerungen vorgestellt

Von Stefan Greschik

Sonnenenergie-Fans träumen schon lange von einer sauberen Welt. Darin liefern Solarzellen Strom oder erzeugen Wasserstoff, mit dem sich Autos oder Flugzeuge ohne Schadstoffausstoß betreiben lassen. In der Natur funktioniert das Prinzip schon seit Millionen Jahren: In den grünen Zellen der Pflanzen fangen Farbstoffmoleküle die Lichtstrahlen ein. Mit der gewonnenen Energie wandeln die Pflanzen dann Kohlendioxid und Wasser in Sauerstoff und Zuckerstoffe um.

Viele Wissenschaftler wollen die Wirkungsweise dieser kleinen Kraftwerke in Zukunft auch technisch nutzen. Die "bionischen Kopien" sollen das Licht allerdings nicht in Nahrung umwandeln, sondern Strom liefern, Schadstoffe zersetzen oder sogar Wasserstoff produzieren. "Wir möchten Solarzellen entwikkeln, die nach dem Vorbild der Photosynthese arbeiten", verriet Helmut Tributsch, Leiter der Abteilung für Solare Energetik am Berliner Hahn-Meitner-Institut. Er war einer der Veranstalter der "Konferenz über photochemische Energieumwandlung und Speicherung solarer Energie", die kürzlich in Berlin stattfand. Dabei wurde unter anderem die "nasse Solarzelle" vorgestellt.

Herkömmliche Solarzellen bestehen aus übereinanderliegenden Schichten sogenannter Halbleiter wie Silizium oder Galliumarsenid. "Bei den nassen Solarzellen wird eine Halbleiterschicht durch eine Flüssigkeit ersetzt, zum Beispiel durch Wasser", sagte Helmut Tributsch. Bei Sonnenschein verliert der Halbleiter die Elektronen an die Flüssigkeit. Stellt man eine Drahtverbindung zwischen einer Tauchelektrode und der Rückseite des Halbleiters her, so fließt ein Strom.

Wann jedoch die nassen Solarzellen reif für den Markt sein werden, ist unter Experten noch umstritten. Michael Grätzel von der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne ist seit Jahren der Optimist unter den Experten. Bereits 1992 kündigte der Chemiker an, daß die von ihm entwikkelte "Grätzel-Zelle" viel günstiger Strom liefern werde als alle anderen Solarzellen – die verwendeten Flüssigkeiten sind weit billiger als die üblichen Halbleiter. Grätzel veranschlagte 20 Pfennig für die Kilowattstunde Strom. Damit wäre Solarstrom nicht mehr viel teurer als Kohle- oder Atomstrom und hätte schlagartig den Durchbruch geschafft. Als Zeitraum nannte er damals zwei Jahre, also bis 1994.

Die Grätzel-Zelle besteht aus zwei Glasplatten, zwischen denen sich eine Halbleiterschicht aus Titandioxid befindet. Auf deren Oberfläche haftet ein brauner Farbstoff, der das Metall Ruthenium enthält. Der Farbstoff soll das sichtbare Licht absorbieren und Energie an den Halbleiter weitergeben. Als Flüssigkeit dient eine Jod-Lösung.

Bisher weiß man noch nicht, ob die Solarzelle stabil ist", sagt Frank Willig, Leiter der Abteilung "Dynamik" am Hahn-Meitner-Institut. "Um wirtschaftlich zu sein, müßte ihre Leistung zehn oder zwanzig Jahre konstant bleiben." Würde sich der Farbstoff vorher von der Oberfläche ablösen, könnte die Leistung der Zelle sinken. Nachgewiesen sei heute erst eine Haltbarkeit von einem Jahr, so Willig.

Doch nicht nur Strom kann mit Solarzellen erzeugt werden. Elektrische Ladungen können je nach Halbleiter und Flüssigkeit ganz verschiedene chemische Reaktionen auslösen. "Mit von Sonnenlicht bestrahlten Halbleitern können wir Farbstoffe im Wasser ebenso zersetzen wie Pflanzenschutzmittel oder Alkoholverbindungen", berichtete Michael Hoffmann vom California Institute of Technology in Pasadena.

Besondere Aufmerksamkeit erregte der Vortrag von John Turner. Der Forscher von der "Nationalen Behörde für erneuerbare Energie" aus Golden, Colorado (USA) forscht an dem, was seine Kollegen den "heiligen Gral der Photoelektrochemie" nennen – der Spaltung von Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff (Elektrolyse). Das Wasserstoffgas, das bei der Elektrolyse entsteht, könnte aufgefangen und einfach verbrannt werden. Dabei entsteht nur Wasser. "Man hätte einen Energieträger wie Benzin oder Öl, der aber viel sauberer ist, weil er seine Energie ganz ohne Schadstoffe abgibt", so Helmut Tributsch.

Das Problem bisher war, daß Wasser nur mit sehr energiereichen Elektronen reagiert. Ladungen, die in Halbleitern durch sichtbares Licht erzeugt werden, haben diese Mindestenergie normalerweise nicht. Turner umging die Schwierigkeit, indem er einen Trick aus der Natur kopierte: Bei der Photosynthese werden die Elektronen nicht in einem Schritt angeregt, sondern in mehreren. Sie können beispielsweise die zur Reaktion notwendige Energie gewinnen, indem sie nacheinander zwei energiearme "rote" Lichtteilchen absorbieren.

Turner konstruierte eine Solarzelle aus zwei Schichten. Im ersten Halbleiter nehmen die Elektronen jeweils die Energie eines Lichtteilchens auf. Dann fließen sie in den zweiten, wo sie die Energie eines weiteren Photons absorbieren. Nun haben die Elektronen genug Energie, um das Wasser in seine Bestandteile zu zerlegen. Turner wandelte immerhin zwölf Prozent der einfallenden Sonnenergie in die chemische Energie des Wasserstoffs um – ein bislang unerreichter Wert.

Vielleicht ist dank Turners Entwicklung irgendwann eine sonnenbetriebene Wasserstoffproduktion möglich. Die Vision einer sauberen, abgasfreien Welt wäre damit ein Stück näher gerückt.

Quelle: Berliner Zeitung Vermischtes 26.8.1998

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Experten für Umschwung in der europäischen Klimapolitik

CO2-Handel. Die EU setzt zur Erreichung des Kyoto-Ziels auch auf einen Handel mit Emissions-Papieren.

Die Arbeitskreise bei den Technologiegesprächen brachten erwartete und unerwartete Ergebnisse. Während die Forderungen nach eine stärkeren Fokussierung der Technologiepolitik seit Jahren auf dem Programm stehen, ergaben sich beim Thema Klimaschutz völlig neue Ansichten. Verantwortlich dafür war der Beamte in der EU- Kommission (Generaldirektion 12), Pierre Valette, der erstmals die überarbeitete EU-Position für den Klimagipfel im November in Buenos Aires vorstellte.

Valettes nüchterner Befund im Arbeitskreis "Dimensionen der Energiepolitik": Das vor einem dreiviertel Jahr in Kyoto gesetzte Ziel, wonach die EU ihre Treibhausgase bis 2008/ 2010 um acht Prozent reduzieren muß, ist mit technologischem Fortschritt allein nicht erreichbar. Setze man in Europa voll auf erneuerbare Energie, sei ein Potential von lediglich rund 3,5 Prozent an CO 2-Reduktion wahrscheinlich, erklärte der EU- Experte.

Daraus zieht Valette den Schluß, daß der technologische Fortschritt für die Reduktion der Treibhausgase nicht ausreichend ist. Vielmehr müsse danach getrachtet werden, einen breiteren Ansatz in der europäischen Energiepolitik zu finden. Dies könnte laut dem EU-Experten durch die Einbeziehung des CO2-Handels erfolgen.

Dieses "emission-trading" sieht vor, daß Länder Treibgas-Kontingente von anderen Ländern kaufen, um so trotz Nicht-Erreichung der Kyoto-Reduktionsziele den völkerrechtlich verpflichtenden Auflagen zu entsprechen. Im Gegenzug muß der Verkäufer die abgegebenen Kontingente durch höhere Emissions-Reduktionen kompensieren. Bisher hat sich die EU gegenüber dem in den USA ventilierten Emissions-Handel äußerst reserviert gezeigt. Daß nun der führende EU-Experte für diese Variante plädiert, wird als Umschwung gewertet - sehr zum Leidwesen der anwesenden grünen Umweltpolitikerin, Monika Langthaler.

Unrealistische Vorgaben?

Neben technischen Innovationen und emission-trading plädierte Valette für die "Internalisierung externer Kosten". Hinter diesem Ausdruck verbirgt sich die Anrechnung heute nicht kalkulierter Umweltkosten zu Lasten der Verursacher.

Wirtschaftsvertreter stellten in Alpbach klar, daß die heutigen Vorstellung zur Treibhausgasreduktion "unrealistisch" seien. EVN-Chef Rudolf Gruber sagte, daß die Ziele zu hoch gesteckt seien. Österreich habe sich zu einer 13prozentigen Emissionskürzung verpflichtet, obwohl es ohnehin bereits den höchsten Anteil an erneuerbarer Energie innerhalb der EU habe.

"Technischer Fortschritt - vernichtet oder schafft er Arbeitsplätze?" - in diesem Arbeitskreis legte VA- Tech-Chef Othmar Pühringer einige Annäherungen vor. Einigkeit bestehe darüber, daß der technologischer Fortschritt unrentable Arbeitsplätze vernichte und rentable schaffe. Klar sei, daß ein Verzicht auf Fortschritt Arbeitsplätze koste, weil die Konkurrenz davon profitiere.

Pühringer forderte ein klares Bekenntnis zur Innovation. Der "Bannfluch", der auf der Biotechnologie laste, beruhe auf Mißverständnissen. Zum gescheiterten Technologiekonzept meinte der VA-Tech-Chef, dieses habe offensichtlich für "zu wenig Wirbel" gesorgt. Künftig fordere er, Pühringer, von der Regierung "nicht die, aber eine Technologieoffensive".

Hostasch: Neue Maschinen

Im Arbeitskreis "Europäisches Rahmenprogramm und Nationale Technologiepolitik" kritisierten die Experten, daß die europäischen Programme nicht die dringend benötigte Spitzenforschung förderten. Bekräftigt wurde die Forderung nach einer besseren Vernetzung - insbesondere nach einer intensiveren Zusammenarbeit der wissenschaftlichen Institutionen mit den Unternehmen - , sowie nach einer stärkeren Schwerpunktsetzung bei der Forschungsförderung.

Sozialministerin Lore Hostasch erklärte bei ihrem Referat, der technische Fortschritt erhöhe das Rationalisierungspotential, biete aber auch die Chance, "genügend neue Beschäftigungsmöglichkeiten zu schaffen, um Freisetzungen zumindest zu kompensieren". Solange die Menschen nicht bedürfnislos seien, entstünden durch den technischen Fortschritt neue Produktmärkte und neue Betätigungsfelder. Die Innovation erhöhe die Wettbewerbsfähigkeit und erfordere neue, arbeitssparende Maschinen. Deren Herstellung rege wiederum die Investitionsgüterindustrie an. Zudem sieht Hostasch die Möglichkeit, technikbedingte Freisetzungen von Arbeitskräften durch Arbeitszeitverkürzung zu kompensieren. Diese müsse mittelfristig kostenneutral im Rahmen des Produktivitätsfortschritts erfolgen.

Quelle: Die Presse (Wien) 23.8.1998

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Das politische Buch: Umgang mit dem Klima-Gau

Die Erfahrung lehrt, daß viele Entwicklungen in den USA mit der Verzögerung von einigen Jahren nach Europa herüber schwappen. Um darauf vorbereitet zu sein, ist es ratsam, gelegentlich einen genaueren Blick auf die andere Seite des Atlantiks zu richten. Von den Auseinandersetzungen über die Klimaforschung und -politik, die der US-Journalist Ross Gelbspan in Der Klima-Gau untersucht, ist zu hoffen, daß sie in Deutschland keine Nachahmung finden.

Gelbspan legt sein Augenmerk auf die gesellschaftlichen und politischen Aspekte der Klimaproblematik. Sein Buch ist eine Detailstudie über den Umgang mit wissenschaftlichen Informationen, über die rücksichtslosen Methoden und die Macht wirtschaftlicher Interessengruppen, über die Korrumpierbarkeit von Wissenschaftlern und die Bedeutung der Medien in der Politik.

Wenn Unternehmen ihre wirtschaftli chen Interessen durch ökologisch motivierte Maßnahmen gefährdet sehen, kennen sie bekanntlich keinen Spaß. Als sich die internationale Staatengemeinschaft im Sommer 1992 auf dem Erdgipfel in Rio de Janeiro anschickte, Reduktionsziele für die Treibhausgase zu beschließen, formierte sich in den betroffenen Industriebereichen erbitterter Widerstand gegen die von Umweltschützern und Klimaforschern angeblich betriebene Panikmache.

Gelbspan schildert, wie vor allem die Öl- und Kohle-Industrie mit Millionenaufwand eine Propaganda-Kampagne führt, um Öffentlichkeit und Politiker davon zu überzeugen, daß es keine soliden wissenschaftliche Belege für einen menschengemachten Treibhauseffekt gebe, sondern daß hinter den überzogenen Warnungen nichts weiter stehe, als das Bemühen von Wissenschaftlern um Forschungsgelder. Interessant ist hier der Hinweis, daß sich an den Lobby-Aktivitäten auch die deutsche Kohle-Industrie beteiligte.

Den vorerst letzten Höhepunkt erreichte der Kampf um die Interpretation der wissenschaftlichen Befunde kurz vor und während des Klimagipfels in Kyoto im Dezember 1998. Mit einer massiven Anzeigenkampagne schürte die Industrie Ängste, indem sie den Niedergang der US-Industrie und die Zerstörung des amerikanischen "Way of life" in Aussicht stellten, falls die USA den Forderungen der EU nach einer 15prozentiger Reduktion ihrer Emissionen nachgeben sollten.

Die Kapitel, in denen Gelbspan ausführlich darstellt, wie sich die Industrie einzelner Forscher bediente, um auf die Politik Einfluß zu nehmen, gehören zu den spannendsten - aber auch zu den bedrückendsten. Mit finanzieller Unterstützung der Industrie gelang es einer Handvoll Wissenschaftler durch starke Medienpräsenz und aggressive Rhetorik, den Sichtweisen der Skeptiker in der Öffentlichkeit ein Gewicht zu verleihen, das in keinem Verhältnis zu ihrer Stellung in der Wissenschaftsgemeinschaft stand. Nach Gelbspans Einschätzung ist die Strategie der Industrie aufgegangen, weil es gelang, die Klimaforschung selbst als das Problem darzustellen und damit die Debatte über Maßnahmen zur Verminderung von Emissionen weitgehend zu ersticken. Unter Bezugnahme auf die Klimawandel-Skeptiker beschloß der von Republikanern dominierte US-Kongreß 1992, Gelder zur Untersuchung des Klimawandels drastisch zu kürzen.

Bisher gibt es kein Gegengewicht zur Anti-Klimaschutz-Lobby, auch wenn sich mittlerweile einige Konzerne, darunter Shell und BP, öffentlichkeitswirksam von der abwehrenden Haltung ihrer Branchen distanzieren, das Problem anerkennen und beginnen, es progressiv anzugehen. Banken und Versicherungen verfügen zwar über ein enormes wirtschaftliches Potential, spielen aber nach wie vor keine Rolle in der Klimapolitik. Und auch die Umweltverbände können der Finanzkraft der Konzerne nur wenig entgegensetzen. Deshalb gibt sich Gelbspan auch keinen Hoffnungen hin, daß sich an der aktuellen Politik-Blockade bald etwas ändert.

Einige Schwachpunkte dieses faktenreichen, engagiert und flüssig geschriebenen Buches sollen jedoch nicht verheimlicht werden. Gelbspans Darstellung wissenschaftlicher Befunde läßt einerseits Ausgewogenheit vermissen und steht andererseits auch fachlich zum Teil auf dünnen Beinen. Hier gilt das Motto "Schuster bleib' bei deinen Leisten" - Gelbspan ist Journalist, kein Klimatologe. Zudem ist das Buch phasenweise zu langatmig. Trotzdem ist es Pflichtlektüre für umweltpolitisch Engagierte und Interessierte.

Ross Gelbspan: Der Klima-Gau. Erdöl, Macht und Politik, Gerling Akademie Verlag, 248 Seiten, 56 Mark.

Quelle: Frankfurter Rundschau 20.8.1998

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"Deutschland ist nicht mehr Umwelt-Vorreiter"

Naturschutzverbände klagen die Regierung Kohl an / Die vergangenen vier Jahre seien ökologisch die "schwärzesten seit den siebziger Jahren" gewesen / Schröder dürfe nicht so weitermachen

BONN, 20. August. Der Naturschutzbund Deutschland (NABU) hat der Bundesregierung ein nahezu komplettes Versagen in der Umweltpolitik vorgeworfen. Der Präsident des NABU, Jochen Flasbarth, sagte am Donnerstag in Bonn, die vergangenen vier Jahre seien "für die Umwelt die schwärzeste Legislaturperiode seit den siebziger Jahren" gewesen. Die Regierung Kohl habe "wenig versprochen, nichts gehalten, aber alles umgesetzt, was sie angedroht hat".

Flasbarth kritisierte vor allem die Klimapolitik von Umweltministerin Angela Merkel (CDU). Um den Ausstoß von Kohlendioxid wirklich bis 2005 um ein Viertel gegenüber 1990 zu verringern, seien Ökosteuern, eine strenge Wärmenutzungsverordnung sowie Maßnahmen gegen den Autoverkehr nötig. Bei den Selbstverpflichtungen der Industrie zum Klimaschutz handele es sich um "widersprüchliche Kungeleien". So sei unklar, ob die Verpflichtung der Energiebranche überhaupt in Kraft sei. Teil der Vereinbarung sei die Inbetriebnahme des Atomreaktors Mülheim-Kärlich gewesen, die inzwischen untersagt sei.

Auch in der Verkehrs- und Abfallpolitik habe die Regierung "alle Weichen gegen die Umwelt gestellt", sagte Flasbarth. Die immensen Kosten des Transrapid würden dazu führen, daß die Deutsche Bahn ihr restliches Angebot ausdünne. Das Kreislaufwirtschaftsgesetz habe bewirkt, "daß sauber getrennter Müll anschließend in der Verbrennungsanlage landet." Nur auf den internationalen Klimakonferenzen habe Frau Merkel "vorbildliche Arbeit geleistet". Flasbarth appellierte zugleich an die SPD, nicht aus Populismus auf Umweltthemen zu verzichten: "Wenn Schröder das tut, was er angekündigt hat, dann wird die SPD für uns ununterscheidbar von der Regierung Kohl." Schröders Äußerungen zur Umweltpolitik seien "erschreckend und erbärmlich".

"Zehn Jahre Tatenlosigkeit"

Auch der Deutsche Naturschutzring (DNR) übte deutliche Kritik an der Umweltpolitik der Bundesregierung. Auf EU-Ebene vernachlässige oder behindere die Regierung Fortschritte beim Schutz von Umwelt und Natur. Der Generalsekretär des DNR, Helmut Röscheisen, sagte der "Berliner Zeitung": "Deutschland ist in der EU schon lange kein umweltpolitischer Vorreiter mehr." Die Regierung verweigere eine Reform der Agrarpolitik, bremse bei einer EU-weiten ökologischen Steuerreform und widersetze sich einem Klagerecht für Umweltverbände. Verkehrsminister Matthias Wissmann (CDU) arbeite im Interesse der Straßenverkehrslobby, indem er das Alpentransitabkommen mit der Schweiz blockiere. Das Abkommen verlange dem Lkw-Verkehr die Kosten für Schäden an der Umwelt ab.

Initiativen der EU-Kommission für eine stärkere Haftung der Verursacher von Umweltschäden, für bessere Umweltverträglichkeitsprüfungen und für eine strenge Kontrolle gentechnisch manipulierter Organismen würden von deutscher Seite bekämpft. Gleiches gelte für die Verwertung von Altautos. Auf Druck der Bundesregierung sei das Ziel verwässert worden, in der EU die Entwicklung des 5-Liter-Autos zu forcieren. "Was die Bundesregierung durchgesetzt hat, bedeutet zehn Jahre Tatenlosigkeit im Klimaschutz", kritisierte Röscheisen.

Quelle: Berliner Zeitung 20.8.1998

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Sparen für Land und Weltklima

Berlin reduziert durch die "Energiesparpartnerschaft" mit Privatunternehmen seine Kosten für Strom und Heizung um Millionen und vermindert den CO2-Ausstoß Von Bernhard Pötter

Berlin (taz) - Jeden Dienstagmorgen tagt im ersten Stock des Roten Rathauses am Berliner Fernsehturm der Senat der Stadt. Selbst nach Meinung von Teilnehmern produziert der Elferrat der Landesregierung an manchen Tagen viel heiße Luft. Im Keller des Gebäudes geht es dagegen effektiver zu: Die Rathausheizung gehört zu einem bundesweit einmaligen Projekt, von dem Ökonomie und Ökologie gleichermaßen profitieren. Seit 1996 spart das Land Berlin mit der "Energiesparpartnerschaft" gleichzeitig Energiekosten und Kohlendioxid (CO2) ein.

"Der Weg lohnt sich", ist das Fazit eines ersten Zwischenberichts, das die "Berliner Energie Agentur" (BEA) aus dem Projekt gezogen hat. Die Grundidee für die "Energiesparpartnerschaft" ist simpel: Das Land übergibt Gebäude zur Sanierung und Bewirtschaftung an private Unternehmen. Diese investieren in Energiesparmaßnahmen und teilen sich den Gewinn - das eingesparte Geld für Energieleistungen - mit dem Land Berlin. Das Ergebnis ist laut BEA für die so bearbeiteten Gebäude eine "Einspargarantie von 9 bis 11 Prozent der Energiekosten" für das Land (fünf Millionen Mark im Jahr) und eine fünf- bis elfprozentige Verminderung beim CO2-Ausstoß.

Hintergrund des Modells sind die ökologischen und finanziellen Verpflichtungen des Landes Berlin. Einerseits hat die Hauptstadt sich über die bundesweiten 25 Prozent hinaus im Klimabündnis der Städte dazu verpflichtet, bis zum Jahr 2010 sage und schreibe 50 Prozent ihrer CO2-Emissionen von 1987 einzusparen und erreicht derzeit laut dem offiziellen "Energiebericht" mühsam elf Prozent. Andererseits ächzt das Land unter 57 Milliarden Mark Schulden und einem Defizit im Haushalt 1998 von knapp 6 Milliarden Mark. Allein 500 Millionen Mark gibt das Land jährlich für Energiekosten aus. Doch der strikte Sparkurs der SPD-Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing läßt kaum Spielräume für die dringend benötigten öffentlichen Milliardeninvestitionen in den Klimaschutz zu.

Also entwickelte die Umweltverwaltung unter dem SPD-Senator Peter Strieder ein Modell zum Öko-Outsourcing. Von den knapp 6.000 öffentlichen Gebäuden, vor allem Schulen, Ämter und Behörden, wurden jeweils etwa 40 zu bisher drei "Pools" zusammengefaßt.

Beispiel Pool 2: Von den Energiekosten von etwa 10 Millionen Mark ließ das Land sich per Vertrag eine Kostenersparnis von 9 Prozent garantieren. Der private Investor ESB, eine Tochter der saarländischen Saarberg Fernwärme, investierte Mitte 1996 etwa 6,5 Millionen Mark. "Neunzig Prozent davon gehen etwa in neue Zentralen für Heizungsanlagen und in eine computergestützte Überwachung des Verbrauchs", erklärt ESB-Geschäftsführer Bernd Schulz. Das Unternehmen trägt auch die Wartungskosten von etwa 400.000 Mark jährlich. Die Ersparnisse aus dem Pool, dessen Einsparpotential auf knapp 25 Prozent gerechnet wird, fließen mit Ausnahme der neun Prozent Staatsanteil auf das Konto der Investoren, die damit ihre Investitionen, die Finanzierung und die Wartung abdecken müssen. Nach zehn Jahren gehen die Installationen wieder an das Land.

"Reich wird man damit nicht", meint Schulz. Alles hänge daran, ob die Pools gut zusammengestellt seien. Auch Friedrich Brüne von der BEA bestätigt: "Das ist ein hart kalkulierter Vertrag."

Der Clou der Regelung ist die Poolbildung: Land und Investoren achten nach Aussage der BEA scharf darauf, daß es einen gesunden Mix gibt: Einerseits große Plattenbauten aus dem Ostteil, bei denen mit relativ geringen Investitionen viel Energie und Geld gespart werden können, andererseits "kleine Kindertagesstätten" im Westen, bei denen der Aufwand höher und der Ertrag geringer ist. Die Pools sorgen nach der Untersuchung der BEA für "Kalkulationssicherheit" bei den Investoren und vermeiden andererseits "Rosinenpickerei". Der vierte und fünfte Pool sind in Vorbereitung, insgesamt sollen dann 200 Gebäude auf diese Art der öffentlich-privaten Patnerschaft bewirtschaftet werden. Die Anfangsschwierigkeiten der ersten Pools sind beseitigt, ein Mustervertrag für den Aufbau zukünftiger Pools liegt vor. Inzwischen haben Kommunen aus dem Ruhrgebiet, Leipzig, Wien und andere ähnliche Modelle ausgeschrieben.

Doch die Energiepreise sinken - auch weil Berlin die Liberalisierung des Energiemarktes zu Neuverhandlungen mit den Versorgern nutzt. Mit der Bewag wurde vor wenigen Wochen vereinbart, daß das Land jährlich 80 Millionen Mark weniger für seinen Strom zahlt, mit der Gasag wird ebenfalls um Preissenkungen gepokert. Was einerseits die Landeskasse entlastet, belastet andererseits die Wirtschaftlichkeit der Energiesparpools, weil es Energie billiger macht. Jede Senkung der Energiepreise aber schmälert die Rentabilität von Maßnahmen zur Energieeinsparung. ESB-Geschäftsführer Schulz sagt deshalb: "In Zukunft wird es immer knapper."

Quelle: TAZ , 19.08.1998

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Bald geht "Greenpeace" ans Netz

Umweltverbände: Bürger sollen sich vom Atomstrom befreien

Als Bundeswirtschaftsminister Günter Rexrodt (FDP) im Mai nach 60 Jahren die deutschen Strom-Monopole beendete, feierte er dies als Sieg für die Verbraucher: Der erstmalige Wettbewerb zwischen den Energiekonzernen werde die Stromrechnungen drücken. Mit einer anderen Folge der Marktöffnung rechnete Rexrodt aber bestimmt nicht: Umweltverbände rufen die Verbraucher jetzt auf, sich vom Atomstrom zu befreien. Die Bundesbürger sollen die neugewonnene Freiheit nutzen, ihren Elektrizitätsversorger frei zu wählen, rät Walter Homolka, Chef der Umweltschutzorganisation Greenpeace. Bisher wird der Strom für die Haushalte zu 95 Prozent aus Atomkraft sowie klimaschädlicher Kohle und Gas gewonnen. Nach Umfragen möchten die meisten Haushalte mehr erneuerbare Energien aus Sonne, Wasser und Wind.

Genau das will beispielsweise die Naturstrom AG bieten, die von Umweltverbänden wie BUND und dem Naturschutzverband NABU ins Leben gerufen wurde. Wer vom kommenden Jahr an acht Pfennig mehr pro Kilowattstunde zahlt, soll die Garantie erhalten, daß sein Strombedarf restlos aus erneuerbaren Energien gedeckt wird. Für den durchschnittlichen Haushalt würde sich die Stromrechnung nur von 90 auf 115 Mark im Monat erhöhen, rechnet Naturstrom-Aufsichtsrat Ralf Bischof vor.

Einen Umwelttarif bieten etablierte Energieversorger schon länger an. RWE legt auf den Ökozuschlag von 20 Pfennig nochmal denselben Betrag aus eigenen Mitteln drauf und baut damit Anlagen für Wind, Wasser und Solarenergie. 15 000 Haushalte zahlen zumindest für Teile ihres Strombedarfs bereits einen Aufschlag. Das sind allerdings nur 0,5 Prozent aller privaten RWE-Kunden. Die grüne Energiepolitikerin Michaele Hustedt hält solche Umwelttarife für ein Feigenblatt der Konzerne, die ansonsten ungebremst auf Atomkraft und Kohle setzten. Der Anteil erneuerbarer Energien hat sich bei RWE seit der Einführung des Umwelttarifs kaum erhöht.

Einen Ökozuschlag von 20 Pfennig findet Bischof zu hoch: "Das RWE will damit wohl demonstrieren, daß erneuerbare Energien für die meisten Leute unerschwinglich sind". Allerdings wird es auch die Naturstrom AG nicht schaffen, mit ihrem Aufschlag von acht Pfennig alle erneuerbaren Energien zu fördern. Photovoltaik- Strom aus Sonnenenergie wird nur einen Anteil von ein bis zwei Prozent am Naturstrom-Mix haben, weil seine Erzeugung noch sehr teuer ist.

Greenpeace-Chef Homolka sieht ein ganz anderes Problem. Die großen Strom-Konzerne blockierten erneuerbare Energien, indem sie alternativen Lieferanten zu hohe Preise für die Benutzung der Stromnetze abverlangten. Die Umweltschutzorganisation überlegt deshalb, im Herbst selbst eine Firma zur Stromversorgung zu gründen. Atomkraft nein danke – meine Steckdose wird von Greenpeace beliefert?

Quelle: SVZ Online, Mecklenburg Vorpommern, 19.8.1998

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Energiewende von unten

Greenpeace ruft Verbraucher auf, "sauberen" Strom zu beziehen

Bonn/Hamburg - Mit dem Kauf von Ökostrom sollen die Verbraucher in Deutschland zu einer Energiewende von unten beitragen. Die Umweltschutzorganisation Greenpeace ruft alle Stromkunden auf, ihren Strom künftig von "grünen" Versorgern zu beziehen. Entsprechende Absichtserklärungen will Greenpeace in einer bundesweiten Aktion sammeln, sagte Geschäftsführer Walter Homolka in Hamburg.

Der Präsident der Sonnenenergie-Vereinigung Eurosolar, Hermann Scheer (SPD), forderte in Bonn einen "diskriminierungsfreien Netzzugang" für Ökostrom-Anbieter. Die neue Bundesregierung müsse sicherstellen, daß die großen Energieversorger, denen die Stromnetze gehören, Dritte nicht durch überhöhte Gebühren für die Durchleitung von Strom benachteiligen. Eine Verordnung müsse Rechtssicherheit schaffen. Auch die von den Grünen geforderte Regulierungsbehörde nach dem Vorbild des Telekommunikations-Sektors sei für den liberalisierten Strommarkt sinnvoll, sagte Scheer dem "Kölner Stadt-Anzeiger".

Greenpeace kritisierte, daß die Verbraucher noch immer keinen ökologisch "sauberen" Strom zu einem fairen Preis beziehen könnten. Dabei - so Scheer - kalkulierten die Produzenten mit einem Preis von weniger als 35 Pfennig pro Kilowattstunde einschließlich eines Grundtarifs. Konventionell erzeugter Strom koste Privatkunden durchschnittlich bis zu 30 Pfennig.

Nach Berechnungen von Eurosolar könnten alternative Stromanbieter bis 2008 bereits einen Marktanteil von zehn Prozent erreichen. Ein Ökostrom-Zertifikat soll es den Kunden ermöglichen, "glaubwürdige Angebote" ausfindig zu machen.

Quelle: Kölner Stadtanzeiger 18/08/’98

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Ozon-Streß an der Düssel

Wie die NRW-Koalition kein Fahrverbot erließ

Düsseldorf - Der Streit um ein Fahrverbot wegen dramatisch angestiegener Ozonwerte hat alte Gräben in der rot-grünen Koalition in Nordrhein-Westfalen wieder aufgerissen. Das grüne Umweltministerium stand einmal mehr gegen das sozialdemokratische Wirtschafts- und Verkehrsministerium. Das Problem liegt darin, daß in Düsseldorf beide Ministerien eng zusammenarbeiten müssen, um auch in Nordrhein-Westfalen wie in vier anderen Bundesländern ein Fahrverbot auszusprechen. Doch offenbar war die Bereitschaft zum Autostopp bei den Grünen größer als beim sozialdemokratischen Koalitionspartner. So kam es am Dienstag abend zu einem verwirrenden Hin und Her. Erst kündigte das Umweltministerium ein Fahrverbot an, dann sagte das Wirtschaftsministerium nein.

Die Begründung des von der grünen Ministerin Bärbel Höhn geleiteten Hauses zeigte juristische Akribie: Zwar sei im Lande selbst der Grenzwert für ein Fahrverbot nirgends überschritten worden. Doch sei dies in vier Meßstationen in Hessen und Rheinland-Pfalz in unmittelbarer Nähe der Landesgrenze der Fall. Und im Gesetz sei Voraussetzung für Fahrverbote, daß zwei der drei Meßstellen "in diesem Land oder in einem angrenzenden Landkreis liegen". "Eine verrückte Situation", räumte selbst Ministeriumssprecherin Claudia Fasse ein.

Doch diese Gesetzesinterpretation stieß beim sozialdemokratischen Verkehrs- und Wirtschaftsministerium nur auf Kopfschütteln. Mindestens zwei der Meßpunkte müßten im Lande liegen, hieß es dort kategorisch. Der Gesetzestext sei wegen eines "Redaktionsversehens" mißverständlich. Außerdem befand Verkehrsminister Bodo Hombach gegen 21 Uhr, angesichts der späten Stunde sei es nicht mehr möglich, ein Fahrverbot zu verhängen. Man werde am Mittwoch in Ruhe entscheiden. Doch zu einem Fahrverbot dürfte es nun nicht mehr kommen, da ein Sinken der Ozonwerte erwartet wird.

Die herannahende Abkühlung schien allerdings am Mittwoch auch die Streitlust der Ministerien zu dämpfen. Zwar beharrten beide Ministerien auf ihrer gegensätzlichen Gesetzesauslegung, doch wußte Verkehrsminister Hombach den wirklich Schuldigen: "Das Gesetz ist grotesk formuliert", sagte der Sozialdemokrat. Beide Koalitionspartner waren sich einig: Nicht die Koalition, das Bundesgesetz müsse so schnell wie möglich repariert werden. (ap)

Quelle: Kölner Stadtanzeiger, 13/08/’98

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Nur ein "Umwelt-Placebo"?

Dicke Luft in Bonn: Opposition und Regierung streiten um den (Un-)Sinn des Sommersmog-Gesetzes

Bonn - Bundesumweltministerin Angela Merkel (CDU) verlautbarte markige Töne. Kaum hatten Rheinland-Pfalz, Saarland, Hessen und Baden-Württemberg wegen überhöhter Ozon-Werte erste Fahrverbote verhängt, lobte sie die Grundlage dieser Maßnahme - ein Bundesgesetz, das die gelernte Physikerin aus dem Osten vor drei Jahren auf den Weg brachte: das seit Juli 1995 gültige "Gesetz zur Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes".

Nach Ansicht der CDU-Ministerin ist das sogenannte Sommersmog-Gesetz eine wirksame Waffe zur Verbesserung der Luftqualität. Angela Merkel: "Mit dem Ozon-Gesetz hat die Bundesrepublik Deutschland weltweit die schärfste Regelung verabschiedet, nach dem bei Ozon-Spitzenwerten automatisch flächendeckend Fahrverbote für stark emittierende Kraftfahrzeuge verhängt werden."

Ausgerechnet Angela Merkels Parteifreund, der CDU-Bundestagsabgeordnete Klaus Lippold aus dem südhessischen Dietzenbach, sieht in dem Gesetz jedoch nicht viel mehr als ein Schwert aus Pappe. Es stelle sich die Frage, betonte Lippold gestern mit Blick auf die kaum veränderten Verkehrsströme in Hessen, "ob überhaupt noch Wirkungen durch ein regional begrenztes Fahrverbot zu erzielen sind". Der Grund: Angesichts der vielen Ausnahmebestimmungen bleibe ein Großteil der rollenden "Stinker" im Verkehr. Die ökologisch gewünschte Minderung der Ozon-Konzentration habe nur indirekt mit dem Verhalten der Autofahrer zu tun.

Auf die vielen Ausnahmebestimmungen wies die sich selbst rühmende Umweltministerin sogar höchstpersönlich und ausgiebig hin. Das Fahrverbot gilt nämlich unter anderem nicht für "Fahrten von Berufspendlern von und zur Arbeitsstätte", für "Fahrten zum und vom Urlaubsort", für "unaufschiebbare Fahrten im Bereich der Landwirtschaft". Indirekt gab so die Ministerin Tips, wie Autofahrer das angedrohte Bußgeld in Höhe von 80 Mark vermeiden können: Aktentasche und/oder Thermoskanne mitführen, Koffer und Urlaubsprospekte jederzeit bereithalten. Die Irritationen der Autofahrer lenkte die FDP-Bundestagsabgeordnete Birgit Homburger aus Baden-Württemberg gleich Richtung CDU-Ministerin um. Schließlich ist Wahlkampf. Die FDP-Frau gab der CDU-Frau die Aufforderung mit auf den Weg, künftig für eine "umfassende Information über die Fahrverbotsregelungen zu sorgen". Und weil Autofahrer auch Wähler sind, empfahl Birgit Homburger: "Die Behörden sollten bei den Fahrzeugbesitzern, die ihre schadstoffarmen Autos trotz fehlender Plakette benutzen, Milde zeigen und es bei einer Ermahnung belassen."

Dem rot-grünen Lager bot sich mit dem Ozon-Alarm die willkommene Gelegenheit, sich als ökologische Sauberkraft zu profilieren. Stoßrichtung: Nicht die Autofahrer mit den stinkenden Kisten sind das Problem, sondern die Umweltministerin. Das umstrittene Sommersmog-Gesetz von 1995, führte SPD-Umweltexperte Michael Müller aus, sei "eine große Niederlage für Frau Merkel gewesen". Auf Druck von Verkehrsminister Matthias Wissmann seien die Grenzwerte viel zu großzügig festgelegt worden: "Ein Placebo-Gesetz."

In die gleiche Kerbe hieben die Grünen: Die Grenzwerte seien viel zu hoch, außerdem werde bei den Mess-Methoden getrickst. Nach Ansicht des grünen Bundestagsabgeordneten Jürgen Rochlitz muß es mehr Mess-Stationen in dünnbesiedelten Räumen geben, weil das vom Straßenverkehr ausgehende Stickstoff-Monoxid vorhandenes Ozon teilweise abbaut.

Grünen-Sprecher Jürgen Trittin hob zum Rundumschlag gegen Ministerin Merkel wegen des Ozon-Gesetzes und deren Ja zur Kernenergie an. Die Botschaft hinter der Botschaft: Trittin wäre in einer rot-grünen Bundesregierung gerne Umweltminister.

Quelle: Kölner Stadtanzeiger, 13/08/’98

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Sonne und Wind als Job-Maschinen

Umweltministerin setzt auf erneuerbare Energien

Schwerin Windräder, Solarzellen und Biomasse-Heizkraftwerke könnten zur "Job-Maschine mit Tausenden Arbeitsplätzen" in Mecklenburg-Vorpommern werden. Das sagte Bau- und Umweltministerin Bärbel Kleedehn (CDU) am Rande einer Fachtagung über regenerative Energien.

Bereits sechs Prozent des Energiebedarfs im Lande werden alternativ erzeugt. Allein die 354 Windkraftanlagen produzieren fünf Prozent (158,5 Megawatt). Entsprechende Technologien könnten nach Ansicht von Bärbel Kleedehn zu einem der wichtigsten Standbeine der Wirtschaft im Lande werden. Kleedehn regte zudem einen "Runden Tisch für Klimaschutz" an. Immerhin sei MV das einzige Bundesland mit einem konkreten Klimaschutzkonzept.

Auf der gestern in Schwerin veranstalteten Konferenz "Mit erneuerbaren Energien ins nächste Jahrtausend" plädierte die Ministerin dafür, das Potential des Landes zu nutzen. Mit 1800 Stunden pro Jahr scheine die Sonne im Nordosten durchaus oft genug, um Solarenergie-Anlagen zu nutzen. (Zum Vergleich: In Thessaloniki scheint die Sonne etwa 2650 Stunden pro Jahr.)

Einem stärkeren Einsatz der Solarenergie steht allerdings nach Aussage von Hugo Klöbzig, Vorstandsmitglied der Stadtwerke Schwerin, noch der hohe Kaufpreis der Sonnenzellen entgegen. Überlegungen, eine Lärmschutzwand an der Stadtumgehung für Sonnenenergie zu nutzen, scheiterten deshalb. Klöbzig: "Wir haben ausgerechnet, daß wir 1,60 DM pro Kilowattstunde, bei Förderung 78 Pfennig, berechnen müßten." Zur Zeit zahlen die Stromkunden etwa 30 Pfennig pro Kilowattstunde.

Um mit Solarenergie in diese Preisregionen zu gelangen, seien noch "technologische Quantensprünge nötig", sagte Fritz Vahrenholt, Vorstandsmitglied der Deutschen Shell AG. Das Unternehmen errichtet zur Zeit in Gelsenkirchen das weltgrößte Werk für Solaranlagen. Noch wettbewerbsfähiger als Sonnenenergie seien im Nordosten Windkraftanlagen und Biomasse-Heizkraftwerke, so Vahrenholt. Deshalb prüfe Shell Investitionen in Mecklenburg-Vorpommern. Das Land sei in der glücklichen Lage, einen Holzüberschuß zu haben. Holz ist einer der Brennstoffe, aus denen in Biomasse-Kraftwerken Energie gewonnen wird

Quelle: SVZ Online, Mecklenburg Vorpommern, 10.8.1998

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Keine Sonnenkraftwerke ?

Warum das Rüttgers-Ministerium die solarthermische Technologie behindert

Bonn - Jürgen Rüttgers (CDU), im Bonner Kabinett für Bildung und Forschung zuständig, läßt sich gern als "Zukunftsminister" titulieren. Was freilich das Bemühen seines Hauses betrifft, einen Atom-Ausstieg voranzutreiben, sehen Kritiker in Rüttgers eher einen "Zukunftsverhinderer". Das Forschungsministerium (BMBF), so der Vorwurf, behindere die Entwicklung von Solarkraftwerken, die in zehn bis 20 Jahren Atomkraftwerke weithin ersetzen könnten.

Vor kurzem erst hat das BMBF die letzten acht Millionen Mark, die in die Solarthermie-Forschung geflossen sind, mit der Begründung gestrichen, das System sei ja bereits marktreif. Umgekehrt, so verlautet aus Brüssel, torpediere dort dasselbe Ressort alle Anstrengungen, dieser Technologie zum Durchbruch zu verhelfen. Auf Anfrage des "Kölner Stadt-Anzeiger" tat das BMBF Solarkraftwerke als "teure Vision" ab.

Wer "Solarstrom" hört, der denkt zumeist an Sonnenkollektoren auf dem Dach. Dieses System hat den Vorteil, daß es auch bei bedecktem Himmel funktioniert. Es läßt sich überall installieren und eignet sich für den Kleinbetrieb. Allerdings sind die Solarzellen - und dementsprechend der von ihnen produzierte Strom - (noch) verhältnismäßig teuer. Mittelfristig angepeilt ist ein Strompreis von einer Mark pro Kilowattstunde.

Für solarthermisch erzeugten Strom braucht es dagegen großdimensionierte Anlagen. Riesige Spiegel bündeln das Sonnenlicht; die entstehende Wärme wird über Turbinen und Generatoren in Strom umgewandelt. Der Betrieb eines Solarkraftwerks setzt ständige Sonneneinstrahlung voraus. Daher kommen nur südliche Regionen als Standorte in Frage, zum Beispiel Halbwüsten im Südosten Spaniens. Von dort müßte der Strom nach Norden geleitet werden. Zwei Prozent der spanischen Landfläche würden die Stromversorgung für ganz Mitteleuropa gewährleisten.

Schon 1996 hat das Freiburger Öko-Institut Solarstrom als wesentliches Element in einem künftigen Energie-Mix ohne Atomstrom hervorgehoben. In einer neuen Studie rechnen die Karlsruher Physiker Henry Kalb und Werner Vogel vor, daß Solarkraftwerke Strom für neun Pfennige pro Kilowattstunde liefern könnten - nur zwei Pfennige teurer als Atomstrom. Die Forscher stützen sich auf einschlägige Daten aus den USA, wo Großanlagen mit einer Leistung von mehreren hundert Megawatt am Netz sind.

Deutsche Firmen weltweit führend

Andere Experten verweisen ergänzend darauf, daß Deutschland in der Fertigungstechnik weltweit führend sei, etwa mit der Kölner Firma Pilkington (ehemals Flachglas). Hier wurden die Spiegel für ein Solarkraftwerk in Kalifornien entwickelt, das Los Angeles mit Strom versorgt.

Das Bonner Umweltministerium hält die Ergebnisse der Karlsruher Studie für "sehr interessant". Dagegen sieht das Forschungsministerium sie als Hirngespinste. Die technischen und wirtschaftlichen Annahmen seien "viel zu optimistisch". Derzeit koste Strom aus solarthermischen Kraftwerken 30 bis 60 Pfennig; ob jemals ein Preis erreicht werde, der mit Atomstrom konkurrieren könne, sei "offen".

Genau diese Wissenslücke wolle die Studie ja schließen, entgegnet Autor Werner Vogel. Das BMBF operiere mit ungenauen und uralten Daten. Was die vom Ministerium befürchteten Investitionen von "mehreren 100 Milliarden Mark" angehe, müßten diese mit den Kosten für Atomkraftwerke verglichen werden. Nach dem Bau arbeite ein Solarkraftwerk extrem kostengünstig, weil es ja keinen Brennstoff benötigt. Entscheidend sei letztlich der Strompreis pro Kilowattstunde.

Kritiker des Forschungsministeriums glauben zu wissen, warum es sich gegenüber solarthermischen Anlagen so ziert. Es fördert einseitig die Photovoltaik (80 Millionen Mark im Energieforschungsetat), obwohl diese Technik für den vom BMBF hochgehaltenen Klimaschutz kaum etwas beiträgt. Jedoch ist sie für die Bürger hierzulande sichtbarer und gegenwärtiger; mit ihr läßt sich "mehr Staat machen". Zudem "stören" Sonnenkollektoren weder die Öl- noch die Kohlewirtschaft oder gar die Atomlobby. Mit Solarkraftwerken dagegen entstünde ihnen eine gefährliche Konkurrenz.

Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Stuttgart hat unterdessen gegen die Widerstände aus Bonn ein Programm zur Markteinführung vorgelegt. Dafür konnten private Investoren gewonnen werden. Bis 2010 sollen 50 solarthermische Kraftwerke entstehen. Ende 2001 soll auf Kreta eine Pilotanlage ans Netz gehen. Die geplante Leistung entspricht der eines normalen Atomkraftwerks

Die größte Hürde ist die Anschubfinanzierung, besonders für den Kraftwerksbau. Hier - so betont etwa der SPD-Energieexperte Hermann Scheer - hätte die Politik mit einem langfristigen Kredit einzuspringen. Vielleicht wäre es an der Zeit, auch Gerhard Schröder darüber zu informieren; hat der SPD-Kanzlerkandidat nicht gerade erst nach einem plausiblen Szenario gefragt für den baldigen Ausstieg aus der Atomenergie?

Quelle: Kölner Stadt Anzeiger 08/08/98

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400 Seiten Einigkeit

Bonner Umwelt-Kommission will mit Bericht niemanden verprellen

Was am Donnerstag um 11 Uhr in Bonn offiziell vorgestellt wird, besteht aus 400 Seiten Einigkeit. Einstimmig gibt die Enquete-Kommission des Bundestags für eine zukunftsfähige Umweltpolitik fast alle ihre Ratschläge. Doch hinter den Kulissen wurde in den vergangenen Wochen heftig gerungen, wenn es um Themen wie Ökosteuer oder Landwirtschaft ging. "Je näher die Bundestagswahl rückte, desto schwieriger wurde die Konsensfindung", bestätigte die Kommissionsvorsitzende Marion Caspers-Merk (SPD) der SZ. "Die Unionsabgeordneten durften nichts Unangenehmes für die Bauern in den Bericht lassen", sagt ein Kommissionsmitglied.

Unerfreuliches für die Landwirte drohte besonders im Kapitel über die Versauerung der Böden, die laut Umweltbundesamt teilweise "dramatische" Ausmaße angenommen hat. Stickoxide oder Ammoniak schädigen Bäume und Grundwasser. Viele Fische wie die Bachforellen erleiden Vergiftungen, säureempfindliche Pflanzen und von ihnen abhängige Tiere werden vertrieben. Für den Ammoniakausstoß sind fast ausschließlich Dünger und Tierhaltung der Bauern verantwortlich. Deutschland bläst auf diese Weise soviel Ammoniak über seine Grenzen wie kein anderer Staat in Europa außer Rußland - und versauert damit osteuropäische Böden.

Kommissionsmitglieder von Grünen und SPD wollten deshalb eine gemeinsame Empfehlung durchsetzen, die Zahl der Tiere pro Hektar Agrarbetrieb zu begrenzen. Das scheiterte ebenso an der Mehrheit der Kommission wie die Forderung nach einer Stickstoffabgabe, mit der sieben europäische Länder bereits den Düngereinsatz bremsen. Da nützte der Opposition nicht einmal der Hinweis, die Enquete-Kommission falle hinter die Position von Bundesumweltministerin Angela Merkel (CDU) zurück, die längst eine solche Strafgebühr plane. Außerdem drückte die Regierungskoalition die Formulierung durch, ökologischer Landbau reduziere die Versauerung nur in geringem Maß.

Offener Streit herrschte auch in der Verkehrspolitik. Eine regelmäßige Erhöhung der Mineralölsteuer wollte die Mehrheit der Kommission ebensowenig empfehlen wie ein Tempolimit. Die Union sieht es als "wesentlichen Erfolg" an, daß in dem Gremium ökonomische Belange dieselbe Rolle spielten wie ökologische. Das ist keine Behauptung der Grünen, sondern des CDU-Kommissionsmitglieds Erich Fritz.

Auf Beton stießen SPD und Grüne mit ihrem Wunsch, die Wohnungsförderung eindeutig auf Alt- statt auf Neubauten zu konzentrieren. Durch bessere Wärmedämmung bei Altbauten wäre der größte Beitrag zum Klimaschutz zu leisten, warb die Vorsitzende Caspers-Merk vergeblich.

Beamte aus dem Bau- und Landwirtschaftsministerium sorgten in den Arbeitskreisen dafür, daß kein Koalitionsabgeordneter von der Linie abwich, berichtete ein Kommissionsmitglied. Trotzdem finden sich Bericht der Enquete-Kommission auch einige neue Forderungen. So soll ein Sachverständigenrat für "nachhaltige" (dauerhaft zukunfts- oder umweltverträgliche) Entwicklung den Kanzler beraten. Außerdem wird eine Recycling-Verordnung für Haushaltsgeräte und Unterhaltungselektronik verlangt – eine glatte Ohrfeige für die Bundesregierung, die eine solche Regelung seit Jahren ankündigt. Alexander Hagelüken

Quelle: Süddeutsche Zeitung Politik 6.7.1998

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Dem Kanzler zeigen, wie Klimaschutz geht

Wer wettet, gewinnt: Binnen sieben Monaten wollen Schüler im Verhältnis so viel Kohlendioxid einsparen wie die Bundesregierung in sieben Jahren

Berlin - Das Hauptquartier ist winzig. Ein kleines Büro in der Fichtelbergschule in Berlin-Steglitz, zwei Schreibtische, Fax, PC, Drucker und Kopierer. Zwischen alten Schränken, Aktenordnern und Zettelchaos sitzt Antje Witting und sortiert Fanpost. Karierte Bluse, Jeans und ein freundliches Gesicht. Die 19jährige ist zusammen mit ihrer Kollegin Claudia König die Koordinatorin für ein Projekt, das Schule machen soll. Es geht um eine Wette, die, seitdem sie von pfiffigen Youngstern des Bundes für Umwelt- und Naturschutz ausgeheckt wurde, nur noch "Die Wette" heißt.

Die Schüler in Deutschland wollen dem Bundeskanzler zeigen, was eine Harke ist. Sie wollen von Flensburg bis nach Füssen beweisen, daß sie in sieben Monaten dieselbe Quote des Klimakillers Kohlendioxid einsparen können wie die Bundesregierung in sieben Jahren. Der "Gegner", mit dem es die Schüler zu tun haben, wird zwar erst in der Bundestagswahl am 27. September ermittelt, doch Antje ist es "egal, wer gewinnt". Auf jeden Fall wird der Bundeskanzler Post von der Fichtelbergschule bekommen, er wird öffentlich herausgefordert werden. "Wenn die Regierung nicht weiß, wie man schnell und wirkungsvoll das Klima schützen kann, machen wir es ihr halt vor", heißt es selbstbewußt im Info-Blatt des Wette-Büros.

Dabei ist Antje Witting eher ein wenig schüchtern. Aber bis in die blonden Haarspitzen motiviert. Schlafen und Essen erledigt sie zu Hause. Die übrige Zeit sitzt sie im Büro und ackert für die Wette, "weil man hier tierisch viel erlebt und weil"s Spaß macht". Seitdem die Aktion über eine Beilage in der Berliner "Tageszeitung" bundesweit publik gemacht wurde und die Medien über das ehrgeizige Vorhaben berichten, seitdem steht das Telefon nicht mehr still. Das nervt, und das freut die jungen Damen im Wettebüro, denn jede Schule und jeder Schüler wird dringend gebraucht. Nach Hochrechnungen des "Unabhängigen Instituts für Umweltfragen" in Berlin müssen etwa 180 Schulen bei der Wette mitmachen. "Wir müssen verrückt sein", sagt Thomas Pettinger, Mitinitiator und Aktivist des Bundes für Umwelt- und Naturschutz (BUND).

Zehn Millionen Kilogramm Kohlendioxid, also 10.000 Tonnen des Klimagifts, wollen die Schüler in sieben Monaten einsparen, so ihr selbstgestecktes Ziel. Das entspricht, so ihr wunderbar anschaulicher Vergleich, einer Energiemenge, mit der man 770 Millionen Tassen heiße Schokolade kochen könnte. Der Berliner Energie-Experte Malte Schmidthals, der dem Wette-Büro als wissenschaftlicher Berater zur Seite steht, sieht "fast beliebig viele Einsparpotentiale" in den Schulen: Heizungsrohre besser isolieren, die Temperatur im Klassenzimmer leicht absenken - dann lernt sich"s auch leichter -, nachts die Heizung runterdrehen, die Raumplanung verbessern, die Beleuchtung optimieren.

Zehn Prozent Einsparung muß auch die Bundesregierung erreichen, wenn Deutschland seine Selbstverpflichtung zum Klimaschutz erfüllen soll: 25 Prozent bis zum Jahr 2005 hatte Kanzler Kohl vollmundig versprochen. 15 Prozent wurden durch den Zusammenbruch der ostdeutschen Industrie ohne eigene Anstrengungen erreicht, bleiben noch 10 Prozent für die nächsten sieben Jahre. "Doch da passiert nichts", ärgert sich Antje, die "Klimaschutzpolitik der Regierung existiert nur auf dem Papier."

Deshalb will man es dem Kanzler vormachen, deshalb die Wette. Zwei Gewinner stehen jetzt schon fest: die Umwelt, aber auch die Kommunen. Denn das Vermeiden von Kohlendioxid bedeutet nichts anderes als Energiesparen, und das bringt bares Geld. Schulen, die bei der Aktion mitmachen, sollten rechtzeitig und unnachgiebig mit ihrem Stadtkämmerer verhandeln. Energieexperte Schmidthals empfiehlt den Fifty-fifty-Mix: Die Hälfte des gesparten Geldes kassieren die Schulen, die andere Hälfte bekommt die Stadt. In Berlin zum Beispiel liegen die Energiekosten der Schulen im Jahr bei saftigen 125 Millionen Mark.

Weil Vertrauen gut ist, Kontrolle aber besser, wird die Wette selbstverständlich überwacht. Strom- und Wärmeverbrauch lassen sich nämlich am Zähler exakt ablesen. Schulen, die mitmachen, bekommen nichts geschenkt, jede Kilowattstunde muß belegt werden. Die Resonanz ist dennoch beachtlich. Letzter Stand: 285 Schulen haben bisher im Wette-Büro die Unterlagen bestellt, 16 Schulen haben sich bereits verbindlich gemeldet, darunter noch keine aus Köln.

Antje meint zu diesem Zwischenstand: "Gut, aber noch nicht sehr gut." Vielleicht sollte sie die Belohnung noch ein wenig deutlicher herausstellen. Keine Wette ohne Wetteinsatz: Für den Sieg der Schüler soll der neue oder alte Kanzler kräftig bluten. "Wenn die Bundesregierung verliert, muß sie uns ein rauschendes Fest geben. Er soll ein ganzes Wochenende dauern, und eingeladen sind alle, die mitgemacht haben." Und wehe, der Kanzler serviert die Schinkenhäppchen auf Alufolie.

Wer wettet wie?

 Schulen und Schüler, die bei der Wette mitmachen wollen, können die Unterlagen im Berliner Wette-Büro unter Tel. 030 /79 70 66 10 bestellen. Unterstützt wird die Wette vom BUND, der Friedrich-Ebert-Stiftung und den Grünen.

Quelle: Kölner Stadt Anzeiger 07/07/’98

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Ein Volk von grünen Illusionisten

Die Deutschen reden sich ein, genug für den Umweltschutz getan zu haben

Deutschland ist grün im Wahljahr 98. So grün, daß ein Stöhnen durch die Republik geht, wenn Nervensägen immer noch von Benzinpreiserhöhung und weniger Urlaubsflügen reden. So grün, daß das innovationsbesessene Forschungsministerium Klimaforschern einen Maulkorb verpaßt, wenn diese öffentlich über Klimaschutz reden wollen. So grün, daß man die ewig nölenden Grünen im September nicht mehr im Bundestag sehen möchte, weil sie den Hals nicht vollbekommen können mit Umwelt, Umwelt, Umwelt.

Ich kann nicht mehr viel tun - diese beruhigende Illusion der Deutschen ist gerade wieder in der Studie des Bundesumweltministeriums (BMU) "Umweltbewußtsein in Deutschland 98" dokumentiert worden. Der Anteil derer, die Umweltschutz als wichtig bis sehr wichtig ansehen, ist gegenüber 1996 um vierzehn Prozent zurückgegangen - nur noch sechs von zehn Bundesbürgern sehen das so. Vier von fünfen glauben, genug für die Umwelt zu tun. Für immer mehr Bürger haben sich die Umweltverhältnisse in der Bundesrepublik derart verbessert, daß nun allmählich Schluß sein könne mit der ewigen Zahlerei für die Umwelt.

Ein Volk von grünen Illusionisten Die Deutschen reden sich ein, genug für den Umweltschutz getan zu haben

 

War vor zwei Jahren noch jeder fünfte bereit, für die Umwelt höhere Müllgebühren zu zahlen, ist es nur noch jeder siebte. 1996 konnten sich 36 Prozent vorstellen, mehr Geld für Umweltprodukte ausgeben, jetzt sind es nur noch 28. Damals erschrak noch die halbe Nation über die vielen umweltschädlichen Produkte im Ladenregal. Heute bereitet dies nur noch 38 Prozent Kopfzerbrechen. Und immer weniger sind bereit, für umweltfreundliche Produkte mit dem Blauen Engel etwas mehr Geld auszugeben. Wozu auch? Eine Flut von Öko- Siegeln suggeriert den Konsumenten, daß die ökologische Marktwirtschaft kurz vor der Vollendung steht. Dabei erfüllen manche Ökolabel wie "Öko-Tex" für Textilien oder "Teppichboden gut" gerade die gesetzlichen Vorgaben - mehr nicht. Erst kürzlich nahm der BUND diverse phantasievoll gestaltete Gütesiegel für Fleisch unter die Lupe. Ergebnis: in neun von zehn Fällen kann niemand sagen, ob das Fleisch nicht doch von Antibiotika-gemästetem Vieh stammt.

Geradezu schräg wird es beim goldenen Kalb, dem Auto. Lärm und Abgase der zig Millionen Autos werden laut BMU-Studie als zentrales Umweltproblem gesehen. Doch ohne Folgen. Vor zwei Jahren meinten noch knapp 40 Prozent, der Umwelt zuliebe sollte man möglichst wenig Auto fahren - jetzt nur noch ein Viertel. Über Ideen wie Tempolimit auf Autobahnen oder autofreie Innenstädte konnte man vor zwei Jahren noch mit drei Vierteln der Deutschen reden, heute nur noch mit der Hälfte. Sie nehmen die Blechmassen hin wie einen verregneten Sommer.

Während Deutschland in den Augen der Befragten ergrünt, verdrecke der Rest der Welt. Da sind die Deutschen betroffen. Sie sorgen sich um die Regenwälder, die die Indonesier und Brasilianer abfackeln und kahlschlagen, oder um das krebsfördernde Ozonloch, wie eine Studie des Waschmittelkonzerns Unilever vor einigen Monaten feststellte. Als schlimmster Umweltverschmutzer hierzulande gilt noch immer die Industrie. Die sich ohnmächtig fühlenden Verbraucher sortieren derweil den Müll mit religiöser Andacht. Wenn sie nicht mit dem Auto auf Spritztour sind - denn mehr als die Hälfte gibt laut BMU-Studie zu, manchmal "mehr so zum Spaß" durchs Land zu brausen. Zu Hause aber haben sie den Umweltschutz wahrgemacht und kaufen phosphatfreie Waschmittel im Jumbo-Pack. Die sind zwar voller seltsamer Füllstoffe, damit das Pulver besser aus der Packung rieselt.

Und während der Blick der Bürger in die Ferne schweift und ihr Umweltelan einer illusionären Zufriedenheit weicht, bahnt sich ein massives ökologisches Rollback an. Im medialen konservativen Trommelfeuer aus Kriminalität, Standortsicherung und Überfremdung wird weiterer Umweltschutz zum Luxus abgestempelt, den sich Deutschland nicht länger leisten kann. Oder er wird einfach weggelobt, wie es Bundesumweltministerin Angela Merkel bei der Vorstellung der BMU-Studie tat. Die positive Beurteilung der Umweltsituation durch die Bundesbürger sei ein Beleg für "unsere erfolgreiche Umweltpolitik". Da lehnt sich das Volk von Illusionisten erleichtert zurück - alle Ökosorgen sind wie weggezaubert: Deutschland ist schon grün.

Quelle: TAZ Nr. 5573 vom 04.07.1998

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Klimaforscher: Kiotoer Protokoll reicht nicht aus

Experten glauben nicht, daß damit die Erwärmung bereits zu stoppen ist. Sie warnen vor Schlupflöchern im Protokoll: Kahlschlag von Wäldern könne als Klimaschutz ausgegeben werden

Bonn (taz) - Das Kioto-Klimaschutzprotokoll sei noch nicht ausreichend, dies erklärte gestern der Vorsitzende der erste Riege der internationalen Klimaforscher, IPCC-Chef Robert Watson. Drei Tage hatten Wissenschaftler aus 46 Ländern des Beratergremiums der UN zu Klimafragen, dem IPCC, in Bad Münstereifel getagt, ihren dritten Bericht vorzubereiten, der in drei Jahren erscheinen soll.

Das Protokoll von Kioto, für das der zweite IPCC-Bericht die wissenschaftliche Grundlage legte, sei ein wichtiger erster Schritt in die richtige Richtung, befand Robert Watson, der auch Berater der Weltbank in Umweltfragen ist, auf der anschließenden Pressekonferenz.

Die vom IPCC vorausgesagte globale Klimaerwärmung um zwei Grad in den nächsten hundert Jahren mit all ihren Folgen würden damit noch nicht abgewendet. Außerdem lasse es große Schlupflöcher. Doch die Tatsache, daß überhaupt irgendeine Reduktion des Ausstoßes von Treibhausgasen beschlossen wurde, hat Watsons Erwartungen an Kioto übertroffen. Sie werde der Anstoß für neue technische Entwicklungen in Richtung Energieeinsparung und erneuerbare Energien sein, hofft er.

Damit dies tatsächlich eintritt, soll ein neuer, in Vorbereitung befindlicher "Special Report" des IPCC eines der großen Schlupflöcher von Kioto stopfen helfen. Denn das Protokoll sieht bekanntlich vor: die Staaten können ihre Verpflichtungen nicht nur erfüllen, indem sie weniger Treibhausgase produzieren. Auch wenn sie sogenannte CO2-Senken schaffen - Wälder, die Kohlendioxid binden - wird ihnen dies gutgeschrieben. Was aber ist ein Wald? Und was ist Aufforstung? Folgt man einer gängigen Definition, nach der eine Waldfläche zu mindestens zehn Prozent von Baumkronen überdeckt sein muß, handelt sich keine Strafe ein, wer aus einem dichten Wald neun von zehn Bäumen fällt. Und wer so viele Bäume pflanzt, daß die Bedeckung von neun auf elf Prozent steigt, hätte demzufolge einen Wald geschaffen. Viele Umweltorganisationen befürchten, so Watson, daß mit solchen Tricks gemogelt werden wird. Der für Ende 2000 erwartete Spezialreport zum Thema Landnutzung soll die Konsequenzen solchen Verhaltens für das Klima aufzeigen.

Immer wiederkehrende Berichte über Druck der Politik auf die Klimaforscher wollte keiner der IPCC-Vertreter kommentieren. Sicher, räumte der Meteorologe Ulrich Cubasch vom Deutschen Klimarechenzentrum ein: Als es endlich soweit war, daß die Meteorologen genügend Meßdaten gesammelt hatten und die Entwickler von Klimamodellen zu brauchbaren Berechnungen in der Lage waren, habe es plötzlich keine Fördermittel mehr gegeben, um diese auch durchzuführen. Ob dies aber politische oder nur finanzielle Gründe hatte, wisse er nicht.

Quelle: TAZ Nr. 5573 vom 04.07.1998

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Energieagentur will mehr Wettbewerb

Bonn (AP) - Die Internationale Energieagentur (IEA) hat die Bundesregierung aufgefordert, den Wettbewerb in den Strom- und Gasmärkten weiter zu forcieren. Zugleich müsse sie für die Abschaffung der Kohlesubventionen eine konkrete Frist nennen, verlangte der IEA-Exekutivdirektor Robert Priddle. Er sprach sich auch für eine bessere Zusammenarbeit von Bund, Ländern und Gemeinden in der Energie- und Umweltpolitik aus. Priddle präsentierte einen Bericht der IEA, in dem die deutsche Energiewirtschaft- und -politik der letzten vier Jahre beurteilt sowie Empfehlungen ausgegeben werden. Die Bundesregierung müsse das Stromeinspeisungsgesetz modifizieren, um Marktverzerrungen zwischen denjenigen Stromversorgern zu beseitigen, die Strom aus regenerativen Energiequellen abnehmen, forderte Priddle. Im Erdgasbereich müßten Fälle, in denen der Netzzugang verweigert werden könne, auf ein Mindestmaß beschränkt werden. Bei der Kohle solle die Bundesregierung weiter aktiv auf die Herstellung gleicher Wettbewerbsbedingungen zwischen Energieträgern, einschließlich der Braunkohle, hinwirken. Darüber hinaus dürfe die Kohlepolitik die Stromversorgungsunternehmen nicht daran hindern, miteinander zu konkurrieren.

Stuttgarter Nachrichten, 27.6.1998

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ENERGIE / Südafrika, Polen und Kolumbien liefern viel

Wachsender Markt für Importkohle

Nach Meinung der Importeure wird ausländische Steinkohle in absehbarer Zeit das deutsche Angebot auf dem heimischen Markt überflügeln. Weltweit stagnierte die Förderung des schwarzen Energieträgers, doch der Handel entwickelte sich lebhaft.

lü DÜSSELDORF. Der Import ausländischer Steinkohle wird weiter wachsen. Angesichts anhaltend rückläufiger Steinkohlenförderung in Deutschland sei ein Anstieg des Importvolumens von voraussichtlich rund 26 Mill. Tonnen 1998 auf ca. 40 Mill. Tonnen im Jahre 2005 zu erwarten, berichtet der Verein Deutscher Kohleimporteure. Wie der Vorstandsvorsitzende Karl Theis auf einer Pressekonferenz in Düsseldorf weiter erklärte, wird Deutschland damit zum bedeutenden Wachstumsmarkt für Importkohle in Europa.

Bereits im Jahre 1997 sei der deutsche Steinkohlenmarkt durch rückläufige Inlandslieferungen und steigende Auslandsbezüge geprägt. So sank die heimische Steinkohlenförderung um 3 % auf 46,5 (47,9) Mill. Tonnen. Die Importe stiegen dagegen um 17 % auf rund 23,1 Mill. t.

Waren die Importe 1991 im wiedervereinigten Deutschland erst mit 20 % am gesamten Steinkohlenaufkommen beteiligt, so habe dieser Wert 1997 bereits bei einem Drittel gelegen. Mitte des nächsten Jahrzehnts werde diese Quote bereits die 60 %-Marke erreichen, betonte Theis. Ein Großteil der importierten Steinkohle kam dem Bericht zufolge aus den Ländern Südafrika, Polen und Kolumbien. Zu den Lieferanten zählen aber auch die USA, Tschechien, Australien, Venezuela und Kanada. Von den Gesamteinfuhren entfielen im Berichtsjahr 86 % auf Steinkohle sowie 14 % auf Steinkohlenkoks und Briketts. Abnehmer waren zu 70 % Kraftwerke sowie Kokereien (18 %) und Abnehmer aus dem Wärmemarkt (12 %).

Weltweit sei die Kohleförderung mit rund 3,84 (3,82) Mrd.t praktisch unverändert geblieben. Rückgängen in China sowie der GUS und den EU-Staaten standen Zunahmen insbesondere in den nord- und südamerikanischen Regionen, in Südafrika und Australien entgegen.

Während die Weltsteinkohlenförderung 1997 stagnierte, setzte der Handel mit diesem Energieträger seine Expansion fort. Dabei erhöhte sich das intrakontinentale Liefervolumen auf 495 (473) Mill. t. Der Seeverkehr nahm um 5 % auf 460 Mill. t zu. Zu diesem Anstieg habe die international gute Stahlkonjunktur beigetragen, wobei insbesondere die Nachfrage nach Kokskohle und Hochofeneinblaskohle merklich gestiegen sei.

International konnte, wie Theis weiter erklärte, im Kohlehandel Australien seine führende Position weiter ausbauen. Den Welthandel mit Steinkohlen bezifferte Theis mit einem Wert von rund 20 Mrd. $. Das Preisniveau habe trotz gestiegenen Handelsvolumens weiter nachgegeben. Die Ursache hierfür sei die über den Zuwachs der Nachfrage hinausgehende Steigerung der Kapazitäten gewesen. Dadurch seien die Spotpreise unter Druck geraten. Rückläufige Seefrachtraten und ein unverändertes Überangebot an Schiffsraum sowie gesunkene Bunkerölpreise hätten diesen Abwärtstrend zusätzlich begünstigt. So sei der Marker-Preis für Kesselkohle cif MW-Europa 1997 mit einem Jahresdurchschnitt von 45 $ pro Tonne Steinkohleneinheit um rund 3 $ unter das Niveau von 1996 gerutscht. Die Importkohle habe dadurch ihren Wärmepreisvorsprung vor den konkurrierenden Energieträgern Erdöl und Erdgas behaupten können.

Die Dollaraufwertung gegenüber der D-Mark um 15 % 1996/97 führte zwar dazu, daß sich der Tonnenpreis um 8 DM auf 82 DM erhöhte. Es zeichne sich jedoch ab, daß die 80-DM-Marke im laufenden Jahr wieder unterschritten werde.

Handelsblatt Wirtschaft 25.6.1998

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Mit dem Atomersatz auf du und du

Gülle, Wind und Müll

Berlin (taz) - Die Wind-, Solar- und Biomassetechnik ist der Ökonische entwachsen und reif für die Massenproduktion. Damit könnte sie die heute erzeugte Atomenergie relativ schnell ersetzen. Das sagt jedenfalls Werner Kleinkauf, Vorsitzender des Ausschusses "Regenerative Energien" beim Verein Deutscher Ingenieure (VDI). Der Antrieb werde dabei wohl aus den Drittweltländern kommen: "Während der Energiebedarf hier stagniert, wird er dort um das zwei- bis dreifache wachsen." Außerdem seien die dezentralen und regenerativen Energien für diese Länder kostengünstiger als die hohen Investitionen in ein dichtes Netz von Großkraftwerken.

Die größte Bedeutung könnte der Wasserkraft zukommen. Ihr Anteil an der deutschen Stromerzeugung beträgt zwar nur fünf Prozent. Länder wie Norwegen setzen aber schon zu 90 Prozent auf diese Quelle und produzieren ihren Strom so billig, daß ihn auch deutsche Energieversorger importieren wollen. Mit Energie aus Biomasse - beim Vergären von Gülle, Holz oder Abfällen entsteht Methan, das in Strom oder Wärme umgewandelt werden kann - ließe sich sechs Prozent des gesamten Strombedarfs in Deutschland decken. Allerdings sind die Kosten der Biomasse-Sammlung oft sehr hoch. Auch Windräder werden inzwischen in industrieller Massenproduktion gefertigt. Sie liefern bislang zwar erst ein Prozent der Energie, neue Anlagen sollen diesen Anteil aber verfünffachen.

In Deutschland kann auch die Aufheizung von Heiz- und Duschwasser mit solarthermischen Anlagen bis zu einem Drittel des häuslichen Wärmebedarfs ersetzen. Doch ist diese ökologisch einwandfreie Wärme immer noch doppelt so teuer wie warmes Wasser von der Öl-Zentralheizung.

In südlichen Ländern ist dagegen sogar schon der hierzulande teure Solarstrom oft billiger als der Bau großer Kraftwerke. Wenn Solarzellen aber für den Export in großen Mengen hergestellt werden können, werden sie billiger und könnten dann auch hier einen größeren Markt erobern. Bei solch Aussichten sieht Kleinkauf gute Chancen, mit Atomkraft durch regenerative Energien abzulösen. Bislang deckt die in AKWs erzeugte Energie in Deutschland ein Drittel des Strom- und damit ein Neuntel des gesamten Energiebedarfs ab. Probleme erwartet Kleinkauf lediglich bei stromintensiven Industriebranchen. Für den Übergang müsse man hier verstärkt auf Kohle und Gas setzen.

Offen ist nach Kleinkauf die Frage der Wirtschaftlichkeit: Schließlich seien die genauen Kosten eines Ausstiegs aus der Atomenergie bis heute nicht bekannt.

TAZ 25.06.1998

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Ökoenergie läßt Politiker kalt

Energieexperten klagen: Erforschung erneuerbarer Energien wird im Vergleich zu Gen- und Informationstechnik von Bund und Ländern nicht genug gefördert

Auch einstige Energiehardliner leugnen es nicht länger: Die erneuerbaren Energieträger sind groß im Kommen. Erdölkonzerne wie Shell erwarten, daß in 60 Jahren zwei Drittel des weltweiten Energiebedarfs aus Sonnenwärme, Biomasse, Windenergie und Wasserkraft gewonnen wird. Und die Fachleute des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI) versprechen sich einen Jobboom durch eine umweltfreundliche Energieversorgung Europas. Selbst die Exportindustrie könnte davon profitieren.

"Doch gegenüber anderen Bereichen wie der Informations- und Gentechnik wird die Erforschung der nachhaltigen Energieerzeugung unterbewertet", beklagt der Vorsitzende des Ausschusses "Regenerative Energien" beim VDI, Werner Kleinkauf. Er und zehn andere führende Wissenschaftler aus der Energieforschung werfen der Bundesregierung in einem noch unveröffentlichten Papier vor, einer entsprechenden Forschungspolitik "keinen Nachdruck" zu verleihen.

Den "Aufruf zur Neubestimmung der Aufgaben und Bedeutung öffentlich geförderter Energieforschung und -entwicklung" haben die "Verantwortlichen in der deutschen Energieforschung" unterzeichnet - darunter die Leiter der Deutschen Gesellschaft für Luft- und Raumfahrt, des Hahn- Meitner-Instituts, Uni-Professoren und Fusionsforscher. Weil die Deregulierung der Energiemärkte zu einem hohen Kostendruck bei den öffentlichen Energieversorgern führe, würden sie alte, umweltbelastende Kraftwerke kaum erneuern. Für die Erforschung und Entwicklung nachhaltiger Techniken bleibe daher nur wenig Geld übrig.

Wenn in wachsstumsstarken Regionen der steigende Energieverbrauch weiter "ungehemmt aus fossilen Energieträgern" gedeckt wird, werde daraus "mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Klimaverschiebung resultieren". Die Wissenschaftler fordern deshalb "wohlhabende Wirtschaftsnationen" wie Deutschland auf, die "wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und hohe Kompetenz in der Wissenschaft" einzusetzen, um die Probleme zu lösen. Vor allem müsse die Vernetzung verschiedener regionaler Energiequellen wie Biomasse, Wind- und Sonnenenergie gefördert werden.

Neben möglichen Energieeinsparungen in der Industrie, beim Wohnen und in der Freizeit sehen die Experten gute Chancen für die Brennstoffzellentechnik und die Kernfusion. Doch nicht nur der Umwelt würde eine stärkere Forschungsförderung nutzen. Auch die Exportwirtschaft könnte sich dann in einem weltweiten Zukunftsmarkt etablieren.

Die Politik hat bislang nicht nur diese Chancen der erneuerbaren Energien verkannt. Laut einer VDI-Prognose könnten durch die alternative Energieerzeugung bis zu 1,65 Millionen neue Jobs in Europa entstehen. Das geht aber nur, wenn die EU den Anteil erneuerbarer Energien von heute sechs Prozent bis zum Jahr 2010 verdoppelt. Deren Anteil an der gesamten Energieversorgung beträgt in Deutschland heute ganze zwei Prozent.

Da sind die Pläne von Brandenburgs Wirtschaftsminister Burkhard Dreher schon ehrgeizig: Die Landesregierung will bis 2010 immerhin eine Quote von fünf Prozent erreichen und dazu besonders die Erdwärme fördern. Bisher hat die Landesregierung schon 100 Millionen Mark in erneuerbare Energien gesteckt. 

Die erneuerbaren Energien in Deutschland sind aber noch deutlich teurer als die Energie aus Kohlekraftwerken. Besonders wenn die Kraftwerke alt und ihre Baukosten bereits abgeschrieben sind, können die grünen Energien nicht mithalten. So verkaufen sich heute selbst Sonnenkollektoren für warmes Wasser, die schon 25 Jahre auf dem Markt sind und inzwischen als technisch ausgereift gelten, vor allem dann, wenn sie von Ländern wie Nordrhein-Westfalen oder Rheinland-Pfalz gefördert werden. Das Energie-Wirtschaftsgesetz, das kürzlich verabschiedet wurde, fördert den Preisdruck auf dem Energiemarkt zusätzlich. Denn künftig werden nicht nur Industrieunternehmen, sondern auch Privatleute sich den günstigsten unter verschiedenen Stromanbietern aussuchen können.

Immerhin hat das Gesetz die Investitionsbedingungen zum Beispiel für die Betreiber von Windkraftanlagen verbessert: Sie müssen nun nicht mehr befürchten, daß ihnen die Energieversorger eines Tages kein Geld mehr für den ins öffentliche Netz eingespeisten Windstrom geben. Diese Geldquelle sei den Windparkbetreibern durch das neue Recht auch langfristig garantiert.

TAZ 25.06.1998, Marcus Franken

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Kohl geißelt die Stromwirtschaft

RWE: Selbstkritik zur 100-Jahr-Feier - Ablösung?

Essen - Bundeskanzler Helmut Kohl hat die deutsche Stromwirtschaft wegen ihres Verhaltens bei den Castor-Atommüll-Transporten heftig kritisiert. Auf der Feier zum 100jährigen Bestehen des Essener Energiekonzerns RWE rügte er, den deutschen Kernkraftwerksbetreibern mangele es an politischer Sensibilität und an "gesellschaftspolitischem Verantwortungsgefühl". Sie hätten es unterlassen, die zuständigen Behörden über radioaktiven Verunreinigungen zu informieren. Er habe "keinerlei Verständnis für deren Verhalten". Die Kernenergie sei wie kaum ein anderer Bereich auf das Vertrauen der Bürger angewiesen. Und dieses Vertrauen sei im Zusammenhang mit dem Transport von Castor-Behältern "schwer erschüttert" worden. Dennoch hält Kohl die Atomenergie für ebenso unverzichtbar wie den Aufschluß des gleichfalls politisch heftig umstrittenen Braunkohle-Tagebaus Garzweiler II.

RWE-Chef-Dietmar Kuhnt hatte zuvor öffentlich Selbstkritik geübt: "So wie wir mit den Brennelement-Transporten nach Frankreich umgegangen sind, haben wir eine Vertrauenskrise herbeigeführt und uns damit selber den größten Schaden zugefügt". Beobachter werteten dies durchweg als einen Hinweis darauf, daß nun in der Chefetage des Konzerns Köpfe rollen werden. Als angeschlagen gilt vor allem Roland Fahrnung, Chef der Tochter RWE Energie AG, die die gesamte Stromwirtschaft einschließlich der Atomkraftwerke umfaßt. Das Verhältnis zwischen Kuhnt und Fahrnung gilt seit längerer Zeit als gespannt. Als möglicher Nachfolger wird Richard Klein (SPD), Ex-Oberstadtdirektor von Duisburg und bei RWE in der Entsorgungssparte tätig, gehandelt.

Verschärft hatten sich die internen Spannungen im RWE gestern kurz vor Beginn der großen Festsitzung durch eine Aussage des Leiters des RWE-Kernkraftwerkes Gundremmingen, der den nächsten Castor-Transport bereits im Januar 1999 als denkbar avisiert hatte. RWE hat daraufhin offiziell klargestellt, die nächsten Brennelemente-Transporte würden erst dann stattfinden, wenn der von der Bundesumweltministerin Angela Merkel verhängte Transport-Stopp aufgehoben ist und "alle derzeit diskutierten Fragestellungen gelöst sind".

 

Kölner Stadt Anzeiger 06/06/'98, Leonhard Spielhofer

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Kohl für Kohle, Shell für Sonne

Regierung hinkt Industrie hinterher

Berlin (taz) - Bundeskanzler Helmut Kohl hat gestern ein eindrückliches Symbol für seine Energiepolitik gesetzt: In der Lausitz eröffnete er das Braunkohlekraftwerk Schwarze Pumpe. Nach Lesart der Bundesregierung ein Kraftwerk mit modernster Technik - tatsächlich längst veraltet, denn die Braunkohle an sich ist das Problem, da kann die Technik noch so modern sein. Währenddessen wurde ein paar hundert Kilometer westlich in Gelsenkirchen ein Signal für eine neue Energiepolitik gesetzt: von Shell. Der Mineralölkonzern legte dort den Grundstein für die nach eigenen Angaben größte Solarzellenfabrik der Welt.

Noch immer läuft der Schlagabtausch zwischen Bundesumweltministerin Merkel, den Ländern und der Atomindustrie. Immer mehr deutet auch auf eine Verantwortung von Angela Merkel hin, die offenbar nicht einmal einen Stopp der Castor-Transporte so verhängen kann, daß er auch rechtswirksam ist.

Für Shells Umweltvorstand Fritz Vahrenholt ist klar, daß ab 2020 der Ölabsatz des Konzerns wieder sinken wird, weil nicht mehr soviel Öl gefördert werden kann. "Danach muß die erneuerbare Energie diesen Rückgang kompensieren", sagte Vahrenholt im Interview mit der taz. Der internationale Chef des Shell-Konzerns äußerte bereits die Vision, "in 50 Jahren könnte Shell 50 Prozent in Öl und 50 Prozent Erneuerbare sein". Freilich ist Shell da kein Vorreiter. Der US-Gas- und Stromkonzern Enron sowie der Ölmulti BP machten es vor. Auch Shell folgt nur der ökonomischen Vernunft: Wenn Öl und Gas versiegen, brauchen sie ein anderes Standbein.

Doch die Bundesregierung versäumt es, die Sonnen- und Windenergie entschieden zu fördern, verunsichert statt dessen kleine Investoren durch die ständigen Angriffe auf die Einspeisevergütung. Und sie setzt, zusammen mit dem ostdeutsche Stromkonzern Veag, auf Braunkohle, obwohl Braunkohle doppelt soviel Kohlendioxid freisetzt bei der Strom- und Wärmeerzeugung wie Gas. Und setzt weiter auf die Atomindustrie, die sich gerade so kräftig diskreditiert. Dabei ermöglichen es die derzeitigen Strom-Überkapazitäten, selbst ohne das neue Kraftwerk Schwarze Pumpe, aus der Atomenergie sofort auszusteigen. Und wenn eine Bundesregierung entschlossen Energie sparen würde, könnte sie den gesamten Energieverbrauch um ein Viertel bis 2020 verringern, errechnete das Freiburger Ökoinstitut. Wenn sie nur will.

TAZ, Matthias Urbach 04/05/'98

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Wehe, wenn die Wärme kommt

Kyoto war ein aufregender und entscheidender Meilenstein auf dem Weg zu einem wirksamen globalen Handeln in Fragen des Klimawandels", sagte der Exekutivsekretär der UNO-Klimakonvention, Michael Zammit Cutajar, gestern zum Auftakt der zweiwöchigen Klimakonferenz in Bonn.

   Sechs Monate nach der Verabschiedung des Kyoto-Protokolls zur UNO-Klimarahmenkonvention beraten Vertreter von 150 Ländern nun über die praktische Umsetzung der Vereinbarungen zur Reduzierung von klimaschädigenden Treibhausgasen.Während der Verhandlungen wollen die Teilnehmer auch die nächste Vertragsstaatenkonferenz vorbereiten, die im November in Buenos Aires stattfindet.

   Umweltschutzverbände und Bündnis90/Die Grünen kritisierten das Kyoto-Protokoll erneut als unzureichend. Der Vereinbarung von Kyoto zufolge wollen die Industriestaaten die sechs wichtigsten Treibhausgase im Zeitraum zwischen 2008 und 2012 um durchschnittlich 5,2 Prozent gegenüber 1990 reduzieren.

   Für die EU-Staaten sieht das Protokoll eine Reduktion um acht Prozent vor. Die USA sollen die Treibhausgase um sieben Prozent und Japan um sechs Prozent vermindern.

   Mehrere Staaten dürfen jedoch ihren Schadstoffausstoß sogar noch vergrößern; Entwicklungsländer bleiben zunächst ganz von Begrenzungen ausgenommen. Bislang haben nur 34 Staaten dieses Abkommen unterschrieben.

   Gegen allzu strikte Vorschriften wenden sich vor allem die USA, die aber zugleich den weltweit größten Anteil an der Emission von Treibhausgasen haben. Klärungsbedarf gibt es laut Zammit Cutajar unter anderem noch hinsichtlich der vereinbarten Möglichkeiten für Industriestaaten, Treibhausgas-Emissionen in Zusammenarbeit mit anderen Staaten abzubauen.

   So sieht das "Verfahren zur reinen Entwicklung" vor, daß Industriestaaten auch Projekte zur Senkung von Emissionen in Entwicklungsländern finanzieren und dafür Gutschriften für ihr eigenes Emissionssenkungssoll erhalten können.

   Auch Möglichkeiten zum internationalen Handel mit Emissionsrechten sind vorgesehen. Der World Wildlife Fund (WWF) warnte die Konferenzteilnehmer in Bonn davor, die Beschlüsse von Kyoto weiter zu verwässern. Sonst drohe sogar ein Rückschlag im internationalen Klimaschutz. Greenpeace verwies auf aktuelle Studien, die regional einen bedrohlichen Temperaturanstieg zeigten. Dieser könne erhebliche Auswirkungen auf den befürchteten Anstieg des Meeresspiegels haben.

   Laut eines UNO-Berichts wird gegen Ende des 21. Jahrhunderts die Temperatur der Erde um 1,0 bis 3,5 Grad Celsius angestiegen sein. Der Meeresspiegel wird um 15 bis 95 Zentimeter ansteigen, im Schnitt wird die Erhöhung bei 50 Zentimetern liegen. Arktis und Antarktis müssen dem UNO-Bericht zufolge mit "größeren physikalischen und ökologischen Veränderungen" rechnen, darunter vor allem dem Abschmelzen der Gletscher.

   Den kleinen Inseln in Karibik und Pazifik droht schlicht der Untergang. Die Bahamas, Kiribati, die Malediven und die Marshall-Inseln, die allesamt kaum aus dem Meer herausragen, wird es möglicherweise irgendwann nicht mehr geben. Afrika ist fast gar nicht auf die drohenden Entwicklungen vorbereitet und erscheint kaum in der Lage, angemessene Gegenstrategien zu entwickeln. Bereits eine minimale Erderwärmung hat ernste Auswirkungen für die Region.

   Der Kontinent wird künftig mit noch größerer Dürre zu rechnen haben. Schon jetzt ist Afrika am stärksten von der Ausbreitung der Wüsten betroffen. Auch in Asien stehen einschneidende Veränderungen bevor. Japan, China, Sibirien und der koreanischen Halbinsel droht ein weiteres Verschwinden von Wäldern, sowie Wassermangel.

   Europa wird von der Klimaveränderung zwar nicht ausgespart, hat aber relativ gute Vorkehrungen getroffen, um den härtesten Auswirkungen zu begegnen. Vor allem für den Süden des alten Kontinents sagen die Experten mehr Trockenheit voraus.   (afp)

Hamburger Abendblatt 03/06/'98

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Seltsamer Handel im Treibhaus

Weltweit brennen ausgedörrte Wälder, Wissenschaftler registrieren Rekordtemperaturen, Satelliten senden alarmierende Daten über schmelzende Gletscher. Doch die Industriestaaten, die sich im vergangenen Dezember für den Klimaschutzvertrag von Kyoto feiern ließen, versuchen derzeit alles, um die damals eingegangenen Verpflichtungen zu verringern.

Die USA und Japan sind bereits dabei, sich vom Klimaschutz freizukaufen. Rußland bietet ihnen dazu die Möglichkeit, da der wirtschaftliche Zusammenbruch den Ausstoß an Treibhausgasen dort stärker reduziert hat, als der Kyotovertrag dies abverlangt. Der Handel mit russischen Zertifikaten, die den Käufern zusätzliche Emissionen erlauben, wuchert unkontrolliert. Die EU präsentiert sich kaum besser: In Kyoto trat sie noch als Vorkämpferin für eine deutliche Verminderung der Treibhausgase ein. Inzwischen können sich die EU-Staaten nicht einmal einigen, wie sie ihre Treibhausgase bis 2010 um die in Kyoto festgelegten acht Prozent verringern – eine ohnehin zu geringe Quote, wie Wissenschaftler schon während der Konferenz mahnten. Bei den laufenden Verhandlungen muß die EU sich auf ihre Protagonistenrolle besinnen und dafür sorgen, daß der Vertrag nach Geist und Buchstaben erfüllt wird. Deshalb müssen für den Handel mit Emissionszertifikaten schnell strenge Regeln gefunden werden.

Berliner Zeitung Von Christian Schwägerl 03/06/'98

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Umweltschützer warnen vor Abschwächung der Beschlüsse

Internationale Klima-Tagung in Bonn bereitet Gipfel von Buenos Aires vor

Bonn. (afp) Sechs Monate nach der Verabschiedung des Kyoto-Protokolls zur UN-Klimakonvention haben in Bonn Verhandlungen über die Umsetzung der Vereinbarungen begonnen. Die Vertreter von 150 Staaten wollen bei zehntägigen Beratungen auch die nächste Klimakonferenz vorbereiten, die im November in Buenos Aires stattfindet.

Der World Wildlife Fund (WWF) warnte die Teilnehmer davor, die Beschlüsse von Kyoto weiter zu verwässern. Sonst drohe sogar ein Rückschlag im internationalen Klimaschutz. Greenpeace verwies auf aktuelle Studien, die regional einen bedrohlichen Temperaturanstieg zeigten. Dieser könne erhebliche Auswirkungen auf den befürchteten Anstieg des Meeresspiegels haben.

Die Grünen-Umweltpolitikerin Michaele Hustedt rief dazu auf, die Schlupflöcher des Kyoto-Abkommens zu stopfen. Mit Blick auf den geplanten Handel mit Rechten, die Luft durch Abgase zu verschmutzen, forderte sie, der größte Teil der Treibhausgas-Verringerung müsse auf jeden Fall jeweils im eigenen Land erbracht werden.

Michael Zammit Cutajar, Exekutivsekretär der Konvention,sagte zum Auftakt der Bonner Konferenz: "Kyoto war ein aufregender und entscheidender Meilenstein auf dem Weg zu einem wirksamen globalen Handeln in Fragen des Klimawandels." Er verwies aber zugleich auf zahlreiche offene Fragen auf dem Weg zur praktischen Umsetzung der Beschlüsse.

Der Vereinbarung von Kyoto zufolge wollen die Industriestaaten die sechs wichtigsten Treibhausgase im Zeitraum zwischen 2008 und 2012 um durchschnittlich 5,2 Prozent gegenüber 1990 reduzieren. Für die EU-Staaten sieht das Protokoll eine Verringerung um acht Prozent vor. Die USA sollen die Treibhausgase um sieben, Japan um sechs Prozent vermindern. Mehrere Staaten dürfen jedoch ihren Schadstoffausstoß sogar noch vergrößern; Entwicklungsländer bleiben zunächst ganz von Begrenzungen ausgenommen.

Bislang haben nur 34 Staaten das Abkommen unterschrieben. Gegen zu strikte Vorschriften wenden sich vor allem die USA, die aber zugleich den weltweit größten Anteil am Ausstoß von Treibhausgasen haben.

Quelle: Kölnische Rundschau03/06/'98

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