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Copyright lt. Quellennachweis Die Redaktion recherchiert nach eigenem Ermessen, ohne Anspruch auf Vollständigkeit und Richtigkeit zu erheben, in den genannten Quellen.

Pressearchiv 1999 Klimaschutz, Energiepolitik

 

 

 

 

 

 

 

 


Kleine Zelle, große Wirkung:

Bald fahren Autos sauber mit Wasserstoff

Fahrzeugtechnik: Die Brennstoffzelle als alternatives Antriebskonzept der Zukunft - Mobilität des Menschens soll nicht ausschließlich von der Monokultur Erdöl abhängen
Schadstoffarm, leise und von erneuerbaren Energien betrieben - diese Attribute soll das Auto der Zukunft erfüllen. Dr.-Ing. Ferdinand Panik, Direktor bei DaimlerChrysler, sieht für die Verwirklichung dieses Anspruchs große Chancen in der Brennstoffzellentechnologie.

Leise schlängelt sich ein Fahrzeug der Mercedes-Benz-A-Klasse durch die Stuttgarter Innenstadt. Aus dem Auspuff des Autos entweichen keinerlei Abgase, sondern lediglich Wasserdampf. Das Versuchsfahrzeug "New Electric Car" (Necar 4), das hier auf Testfahrt ist, besitzt statt eines Verbrennungsmotors eine wasserstoffbe- triebene Brennstoffzelle, die Strom für den Elektroantrieb des Fahrzeugs liefert. Die Energie wird dabei unmittelbar aus der kontrollierten Reaktion von Wasserstoff und Luftsauerstoff gewonnen, wobei keine Emissionen entstehen. Die Entwickler haben mit Necar 4 einen entscheidenden Schritt hin zur Serienreife vollzogen. Das Fahrzeug ist bis zu 145 km/h schnell, hat eine Reichweite von rund 450 km und bietet für fünf Personen mit Gepäck ausreichend Platz.
Noch handelt es sich bei den Brennstoffzellenautos um einzelne Versuchsfahrzeuge, aber bereits für das Jahr 2004 hat DaimlerChrysler die Markteinführung geplant. Die Fortschritte, die bei der Entwicklung des Brennstoffzellenfahrzeugs in den vergangenen Jahren erreicht werden konnten, verfestigen die Hoffnungen, die in diese Technologie gesetzt wurden, und demonstrieren die technische Machbarkeit.
Sicher ist, dass durch die Begrenzung der Ölvorkommen alternative Kraftstoffe in einigen Jahrzehnten relevant werden. Einer weltweit stark anwachsenden Nachfrage nach Mobilität steht die Entwicklung gegenüber, dass immer weniger Rohölvorkommen erschlossen werden. Entsprechend sollte die Mobilität von Menschen und Gütern, die nicht nur eine der größten Errungenschaften unseres Zeitalters ist, sondern auch zu den tragenden Säulen der Volkswirtschaften zählt, nicht ausschließlich von der Monokultur Rohöl abhängen. Daher brauchen wir alternative Kraftstoffe für die Zukunft.

Der Einsatz der Brennstoffzellenfahrzeuge ist mit verschiedenen Treibstoffen und unter Anwendung unterschiedlicher Erzeugungsmethoden möglich. Aus heutiger Sicht von DaimlerChrysler erscheinen Wasserstoff und Methanol jedoch als die aussichtsreichsten, nicht zuletzt weil sie technisch einfach umzusetzen sind, die geringsten Emissionen aufweisen und die Möglichkeit eröffnen, regenerative Energiequellen für mobile Anwendungen nutzbar zu machen.
Die Energiegewinnung aus Wasserstoff ist dabei vergleichsweise einfach und von hoher Effizienz - der Gesamtwirkungsgrad der mit Wasserstoff betriebenen Brennstoffzelle liegt weit höher als bei der Verwendung von Benzin oder auch Methanol als Kraftstoff. Der entscheidende Vorteil des Einsatzes von Wasserstoff ist, dass der Betrieb der Brennstoffzelle auf diese Weise vollkommen schadstofffrei ist.
Gegenüber konventionellen Kraftstoffen besteht das Problem, dass für den Wasserstoff die herkömmliche Tankstelleninfrastruktur nicht genutzt werden kann. Daher eignen sich Brennstoffzellenfahrzeuge mit Wasserstoff an Bord mittelfristig nur für den Flottenverkehr und Fuhrparks, die in einem regional begrenzten Gebiet operieren und zu den zentralen Wasserstofftankstellen zurückkehren können. Beispiele: Postzusteller, Lieferdienste, Taxis. Sie alle könnten zukünftig in doppelter Hinsicht zu Null-Emissions-Fahrzeugen werden: keine Abgase, kaum Lärm. Darüber hinaus gilt die mit Wasserstoff betriebene Brennstoffzelle derzeit als beste Option insbesondere für die Märkte, deren Gesetzgebung in absehbarer Zeit Null-Emissions-Fahrzeuge verlangt.

Als alternativen Kraftstoff setzt DaimlerChrysler bei seinen Brennstoffzellenfahrzeugen auch Methanol ein. Das Prinzip der Methanolreformierung hat einen entscheidenden Vorteil: Es eignet sich für den Individualverkehr. Da Methanol bei Zimmertemperatur flüssig ist, könnte es ebenso wie die herkömmlichen Kraftstoffe Benzin oder Diesel an einer gängigen Tankstelle getankt werden. Die Ausstattung der heutigen Tankstellen müsste dazu nur leicht modifiziert werden.
Methanol ist der am besten geeignete Stoff, um Wasserstoff in flüssiger Form zu speichern und um emissionsarme und effiziente Brennstoffzellenfahrzeuge anzutreiben. Im Vergleich zu Wasserstoff ist die Energiegewinnung im Fahrzeug aus Methanol zwar nicht vollkommen emissionsfrei, aber es entstehen keine Stickoxide, kein Schwefeloxid, Kohlenwasserstoff und auch keine Rußpartikel. Die Emissionen von Kohlendioxid sind erheblich geringer als beim Verbrennungsmotor: Eine auf Methanolbasis arbeitende Brennstoffzelle setzt bis zu 30 % weniger CO2-Emmissionen frei als ein mit Benzin oder Diesel betriebener Verbrennungsmotor.
Derzeit stellt die Industrie Methanol (etwa zu 70 %) aus Erdgas her. Der Kraftstoff hat gegenüber Benzin oder Diesel den Vorteil, nicht an Erdöl gebunden zu sein. Erdgas ist nach wie vor in großen Mengen und in vielen verschiedenen Gebieten vorhanden. Einen weiteren entscheidenden Vorteil, der für den Einsatz von Methanol spricht, sieht DaimlerChrysler in der Möglichkeit, Methanol mittel- und langfristig aus regenerativen Energieträgern (zum Beispie Biomasse, Holz oder Abfällen) zu gewinnen. Dann ist die CO2-Bilanz für Methanol ebenfalls neutral, da die beim Betrieb des Fahrzeugs freigesetzte Menge durch die Pflanzen zuvor beim Wachstum absorbiert wurde.
Die Tatsache, dass die Brennstoffzelle vor dem Hintergrund des deutschen Klimazieles (bis 2005 etwas 25 % weniger CO2-Ausstoß gegenüber 1990) keine kurzfristigen Verbesserungen bringen wird, darf nicht als Argument gegen diese Technologie gelten. Zum Erreichen kurzfristiger Klimaziele arbeitet DaimlerChrysler kontinuierlich an der Verbesserung des Verbrennungsmotors. Tatsächlich ist die Brennstoffzelle als mobiler Antrieb aber langfristig und als möglicher Einsatz für den herkömmlichen Verbrennungsmotor die Alternative, die uns über solche Anforderungen weit hinausbringen wird.

Es wird darauf ankommen, wo die politischen Weichen gestellt werden, dass die mobile Brennstoffzelle auf ihrem Weg in die Serienreife freie Fahrt hat. Denn ob in USA, Japan oder europaweit - die Entwicklung der Brennstoffzellentechnologie eröffnet neue Geschäftsfelder und fordert gleichzeitig neue Formen der Ausbildung und der Produktionsprozesse. Der Erfolg im internationalen Wettbewerb hängt in kritischem Maße von einem frühen Beginn dieses Transformationsprozesses ab.
Weltweit arbeiten mittlerweile mehr als 60 Firmen am Thema Brennstoffzelle, darunter sieben der zehn umsatzstärksten Unternehmen. Wenn wir heute nicht die Einführung von Brennstoffzellenfahrzeugen intensiv weiterverfolgen, dann werden es andere tun. Die Unterhaltungsindustrie ist ein Beispiel in der jüngsten Vergangenheit, in der die deutsche Wirtschaft zunächst eine Vorreiterrolle hatte und anschließend den wirtschaftlichen Erfolg den asiatischen Wettbewerbern überließ. Dies darf sich mit der Brennstoffzellentechnologie nicht wiederholen. Die Aktivitäten unserer Wettbewerber, gerade im japanischen Raum, deuten aber genau auf diese Gefahr wieder hin: Allein die vier größten japanischen Automobilkonzerne haben im Jahr 1999 rund 1,6 Mrd. DM eigene Mittel in die Entwicklungsarbeiten für mobile Brennstoffzellen investiert.
Die Arbeiten an der Brennstoffzelle werden längst nicht mehr nur durch Technologie- und Umweltaspekte motiviert, sondern stellen inzwischen einen echten Wettbewerbsfaktor dar - ein Wettbewerbsfaktor, der über Hightech-Arbeitsplätze, wirtschaftlichen Erfolg und die Mobilität der Zukunft entscheidet. Daher begreift der DaimlerChrysler-Konzern die Brennstoffzelle als wirtschaftliche Chance und kämpft dafür, dass die Mineralölfirmen und Energieversorger, die Automobilindustrie und die politischen Kräfte weiter daran arbeiten, die Bedingungen für eine erfolgreiche Markteinführung von Brennstoffzellenfahrzeugen zu schaffen. Dazu gehören nach Abschluss der Flottenversuche eine schnelle Einigung auf die zukünftigen Kraftstoffe und die Unterstützung von Regierungsseite beim schnellen Aufbau der Infrastruktur für die neue Technologie. FERDINAND PANIK

Brennstoffzellensystem im Auto: Nach fünf Jahren Entwicklungsarbeit ist es Ingenieuren gelungen, Volumen, Größe und Gewicht des Antriebssystems auf Platzverhältnisse in einem Pkw anzupassen.
Ferdinand Panik: "Die Markteinführung des Brennstoffzellenautos ist für das Jahr 2004 geplant."

Quelle: VDI nachrichten, 31.12.1999

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Atemnot im Raumschiff Erde

Der Chef der UN-Umweltbehörde Unep, Klaus Töpfer, über die Chancen für ein Jahrhundert der Umwelt

Hoffnung, dass die menschengemachten Veränderungen im Weltklima noch zu verhindern sind, hat er nicht. "Wir sind bereits im Klimawandel", sagt der Direktor des UN-Umweltprogramms, Klaus Töpfer. Er fordert ein Frühwarnsystem, um die Folgen möglichst gering halten zu können. Mit dem ehemaligen Bonner Umwelt- und Bauminister sprach FR-Redakteur Joachim Wille in Berlin.

FR: Herr Töpfer, das Raumschiff Erde taucht ins Jahr 2000 ein. Sind die Lebenserhaltungssysteme an Bord noch intakt?

Klaus Töpfer: Die Lage ist überaus kritisch. Die weiterhin massiv ansteigende Weltbevölkerung und die wirtschaftliche Dynamik, besonders in den Industriestaaten, bringt das Raumschiff Erde wirklich in Atemnot. Wir dürfen uns nicht täuschen lassen: Die Reparatur der Ozonschicht ist zwar in Gang gekommen, und in den Industriestaaten hat man die Luftschadstoffe Schwefeldioxid und Stickoxide einigermaßen im Griff. Die Erde als vernetztes Natursystem aber hat erhebliche Erschöpfungszustände.

Sie haben kürzlich den Welt-Umweltbericht "Geo 2000" vorgestellt. Der vom Menschen gemachte Klimawandel sei nicht mehr abzuwenden, sondern allenfalls noch abzumildern, hieß es da. Ziemlich pessimistisch.

Ich muss es noch einmal wiederholen: Wir sind bereits im Klimawandel. Die extremen Wettersituationen haben dramatisch zugenommen, Hurrikane, Taifune, gewaltige Niederschläge wie jetzt in Venezuela und der Orkan vom Sonntag in Frankreich und Süddeutschland. Die Wissenschaftler können zwar noch nicht 100prozentig nachweisen, dass dies Folgen des angeheizten Treibhauseffekts sind, aber die Wahrscheinlichkeit ist hoch, und vor allem können wir so eine Ahnung davon bekommen, was uns noch blüht. "Geo 2000" zeigt deutlich, dass der Ausstoß der Treibhausgase weiter anwächst. Die bisher ergriffenen Maßnahmen reichen nicht einmal aus, um sie zu stabilisieren, geschweige denn wieder zu senken.

Gibt es denn überhaupt die Chance gegenzusteuern?

Ich sage ja nicht: Nach uns die Sintflut, lasst uns Titanic spielen. Wir müssen zwei Dinge tun: erstens uns über die Auswirkungen des Klimawandels frühzeitig Klarheit verschaffen und zweitens Strategien zur Anpassung entwickeln. Besonders betroffen werden Afrika, Mittelamerika und Teile Asiens sein. Die große Tragik liegt ja darin, dass diejenigen, die die Atmosphäre mit den Treibhausgasen besonders überladen, die Industriestaaten im reichen Norden, nicht diejenigen sind, die besonders unter den Folgen leiden.

Man soll Dämme bauen gegen den steigenden Meeresspiegel?

Das ist eine mögliche Maßnahme, aber nicht die wichtigste. Das kann helfen, wo man überhaupt das Geld dazu hat, in den Niederlanden zum Beispiel oder in Deutschland an der Nordsee. In Bangladesch wird das schon mehr als schwierig.

Was hilft sonst?

Hauptschwerpunkt der Vorsorge muss eine richtige Landnutzung in den jeweiligen Regionen sein. Die klimastabilisierenden Wälder sollten geschützt und, wo sinnvoll, neu aufgebaut werden. Wir müssen aktive Maßnahmen gegen Wüstenbildung einleiten, das ist wichtig, um die angrenzenden Siedlungsgebiete zu schützen. Oder denken Sie an die Art der Bebauung: Der Hurrikan Mitch in Mexiko zum Beispiel hatte nicht nur wegen seiner außerordentlichen Wucht und den extremen Niederschlägen so verheerende Auswirkungen, sondern auch, weil man viele Häuser mit schlechter Gründung an die Hänge gebaut hatte und sie deswegen einfach weggeschwemmt wurden. Wir brauchen also ein Frühwarnsystem, das uns zeigt, wo als erstes gehandelt werden muss, um wenigstens die Auswirkungen des Klimawandels abzumildern.

Betonen Sie die Vorsorge so, weil Sie sehen: Der Kampf gegen die Treibhausgase auf den internationalen Klimaschutz-Konferenzen kommt nicht voran?

So eine Jahrtausendwende verleitet ja den ein oder anderen zu düsteren Prognosen. Mir geht es aber überhaupt nicht um die Androhung des Weltuntergangs. Die Vorsorge ist einfach notwendig, weil der Klimawandel schon läuft, unabhängig von den Klimaschutzanstrengungen. Hier dürfen wir aber auch nicht locker lassen, und ich bin zuversichtlich, dass wir mit dem Kyoto-Protokoll - es verpflichtet die Industrieländer zur Verringerung des Treibhausgas-Ausstoßes - bald gut vorankommen. Die Oberbremser, die USA, werden ihren Widerstand vielleicht sogar schon beim nächsten Klimagipfel Ende 2000 in den Haag aufgeben.

Woher die Hoffnung?

Positive Impulse kommen ausgerechnet von einer Seite, die bisher eher als Bremse angesehen worden ist - von der Wirtschaft. Wichtige Unternehmen haben die Zeichen der Zeit begriffen und investieren selbst in Energieffizienz, alternative Energien und Ressourcen-Schonung. Ich erwarte sogar, dass die Wirtschaft in manchen Ländern schneller vorangeht als die Regierung.

Beispiele?

Denken Sie an den Chef von BP, John Brown. Er akzeptiert, dass gerade ein Ölkonzern etwas gegen den Klimawandel tun muss und lenkt stattliche Investitionen in erneuerbare Energien um. Oder denken Sie an die von Konzernen wie Daimler-Chrysler oder Ford forcierte Entwicklung der Brennstoffzelle, die den Verkehrssektor revolutionieren kann. Es gibt viele weitere Beispiele. Diese Bewegung wird sich beschleunigen, weil sie sich nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch als sinnvoll herausstellen wird. Ist diese Barriere erst einmal übersprungen, wird das ein Selbstläufer. Um das zu beschleunigen, brauchen wir so etwas wie eine unternehmerische Agenda 21, so wie es eine lokale Agenda 21 für die Städte und Gemeinden gibt. Darin müssen die Ziele, etwa eine Erhöhung der Ressourcenproduktivität um den Faktor vier oder zehn, stehen, aber auch soziale Standards.

Man hat Ihnen vorgeworfen, der "Geo 2000"-Bericht überzeichne die Lage.

So mancher sagt: Trotz aller Krisen ist es auf der Erde ja immer weitergegangen. Das ist mir denn doch zu schlicht. Irgendwie geht es immer weiter. Fragt sich aber eben, wie. So eine unbeschwerte Haltung - die Mentalität der Wegwerfgesellschaft - können wir uns heute nicht mehr leisten, da wir wissen: Es gibt unverrückbare ökologische Grenzen. Noch tun wir so, als sei alles unendlich vorhanden. Wir schmeißen Energie weg, in dem wir sie in den Kraftwerken und Autos viel zu ineffizient nutzen. Wir werfen Natur weg und lassen die roten Listen der aussterbenden Tiere und Pflanzen immer länger werden. Wir werfen Rohstoffe weg, in dem wir zu viel Abfall produzieren, anstatt die Materialien in Kreisläufen zu führen. Dies zu ändern, ist das Zukunftsprogramm und keine Anleitung zur Resignation. Das ist die Herausforderung für den menschlichen Geist.

Eine schöne Vision.

Dazu muss man kein Visionär sein. Vieles von dem, was nötig ist, lässt sich schnell umsetzen, weil die nötigen Technologien schon vorhanden sind. Dem Ingenieur ist in der Tat nichts zu "schwör", wenn nur die richtigen Rahmenbedingungen da sind. Allerdings darf man nicht den Eindruck erwecken, als wäre es alles nur eine Frage der Technik. Das Verhalten und die Konsummuster gerade der Menschen in den Industrieländern müssen sich ändern. Es muss uns bewusst werden, dass Wohlstand mehrere Dimensionen hat, nicht nur die materielle.

Das sind hehre Worte.

Aber wahre. Die fast zwanghafte alleinige Konzentration in der Wirtschaft auf die Entwicklung der Aktienkurse führt zu einem völlig verkürzten Wohlstandsbegriff. Ökologische und soziale Kosten werden auf die Entwicklungsländer und spätere Generationen abgewälzt, sie tauchen in den Bilanzen einfach nicht auf. Aber es gibt sie. An der Lösung dieser Frage hängt nicht nur die Umweltlageauf dem Globus, sondern auch der Weltfrieden.

In "Geo 2000" steht: Hauptursache der globalen Umweltkrise ist neben dem Lebensstil der reichen Minderheit der Weltbevölkerung in der Industriestaaten die Armut der Mehrheit in den Entwicklungsländern. Aber wenn die Armen so leben wollten wie die Reichen, bräuchten wir fünf Planeten Erde.

Es ist völlig ausgeschlossen, auf Entwicklung zu verzichten. Über 1,2 Milliarden Menschen in der Welt müssen mit weniger als einem Dollar pro Tag auskommen. Wollen Sie den Leuten, die keine anständigen Häuser, kein gesundes Trinkwasser, keinen Strom haben, sagen: Ihr müsst arm bleiben, damit nicht zu viel Rohstoffe verbraucht werden? Das geht nicht. Außerdem führt ja gerade die Armut zur Übernutzung der Natur. In einem Land wie Uganda zum Beispiel kommt 90 Prozent der genutzten Energie - fürs Kochen, für Wärme - aus den Wäldern, weil bessere Technologien fehlen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis der Wald weg ist.

Also was tun?

Nicht die Entwicklung in Frage stellen, sondern helfen, sie umweltverträglich zu machen. Im sonnenreichen Uganda zum Beispiel wäre die Solarenergie eine faszinierende Alternative. Auch moderne Wasserspar-Technologien in Landwirtschaft und Haushalten könnten hier, am Oberlauf des Nils, viel zur Entspannung der kritischen Lage beitragen. Das hätte Auswirkungen bis nach Ägypten. Aber die Industriestaaten müssen mithelfen, das zu finanzieren. Die Entwicklungsländer können es schaffen, die Stufe der umweltzerstörenden Industrialisierung zu überspringen und gleich in ein nachhaltiges Wirtschaften überzugehen.

Entwicklungsländer werden sanfte Entwicklungspfade kaum beschreiten, wenn die Industriestaaten nicht vorangehen.

In der Tat. Erste Ansätze, die Rahmenbedingungen für die wirtschaftliche Entwicklung umzusteuern, gibt es ja auch. Zum Beispiel den Einstieg in die ökologische Steuerreform in Deutschland, die die Arbeitskosten verringert und den Energieverbrauch verteuert. In Großbritannien läuft das schon länger; da steigt der Benzinpreis jedes Jahr um sechs Prozent. Das wurde schon unter der konservativen Major-Regierung eingeführt. Und auch die USA werden irgendwann soweit sein. Es geht ja nicht darum, die Leute zu ärgern, sondern einen Anreiz für den Bau und den Kauf sparsamer Autos zu setzen.

Sie sind ein glühender Anhänger von Rot-Grün? Die haben die Öko-Steuerreform ja auf den Weg gebracht.

Soweit ist es nicht. Aber man sollte das Thema ohnehin nicht parteipolitisch monopolisieren. Eine Ökologisierung des Steuersystems passt ideal zur Idee einer öko-sozialen Marktwirtschaft, wie sie die CDU 1992 auf ihrem Hamburger Parteitag ins Grundsatzprogramm geschrieben hat.

Trotzdem hat die CDU das 1995 von ihr entwickelte Ökosteuer-Konzept wieder in der Schublade verschwinden lassen.

Ich empfehle, im Rahmen eines Neubeginns wieder mehr an dieser Thematik zu arbeiten. Gerade eine der Marktwirtschaft verpflichtete Partei wie die Union muss klarstellen, dass ein Abwälzen von Kosten aus der privaten Rechnung auf den Menschen oder die Umwelt in eine Sackgasse führt. Ich habe schon in meiner Zeit als Bundesumweltminister eine Anhebung des Benzinpreises in jährlichen Zehn-Pfennig-Schritten empfohlen, natürlich bei kompletter Rückgabe über die Lohnnebenkosten.

Die Fakten zur globalen Umwelt-Lage sind erdrückend. Als erstes droht die Wasserkrise, die Böden sind weltweit übernutzt, in 30 Jahren werden nur noch Reste des Regenwalds da sein. Trotzdem hat allgemein das Interesse am Umweltschutz stark abgenommen. Es ist doch wie auf der Titanic.

Das hat mit dem Zusammenbruch des kommunistischen Systems zu tun. Der aus der Systemkonkurrenz geborene Zwang, die Marktwirtschaft sozial und auch ökologisch zu machen, fiel weg. Und nun haben wir in der Welt zunehmend eine Marktwirtschaft in Reinkultur, die ist nur noch frei. Ich glaube nicht, dass dies zukunftsfähig ist, denn sie bringt wieder mehr Arbeitslosigkeit, Probleme bei der Alterssicherung und verschärft die Umweltsituation. Wenn man in Deutschland vier Millionen Arbeitslose hat, bedrückt das die Menschen aktuell mehr als die sich abzeichnende globale Krise. Tiefer gehende Untersuchungen zeigen aber, dass die Umwelt-Sensibilität durchaus noch da ist.

Im nächsten Jahrhundert . . .

. . . wird das Umweltthema sehr schnell wieder ganz nach vorne rücken. Das nächste Jahrhundert muss ein Jahrhundert der Umwelt sein, sonst droht wirklich die Unbewohnbarkeit des Globus.

Quelle: Frankfurter Rundschau 28.12.1999

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Greenpeace: Erde muss verstärkt geschützt werden

Umweltschutzorganisationen fordern mehr Mut zu innovativen Lösungen - Spendeneinnahmen rückläufig

Umweltschutzverbände haben zum Jahreswechsel deutlich mehr Anstrengungen für den Schutz der Erde angemahnt. "Die Umweltprobleme verschärfen sich in atemberaubendem Tempo. Wenn wir das Überleben auf der Erde sichern wollen, muss das 21. Jahrhundert das Jahrhundert des Planetenschutzes werden", sagte Brigitte Behrens, Geschäftsführerin von Greenpeace Deutschland, am Donnerstag in Hamburg. Nach einem Jahrhundert der Umweltzerstörung muss nach Ansicht des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) ein Jahrhundert der Umweltbewahrung kommen.

1999 konnte Greenpeace nach den Worten von Behrens wichtige Erfolge verbuchen. Dazu gehörten die Schließung des Atommülllagers Morsleben (Sachsen-Anhalt) sowie der Verzicht großer Supermarktketten auf gentechnisch veränderte Lebensmittel oder auf Urwaldholz im Möbelsortiment.

In diesem Jahr verzeichnet Greenpeace nach eigenen Angaben aber auch einen deutlichen Rückgang der Spendeneinnahmen. "Wir werden vermutlich drei bis fünf Millionen Mark weniger Spenden einnehmen als 1998", erklärte die Greenpeace-Chefin. Das liege wahrscheinlich daran, "dass die Spendenbereitschaft vieler Bundesbürger durch den Kosovo-Krieg und das Erdbeben in der Türkei stark in Anspruch genommen war".

Schwerpunkte für das Jahr 2000 werden die Themen Atomausstieg, Walfang und Gentechnik sein. Zudem sind Kampagnen gegen die Zerstörung der letzten Urwälder geplant. "Die Umweltpolitik der rot- grünen Bundesregierung ist enttäuschend. Vor allem beim Thema Atom hat Rot-Grün den raschen Atomausstieg für ein jahrzehntelanges Auslaufen der Reaktoren aufgegeben. Umso wichtiger, dass Umweltorganisationen wie Greenpeace gegensteuern", erklärte Behrens. Die ungelösten Umweltprobleme verlangten nach ungewöhnlichen Allianzen, sagte Gerhard Timm, Bundesgeschäftsführer des BUND. Umwelt- und Wirtschaftsverbände, Gewerkschaften, politische Mandats- und Amtsträger seien aufgefordert, bisherige Hemmschwellen bei der Kooperation abzubauen und gemeinsam nach Wegen hin u nachhaltigen Wirtschafts- und Lebensformen zu suchen.

Als Hauptfeld notwendigen und schnellen Handelns nannte der BUND die Bekämpfung der Energieverschwendung. Wetterkatastrophen, Wüstenausbreitungen und Artensterben ließen sich nur durch gemeinsame Anstrengungen entschärfen. "Häufigere Wetterextreme wie die Orkane der letzten Tage und die Ölpest an der Atlantikküste sind zwei Seiten derselben Medaille: Beides sind Folgen des zu hohen Energiebedarfs der Industriestaaten", sagte Timm.

Quelle: Welt, Die 30.12.1999

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Ökostrom gefragt

Natur-Energie AG und Greenpeace klagen jedoch über Hindernisse

Grenzach-Wyhlen/Hamburg - Der Stromanbieter Natur-Energie AG (Grenzach-Wyhlen) geht nach eigenen Angaben als Marktführer der Ökostrom-Anbieter in Deutschland in das neue Jahr. Mehr als 142 000 Kunden würden emissionsfrei erzeugten Strom aus regenerativer Wasserkraft, in diesem Fall aus Kraftwerken am Hochrhein und im Schwarzwald, beziehen, berichtete das Unternehmen am Dienstag. Die Natur-Energie AG ist zu je 50 Prozent eine Tochter des Kraftwerks Laufenburg (KWL) und der Kraftübertragungswerke Rheinfelden (KWR). Vom 1. Januar 2000 an bietet die Natur-Energie AG ihren Ökostrom bundesweit an.

Das geplante Gesetz zur Förderung von Ökostrom, das im Frühjahr 2000 in Kraft treten soll, müsse auch Strom aus bestehenden großen Wasserkraftwerken berücksichtigen, forderte Vorstandsmitglied Kai- Hendrik Schlusche. Immerhin komme der Löwenanteil der regenerativ erzeugten Energie in Deutschland aus Wasserkraftwerken. Wenn die Bundesregierung den Anteil von echtem, das heißt regenerativ erzeugtem Ökostrom von momentan vier Prozent an der gesamten Stromerzeugung bis 2010 auf zehn Prozent erhöhen wolle, müsse die Diskriminierung der Wasserkraft beendet werden, fuhr Schlusche fort. Dies müsse zumindest für Betreiber von Wasserkraftwerken gelten, die wie KWL und KWR in den vergangenen zehn Jahren rund 700 Millionen DM in die Erneuerung ihrer Anlagen investiert hätten.

Unterdessen gab die Umweltorganisation Greenpeace bekannt, ihr seit Monaten geplantes Ökostrom-Angebot starte zum Jahreswechsel mit zunächst 6000 Kunden. Die vor sechs Wochen gegründete Einkaufgenossenschaft namens «Greenpeace energy» werde die Stromlieferungen an die Kundschaft nach und nach in den kommenden Wochen aufnehmen, kündigte Greenpeace Deutschland am Dienstag in Hamburg an. «Greenpeace energy» soll demnach so genannten sauberen Strom liefern, der mindestens zur Hälfte aus Energiequellen wie Wind-, Wasser- und Sonnenkraft stammt. Die restlichen Stromlieferungen kommen aus gasbefeuerten Kraftwärmekopplungs-Anlagen.

Greenpeace monierte, die etablierte Stromversorger-Konkurrenz versuche den Abschluss von Lieferverträgen für das Ökostrom-Angebot «teilweise massiv und mit fadenscheinigen Begründungen» zu verzögern. So versuchten einzelne Stromversorger, Kunden von «Greenpeace energy» durch persönliche Briefe und die Androhung, den Strom abzuschalten, von der Kündigung abzuschrecken. Andere verlangten eine so genannte Wechselgebühr von bis zu 100 DM. Derartige «Einschüchterungsbriefe und Strafgebühren» seien unzulässig, erklärte die Organisation und kündigte an, rechtliche Schritte zu prüfen.

Quelle: Berliner Morgenpost 28.12.1999

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Sonnengekühltes Eis

Dreirädrige Kraftwerke als hintersinnige pädagogische Maßnahme:
"Solarcafés" produzieren Sonnenenergie zum Anfassen und sehen auch noch gut aus

Das futuristisch anmutende Gefährt soll auffallen: Das Dach des elegant geschwungenen Dreirades schillert in der Sonne und erzeugt dabei den Strom für die Kühlbox oder die Kaffeemaschine. Wer sich das neugierig aus der Nähe anschauen will, bekommt gleich eine Einführung in Solartechnik. "Das kann jeder kapieren: Wenn man damit Kaffee kochen kann, kann man auch damit duschen." So bringt Sepp Fiedler den pädagogischen Sinn seines "Solarcafés" auf den Punkt. Die von Fiedler entwickelten rollenden Sonnencafés werden für Umweltmessen, an Firmen und an Schulen vermietet, einige hat er auch schon bis nach England und Österreich verkauft. Allein in Berlin sind fünf Solarcafés unterwegs. Dabei hatte der Tüftler zunächst für die Gegenmannschaft gespielt: "Ich komme aus der Physik, habe in mehreren Kernkraftwerken gearbeitet und weiß, wie schwer es die alternative Szene hat, dagegen anzustinken."

Als Fiedler 1992 nach Berlin kam, setzte er sich in den Kopf, Solartechnik erst einmal in ihren einfachsten Grundzügen zu erklären. Das gehe am besten, indem man sie vorführe: "Viele kennen noch nicht einmal den Unterschied zwischen einem thermischen Sonnenkollektor, der Wasser erwärmt, und einer Fotovoltaikanlage, die elektrischen Strom liefert." 1995 erhielt er für seine anschaulichen Projekte den Berliner Umweltpreis. Mit den dreirädrigen Kraftwerken habe er eine Form gefunden, Solarenergie in normale Lebenszusammenhänge zu bringen, sagt Fiedler. "Hintersinnig pädagogisch" nennt er diesen Ansatz.

Wenn er zum Beispiel ein Solarcafé an eine Schule vermietet, ist immer eine Cola-Dose als Anschauungsobjekt dabei. Für die Herstellung einer Getränkedose wird so viel Energie benötigt, wie ein Quadratmeter thermischer Sonnenkollektoren im Schnitt pro Tag produziert. "Viele Schulkinder trinken am Tag aber nicht eine, sondern vier oder fünf Dosen", schätzt Fiedler. Das entspricht dem Energieverbrauch von vier bis fünf Quadratmeter Sonnenkollektoren - eine Anlage dieser Größe reiche für ein Einfamilienhaus völlig aus. Wer also jeden Tag fünf Dosen weniger trinkt, hat damit schon genauso viel Energie eingespart, wie eine 12.000 Mark teure Solaranlage produziert.

Quelle: TAZ 17.12.1999

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Doppelt so viel Ökostrom bis 2010

Bundesregierung bringt Novelle des Stromeinspeisegesetzes in den Bundestag ein. Künftig sollen Produzenten von Wind- und Sonnenenergie höhere Vergütungen bekommen

Berlin (dpa) - SPD und Grüne haben am Donnerstag ihren Gesetzentwurf zur Förderung von Ökostrom aus Sonne, Wind und anderen erneuerbaren Energieträgern in den Bundestag eingebracht. Der grüne Umweltminister Jürgen Trittin lobte den rot-grünen Gesetzentwurf als einen "Meilenstein für den Aufbau einer zukunftsfähigen Energieversorgung". Bis 2010 solle sich der Anteil erneuerbarer Energien an der gesamtem deutschen Stromerzeugung von derzeit fünf auf zehn Prozent verdoppeln.

Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) soll im nächsten Jahr das seit 1990 geltende Stromeinspeisegesetz in seiner bisherigen Form ablösen. Wer zum Beispiel ein Windrad oder eine Biogasanlage errichtete, hatte nach dem alten Gesetz die Möglichkeit, seinen überschüssigen Strom in das Netz seines Stromversorgers einzuspeisen und dafür feste Vergütungen zu erhalten. Diese wurden nun für das EEG neu berechnet und zum Teil stark angehoben. So etwa steigt der garantierte Abnahmepreis für Solarstrom von heute rund 17 auf 99 Pfennig je Kilowattstunde. Windkraft soll durchschnittlich an windreichen Standorten mit 16,5 Pfennig, sonst mit 17,4 Pfennig vergütet werden. Erstmals wird auch Erdwärme gefördert (14 bis 17,5 Pfennig). Biomasse-Strom soll mit 17 bis 20 Pfennig vergütet werden.

Die Kosten bezifferte Wirtschaftsminister Werner Müller auf zunächst 1,5 Milliarden Mark und bei einer Steigerung der Strommenge in den nächsten Jahren höchstens vier Milliarden Mark. Sie sollen mit einer Umlage von zunächst 0,1 Pfennig pro Kilowattstunde von allen Stromnutzern bezahlt werden. Angesichts der nach der Liberalisierung des Strommarkts stark gesunkenen Verbraucherpreise sei dies gerechtfertigt, erklärte Müller. Bislang schlug die Ökoenergie nur bei den norddeutschen Stromversorgern nennenswert zu Buche, wo wegen des besseren Windes die meisten Windräder errichtet wurden.

Die Opposition warf der Koalition vor, eine Energiepolitik ohne Konzept zu verfolgen. So habe sie bislang nicht erklärt, wie sie die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands auf den europäischen Energiemärkten sicherstellen wolle, sagte Kurt-Dieter Grill für die CDU. Außerdem habe das Regierungsbündnis keine echte Alternativen zum Ersatz des Kernenergieanteils an der Stromversorgung. "Wer aussteigen will, muss wissen, wo er einsteigen will."

Erneuerbare Energieträger allein könnten die Atomkraftwerke nicht ersetzen. Deshalb drohe durch den vermehrten Einsatz von Kohle- und Gaskraftwerken eine Erhöhung des klimabelastenden Kohlendioxidausstoßes, warnte Ulrike Flach von der FDP.

Quelle: TAZ 17.12.1999

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Wind treibt die ersten Rotoren an Probebetrieb in Europas leistungsstärkstem Windpark

Geldregen über Klettwitz

In der Lausitz gibt es längst mehr Windräder als Braunkohle-Seen. 1994 lieferten die ersten vier Anlagen bei Luckau (Dahme-Spreewald) umweltfreundlichen Strom.

Beim Regionalversorger envia gingen seitdem Anfragen für 156 Standorte ein. Derzeit können 90 Anlagen zusammen maximal 53 Megawatt Strom erzeugen. Der Durchbruch kam 1998 und 1999, als über 75 Prozent der Kapazitäten installiert wurden.

Bis Jahresende will die Region die 100-Megawatt-Hürde überspringen und zu den führenden Binnenregionen bei der Windkraft aufschließen. Wichtigster Beitrag dafür: der Windpark am Rande von Klettwitz, einer der größten deutschen Windparks mit einer Leistung von über 62 Megawatt.(ADN)Prägen jetzt die Niederlausitzer Landschaft mit ­ Windräder nahe der Gemeinde Klettwitz.(Foto: Ostblick) Wind treibt die ersten Rotoren an

Probebetrieb in Europas leistungsstärkstem Windpark / Geldregen über Klettwitz

</&NBSP;Aus Klettwitz berichtet MANFRED FELLER In Europas derzeit leistungsstärkstem Windpark am Rande von Klettwitz (Oberspreewald-Lausitz-Kreis) sollen sich heute die ersten Rotoren drehen.

Etwa bis Weihnachten könnte das gesamte Nordfeld mit seinen 21 Windkraftanlagen den Probetrieb aufgenommen haben. Das Südfeld, es umfasst 17 Anlagen mit einer Leistung von jeweils 1,65 Megawatt, wird Mitte Januar soweit sein.

Mit der Einspeisung des Stromes aus der insgesamt 150 Millionen Mark teuren Windpark-Investition in das Netz des regionalen Versorgers envia könnte theoretisch sofort begonnen werden. "Die Verträge dazu sind gestern unterschrieben worden", zeigte sich Projektplaner Ralf Heinen vom Ingenieurbüro ITEC aus Hinte (Friesland) sichtlich zufrieden mit den Verhandlungen.

Sorgenfalten dagegen beim Energieversorger. Vom Gesetzgeber vorgeschrieben, muss er den Ökostrom abnehmen und zahlt dafür 17 Pfennig je Kilowattstunde. Das sei fast doppelt so teuer wie bei herkömmlichen Anbietern. Die Mehrbelastung für die envia durch die Stromeinspeisung aus Windkraftanlagen im ehemaligen Essag-Gebiet, so envia-Sprecher Heinz-Dieter Walter, beläuft sich derzeit auf drei Millionen Mark.

Der Mega-Windpark im ehemaligen Kohlerevier bei Klettwitz werde diese zusätzlichen Kosten auf geschätzte zehn Millionen Mark hochschrauben. Dadurch verschlechtere sich zwar die Ertragssituation, an den Abnehmerpreisen werde aber nicht gerüttelt, versicherte Walter. Ohnehin müsse man abwarten, wieviel Strom der Windpark tatsächlich abgibt.

Zuversichtlich und mit straffen Segeln stürmen hingegen die Klettwitzer Gemeindeväter in die Zukunft. Für den 1300-Seelen-Ort unweit des Lausitzrings sind die 111 Meter hohen und landschaftsprägenden "Windmühlen" zumindest finanziell ein Segen. Nach zähen Verhandlungen ist den Investoren die Vorauszahlung der so genannten Gestattungsabgabe (für die Nutzung der örtlichen Infrastruktur) abgerungen worden. Das sind 2,3 Millionen Mark für die nächsten zehn Jahre. Davon soll jährlich ein etwa gleich hoher Betrag für Investitionen in der Gemeinde genutzt werden. Der Rest liegt auf der hohen Kante.

Nach der Abschreibung der Anlagen in ein paar Jahren erwarten die Klettwitzer den nächsten Geldsegen ­ die Gewerbesteuer. Wilfried Brödno, Kämmerer in der Amtsverwaltung Schipkau, rechnet mit mindestens 150 000 Mark im Jahr. Klettwitz hat momentan ein Haushaltsvolumen von 2,9 Millionen Mark.

Lausitzer Rundschau 17.12.1999

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Die neuen Umweltschützer

Gastkommentar von Fritz Vahrenholt

Wir stehen an der Schwelle zu einem neuen Jahrhundert, da haben Themen, die sich mit Zukunftsfragen befassen, Hochkonjunktur. Bemerkenswert ist, dass nationale Regierungen immer seltener langfristig planen oder Verantwortung über die Legislaturperiode hinaus übernehmen. Kurzatmigkeit der Politik in Zukunftsfragen wie der Klimagefahren, der zukünftigen Wasserknappheit oder der Alterssicherung kontrastiert zunehmend mit der langfristigen Zukunftsorientierung großer Unternehmen auf 30, ja 50 Jahre hinaus.

Nehmen wir nur die Energiepolitik. Da scheint es in Deutschland wichtiger zu sein, symbolische Abschaltungen von ein bis zwei Kraftwerken zu veranstalten, anstatt die Frage nach der Energieversorgung des Jahres 2020 zu stellen. Was passiert, wenn die Hälfte der bekannten Ölvorkommen um 2015 erschöpft sind? Was tun wir, wenn in der zweiten Dekade die Klimaveränderung mit voller Wucht auch die gemäßigten Zonen erreicht - nicht nur in Form weltweiter Wanderungsbewegungen? Die Energiefrage wird zur umwelt- und wirtschaftspolitischen Frage des nächsten Jahrhunderts. Niemand weiß sicher, ob uns Solarenergie, Fusionsenergie oder inhärente Hochtemperaturreaktoren dann helfen können. Aber vorantreiben müssen wir diese Technologien schon heute. Denn zu glauben, eine Zehn-Milliarden-Menschheit könne ohne technologische Quantensprünge umweltverträglich produzieren und konsumieren, gehört zu den Lebenslügen einer erstarrten Gesellschaft, die sich nur mit der Gegenwart beschäftigt.

Zukunftsfähigkeit für große Unternehmen stellt drei Anforderungen: es geht um Wertschöpfung oder wirtschaftlichen Erfolg, soziale Kompetenz innerhalb und außerhalb der Unternehmen und natürlich um die Bewältigung ökologischer Herausforderungen. Schaut man sich die Entwicklung großer Unternehmen an, so stellt man fest, dass die corporate identity etwa von Daimler-Chrysler, Bayer, Novartis, Siemens, BP, Shell oder Nestlé zunehmend die gesellschafts- und umweltpolitischen Erwartungen der Öffentlichkeit aufgreift. Vorbei die Zeiten doppelter Standards, Öko-Dumpings und der Absicherung wirtschaftlicher Interessen durch diktatorische Regime. Im Gegenteil: Nichtbeachtung gesellschaftlicher Erfordernisse führt zur Zerstörung der Unternehmenswerte. Union Carbide hat sich nie von Bhopal erholt und ging unter. Die alte Hoechst AG, die zu spät die Bedeutung des Umweltschutzes für die Reputation des Unternehmens erkannt hatte, hat sich letztendlich nur durch radikalen Umbau retten können.

So empfindliche Themen wie die Medikamentenversorgung in den Entwicklungsländern werden heute durch einen gemeinsamen Dialog von beiden großen Kirchen und der Pharmaindustrie geprägt. Daimler-Chrysler beteiligt sich an Weltbankinitiativen zur Luftverbesserung in Mega-Städten. Konzerne wie Monsanto oder Dow setzen sich das Ziel, Umweltschutzunternehmen zu werden, auf den Export von Pestiziden zu verzichten, weil der gefahrenlose Umgang in Entwicklungsländern nicht sichergestellt ist. "Kein Unfall, kein Störfall, keine Beeinträchtigung der Umwelt", so der Vorstandsvorsitzende von Dow Chemical.

Der Schutz der unbefleckten Marke, die Identifikation mit dem Brand ist ein hohes Gut. Wir wissen seit "Brent Spar" um diesen Wert, auch wenn wir glauben, dass andere irrten. Aber es geht nicht nur um Kunden, es geht auch um die Anziehung der besten und qualifiziertesten Talente. Wer geht schon zu Union Carbide? Langfristige Orientierung unter Beachtung der gesellschaftlichen Entwicklungstendenzen ist auch der Schlüssel für den wirtschaftlichen Erfolg multinationaler Unternehmen. Dies ist der Grund, warum BP, Siemens und Shell in erneuerbare Energien investieren. Weil wir die Klimabedrohung ernst nehmen, haben wir mit unseren Investitionen in Solarenergie und Wasserstoff langfristig einen Riesenvorsprung vor unseren Wettbewerbern.

Die Shell hat nach den traumatischen Ereignissen um "Brent Spar" eine Vielzahl von Round-Table-Gesprächen auf der ganzen Welt geführt, an denen Vertreter von Menschenrechts- und Umweltorganisationen, Repräsentanten der Kirchen und Journalisten beteiligt waren. Uns ist dabei klar geworden, dass es nicht ausreicht, lediglich gute Produkte zu angemessenen Preisen bereitzustellen. Die Gesellschaft erwartet heute von großen Unternehmen, dass sie soziale Verantwortung zeigen, sich für die Einhaltung der Menschenrechte einsetzen, aktive und passive Bestechung im Unternehmen radikal bekämpfen, ökologische Aspekte berücksichtigen und mit der Öffentlichkeit hierüber kommunizieren. Die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen hängt entscheidend davon ab, ob sie in der Lage sind, hierauf Antworten zu geben. Wir scheuen uns nicht, hierüber Rechenschaft abzulegen. Gläserne Schornsteine? Längst realisiert: Unseren Umweltbericht schreibt ein kritisches unabhängiges Institut.

Wir alle wissen, drei Kräfte treiben die Märkte zu Beginn des 21. Jahrhunderts: Globalisierung, Liberalisierung und technologische Innovation. Das führt zu erheblichen Kompetenzverlusten der Nationalstaaten. Deren sinkende Lösungskompetenz führt zur Frage, welche Instanzen das entstehende Vakuum füllen können? Sind multinationale Unternehmen dazu in der Lage, wo ihnen doch für eine solche Wahrnehmung die demokratische Legitimation fehlt? Große Unternehmen müssen nicht alles machen, was Umwelt- und Menschenrechtsgruppen von ihnen fordern. Aber hinhören und Bedenkenswertes aufgreifen, das müssen sie schon. In dieser Allianz mit den Umweltverbänden füllen sie einen Teil des Machtvakuums der Nationalstaaten bei globalen Herausforderungen. Es wird noch viele Kyotos geben müssen, damit die Staatengemeinschaft den Anforderungen der Nachhaltigkeit im kommenden Jahrhundert hinreichend Rechnung trägt.

Prof. Dr. Fritz Vahrenholt ist im Vorstand der Deutsche Shell AG und verantwortlich für die Bereiche Chemie, regenerative Energie und Umweltschutz

Quelle: Welt, Die 14.12.1999

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Alternative Nobelpreise in Stockholm verliehen
Garces fordert Bestrafung von Verbrechen gegen Menschheit - Scheer warnt vor Gefahren der Globalisierung

ap STOCKHOLM. Der Gewinner des diesjährigen Alternativen Nobelpreises, Juan Garces, hat am Donnerstag eine Stärkung der Gesetze zum Schutz vor Verbrechen gegen die Menschheit gefordert. Bei der Verleihung des Preises der Right Livelihood Foundation in Stockholm forderte der spanische Anwalt, der das Auslieferungsverfahren gegen den früheren chilenischen Diktator Augusto Pinochet vorantrieb, auch Staatschefs dürften ihrer Strafe für derartige Verbrechen nicht entgehen.

"Straffreiheit ist eine Einladung, weitere Verbrechen zu begehen, und wird damit zur Bedrohung für den internationalen Frieden", sagte Garces. Die beiden anderen der jeweils mit 600 000 Kronen (etwa 137 000 DM) dotierten Preise gingen an die kubanische Organisation Grupo de Agricultura Organica, die auf der Karibikinsel für organische Landwirtschaft eintritt, und an die kolumbianische Organisation Coama für ihre Bemühungen zum Schutz der tropischen Regenwälder.

Der SPD-Bundestagsabgeordnete und Gründer der Europäischen Sonnenenergie-Vereinigung, Hermann Scheer, erhielt einen Ehrenpreis für seinen Einsatz für die Nutzung von Solartechnik und anderer alternativer Energien. Scheer warnte in seiner vorab veröffentlichten Rede vor den Gefahren des Neoliberalismus. "Heute wird unter Globalisierung rücksichtsloser globaler Wettbewerb zu Lasten der natürlichen Umwelt, sozialer Ziele, demokratischer Selbstbestimmung und gewachsener Kulturen verstanden", heißt es in der Rede. Die Menschen hätten aber die Möglichkeit, nicht mehr Teil des Problems, sondern Teil der Lösung zu sein, sagte Scheer weiter.

Gestiftet wurden die Preise, die traditionell einen Tag vor der Verleihung der Nobelpreise überreicht werden, von dem schwedisch-deutschen Philanthropen, Journalisten und Briefmarkenhändler Jakob von Uexkull im Jahr 1980.

Quelle: Handelsblatt 10.12.1999

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Der Solarfighter

Er hat sich eine Jahrhundert-Aufgabe gestellt: die Ablösung der atomaren und fossilen Energie durch Sonne, Wind und Biomasse. Dafür bekommt Hermann Scheer morgen den Alternativen Nobelpreis.

Wer Anfang der 80er-Jahre von Solarenergie als der Zukunftsenergie sprach, wurde "mitleidig belächelt, weil bei uns die Sonne so selten scheint", erinnert sich Hermann Scheer, dem für "seine unermüdliche Arbeit für die weltweite Förderung der Sonnenenergie" morgen der - undotierte - Alternative Nobelpreis in Stockholm überreicht wird.
Der "Solarfighter", wie manche den bullig wirkenden Hermann Scheer nennen, war anfangs nahezu allein mit seiner These, dass die Menschheit vollständig mit Energie aus Sonne, Wind, Wasser und Biomasse versorgt werden kann. Allein die Sonne strahle täglich zehntausendmal mehr Energie auf die Erde, als im gleichen Zeitraum an atomarer und fossiler Energie zusammen verbraucht würde, so dass es nur eines Zehntausendstel des natürlichen Potenzials bedürfe, um "das Energie- und Umweltproblem der Menschheit praktisch zu lösen".
Die Lobby der Energieversorger wies den regenerativen Energien hingegen nur einen "marginalen" Stellenwert zu. Bestenfalls drei bis fünf Prozent hatten diese Experten eingeräumt. "Wenn jetzt Shell zugibt, dass bis zum Jahr 2050 immerhin 50 Prozent der Energie aus regenerativen Quellen stammen kann, dann heißt das doch, dass 100 Prozent möglich sind", sagt der 56-Jährige und lacht vergnügt. Dazu hat er allen Grund. Schließlich hat der promovierte Sozial- und Wirtschaftswissenschaftler einen großen Anteil an diesem Sinneswandel.
Den Weg zur Solarenergie fand Hermann Scheer Mitte der 80er-Jahre. Seitdem bestimmt die Sonne sein Leben - Zeit für Hobbys bleibt da nicht, Scheer macht keinen Unterschied zwischen privat und Arbeit.
Der ehemalige Jugendnationalspieler im Wasserball war seit Anfang der 80er-Jahre Abrüstungsexperte der SPD-Bundestagsfraktion, der er bis heute angehört und in der er den Wahlkreis Waiblingen (Baden-Württemberg) vertritt. Sein Buch "Die Befreiung von der Bombe" (1986) hat ihn zur Energiefrage gebracht. Noch im selben Jahr schreibt er die Abhandlung: "Für ein globales, solares SDI-Programm - Solar-Development-Initiative".
Die Reaktionen amüsieren ihn noch heute. Bleib bei dem, was du kannst, hätten einige gesagt. Andere bedauerten, dass er sich ins politische Abseits begab. Es gab aber auch Menschen, die aufmerksam wurden. "Ich habe keine Ahnung davon, aber ich spüre in den Fingern, das ist es. Verfolge das unbedingt weiter", kommentierte Willy Brandt das Papier, erzählt Hermann Scheer nicht ohne Stolz, der einen kleinen Moment später seinem ironischen Lachen weicht. Über sich selbst spricht er stets mit einem Schuss von Ironie.
Der Aufmunterung von Willy Brandt hätte es wohl nicht bedurft. Denn für den kämpferischen Scheer war klar: Wenn die Ablösung der atomaren und fossilen Energie eine existenzielle Menschheitsfrage ist, und wenn es keine politisch befriedigende Antwort darauf gab, dann musste er sie selber geben. Schließlich habe Energie eine fast alles übergreifende Bedeutung. "Das liegt aber nicht an meiner These", schmunzelt Hermann Scheer. Es ist einfach so. "Denn bekanntlich ist ohne Energie nichts möglich", sprichts und fährt sich mit der Hand durch die dichten, leicht ergrauten Haare.
Seine Frau Irm, mit der er seit 29 Jahren verheiratet ist und eine Tochter hat, motivierte ihn, Eurosolar zu gründen. Sozialdemokratin wie er wusste sie, dass das Thema nur erfolgreich vorangetrieben werden konnte, wenn es nicht im Parteienspiel blockiert wird. Im Gasthaus "Schaumburger Hof" am Bonner Rheinufer wurde am 22. August 1988 die inzwischen weltweit größte Energievereinigung mit mehr als 20 000 Mitgliedern aus der Taufe gehoben. Entstanden ist ein Netz von Aktivisten in Österreich, Schweiz, Spanien, Italien, Frankreich, Griechenland, Ägypten, Bulgarien, Ungarn, Großbritannien, Dänemark und Deutschland. Das Ziel, die atomaren und fossilen Energien vollständig durch regenerative Energien abzulösen, sei eine "Jahrhundert-Aufgabe", kommentiert Scheer, bis heute ehrenamtlicher Präsident der Vereinigung.
Ob in Amerika oder Afrika, in Europa oder Asien - immer und überall wirbt Hermann Scheer für seine Ideen. Auf weit über 100 internationalen Kongressen hat er in den vergangenen Jahren referiert, zahlreiche Ehrungen wie den Weltsolar-Preis (1998) erhalten. Und er schreibt - vorzugsweise nachts. Und er findet Leser. So wird sein Buch "Sonnenstrategie - Politik ohne Alternative" (1993), das erste politische Buch zur weltweiten Nutzung der Sonnenergie, in sieben Sprachen übersetzt, steht in Spanien auf Platz zwei der Bestsellerliste, gleich hinter den Memoiren von Königin Sofia.
Er empfindet Genugtuung darüber, dass das Thema von Politik und Wirtschaft aufgegriffen worden ist. Ohne Eurosolar, so resümiert er, gäbe es keine Stromeinspeisegesetze in Deutschland, Griechenland, Indien, Italien oder Spanien, keine Weltbank-Programme zur solaren Stromversorgung von Dörfern, kein Ministerium für erneuerbare Energien in Indien, keine Solarprogramme in Namibia, kein 100 000-Dächer-Programm in Deutschland . . . vieles sei erreicht worden, aber viel weniger, als er für wichtig hält. Denn die Ablösung der fossilen und atomaren Energiewirtschaft durch die solare ist für den "Anwalt der Sonne", wie ein Buch über ihn heißt, nicht nur eine technische Herausforderung, er will sie auch, um wirtschaftliche, soziale und politische Strukturen auf der Erde zu verändern.
Entscheidend sei, dass wir uns vom "Mythos der konventionellen Energiewirtschaft" verabschieden. Sie tut so, als sei der von Menschenhand geschaffene Zustand naturgegeben. Tatsächlich ist die jetzige Infra- und Unternehmensstruktur auf die gegenwärtig genutzten Energiequellen zugeschnitten. "Und wenn man versucht, sich in diesen Strukturen eine Energieversorgung aus erneuerbaren Energien vorzustellen, dann muss man zu dem Ergebnis kommen, das geht nicht", erläutert er. Es sei so, als würde man versuchen, den ICE auf Kopfsteinpflaster fahren zu lassen.
Hermann Scheer vergleicht in seinem jüngsten Buch "Solare Weltwirtschaft" (1999) die Energieversorgungsketten der herkömmlichen Energieversorgung mit denen erneuerbarer Energien und kommt zu dem Ergebnis, dass es "zwei unterschiedliche Systeme sind. Sie speisen sich aus unterschiedlichen Quellen, kommen aus unterschiedlichen Regionen, brauchen verschiedene Erzeuger- und Verteilerstrukturen", sagt er. Während die fossil-nukleare Energiewirtschaft nur zentral zu handhaben sei, würde die solare Strategie weltweit die Dezentralisierung ermöglichen. Denn eine zentrale Kontrolle oder Manipulation von Sonnenstrom, Sonnenwärme, Wasser- und Windkraft sowie Biomasse sei nicht nur schwierig, sie sei auch reichlich unsinnig. Scheer träumt daher nicht von riesigen Solaranlagen, sondern von vielen dezentralen Energiequellen mit möglichst kurzen Versorgungsketten. Der "Strom vom Dach" , die Photovoltaik, ist schon heute in vielen Ländern der Erde rentabel und macht die Menschen dort unabhängig vom Erdöl der Scheichs oder dem Erdgas der Russen.
Unabhängig ist auch Hermann Scheer, ein Querdenker, von manchen ein Querulant gescholten. Er lehnte den Asylkompromiss der SPD ebenso ab wie das neue WTO-Abkommen über den Welthandel. Er verurteilte den Einsatz der Bundeswehr im Kosovo und wollte die Ökosteuer so stricken, dass der Ökostrom nicht teurer würde. An der Basis findet seine Politik wachsende Unterstützung, deshalb landete er im November 1993 sogar im Parteivorstand. Als Feigenblatt sieht er sich dort nicht. Was anderes tun möchte er auch nicht. Er hat genügend Bewegungsfreiheit, um für das zu wirken, was er für wichtig hält.
Und woher bezieht der ständig unter Strom stehende Hermann Scheer seine Energie? Aus guten Romanen und Autobiografien. Er hat immer gern gelesen, vorzugsweise historische Bücher. Mit zwölf Jahren habe er fundierte Referate über das Römische Reich gehalten. Dann habe er sich langsam in die Neuzeit vorgearbeitet. Und er treibe wieder Sport. Seit der Bundestag nach Berlin gezogen ist, spielt Scheer Wasserball. Seine Mannschaft heißt "Moby Dick" - es passt. Denn dass Hermann Scheer gerne isst, vor allem südländische Küche, lässt sich nicht übersehen. Sein Ziel ist, den Trainingsvorsprung seiner Mannschaftskollegen einzuholen.
Der eigentliche Antrieb für sein ruheloses Wirken liegt tiefer. Als politischer Mensch reicht es ihm nicht, sich nur um die eigenen vier Wände zu kümmern. "Politik ist für mich Diskussion, Nachdenken, Streiten über gesellschaftliche Fragen." Und natürlich auch, Antworten zu finden. Seiner Antwort auf eine der drängendsten Zukunftsfragen hat er bereits viel Aufmerksamkeit verschafft. So viel, dass ihn die Right Livelihood Foundation als "weltweit führenden Kämpfer für die Sonnenenergie" mit dem Alternativen Nobelpreis ausgezeichnet hat. Für ihn ist diese Auszeichnung Rückenwind, denn "die größte Wegstrecke steht noch bevor".

Uexkülls Stiftung würdigt praxisnahe Projekte, die vielen Menschen helfen

Jakob von Uexküll (55), Journalistensohn aus Hamburg mit Wohnsitz in London, verdiente "etwas Geld" mit Briefmarken und stiftete es. Eine Million US-Dollar, die den Akteuren finanzielle Unterstützung und Publizität sicherten, erschien ihm adäquat. Nach ersten privaten Auszeichnungen ab 1980, die schnell auf internationales Interesse stießen, konnte der Philosoph, Politologe und Volkswirt 1985 das schwedische Parlament für sein Vorhaben gewinnen. In den 80er-Jahren saß er für die deutschen Grünen im Europa-Parlament, war zwei Jahre lang im Vorstand bei Greenpeace in Hamburg. 1984 gründete er den "Alternativen Weltwirtschaftsgipfel", der jeweils gleichzeitig zum G8-Treffen stattfindet. Uexküll ist noch in Antikorruptions- und Umweltinitiativen aktiv. Wir wollen keine Heiligen auszeichnen, sondern Menschen, die ein Beispiel geben für andere", sagt Jakob von Uexküll, der vor zwanzig Jahren den alternativen Nobelpreis aus der Taufe gehoben hat. Der Deutsch-Schwede und politische Visionär vergibt seine Auszeichnung gemeinsam mit dem Stockholmer Parlament immer einen Tag vor dem regulären Nobelpreis, der herausragende wissenschaftliche Leistungen honoriert. Uexküll will mit seiner Ehrung praxisnahe Projekte würdigen, die "einen nachweisbaren Nutzen für einen großen Teil der Bevölkerung haben. Es gibt Lösungen für weltweit anstehende Probleme", stellt Uexküll fest. Das zeige der Preis. Aus Mangel an politischem Mut, Bequemlichkeit und Ignoranz würden sie nur nicht umgesetzt. Gerne zitiert er den amerikanischen Vize-Präsidenten Al Gore: "Das Minimum dessen, was heute zur Lösung anstehender Probleme ökologisch und wissenschaftlich nötig ist, ist mehr als das Maximum dessen, was politisch möglich ist." Zahlreiche Entscheider sähen zwar die weltweiten Aufgaben, aber "sie machen Flickwerk - begrenzte kleine Schritte, die nicht greifen". Denn die Probleme hingen alle zusammen - der Raubbau an der Natur, Krieg und Unterdrückung, Armut in der Dritten Welt und die "geistige Verelendung in den Industriestaaten". Vom Westen aus habe sich ein radikales Profitstreben in der Welt ausgebreitet. Diese Haltung habe den Planeten an den Rand des Ruins geführt. Die aus dem Gleichgewicht geratene Natur reagiere nun mit Katastrophen, deren Zahl in den vergangenen Jahrzehnten ebenfalls messbar gestiegen sei.
Regierungen sollten die knappen Ressourcen besteuern, nicht den Produktivfaktor Arbeit. Es gelte, alternative Energien und den öffentlichen Verkehr auszubauen. Darin liege ein großes Potenzial für Arbeitsplätze, sagt Uexküll. Stattdessen förderten die Politiker alle Arten von Rationalisierungen. Das wiederum sei im Interesse jener weltweit agierenden "52 multinationalen Großkonzerne", die Uexküll als "globale Planwirtschaften" bezeichnet. Denn deren Chefetagen orientierten sich nicht an den Erfordernissen des Marktes oder gar an gesellschaftlichen Bedürfnissen, sondern wirtschafteten in die eigene Tasche - und in die ihrer Aktionäre.
Auch die immer wieder beschworene Globalisierung unterstütze vor allem die Politik jener Großkonzerne, stellt Uexküll fest. Die Länder der Dritten Welt verarmten dagegen immer weiter, ihre natürlichen Lebensräume und lokalen Wirtschaftsgemeinschaften würden zerstört. Ein Beispiel: Großgrundbesitzer in Brasilien vertreiben Menschen vom Land, um in Monokulturen Tierfutter für den Westen anzubauen. Die entwurzelten Arbeiter und Pächter wandern in die Städte, die zu immer größeren Wasserköpfen anwachsen und verelenden dort. "Wir können uns dieses Weltwirtschaftssystem nicht mehr leisten", unterstreicht Uexküll und verweist auf die Initiative einer "Gewerkschaft der Landlosen" in Brasilien, die 1991 den Alternativen Nobelpreis erhielt.

Die Preisträger

Das schwedische Parlament zeichnet morgen zum 20. Mal mehrere Preisträger mit dem Alternativen Nobelpreis aus. Sie teilen sich eine Million US-Dollar. Dem Madrider Anwalt Juan Garces (ehemals Berater von Salvador Allende) gelang es, auf der Grundlage spanischer Gesetze die Immunität des chilenischen Generals Pinochet aufzuheben. Die kubanische "Grupo de Agricultura Organico" (GAO) erhält die Auszeichnung für eine umfassende Umstellung der einheimischen Landwirtschaft auf ökologischen Anbau. Eine kolumbianische Initiative zum Erhalt von 20 Millionen Hektar Regenwald ist der dritte Preisträger. Den Ehrenpreis erhält Hermann Scheer für die Gründung von Eurosolar, einer europäischen Initiative zur Entwicklung der Sonnenenergie.

 

Quelle: Hamburger Abendblatt 7.12.1999

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Blockheizkraftwerke auf dem Vormarsch

(ADN/maf). Die Zahl der Blockheizkraftwerke (BHKW) zur Strom- und Wärmeerzeugung ist in zwei Jahren um knapp 40 Prozent gewachsen. 1998 nutzten Stromversorger, Betreibergesellschaften, Kommunen, Industrie und private Betreiber rund 3050 (1996: 2200) solche mit Gas oder Öl betriebene Anlagen auf Basis von Verbrennungsmotoren, teilte die Vereinigung Deutscher Elektrizitätswerke gestern mit. Die elektrische Leistung der fossil befeuerten BHKW in Deutschland betrug 1998 1436 Megawatt (MW) nach 1260 MW 1996.

Quelle: Lausitzer Rundschau 6.12.1999

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Grüne warnen RWE vor "faulen Tricks"
Ökosteuer


Düsseldorf. (dpa) Die Grünen haben vor Tricksereien beim Messverfahren für die Steuerbefreiung hochwirksamer Gaskraftwerke gewarnt. "Auf faule Tricks lassen wir uns nicht ein", sagte der umweltpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion im Bundestag, Reinhard Loske, in Düsseldorf.

Loske regierte auf eine Forderung der RWE AG. Der Energiekonzern besteht darauf, dass die Energieverwertung moderner Gaskraftwerke über den Jahresnutzungsgrad gemessen werden müsse, d.h. sie müssten die im Gesetz als Mindestwert festgelegten 57,5 Prozent im Jahresschnitt erreichen. Bei dieser Rechenweise müsse das Kraftwerk prinzipiell in der Lage sein, 60 bis 61 Prozent der eingesetzten Energie in Strom umzuwandeln, sagte Loske. Das sei nicht erreichbar.

Quelle: Bonner Rundschau 30.11.1999

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Finnischer Energiekonzern Fortum buhlt um Stadtwerke

Helsinki/Hameln (dpa) - Der finnische Energiekonzern Fortum will mit seinem Einstieg in den deutschen Strommarkt binnen weniger Jahre zum Branchenführer in Mittel- und Nordeuropa werden.

«Fortum wird im Konzert der Großen vorne mitspielen», sagte Eero Auranne, stellvertretender Vorstandschef der Fortum-Sparte Strom und Wärme am Montagabend vor Journalisten in Helsinki. Fortum hatte kürzlich den Regionalversorger Wesertal in Hameln in Niedersachsen übernommen. Weitere Zukäufe, vor allem aber Partnerschaften mit Stadtwerken, sollen folgen.

«Wir wollen schnell wachsen. Das Ziel von Fortum ist, größter integrierter Energieversorger in Skandinavien und Mitteleuropa zu werden. Deutschland ist der erste wichtige Markt für uns», erklärte der Deutschland-Chef von Fortum, Thomas Schwerdtfeger. Für Investitionen im deutschen Markt stehen in den nächsten zwei, drei Jahren etwa zwei Milliarden DM (1,02 Mrd. Euro) zur Verfügung.

Wesertal soll binnen zwei Jahren von derzeit gut 400 000 Kunden allein im Weserbergland und in Ostwestfalen-Lippe binnen zwei Jahren auf eine Million Kunden wachsen. Bundesweit will Fortum seinen Stromabsatz bis 2003 von acht auf 30 Milliarden Kilowattstunden steigern. Neben Wesertal gebe es nach wenigen Monaten Kooperationen mit knapp 20 kleineren, überwiegend ostdeutschen Stadtwerken.

Konkrete Gespräche laufen mit dem Regionalversorger EMR (Elektrizitätswerke Minden-Ravensberg) in Herford. Er sei zuversichtlich, dass die Eigentümer - 28 kommunale Gebietskörperschaften - die vom Management gewünschte Anbindung an den PreussenElektra-Konzern (Hannover) ablehne, sagte Schwerdtfeger.

Quelle: General-Anzeiger-Bonn 30.11.1999

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Windpark mit 38 Rotoren fertig

dpa Klettwitz - Die Montage des nach Investor-Angaben größten deutschen Windenergieparks auf den Klettwitzer Höhen (Oberspreewald-Lausitz) ist beendet. In den nächsten Tagen würden alle 38 Windkraftanlagen bis zum Umspannwerk verkabelt. Ab Anfang Dezember solle die Anlage mit 63 Megawatt schrittweise ans Netz gehen. Der Investor GHF investierte in das Projekt nach eigenen Angaben über 160 Millionen. Der Windpark steht auf der Anhöhe eines früheren Braunkohletagebaus und soll etwa 30 000 Haushalte mit Strom versorgen. Mit den Rotorblättern erreichen die Windräder eine Höhe von jeweils 111 Meter

Berliner Morgenpost 27.11.1999

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Systemhaus für Photovoltaik
Solon will von höherer Vergütung für Solarstrom profitieren

adx BERLIN. Die Berliner Solon AG für Solartechnik erwartet durch die künftig sechsfach höhere Vergütung von Solarstrom eine deutliche Ausweitung ihres Geschäftes. Auf Grund der Vereinbarung zur Einspeisungsvergütung gehe das Systemhaus für Photovoltaik von einem "deutlichen Wachstum aller Geschäftsbereiche" aus, erklärte ein Sprecher am Freitag. Das Berliner Unternehmen wertet die Solarstromregelung insgesamt als "einen entscheidenden Schritt zum Marktdurchbruch für Photovoltaik in Deutschland". Damit sei hierzulande erstmals eine wirtschaftliche Produktion von Solarstrom möglich.

Die neuen Rahmenbedingungen böten in Verbindung mit dem laufenden "100.000-Dächer-Kreditprogramm" der Bundesregierung erstmals eine kostendeckende Vergütung von Strom aus Photovoltaik. Mit der Neufassung des Stromeinspeisungsgesetzes wird Strom aus Solaranlagen künftig mit mindestens 99 Pfennig pro Kilowattstunde durch die Stromnetzbetreiber vergütet. Bisher waren dies mindestens 16,5 Pfennig. Die Kosten für Solarstrom liegen nach Angaben der Solon AG derzeit bei etwa 1,76 DM pro Kilowattstunde bei 15 % Laufzeit bis zur Abzahlung der Investition.

Quelle: Handelsblatt 27.11.1999

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Die erste energieökologische Modellstadt Deutschlands

Deutschlands Vorzeigeökostadt liegt am deutsch-polnischen Grenzfluss Neiße in Ostsachsen. Das 3500 Einwohner zählende Ostritz/St. Marienthal bezieht Strom und Wärme ausschließlich aus Biomasse, Pflanzenöl, Wind, Wasser und Sonne.

Die Stadt im Landkreis Löbau-Zittau in Ostsachsen ist eines von bundesweit 20 Vorhaben, das im "Haus der weltweiten Projekte" auf der Weltausstellung Expo 2000 in Hannover vorgestellt wird. Für Bürgermeister Günter Vallentin (CDU) ist dies ein Meilenstein, der den Ort über die Grenzen von Deutschland hinaus bekannt machen soll.

Nach der Wende hatte Vallentin ein schlimmes Erbe angetreten. Von Infrastruktur konnte keine Rede sein. Zudem war die Industrie total zusammengebrochen. Nach einem in Auftrag gegebenen Energiekonzept waren überraschenderweise für die Versorgung der Stadt nur eine Leistung von 500 Kilowatt nötig. Auch die Errechnung der jährlichen Sonneneinstrahlung von 750 Kilowattstunde pro Quadratmeter machte optimistisch. Dann kam eine Verbindung zur Bundesstiftung Umwelt zu Stande, die maßgeblich half, das Projekt "Energieökologische Modellstadt" überhaupt ins Leben zu rufen. Jetzt ist es fast abgeschlossen.

Herzstück ist das Biomasseheizkraftwerk, das 80 Prozent der Ostritzer Haushalte und Einrichtungen, darunter das über 760 Jahre alte Zisterzienserinnenkloster St. Marienthal versorgt. Der Brennstoff sind Holzschnitzel, die aus dem 900 Hektar großen Klosterwald und aus dem Sägewerk kommen. Doch das Heizkraftwerk produziert auch selbst Strom aus Pflanzenöl, der in das zentrale Stromnetz eingespeist sowie zur Eigenversorgung verwendet wird.

Auf dem Laubaer Hofeberg drehen sich vier große Windräder. Sie sind die eigentlichen Symbole der neuen Zeit - in Sichtweite der letzten Gebäude des 1997 stillgelegten Braunkohlekraftwerkes Hagenwerder. Die Windkraftanlagen produzieren Strom für 2000 Vier-Personen-Haushalte, der ins Netz eingespeist wird.

Im Kloster setzt man außerdem auf Wasserkraft. Eine Turbine wird für den Betrieb des Schausägewerkes eingesetzt, eine zweite mit 116 Kilowatt Leistung soll ab Januar die Stromversorgung ergänzen.

Die Kraft der Sonne wird unter anderem mit sechs Kollektoren auf dem Feuerwehrgerätehaus genutzt. Das reicht für 60 Prozent des Warmwasserbedarfs. Solarzellen sind zunehmend auch auf Privathäusern zu finden. Als Vorzeigeobjekt gilt eine neuartige Pflanzenkläranlage im Ortsteil Bergfried.

Quelle: Spiegel 24.11.1999

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Windkraft - Der Norden sorgt weiter für Wirbel

Schleswig-Holsteins Umweltminister Steenblock legte Klimabericht vor

Kiel - Schleswig-Holstein hat es seit 1990 als einziges der alten Bundesländer geschafft, den Energieverbrauch zu stabilisieren. "Dies ist ein beachtlicher Erfolg, da im gleichen Zeitraum die Bevölkerung im nördlichsten Bundesland um gut fünf Prozent, die Wohnfläche um rund elf Prozent und das reale Bruttoinlandsprodukt um mehr als 13 Prozent gestiegen ist," sagte Umweltminister Rainder Steenblock gestern bei der Vorlage des 300 Seiten starken Klimaschutzberichtes im Landtag.

Auch beim Ausbau der erneuerbaren Energieträger und der Kraft-Wärme-Kopplung stehe das Land hervorragend da. Hinsichtlich der Anteile am Stromverbrauch aus Windenergie und Photovoltaik sei Schleswig-Holstein sogar Spitzenreiter in Deutschland. Auch der Anteil des Stroms der Kraft-Wärme-Kopplung sei mit über 20 Prozent doppelt so hoch wie im bundesdeutschen Durchschnitt. Der grüne Minister kündigte an, dass die Landesregierung in Zukunft mit einem 20 Punkte-Programm ihre Klimaschutzbemühungen fortführe. Nicht zu unterschätzen seien zum Beispiel Arbeitsmarkteffekte, die ein konsequenter Klimaschutz mit sich brächte. Projekte im Rahmen des Umwelt-Audits sowie aus den Bereichen Ökotechnik/Ökowirtschaft zeigen nach den Worten Steenblocks beachtliche Erfolge bei der Energie- und Ressourceneinsparung in Unternehmen.

Während Politiker der rot-grünen Regierungskoalition die Leistung der Landesregierung als "hervorragend" würdigten, forderte die Union sowohl einen stärkeren Einsatz nachwachsender Rohstoffe wie einen verstärkten Ausbau des Radwegenetzes. Der CDU-Abgeordnete Reinhard Sager warnte vor einem falschen Kampf: Windenergie statt Kernkraft. Die FDP kritisierte mit ihrer umweltpolitischen Sprecherin Christel Happach-Kasan den Bericht wegen seiner "ideologischen Scheuklappen". Die SSW-Abgeordnete Anke Spoorendonk forderte ein beherztes Umsetzen wissenschaftlicher Forschungsarbeit. Es müsse endlich ernst gemacht werden mit dem Abbau des CO2-Ausstoßes.

Wie ernst die Situation ist, machte Rainder Steenblock am Beispiel des soeben vorgelegten Waldschadensberichtes deutlich. "Dem schleswig-holsteinischen Wald geht es immer schlechter", attestierte der Minister im Gespräch mit der WELT. 1999 sind 61 Prozent der Bäume geschädigt. Das bedeutet eine Steigerung von drei Prozent zum Vorjahr. Nur jeder vierte Baum im Norden ist gesund. Im Süden Schleswig-Holsteins sind die Schäden mit durchschnittlich 65 Prozent am höchsten, im Nordwesten mit 52 Prozent am niedrigsten. Größtes Sorgenkind ist die Buche. Nur noch jede dritte dieser Art ist gesund. Auch dem Patienten Eiche geht es ständig schlechter. Nur noch 39 Prozent weisen keine Schadensmerkmale auf. Bei der Fichte hat sich der schlechte Zustand stabilisiert. 66 Prozent aller Fichten sind geschädigt. Das Ökosystem Wald ist ganzheitlich geschädigt.

Quelle: Welt, Die 24.11.1999

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Aachener Vergütungs-Modell vor dem Auslaufen?

Brechen für den Solarstrom
jetzt schlechte Zeiten an?

Aachen (hau). Bis hin nach Japan hat das Aachener Modell Anerkennung gefunden. Doch seit einiger Zeit steht das Vorzeigeprojekt auf dem Prüfstand, bedingt nicht nur durch die neue Mehrheit im Rathaus, sondern vor allem durch die Entwicklung auf dem Strommarkt.

"Nicht mehr möglich"

Einem Aachener Architekten, der dieser Tage einen Antrag auf kostendeckende Vergütung einer Solarstromanlage stellen wollte, wurde zu seiner Verblüffung eröffnet, dass dies wohl nicht mehr möglich sei. 180 derartige Anlagen gibt es zur Zeit in Aachen, ihre Bauherren erhalten über 20 Jahre eine erhöhte Einspeisevergütung. So sollen die Nachfrage erhöht und durch den massenhaften Einsatz die Preise für Solartechnik gesenkt werden.

Eine Million Mark pro Jahr

Bis zu 1,89 Mark pro Kilowattstunde erhalten die Minikraftwerkbetreiber, finanziert wird die Aktion von allen Stawag-Kunden, deren - wesentlich geringerer - Strompreis um 0,1 Pfennig erhöht wurde. Die Kosten für die 180 Sonderkunden schätzt die Stawag auf eine Million Mark pro Jahr.

CDU und FDP haben in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, dass das Aachener Strom-Modell aus Kostengründen nicht weiter ausgedehnt werden kann: "Bestehende Verträge bleiben unberührt." Das bedeutet offenbar, dass neue Anlagen nicht mehr bewilligt werden.

Neu nachgedacht

In einer Stellungnahme hielt sich die STAWAG gestern weitgehend bedeckt. Verwiesen wird unter anderem darauf, dass das Aachener Modell in einer Zeit entstanden ist, als im Strommarkt geschlossene Versorgungsgebiete bestanden. Im April 98 seit jedoch der Strommarkt liberalisiert worden, die Kunden sind frei in der Wahl ihres Lieferanten.

Nachdenken über neue Modelle

Die einseitige - wenn auch geringfügige - Kostenerhöhung zur Förderung regenerativer Energien böte gegenüber den Konkurrenten Wettbewerbsnachteile, so dass "bei der Stawag derzeit über neue Fördermodelle nachgedacht wird". Dieser würden zunächst in den Aufsichtsgremien diskutiert und dann dem Rat zur Beschlussfassung vorgelegt.

Die Bündnisgrünen im Rat hoffen nun, dass das Aachener Modell nicht in Aachen beerdigt werden muss. Letztlich geregelt werden kann die Förderung der Solarenergie, so Fraktionssprecherin Monika Kuck, nur auf Bundes- und Europaebene. Eine entsprechende Resolution hatte schon der Rat einstimmig gefasst. Der NABU-Landesverband hatte den Appell unterstützt.

Quelle: Aachener Nachrichten 17.11.1999

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Grüner Strom - Scharfer Konkurrenzkampf unter Öko-Anbietern

Für Verbraucher ist schwer erkennbar, was umweltfreundliche Energie sein soll und wo sie auf dem Markt zu haben ist

Der freie Strommarkt ist noch jung, aber gerade deshalb besonders umkämpft. Allein in der vergangenen Woche erreichten drei Nachrichten die Öffentlichkeit, die auf einen scharfen Konkurrenzkampf unter den Anbietern von so genanntem "grünem Strom" hindeuten. Darunter wird Strom aus Sonne, Wind, Biomasse und Wasserkraft, ergänzt durch Strom aus Gaskraftwerken mit Kraft-Wärme-Kopplung, verstanden.

Zuerst kündigte die Umweltorganisation Greenpeace an, als Anbieter auf dem Strommarkt mitmischen zu wollen. Dann konterte der Hamburger Stromkonzern HEW mit der Behauptung, das eigene Öko-Angebot Newpower sei nicht nur Marktführer in Hamburg mit 640 Kunden, sondern darüber hinaus umweltfreundlicher als die Greenpeace-Offerte. Und schließlich untersagte ein Gericht auf Betreiben der Hamburger Lichtblick GmbH der Plambeck AG in Cuxhaven einen Teil ihrer Werbung.

Für Verbraucher ist schwer erkennbar, was grüner Strom sein soll und wo er ihn bekommt. "Wer Strom verwendet, zapft sich immer den gleichen Energiemix aus dem Netz; es ist immer das gleiche Produkt", sagt Mario Spitzmüller von den HEW. Es gibt keine eigenen Stromleitungen zum Beispiel von einem Wasserkraftwerk zu einem grün denkenden Kunden, sondern nur ein Stromnetz, das aus verschiedenen Quellen gespeist wird. Und im Netz ist regenerativ erzeugter Strom mit nur sechs Prozent dabei. Auch der radikalste Atomgegner verbraucht also Atomstrom, ob er will oder nicht.

Die meisten Ökostrom-Anbieter versprechen nun, die gleiche Menge Strom, die sie verkaufen, bei Erzeugern zu beschaffen, die ihn umweltfreundlich erzeugen. "Damit verringert sich die Nachfrage nach Strom aus Kohle- und Atomkraft und die Energieerzeugung wird umweltfreundlicher", sagt Stefan Schurig von Greenpeace. Dort fließt der Mehrpreis für den Öko-strom in den Bau neuer Anlagen.

Bei den HEW bezweifelt man, dass Strom aus Gaskraftwerken wirklich ökologisch ist, weil fossiler Brennstoff verbraucht wird. "Unser Angebot wird immer genau dann erzeugt, wenn er auch verbraucht wird", sagt Spitzmüller. Doch auch das ist nur ein Marketing-Trick, der dem Kunden ein gutes Gefühl gibt: Der verbrauchte und der erzeugte Strom haben direkt nichts miteinander zu tun, sondern stehen nur in einem bilanziellen Zusammenhang. Auch die HEW nehmen gut neun (Öko-)Pfennige für grünen Strom, der in neue Anlagen fließt.

"Das ist eigentlich eine Spende", meint Andreas Stein von der Plambeck AG. Um zu einem anderen Energiemix zu kommen, müssten nach seiner Ansicht mehr Anlagen gebaut werden, die Strom umweltfreundlich herstellen. Plambeck hält die freiwilligen Beschränkungen der Öko-Anbieter für künstlich. "Wer ungespritzte Äpfel kauft, der bekommt einen anderen Apfel. Wer grünen Strom kauft, bekommt den gleichen Strom wie zuvor, zahlt den höheren Preis zunächst an eine Organisation." Es sei sinnvoller, sich an einer Windenergie-Anlage zu beteiligen und eine Rendite zu bekommen, als grünen Strom zu kaufen.

Quelle: Welt, Die 17.11.1999

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Ein Mineralölgigant entdeckt die Kraft der Sonne

Firma Shell will in Gelsenkirchen jährlich Solarmodule für 25 Megawatt produzieren

Gelsenkirchen (taz) - Die modernste Solarzellenfabrik der Welt wurde gestern in Gelsenkirchen eröffnet. Betreiber ist ausgerechnet ein Konzern, der bis vor kurzem ein rotes Tuch für Umweltschützer und Menschenrechtsgruppen war: die Firma Shell. Sie wird künftig in Gelsenkirchen-Rotthausen Sizilizumscheiben zu Solarzellen verarbeitet, um diese dann im niederländischen Helmond oder in der ebenfalls in Gelsenkirchen ansässigen Solarfabrik von Pilkington Solar International zu Modulen weiterverarbeitet zu lassen.

Die grenzüberschreitende Kooperation sei wegweisend für die Zukunft, sagte Jeroen van der Veer, Mitglied des Committee of Managing Directors der Shell Gruppe. Die Gelsenkirchener Fabrik könne "als Katalysator für ein ,SolarValey' im nördlichen Teil Europas" wirken. Unterdessen forderte Ministerpräsident Wolfgang Clement entsprechende politische Weichenstellungen, damit die erneuerbaren Energien künftig im Energiemix eine "nennenswerte Rolle" übernehmen können.

Im nächsten Jahr sollen in der Gelsenkirchener Fabrik Siliziumsolarzellen mit einer Gesamtleistung von 10 Megawatt produziert werden. Schrittweise soll die Produktion auf 25 Megawatt pro Jahr erweitert werden. Damit wird Shell Solar deutlich über den Bedarf des deutschen Marktes hinaus produzieren, der nach Einschätzung des Bundesverbandes Solarenergie derzeit bei 12 Megawatt pro Jahr liegt.

Doch die Nachfrage kann schnell zunehmen, glaubt Fritz Vahrenholt vom Vorstand der Deutschen Shell AG. Dann nämlich, wenn das 100.000-Dächer-Programm der Bundesregierung verbessert werde und Photovoltaik so "nicht nur ein Produkt für grüne Lehrer" und den Export in Länder wie China, Sri Lanka und Indien bleibt. Insbesondere forderte der ehemalige Hamburger Umweltsenator eine deutliche Erhöhung der Einspeisevergütung für photovoltaisch erzeugten Strom.

Dieter Berkhout, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Shell AG, ergänzte, dass Deutschland der potentiell größte Photovoltaik-Markt Europas, ja mithin ein "Riesenmarkt" sei.

Die Gelsenkirchener Fabrik, ein gemeinsames Unternehmen der Shell Solar, die einen Anteil von 80 Prozent hält sowie der Pilkington Solar International wurde von Bund und Land mit jeweils sechsMillionen Mark gefördert. Die Gesamtkosten beliefen sich auf 50 Millionen Mark. In der Fabrik selber entstehen nach Angaben von Shell 45, im Umfeld weitere 50 neue Arbeitsplätze.

Auch an anderen deutschen Standorten entstehen derzeit Solarfabriken. So werden derzeit in Alzenau (ASE), Marbach (Würth Solar GmbH) sowie in Rudisleben (Antec Solar) Fertigungsstättem errichtet. Damit sollen in den nächsten Jahren Fabriken für eine jährliche Produktion von Solarzellen mit einer Gesamtleistung von 70 Megawatt gebaut werden, was einem Anteil von einem Drittel an der Weltproduktion entspricht. Nach Einschätzung von Experten wird die Solarbranche in Deutschland bis 2010 einen Gesamtumsatz von einer Milliarde Mark überschreiten.

Quelle: TAZ 16.11.1999

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Shell tankt noch mehr Solarstrom

BM/dpa Gelsenkirchen - Mit der Eröffnung einer der weltgrößten Solarzellenfabriken in Gelsenkirchen will sich die Deutsche Shell AG für den wachsenden Markt für Sonnenstrom rüsten. Die Produktion von Solarzellen für jährlich zehn Megawatt Leistung läuft am heutigen Dienstag an, 25 Megawatt sollen es künftig werden. Damit produziert allein die Shell Solar Deutschland GmbH weit über deutschen Bedarf hinaus. «Das ist eine Investition in die Zukunft», sagt Shell-Sprecher Carsten Deuster.

Solaranlagen mit zwölf Megawatt Leistung werden nach Angaben des Bundesverbandes Solarenergie 1999 in Deutschland verkauft. «Das Hauptpotenzial liegt bei Entwicklungs- und Schwellenländern», sagt Deuster. Nach zwei Jahren Anlaufphase erwartet der Energieriese in Gelsenkirchen schwarze Zahlen - trotz Überkapazitäten auf dem deutschen Strommarkt und hohen Solarstrom-Preisen. Mit China hat Shell bereits einen Vorvertrag für rund 100 000 Solaranlagen geschlossen.

Nach dem Willen der nordrhein-westfälischen Landesregierung soll das Ruhrgebiet zum Zentrum der Photovoltaik-Industrie werden. Die neue 50-Millionen-DM-Anlage für Einzelzellen liegt in direkter Nachbarschaft zu einer Produktionsstätte einsatzfertiger Solarmodule der Pilkington Solar International GmbH. Mit 20 Prozent ist Pilkington auch an der neuen Investition beteiligt. Bund und Land fördern die Anlage mit zwölf Millionen DM, 60 Arbeitsplätze werden geschaffen.

Das Land will außerdem eine Fabrik für Solarzellen-Vorprodukte in Gelsenkirchen ansiedeln. Gespräche werden mit der Bayer Solar GmbH (Freiberg) geführt. «Durch die Nähe und Größe der Anlagen können die Kosten stark gesenkt werden», sagt Uwe Burghardt von der Landesinitiative Zukunftsenergien.

«In zehn Jahren wird sich der Preis für Solarstrom halbieren», prognostiziert Winfried Hoffmann vom Bundesverband Solarenergie in München. Heute kostet die Kilowattstunde noch rund 1,60 DM - normaler Strom teils nur noch 20 Pfennig. Der Solarexperte setzt auf staatliche Förderung und das Umweltbewusstsein der Bevölkerung - und prognostiziert Solarzellen ein jährliches Wachstum von 20 bis 30 Prozent.

«11 000 Solaranlagen wandeln heute bereits auf deutschen Dächern Sonnenlicht in Strom um», sagt Hoffmann. Eine Durchschnittsfamilie muss für ein Photovoltaik-System 50 000 DM zahlen - zu einem Drittel gefördert durch das 100 000-Dächer-Programm der Bundesregierung.

Zum Start der neuen Fabrik forderte Shell-Vorstand Fritz Vahrenholt die Bundesregierung zu einer stärkeren Solarförderung auf: «Jetzt muss ein Nachfrageprogramm kommen.» In einem Positionspapier für Bundestag und Bundesregierung wird eine höhere Vergütung für Sonnenstrom verlangt.

Um künftig mehr Kunden von dem ökologischen Strom zu überzeugen, will Shell ein flächendeckendes Vertriebs- und Beratungssystem aufbauen. Speziell geschulte Elektroinstallateure und Dachdecker sollen für eine fachmännische Installation und Betreuung der Anlagen sorgen. Rund 70 so genannte Solar-Partner hat Shell unter Vertrag.

Quelle: Berliner Morgenpost 16/11/1999

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Tausende Bergleute protestieren gegen Ökosteuer

Köln - Rund 8000 Bergleute haben in Köln gegen die vom Bundestag beschlossene zweite Stufe der Ökosteuer protestiert. Sie fürchten, dass die vorgesehene Befreiung besonders wirksamer Gaskraftwerke von der Mineralölsteuer den Braunkohletagbau gefährdet. Bundeskanzler Gerhard Schröder versicherte den Kumpels am Samstag, dass Braun- und Steinkohle auch in Zukunft eine wesentliche Rolle für die deutsche Energieversorgung spielen sollen. Er wolle dafür sorgen, dass der zwischen SPD und Grünen umstrittene Braunkohletagebau Garzweiler II verwirklicht werde.

Die Bergleute machten vor einer Regionalkonferenz der SPD ihrem Unmut Luft. Die IG Bergbau, Chemie und Energie (BCE) fürchtet, dass die steuerliche Besserstellung hochwirksamer Erdgaskraftwerke dazu führen wird, dass das Unternehmen Rheinbraun den nach langem Streit innerhalb der Landesregierung genehmigten neuen Tagebau Garzweiler II fallen lässt und damit Arbeitsplätze in Gefahr sind.

Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Wolfgang Clement will nach einem Bericht des Nachrichtenmagazins "Focus" in einem Krisengespräch mit den Spitzen des Energiekonzerns RWE in der kommenden Woche neue Rahmenbedingungen und Investitionssicherheit bei der Braunkohleförderung schaffen. Damit solle Garzweiler II gerettet werden. RWE-Chef Dietmar Kuhnt sagte dem Kölner "Sonntag-Express", er hoffe, dass es im Hinblick auf die anstehenden Investitionen in Milliardenhöhe in die Braunkohle noch Änderungen bei der Steuervergünstigung für Gaskraftwerke gebe.

Auch der designierte SPD-Generalsekretär und nordrhein-westfälische Landesvorsitzende Franz Müntefering bekannte sich zur weiteren Braunkohlenutzung als dem einzigen wettbewerbsfähigen nationalen Energieträger. Der Tagebau und ebenso das von RWE in Frage gestellte Modernisierungsprogramm für die Kraftwerke seien durch den Ökosteuerbeschluss nicht gefährdet. Müntefering hatte sich zusammen mit Clement den protestierenden Bergleuten gestellt.

Schröder nannte die Sorgen der Bergleute berechtigt, versicherte aber, er werde dafür sorgen, dass sie verschwänden. Der Kanzler unterstrich das Ziel, künftig auf Atomenergie zu verzichten. Wenn man den Ausstieg wolle, könne man im Bereich der Grundlast nicht auf Strom aus Stein- und Braunkohle verzichten. "Macht Euch keine Sorgen. Es bleibt beim Energiemix", sagte Schröder. Er wolle darüber mit den Unternehmen sprechen.

Quelle: Spiegel 14.11.1999


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Stromversorger suchen Techniker

Markt-Know-how vorausgesetzt - Offerten um 50 Prozent gestiegen

Essen - Die Liberalisierung des Strommarktes hat auch den Arbeitsmarkt belebt. Die Konzentration setzt zwar Stellen frei, doch die Neugründung von Versorgern mit deutlichem Wettbewerbscharakter ist auf der Suche nach Mitarbeitern. Wie die Auswertung der Stellenteile von mehr als 40 Printmedien durch EMC Medienservice und Adecco Personaldienstleistungen für die ersten drei Quartale 1999 ergibt, hat die Zahl der ausgeschriebenen Stellen für Fach- und Führungskräfte durch die Stromwirtschaft um fast 50 Prozent zugenommen gegenüber der Vergleichszeit 1998.

"Die großen der Branche fusionieren. Dadurch wird Personal freigesetzt. Gleichzeitig aber gründen sich ständig neue kleine Unternehmen, die Personal suchen. Aber nur jene Anbieter werden wirtschaftlich überleben, die ein schlüssiges Konzept und einen langen Atem haben," betont Oliver Schröder, Leiter Kommunikation beim Ökostromanbieter "Lichtblick".

Der harte Wettbewerb erfordert strenges Kostenmanagement. Die Verteilungsmentalität ist beim Strom vorbei. Die Folge: Vornehmlich Ingenieure werden gesucht, die neben ihren technischen Kenntnissen Sinn für betriebswirtschaftliche Zusammenhänge mitbringen. Knapp 40 Prozent der Offerten richten sich an Ingenieure. Vorn rangieren die Fachrichtungen Elektrotechnik und Wirtschaft, gefolgt von Energietechnik und Maschinenbau. Gut die Hälfte der Angebote betreffen produktionsnahe Aufgaben. Ein Viertel sucht Fachkräfte für Vertrieb und Marketing.

Beim Kampf um neue Kunden sind marktnahe Fähigkeiten gefragt (37 Prozent der Angebote an Ingenieure). Das Wissen von Betriebswirten wird in 22 Prozent der Offerten gefragt, 15 Prozent wünschen kaufmännische Berufserfahrung, also nicht unbedingt Hochschul-Abschlüsse. Aber auch kaufmännische Quereinsteiger haben Chancen. Sie müssen sich das technische Fachwissen im Dienst aneignen.

Die alternativen Stromanbieter haben zudem ein Problem zu lösen, bei dem neue Kräfte mitwirken sollen. Oliver Schröder: "Es kommt bei den Ökostrom-Anbietern in Marketing und Vertrieb vor allem darauf an, den Irrglauben aus der Welt zu schaffen, dass sauberer Strom zwingend teurer sein muss als konservativer Strom." Bm.


Quelle: Welt, Die 12.11.1999

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Ökobonus statt Ökosteuer

Keine Frage. Es ist sinnvoll, mit Energie sparsam umzugehen und sie so effizient wie nur möglich zu nutzen. Das schont nicht nur Ressourcen und bremst den Treibhauseffekt, sondern ist auch ökonomisch betrachtet ein Wettbewerbsvorteil. Gleichwohl ist es der falsche Weg, die Nutzung von Energie durch eine Steuer bestrafen zu wollen. Kritik an diesem untauglichen Instrument kommt in diesen Tagen sogar von Greenpeace.

Alle Erfahrung zeigt, dass Menschen ihr Verhalten weniger durch die Androhung von Strafe bereit sind zu ändern als mit der Aussicht auf Belohnung bei erwünschtem Verhalten. Im Kern geht es bei der neuen Ökosteuer um das Autofahren: Zwar sind die Preise für Benzin ja durchaus in den vergangenen Jahrzehnten gestiegen. Doch wurde dadurch die "freie Fahrt" gebremst? Mitnichten. Die meisten nehmen, wenn auch mit Murren, die höheren Kosten in Kauf, ohne ihr Verhalten zu ändern.

Man muss nicht Pawlows Experimente bemühen, um zu erkennen, dass mit Belohnen mehr zu erreichen wäre. Vielleicht hilft der Verweis auf den Konsumentencharakter unserer Demokratie. Ein Ökobonus, der die effiziente Erzeugung und Nutzung von Energie belohnt, wäre ein hoffnungsvolles Konzept, wie auch im Gesundheitsbereich etwa die Belohnung der Patienten, die einzahlten, ohne die Kassen zu beanspruchen, ein gangbarer Weg ist. Doch auch nach der Ökosteuerreform werden gerade diejenigen, die viel Strom verbrauchen, nach wie vor günstigere Tarife nutzen können. Der Anreiz aber, weniger zu verbrauchen, fehlt.

Quelle: Welt, Die 12.11.1999

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Wolfgang Clements Laune, schwarz wie die Kohle

Genau ein halbes Jahr vor der Landtagswahl erlebt Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Wolfgang Clement einen Albtraum. Am heutigen Samstag muss er Seite an Seite mit seinem Freund und Kanzler Gerhard Schröder durch ein Spalier wütender Bergleute und Kraftwerksbauer schreiten und darum bangen, dass die zweite SPD-Regionalkonferenz in Kölner ohne Eklat enden wird. Auch wenn die Pfiffe nicht ihm, sondern nur Schröder und Müntefering gelten, es ist für ihn kein Trost. Clement ahnt, dass diese neue Heimsuchung der SPD durch ihre bisher treuesten Anhänger einer verlorenen Schlacht gleicht. Sie könnte bereits seine Wahlniederlage am 14. Mai 2000 signalisieren.

Tatsächlich ist für den Sozialdemokraten, der als Modernisierer auftritt, die von SPD und Grünen gezündete zweite Stufe der Ökosteuerreform und vor allem die damit verbundene Steuerprivilegierung von hocheffizienten Gas- und Dampfkraftwerken ein schwerer politischer Treffer. Denn dieser Schlag trifft die Wettbewerbschancen der Stein- und Braunkohle in Nordrhein-Westfalen und den ostdeutschen Kohle-Revierländern mit voller Wucht. Obwohl Clement vor dieser Entscheidung gewarnt hatte, obwohl die Kohle-Gewerkschaft, RWE, Rheinbraun und andere betroffene Unternehmen rechtzeitig vor dieser Begünstigung der gefährlichen Import-Konkurrenz für die heimische Energie Alarm geschlagen haben, stimmte die große Mehrheit der SPD-Abgeordneten aus Nordrhein-Westfalen am Donnerstagabend im Reichstag gegen Zehntausende von inländischen Arbeitsplätzen, "gegen Nordrhein-Wesfalen und gegen das nationale Interesse Deutschlands", wie der Düsseldorfer SPD-Fraktionsvorsitzende Manfred Dammeyer zuvor erklärt hatte.

Wer in Berlin erlebt hat, wie der nordrhein-westfälische SPD-Landesvorsitzende Franz Müntefering trotz der Empörung daheim die 72 SPD-Bundestagsabgeordneten von Rhein und Ruhr aus Koalitionsräson zur Zustimmung drängte, ahnt die tiefe Kluft zwischen den beiden Spitzenpolitikern des mächtigsten SPD-Landesverbandes. Für Müntefering ist die rot-grüne Koalition wichtiger als die Kohle. Dagegen hat Clement immer betont, dass das mit dem Braunkohleprojekt Garzweiler II vertraglich verbundene 20-Milliarden Mark teure Kraftwerks-Sanierungsprojekt am Niederrhein als wichtigstes Konjunkturprogramm des Landes alle anderen Erwägungen in den Schatten stellten. Auch der früher gern von Gerhard Schröder intonierte Satz "das Land ist wichtiger als die Partei" ist im Gegensatz zu seinem Kompagnon Müntefering für Clement noch ein eherner Grundsatz.

Doch trotz dieser Prinzipientreue ist der Einfluss Clements auf die Bundespolitik marginal geworden. 18 Monate nach seiner Wahl zum Ministerpräsidenten und ein Jahr nach Bildung der rot-grünen Bundesregierung erlebte er in Berlin seine bisher politisch bitterste Stunde. Weder mit Engelszungen noch durch rabiate Kampfansagen konnte er die 72 Abgeordneten der SPD-Landesgruppe aus Nordrhein-Westfalen dazu bewegen, sich gegen das grüne Dikat und für Garzweiler II zu entscheiden. Frustiert stieg er anschließend in Berlin in den Nachtzug, weil er nur auf diese wenig bequeme Weise einen Morgen-Termin in Köln erreichen konnte.

Spätestens in dieser schlaflosen Nacht dämmerte dem entschiedenen Gegner der Haupstadt Berlin, dass Karl Marx nicht immer irrte und tatsächlich das Sein das Bewußtsein bestimmt. Die seit dem Umzug große räumliche Distanz Düsseldorfs zu Bundestag und Bundesregierung hat den Einfluss Nordrhein-Westfalens auf die Bundespolitik drastisch reduziert. Auch der von Clement jetzt geplante Ausweg könnte schnell in die politische Sackgasse führen. Er will offenbar gemeinsam mit der Union und anderen SPD-Ländern die rot-grüne Anti-Kohle-Politik im Bundesrat stoppen und ist dabei offenbar zu höchst pikanten politischen Koalitionen bereit. Sein gegen die Ökosteuer gerichtetes Techtelmechtel mit Biedenkopfs Sachsen im Finanzausschuss des Bundesrates zeigt bereits die Not eines Mannes, der mit dem Rücken zur Wand steht. Auch die jüngsten öffentlichen Invektiven gegen seine Koalitionspartnerin Bärbel Höhn, deren Jubel über die geglückte Verhinderung von Garzweiler II "unverantwortlich und außerhalb der Welt" sei, markieren die Bereitschaft zu einem dramatischen Konflikt. Als ob Rot-Grün nicht schon genug davon hätten....


Quelle: Welt, Die 12.11.1999

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"Braunkohle ist ungefährdet"
Interview
SPD-Landeschef Franz Müntefering zur Ökosteuer

Franz Müntefering ist Vorsitzender der SPD in Nordrhein-Westfalen und designierter Generalsekretär der Bundespartei.

Herr Müntefering, am Samstag erwarten Sie in Köln auf der SPD-Regionalkonferenz aufgebrachte Bergleute und Kraftwerker, die Angst um ihren Arbeitsplatz haben. Warum hat die NRW-SPD zu spät auf die Ökosteuerpläne reagiert?

Müntefering: Die Öko-Steuer ist kein neues Konzept und sie war auch angekündigt. Es geht darum, Energieverbrauch zu reduzieren oder umweltfreundlich zu gestalten. Diese Steuer ermöglicht auch, Sozialversicherungsbeiträge zu senken. Das ist ein Ansatz, den alle wollen.

Clement hält das Gesetz für falsch. Halten Sie die Steuerbefreiung für Gaskraftwerke mit einem Wirkungsgrad von 57,5 Prozent, die nach Ansicht der Unternehmen und Ministerpräsident Wolfgang Clement (SPD) Braun- und Steinkohle bedroht, für angemessen?

Müntefering: Wir gehen davon aus, dass mit dem, was beschlossen worden ist, die Braunkohle nicht gefährdet wird. Wir stehen zu den Interessen der Bergleute und der Reviere. Wenn der Betreiber das will, hat Braunkohle eine Zukunft und die Kraftwerkserneuerungs-Programme können durchgeführt werden. Entgegen anderen Behauptungen ist die Steuervergünstigung für Gaskraftwerke auf drei Jahre beschränkt.

Die Landesregierung hat vor der Kommunalwahl im August den Bundeskanzler über die prekäre Lage informiert. Hätte nicht schon damals ein öffentlicher Aufschrei durchs Land gehen müssen?

Müntefering: Ich rate zur Nüchternheit. Alle werden sehen, dass das, was wir machen, akzeptabel ist und dass die Zukunft der Braunkohle und das Kraftwerks-Erneuerungsprogramm nicht gefährdet sind. Jeder kann sich darauf verlassen, dass wir aus NRW unsere speziellen Interessen in Berlin einbringen.

Ihnen wird vorgeworfen, sie verrieten die Interessen des Landes. Leben sie nicht mit dem Widerspruch, in Berlin die Koalition zu einem Preis zusammenhalten zu müssen, der in NRW den Abbau von Arbeitsplätzen bedeutet?

Müntefering: Das wäre ein Vorwurf, der nicht der Realität entspricht. Wir verraten nichts, sondern wir haben als SPD-Abgeordnete aus NRW deutlich gemacht, dass die Öko-Steuer eine kalkulierbare, vernünftige Konzeption ist. Deshalb hätten solche Vorwürfe keine Substanz.

Wenn NRW im Bundesrat gegen das Ökosteuer-Gesetz stimmt, wie Clement angekündigt hat, würde dies den rot-grünen Koalitionsvertrag verletzen. Sind sie als SPD-Landesvorsitzender auf einen Bruch der Koalition in NRW vorbereitet?

Müntefering: Es wird nicht zum Bruch kommen. Es gibt in der Regierung klare Vereinbarungen, wie man damit umgeht. Aber ich betone nochmal: Was in Berlin beschlossen wurde, wird auch so zustande kommen - und es schadet NRW nicht.

Was raten Sie den SPD-geführten Kohleländern Sachsen-Anhalt und Brandenburg hinsichtlich der Bundesratsentscheidung?

Müntefering: Ich gebe keine Ratschläge. Aber wir haben bei diesen Ländern natürlich für unsere ökologische Politik geworben. Wir müssen unseren Teil dazu beitragen, die Technologien bei der Braunkohle, aber auch bei Gas zu verbessern.

Quelle: Kölner Stadt-Anzeiger 13.11.1999

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Umweltschutz vertagt

Die Regierung wurstelt in der Energiepolitik vor sich hin Von Fritz Vorholz

Wenn Politiker und Bürokraten ratlos oder zerstritten sind, verfallen sie gern auf eine bewährte Praxis: Sie vertagen sich und gründen einen Arbeitskreis.

Diese Devise beherzigt längst auch die rot-grüne Bundesregierung. Die vorerst letzte Kostprobe dieser Art von Regierungskunst servierte sie am vergangenen Montag. In kleiner Runde saßen Minister und Parlamentarier mit zwei Gewerkschaftsfunktionären zusammen. Es ging um die Kraft-Wärme-Kopplung (KWK), zugegeben kein sehr prickelndes Sujet, aber ein wichtiges. Wichtig vor allem für die Umwelt, denn mit der gleichzeitigen Erzeugung von Strom und Heizwärme lässt sich viel klimaschädliches Kohlendioxid vermeiden. Und das will auch der Bundeskanzler, wie er kürzlich wissen ließ.

Bei der Montagsrunde ging es darum aber nur am Rande. Die Umweltlobby saß auch gar nicht mit am Tisch, sondern nur die Arbeitnehmerlobby. Und die hatte zuvor auf Berlins Hauptstadtstraßen demonstriert. Arbeitsplätze seien in Gefahr, wenn kommunale KWK-Anlagen den rauen Sitten auf dem Strommarkt ausgeliefert werden, lautete ihre Botschaft. Die wurde auch erhört: Bundesweit rund 25 Stadtwerke dürfen nun mit Geld rechnen, damit ihre kohlebefeuerten KWK-Anlagen im Verdrängungswettbewerb auf dem Strommarkt nicht untergehen. Bezahlen sollen das alle Verbraucher über höhere Strompreise, vermutlich mit 0,2 Pfennig je Kilowattstunde.

So weit, so gut. Nur: Es ist schlichter Etikettenschwindel, dieses Pflästerchen als "wichtigen Beitrag zum Umweltschutz" zu qualifizieren, wie es in dem Eckpunkte-Papier heißt. Davon hätte die Rede sein können, wenn die Runde sich endlich auf Regeln für den Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung verständigt hätte - so, wie es in zahlreichen Expertisen seit Jahren empfohlen und sowohl von Grünen wie auch von Sozialdemokraten gefordert wird. Genau das geschah aber nicht. Deshalb sind, abgesehen von den speziell geschützten, alle KWK-Anlagen weiterhin vom Niedergang bedroht. Auch ihre Vorzugsbehandlung im Ökosteuergesetz, mit der die Umweltschützer jetzt vertröstet werden, ist kaum mehr als der Tropfen auf den heißen Stein.

Stattdessen, siehe oben, soll Wirtschaftsminister Werner Müller, der bisher nicht gerade als KWK-Fan aufgefallen ist, sich nun überlegen, wie der KWK wirklich dauerhaft zu helfen ist - frei nach der Devise: Problem erkannt, Lösung vertagt.


Quelle DIE ZEIT 1999 Nr. 46

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Strom von Greenpeace

Umweltschützer wollen saubere Energie raus aus der Nische bringen

Hamburg (taz) - Auch Greenpeace verkauft jetzt Ökostrom. Wie die Umweltorganisation gestern in Hamburg mitteilte, sollen VerbraucherInnen ab dem 1. Januar 2000 bundesweit ihren Strom von der als Genossenschaft organisierten "Greenpeace energy" beziehen können.

Greenpeace war unzufrieden darüber, dass bisher nur wenige KundInnen von der Möglichkeit Gebrauch machten, ihrem Atomstromversorger zu kündigen. Es gebe Anbieter, die seit einem halben Jahr auf dem Markt seien und gerade 60 bis 70 Kunden hätten, sagte Greenpeace-Energieexperte Roland Hipp.

Um den Ökostrom endlich raus aus der Nische zu bringen, hat sich Greenpeace entschieden, das Gewicht seines Namens zu nutzen. Das Ziel ist ehrgeizig: Greenpeace geht davon aus, dass im ersten Jahr 5.000 Kunden gewonnen werden können. In drei Jahren sollen es 10.000 sein, und die Genossenschaft soll schwarze Zahlen schreiben.

Als Antwort auf die ersten Mailings seien in den vergangenen drei Tagen bereits mehr als 500 Verträge unterschrieben zurückgekommen. Der Strom von "Greenpeace Energy" soll zu mindestens 50 Prozent aus Wind, Wasser, Sonne und Biomasse erzeugt werden, der Rest mit gasbetriebenen Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen. Mindestens ein Prozent soll mit Photovoltaik produziert werden. Bei diesem Mix fielen zwei Drittel weniger Kohlendioxid an als beim herkömmlichen Strom und natürlich kein Atommüll.

Greenpeace garantiert außerdem, dass der saubere Strom zeitgleich mit dem Verbrauch ins Netz gespeist wird. Damit könnten sich VerbraucherInnen von den alten Energieversorgern real verabschieden, sagte Sven Teske von Greenpeace. Alles andere seien nur Schreibtischgeschäfte, die dem Markt nichts brächten, sagte Johannes van Bergen, von den Stadtwerken Schwäbisch Hall, die Kooperationspartner von "Greenpeace Energy" sind.

Das Angebot hat seinen Preis: Der Strom wird 34,95 Pfennige pro Kilowattstunde kosten. Dazu kommen 9,90 Mark Grundgebühr im Monat und ein Messpreis des Stromnetzbetreibers von 65 Mark im Jahr. Ein durchschnittlicher Vier-Personen-Haushalt werde 20 Mark, ein Single-Haushalt zehn Mark im Monat mehr bezahlen, rechnet Greenpeace vor.

Quelle: TAZ 11.11.1999

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RWE sieht durch Ökosteuer Gefahr für Braunkohle

Steuer wird wahrscheinlich Karlsruhe beschäftigen

kin DÜSSELDORF. Die RWE Energie AG hat eine Prüfung der Unternehmensplanungen und Investitionsvorhaben im Braunkohlebereich in Aussicht gestellt, wenn die zweite Stufe der Ökosteuerreform heute in der vorgesehenen Form verabschiedet wird. Unmittelbar vor der Abstimmung ist ungewiss, wie sich die Bedenken aus Nordrhein-Westfalen gegen die steuerliche Bevorzugung hoch wirksamer Gaskraftwerke auf das Gesetzesprojekt auswirken werden. In NRW werden Wettbewerbsnachteile für die Braunkohle und ein Aus für den umstrittenen Tagebau Garzweiler II befürchtet. Ein Gespräch zwischen NRW-Ministerpräsident Wolfgang Clement (SPD) und RWE wird dazu innerhalb der nächsten zwei Wochen stattfinden.

Der Finanzexperte und stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion, Joachim Poß, sagte dem Handelsblatt, bei den Ökosteuerverhandlungen zwischen SPD und Grünen seien die Interessen der Braunkohle beachtet worden. Der Umweltpolitiker und SPD-Fraktionsvize Michael Müller sagte, "ein Teil der Schwierigkeiten, denen wir heute ausgesetzt sind, liegt auch darin, dass wir immer wieder nachbessern." Bei den Grünen hieß es, wegen möglicher SPD-Abweichler sei man vor der heutigen Abstimmung in Sorge. Es herrsche "große Unruhe". Die CDU hat namentliche Abstimmung über die Ökosteuer beantragt.

Die Ökosteuerreform wird mit großer Wahrscheinlichkeit das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe beschäftigen. Nach einem Gutachten der Bonner Rechtswissenschaftler Matthias Herdegen und Wolfgang Schön verstößt die Mineralölsteuererhöhung unter anderem gegen Grundsätze des Finanzverfassungsrechts.

Quelle: Handelsblatt 11.11.1999

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Mehr Kohle für städtische Kohlekraftwerke

Bundesregierung genehmigt Stadtwerken einen Bonus für Energieanlagen mit Kraft-Wärme-Kopplung. Aber nur 25 Unternehmen bundesweit werden in den Genuss des Zuschlags kommen

Berlin (taz) - Bundesregierung und Gewerkschaften haben sich über eine Unterstützung von Stadtwerken geeinigt, die mittels Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) umweltfreundlich Strom erzeugen. Da diese Kraftwerke im liberalisierten Markt gegen die Dumpingpreise der Atomwirtschaft nicht konkurrieren können, sollen die kommunalen Unternehmen für einen Zeitraum von maximal fünf Jahren einen Bonus von durchschnittlich sechs Pfennig je Kilowattstunde KWK-Strom erhalten.

Allerding wurden die Kriterien sehr eng gefasst. Entgegen der Vorstellung der Grünen, die auch Gaskraftwerke in das Programm integriert haben wollten, werden nur Braun- und Steinkohlekraftwerke besser gestellt. Zudem werden nur kommunale Unternehmen begünstigt; andere Betreiber von KWK-Anlagen gehen leer aus. Und schließlich werden nur jene Stadtwerke den Bonus erhalten, die mindestens 25 Prozent ihres Stromes durch Kohle-KWK-Anlagen erzeugen. Das sind nur 25 Unternehmen bundesweit.

Das Verfahren ist zudem kompliziert: Der Bonus wird für jedes einzelne Kraftwerk anhand der "gutachterlich anlagenspezifisch nachgewiesenen Kostensituation am jeweiligen Erzeugungsstandort ausgerichtet", heißt es in einer Mitteilung des Wirtschaftsministeriums. Die Mehrkosten, die durch diesen Bonus entstehen, werden bundesweit auf alle Stromkunden umgelegt. Nach den Schätzungen der Regierung wird sich damit eine marginale Preiserhöhung von 0,2 Pfennig je Kilowattstunde ergeben.

Mit der Lösung werde es den Kommunalversorgern ermöglicht, "Anschluss an den Wettbewerb im Förderzeitraum wiederzufinden", sagte Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye. Zugleich betonte er, die Bundesregierung beabsichtige aber "grundsätzlich nicht, den Wettbewerb im Strommarkt einzuschränken".

"Dies ist ein Schritt in die richtige Richtung", sagte der Präsident des Verbandes kommunaler Unternehmen, Oberbürgermeister Gerhard Widder. Und auch die Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr zeigte sich zufrieden mit der Entscheidung, weil diese dazu beitrage, Arbeitsplätze zu sichern.

Aber die Regelung bleibt weit hinter den Vorschlägen zurück, die das Wuppertal Institut erarbeitet hatte. Aus Gründen des Umweltschutzes müssten auch Gaskraftwerke aufgenommen werden, forderte Energieexperte Peter Hennicke. Außerdem drängt das Institut darauf, dass auch Neuanlagen gefördert werden. Es dürfe in der Diskussion um die KWK nicht nur um die Besitzstandswahrung der Stadtwerke gehen, sondern auch darum, dass im Interesse des Umweltschutzes die ökologische Energieerzeugung vorangebracht wird. "Die Ziele Klimaschutz und Atomausstieg sind nur mit einer Verdopplung der Kraft-Wärme-Kopplung bis 2010 erreichbar", sagte Hennicke.

Entsprechend zeigten sich die Grünen gestern noch nicht zufrieden mit der Entscheidung. Vermutlich werden sie auf Nachbesserung drängen. Denn die Beschränkung auf Kohlekraftwerke ist ökologisch gesehen nicht nachvollziehbar, ebenso wie der Ausschluss nichtkommunaler Stromerzeuger und die Beschränkung auf bereits bestehende Anlagen.

Weitgehend einig ist sich die Koalition darin, dass der Beschluss nur ein Anfang sein kann und ein zweiter Schritt im Herbst nächsten Jahres fällig ist. Wie dieser aussehen kann, ist noch umstritten, nachdem die Grünen eine Quotenlösung bevorzugen, Wirtschaftsminister Werner Müller diese aber ablehnt.

Quelle: TAZ 9.11.1999

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Die Unterlassungssünde

In der Energiepolitik steht die rot-grüne Regierung vor einer Weichenstellung. Ohne Ausbau der umweltfreundlichen Kraft-Wärme-Kopplung findet die versprochene Wende nicht statt
Von Klaus Traube

Auf der Bonner UN-Klimakonferenz verkündete der Bundeskanzler wieder einmal, worum es in der Energiepolitik geht: auch um Ausstieg, aber vor allem um Einstieg. Wie man in ein zukunftsfähiges Energiesystem einsteigt, das ist kein Geheimnis: Die Fachwelt hat's jahrzehntelang erkundet, zwei Enquête-Kommissionen des Bundestages haben akribisch Handlungsempfehlungen katalogisiert, Bund-Länder- und interministerielle Arbeitsgruppen daraus Programme gestrickt. Und Bundeswirtschaftsminister Werner Müller hat in einjähriger Amtszeit umgesetzt - nichts.

Nun gut, er hat den zaghaften Einstieg in die ökologische Steuerreform und das daraus finanzierte Programm für erneuerbare Energien nicht verhindert, auch nicht das

Professor Klaus Traube war bis 1976 als geschäftsführender Direktor von Interatom für die Entwicklung und den Bau des Schnellen Brüters in Kalkar verantwortlich. Später konvertierte der Ingenieur zum Kronzeugen der Anti-AKW-Bewegung. Bis 1997 lehrte er an verschiedenen Universitäten, zuletzt als Direktor des Instituts für kommunale Energiewirtschaft und -politik der Uni Bremen. Heute ist er energiepolitischer Sprecher des BUND

 

Hunderttausend-Dächer-Solarprogramm. Doch die Koalitionsvereinbarung versprach weiter ein "breites Maßnahmenbündel der Förderung von Einspartechnologien". Davon sind keine Spuren erkennbar, außer dass, nach neun Monaten Amtszeit, der schon während der Vorgängerregierung erarbeitete Referentenentwurf zur Energieeinsparverordnung aus der Schublade gezogen wurde.

Macht der Bundeswirtschaftsminister schon keine Energiepolitik, so verhindert er sie doch. Vehement stemmt er sich gegen die in der Koalitionsvereinbarung verkündete Beseitigung der Hemmnisse für den "breiteren Einsatz der Kraft-Wärme-Koppelung". Worum geht es bei diesem höchst aktuellen Konflikt?

Die Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) ist allgemein als effiziente, umweltfreundliche und zudem kostengünstige Energietechnologie anerkannt. Die gekoppelte Erzeugung von Strom und Wärme ist lokal gebunden an den gewerblichen Prozesswärmebedarf oder den Heizwärmebedarf von Gebäuden. KWK-Strom wird daher überwiegend dezentral erzeugt in den Heizkraft- und Blockheizkraftwerken von Stadtwerken und großen gewerblichen Wärmeverbrauchern.

Die eigene, dezentrale Stromerzeugung von Stadtwerken und gewerblichen Verbrauchern, die überwiegend in KWK geschieht, mindert den Stromabsatz der großen Verbundunternehmen, die rund 80 Prozent der deutschen öffentlichen Stromproduktion in zumeist ortsfernen Großkraftwerken erzeugen. Das motiviert sie, dezentrale Eigenerzeugung durch strategische Gestaltung der Konditionen für Stromlieferungen möglichst zu verhindern. Solche Verhinderungsstrategien praktizieren die Großstromerzeuger in vielen Ländern. Dagegen sorgten teils staatliche Eingriffe, teils gewachsene Strukturen in Dänemark, Finnland und den Niederlanden für weitgehende Kooperationen innerhalb der Elektrizitätswirtschaft und mit industriellen Verbrauchern zum Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung. Der Anteil der Kraft-Wärme-Kopplung an der gesamten Stromerzeugung liegt in diesen drei Ländern bei 35 bis 45 Prozent, in Deutschland dagegen, wie im EU-Durchschnitt, bei lediglich 10 Prozent.

Die Etablierung kooperativer Strukturen der Elektrizitätswirtschaft hat in den genannten drei Ländern zu boomartigem Ausbau der KWK geführt: Die KWK-Kapazität hat sich in den Niederlanden von 1987 bis 1997 verdreifacht, in Finnland von 1983 bis 1996 um den Faktor 2,5 erhöht. Der Boom entstand, weil sich die Stromerzeugung in dezentralen Heizkraftwerken gegenüber der in zentralen Großkraftwerken als kostengünstiger erwies. So hat sich der hohe KWK-Anteil keineswegs ungünstig auf das Strompreisniveau ausgewirkt: unter den 15 EU-Ländern hatte 1998 Finnland die niedrigsten und Dänemark die drittniedrigsten Industriestrompreise, Deutschland dagegen die dritthöchsten.

Die EU-Kommission schlug 1997 eine "Gemeinschaftsstrategie zur Förderung der KWK und zum Abbau von Hindernissen, die ihrer Entwicklung im Wege stehen" vor. Sie soll den Anteil der KWK an der Stromerzeugung in der EU bis 2010 von 10 auf 20 Prozent verdoppeln. Dementsprechend stellt die Ende 1996 erlassene EU-Richtlinie zur Liberalisierung des Strommarkts den Mitgliedsländern ausdrücklich anheim, bei der Umsetzung in nationales Recht KWK-Strom zu begünstigen. Entgegen den Forderungen der damaligen Bundestagsopposition und des Bundesrats macht aber das 1998 neu gefasste Energiewirtschaftsgesetz davon keinen Gebrauch. Es betont lediglich, hinsichtlich des Zieles der umweltverträglichen Stromversorgung komme "der Nutzung von Kraft-Wärme-Kopplung besondere Bedeutung zu".

Doch die Auswirkungen des Gesetzes sind für die KWK in Deutschland katastrophal: Der Markt für Heizkraftwerke und Blockheizkraftwerke bricht zusammen, existierende Anlagen werden abgeschaltet wegen der extrem niedrigen Kampfpreise, die deutsche Verbundunternehmen und ausländische Großstromerzeuger den Großabnehmern im Verdrängungswettbewerb anbieten. KWK-Eigenerzeugung, die sich bei den zuvor üblichen Strombezugspreisen rechnete, rechnet sich nicht mehr gegen Strombezug zu nur mehr halb so hohen Kampfpreisen.

Diese Kampfpreise decken keineswegs die vollen Kosten für Stromerzeugung und -transport, sind daher eine Übergangserscheinung. Angesichts hoher Überkapazitäten an weitgehend abgeschriebenen Kraftwerken sowie ihrer (aus Monopolgewinnen und Atomrückstellungen resultierenden) enormen Finanzkraft können aber die großen Verbundunternehmen solche Preise noch geraume Zeit durchhalten. Und sie werden insbesondere gezielt zur Verdrängung der KWK-Eigenerzeugung eingesetzt.

Die Ökosteuer wird, so wie sie derzeit bis 2003 geplant ist, der KWK nicht wesentlich helfen. Die Stromwirtschaft verweigerte schon der vorigen Bundesregierung eine freiwillige Verpflichtung zum Schutz und Ausbau der KWK. Daher ist es dringend geboten, Instrumente zum Schutz der bedrohten KWK einzusetzen, die auch deren Ausbau - ein wesentliches energiepolitisches Ziel - sichern.

Schon im Vorfeld der Liberalisierung hatte eine Debatte über solche Instrumente eingesetzt. Dabei schälte sich eine gewisse Quotenregelung auf der Basis von handelbaren Zertifikaten als effizientes, markt- und EU-konformes Instrument heraus. Dafür liegt ein vom Verfasser im Auftrag von sechs Bundesländern ausgearbeiteter Gesetzes- und Verordnungsvorschlag vor. Dessen Realisierung fordern Verbände der kommunalen Wirtschaft, der Hersteller und Betreiber von KWK-Anlagen, die ÖTV und der BUND, die grüne Bundestagsfraktion und die Arbeitsgruppe Energie der SPD-Bundestagsfraktion, auch eine Bundesratsinitiative von Berlin und Schleswig-Holstein.

Werner Müller will allenfalls finanzielle Sterbehilfe leisten

Doch einer will partout nicht: Werner Müller, Bundeswirtschaftsminister. Er setzt den Widerstand seines FDP-Vorgängers gegen die Forderungen der damaligen Opposition, also der heutigen Regierungskoalition, nahtlos fort und noch eins drauf: Es gebe doch, raunt er wissend, kaum noch für die KWK verfügbare Wärmepotenziale - unbeirrt durch Hinweise auf die Niederlande, Finnland, Dänemark. Bis kürzlich konnte er auch keine Gefahr für die KWK erkennen. Seit den großen Demonstrationen der Stadtwerker weiß er: Gefahr droht nicht der KWK, aber einigen kommunalen Kohleheizkraftwerken. Denen will er finanzielle Sterbehilfe anbieten. Sein Entwurf einer Vereinbarung über den Atomausstieg vom 17. Juni 1999 sichert den großen Stromkonzernen zu:

"Sollte aus übergeordneten Gründen die Zwangseinspeisung (z. B. durch sogenannte Quotenregelungen) besonderer Stromerzeugungen unabweisbar notwendig gesetzlich geregelt werden müssen (z. B um den Zweck des Stromeinspeisegesetzes als gesamtstaatliche Aufgabe zu sichern), so wird die Summe aller Quoten auf maximal 10 Prozent der jährlichen Nettostromerzeugung in der Bundesrepublik beschränkt."

Eine KWK-Quotenregelung ist damit, zeitlich unbegrenzt, ausgeschlossen - eine beispiellose Selbstkastration der Politik.

Quelle: DIE ZEIT 1999 Nr. 45

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Umweltschutz - nein, danke

Ein vergessener Gipfel in einer vergessenen Stadt. Heute endet die Klimakonferenz in Bonn

Wer dieser Tage durchs herbstlich bunte Bonn schlendert, findet ein Städtchen wie andere mehr. Menschen gehen zur Arbeit, kehren nach Hause, spielen Fußball, kaufen ein. Bald beginnt die Karnevalszeit. Und im Frühjahr gibt's wieder Schützenfeste. Sonst? Ach! Da war doch mal die Regierung dieser "Bonner Republik". Gott, ist das lange her! Die Alten haben es noch erlebt. Aufregende Zeiten sind das gewesen. Mit Diplomaten und Demonstrationen. Doch eines Tages kam die Wende - und mit ihr eine alte Geliebte: Berlin! Und Bonn ist am Rhein liegengeblieben. Abgelegt, benutzt, vergessen.

Wie die Themen, die hier einst wichtig waren. Umweltschutz zum Beispiel. Globale Erwärmung. Zwölf Tage lang haben Delegierte aus aller Welt am Rhein die ökologische Zukunft der Erde verhandelt. Vertreter von 160 Regierungen feilschten um die Umsetzung des Protokolls von Kyoto, dem 1997 die meisten UN-Staaten zugestimmt hatten. Inhalt: die Milderung des Treibhauseffekts im nächsten Jahrhundert. Doch während noch vor zwei Jahren jedes Kind um die Verhandlungen in Japan wusste, kümmerte sich kaum jemand um das Treffen in Bonn.

Sein Dienstherr, sagt Michael Schroeren, der Sprecher des Umweltministeriums, sei jedenfalls gewiss nicht schuld an diesem wunderlichen Desinteresse. Herr Trittin und die Seinen hätten wirklich alles getan, Aufmerksamkeit und Bewusstsein für die Problematik zu wecken. Sogar Opfer gebracht: ihren Umzug innerhalb Bonns verschoben, um der Klimakonferenz auf die Sprünge zu helfen. Doch die Mühe war offensichtlich vergebens.

Dafür, mutmaßt Michael Schroeren, könnte eine grundsätzliche Schwierigkeit moderner Umweltpolitik verantwortlich sein: "Es geht nicht mehr nur darum, bestehende Missstände zu beseitigen, es geht heute auch darum vorzubeugen." Und das sei oftmals schwer zu vermitteln, denn: "Menschen reagieren auf Katastrophen." Die Klimakatastrophe aber ist - noch - nicht da, der Treibhauseffekt bestenfalls intellektuell zu fassen, nicht aber sinnlich zu erfahren. Und darum scheinbar kein Anlass zur Sorge. Das mag sein. War aber auch vor zwei Jahren nicht anders.

Dass die Bonner Klimakonferenz so unbemerkt vorübergeht, sieht Jörn Ehlers, Sprecher des World Wide Fund for Nature (WWF) eher inhaltlich begründet: "Die Klimaproblematik ist sehr komplex. Ursache und Wirkung liegen hier weit auseinander." Zudem sei es am Rhein hauptsächlich um Details und Verfahrensfragen gegangen, Kyoto hingegen habe Ziele formuliert. Gerade das, ließe sich denken, sollte Bonn spannender machen als Japan. Denn es ist eine Sache, in eloquenten Sonntagsreden eherne Beschlüsse zu fassen. Eine ganz andere jedoch, sie umzusetzen. Oder, um es mit den Worten von Gerhard Schröder zu sagen, der Kyoto für einen "großen Durchbruch" hält: "Es genügt natürlich nicht, dass wir mit einem Packen Papier aus einem Kongresssaal kommen."

Vielleicht jedoch - und das ist der wahrscheinlichste Grund für die Gleichgültigkeit gegenüber der heute zu Ende gehenden Konferenz - halten viele den Geist von Kyoto mittlerweile für ein Gespenst, glauben nicht mehr, dass sich wirklich etwas ändert. Verwunderlich ist das nicht: Statt im eigenen Land die Emissionen zu senken, wollen beispielsweise die Vereinigten Staaten - weltweit führend in der CO2-Herstellung - ihre Treibhausgase auf fremde Rechnung entsorgen. Und die Bundesregierung hält nur halbherzig dagegen: Zwar sollen hier zu Lande durchaus die Werte sinken, doch so ganz will auch Deutschland nicht auf den modernen Ablasshandel verzichten. Das war vor zwei Jahren auch nicht anders. Nur saßen da auf der Regierungsbank nicht eben jene Leute, die einst das Land ökologisch revolutionieren wollten. Nach zahlreichen vollmundigen Ankündigungen - und ebenso vielen kleinlauten Zurücknahmen - aber nimmt gerade den Grünen heute niemand mehr ab, dass sie die Welt bewegen und verändern können. Wenn aber ohnehin alles beim Alten bleibt, braucht auch die Klimakonferenz nicht zu interessieren.

Die Zeit des Träumens ist endgültig vorüber. In Bonn war Ökologie einmal das Leitmotiv einer spontanen Gegenbewegung, die schwung- und lustvoll "die da oben" von der Straße aus ins Schwitzen brachte. Mit dem Umzug an die Spree - wenn nicht bereits beim Einzug ins Plenum - sind die aktiven Marschierer lethargisch geworden. Überdies sind ihre einstigen Exklusivideale mittlerweile allgemeingültig: Jedes Parteiprogramm hat längst grüne Seiten, und selbst die allergrößten Spötter tragen Glas und Papier brav zum Container. Damit scheint das Lebensziel einer aufmüpfigen Generation erreicht, das Soll erfüllt. Die Sonnenblumen beginnen zu welken.

Und damit fehlen jene Protestler, die in Bonn noch gnadenlos polarisierten, die Welt streng in Schwarz oder Weiß einteilten. Mittlerweile regiert geschmeidiges Grau. Das aber ist heraldisch schlecht zu verwenden: keine Fahne mehr, unter der sich streiten ließe.

Niemand hat vom Bonner Klimatreffen ernsthaft konkrete Ergebnisse erwartet. Die gibt es frühestens nächsten November in Den Haag. Wenn überhaupt.

Immerhin jedoch lässt sich recht genau sagen, was die Konferenz zum Treibhauseffekt beigetragen hat: Ein kluger Kopf hat errechnet, dass die Delegierten etwa 500 000 Liter Kerosin verbrauchen, 100 000 Liter Benzin, eine Million Kilowattstunden Strom und sieben Millionen Liter Wasser. Im Gegenzug produzieren sie etwa 50 Tonnen Abfall.

Ach ja: Wer dieser Tage durchs herbstlich bunte Bonn schlendert, findet vielleicht ein paar Müllmänner mehr.
Quelle: Welt, Die 4.11.1999

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Atomausbau statt Ausstieg

Unter Ausschluss der Öffentlichkeit wird die Leistung des AKW Gundremmingen um zehn Prozent erhöht.
Kritik vom Öko-Institut

s sollte alles ohne großes Aufsehen über die Bühne gehen. Während die Spitzenpolitiker mit den Atommanagern über den Ausstieg aus der Atomenergie streiten, werden anderswo vollendete Tatsachen geschaffen. "Anderswo" liegt einmal mehr in Bayern, und es ist das größte deutsche Atomkraftwerk, Gundremmingen.

Für 40 Millionen Mark wollen die Betreiber RWE und Bayernwerk die beiden Kühltürme und Reaktoren umbauen. Mit einem Teil der Umbaumaßnahmen ist bereits begonnen worden, ohne dass die Öffentlichkeit etwas davon erfahren hätte. Der gesamte Ausbau soll laut Kraftwerksleitung bis 2002 dauern. Am Ende wird eine Erhöhung der elektrischen Leistung von acht Prozent stehen.

Das Atomkraftwerk Gundremmingen soll pro Block von 1.344 auf 1.450 Megawatt hochgefahren werden. Mit dem dafür nötigen 10 Millionen Mark teuren Umbau der Kühltürme wurde bereits begonnen. Im März 2000 soll der Neueinbau von leistungsfähigeren Kondensatoren folgen, bestätigte Kraftwerkssprecher Manfried Lasch. Im Atomkraftwerk Gundremmingen soll der Druck von bislang 69,6 bar auf 72,6 bar erhöht werden. Die Umbauten wurden am 14. September von der RWE-AG beantragt.

"Die Wirkungsgradverbesserungen an den Kühltürmen und an den Kondensatoren haben wir mit Gutachtern und Behörden durchgesprochen. Eine Veröffentlichung in den Medien haben wir nicht vorgenommen", so Lasch. Das sei zum derzeitigen Zeitpunkt auch nicht erforderlich, meinen die Kraftwerksbetreiber und das Bayerische Umweltministerium übereinstimmend. Ministeriumssprecher Stefan Graf sagt, nach Abschluss des gerade erst anlaufenden Genehmigungsverfahrens wäre eine Information über den Staatsanzeiger und Bundesanzeiger erfolgt.

Der Verein "Energiewende atomkraftfreies Schwaben e.V." kritisiert die Nicht-Information massiv. Einmal mehr seien gravierende Veränderungen, entgegen aller Zusagen bezüglich "gläserner Kernkraftwerke", als "geheime Kommandosache" behandelt worden. Während man in München mit einem Genehmigungszeitraum von eineinhalb Jahren rechnet, geht man laut Kraftwerkssprecher Lasch in Gundremmingen davon aus, dass bereits im März 2000 mit dem Einbau der neuen Kondensatoren begonnen werden kann. Umweltministerium und Kraftwerksleitung beteuern, so eine Leistungssteigerung sei ein Routinevorgang, sei bei Druckwasserreaktoren auch schon mehrmals erfolgt und auch in Siedewasserreaktoren völlig ungefährlich.

Das sieht der Atomexperte Christian Küppers vom Öko-Institut Darmstadt ganz anders. "Die radioaktiven Stoffe, die in der Anlage enthalten sind, nehmen zu, und zwar bezogen auf die kurzlebigen wie Jod 131." Sollte es dann nicht zu einem schnelleren Brennelemementewechsel kommen, dann würden auch die langlebigen entsprechend ansteigen. Das Risiko würde erheblich vergrößert, "und zwar durch den erforderlichen höheren Druck und den höheren Neutronenfluss". Entsprechende Vorgänge in der Schweiz hätten das bewiesen. Küppers findet, Leistungserhöhungen, wie jetzt in Gundremmingen praktiziert, seien "gefährlicher als der Neubau von Kernkraftwerken".

Aus atomrechtlicher Sicht ist der Verzicht auf ein Erörterungsverfahren bei einer Leistungssteigerung von unter zehn Prozent zulässig. Politisch sei das ganz anders, finden Küppers und auch der Vorstand der "Energiewende", Raimund Kamm.

Wirtschaftlich ist eine solche Leistungssteigerung allemal, rechnet Christian Küppers vor. Bei 212 Megawatt mehr Leistung und einer geschätzten Betriebszeit von 8.000 Stunden pro Jahr würde der Strom-Mehrabsatz rund 1,7 Milliarden Kilowattstunden betragen. Rechnet man nur 7 Pfennig für die Kilowattstunde, ergebe sich immerhin ein Mehrertrag von 120 Millionen Mark. "Da würden sich die 40 Millionen an Investitionen schnell amortisieren", schlussfolgert der Atomexperte.

Quelle: TAZ 3.11.1999

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Alles nur heiße Luft?

Bei der diesjährigen Weltklimakonferenz in Bonn wird kein Durchbruch in der CO2-Begrenzung erwartet. Von Wolfgang Pomrehn

In Bonn wird seit letzter Woche wieder einmal über den internationalen Klimaschutz verhandelt. Rund 5000 Fachleute, Diplomaten, Lobbyisten und Journalisten aus rund 150 Ländern sind im Hotel Maritim versammelt, um noch bis zum 5. November über die Weiterentwicklung der internationalen Abkommen zu verhandeln. Der große Durchbruch wird nicht erwartet. Im Gegenteil, Verhandlungsführer Michael Zammit Cutajar vom Sekretariat der Klimarahmenkonvention wird schon froh sein können, wenn der Verhandlungsprozeß nicht vollständig ins Stocken gerät. Handfeste Ergebnisse sind frühestens für die nächste Konferenz der Vertragsstaaten der Konvention zu erwarten, die Ende des Jahres 2000 oder Anfang 2001 in Den Haag stattfindet.

Die Konferenzen sind mittlerweile zum Ritual erstarrt. Seit 1995 trifft man sich jährlich. Erst Berlin, dann Genf, Kyoto, Buenos Aires, jetzt Bonn. Doch die Öffentlichkeit, sieht man einmal von dem unvermeidlichen Medienrummel ab, nimmt kaum noch Notiz vom Geschehen. Anders als noch vor zehn Jahren gibt es in den Industriestaaten kaum noch politischen Druck, der die Regierungen drängen würde, wirksame Maßnahmen gegen den Treibhauseffekt zu ergreifen. Die Probleme sind hierzulande weitgehend aus der öffentlichen Diskussion verschwunden und so zunehmend auch aus dem Bewußtsein.

Andernorts sieht das durchaus anders aus. In einigen Teilen der Welt bekommt man inzwischen die ersten Folgen eines globalen Temperaturanstiegs zu spüren, der erst im vergangenen Jahr wieder einen Rekord gebrochen hat. Das letzte El-Niño-Ereignis war in Südostasien und dem westlichen Südamerika so heftig wie selten zuvor. Weite Regionen hatten zuerst unter verheerender Dürre und anschließend unter zerstörerischen Wolkenbrüchen zu leiden. Klimaforscher sprechen inzwischen davon, daß die regelmäßig auftretende Variation im tropischen Klima der Pazifikregion durch die Erwärmung verstärkt wird und damit auch deren negative Folgen für Land- und Fischereiwirtschaft. Auch von den Korallenriffen rund um den Globus kommen besorgniserregende Meldungen.

Immer größere Ausmaße scheint in den letzten Jahren das Absterben dieses natürlichen Küstenschutzes angenommen zu haben. Besonders die kleinen Inselstaaten, von denen einige nur wenige Meter über dem Meeresspiegel liegen, schlagen deshalb Alarm. Daß die zu beobachtenden Klimaveränderungen auf menschliche Aktivitäten zurückgehen, ist bereits seit einigen Jahren unter Klimaforschern weitgehend unstrittig. Nur hier und da versuchen noch einige Wissenschaftler, meist im Auftrag von Lobbyorganisationen wie der US-amerikanischen Global Climate Coalition - einem Zusammenschluß der Automobil- und Energiebranchen - oder dem deutschen Verband des Steinkohlebergbaus, gegen den Strom zu schwimmen. In der Lufthülle unseres Planeten verhindern verschiedene Spurengase, daß die Wärmeabstrahlung der Erdoberfläche direkt in den Weltraum entweicht. Wie die Fenster in einem Treibhaus fangen sie diese ein, erwärmen sich und strahlen einen Teil zurück. Die Temperatur der unteren Atmosphäre, und damit des Bodens, steigt dadurch erheblich. Ohne diesen Schutzeffekt würde die Erde einem toten Eisplaneten gleichen.

Die natürlichen Treibhausgase bestehen vor allem aus Wasserdampf und im geringeren Maße aus Kohlendioxid (CO2), das bei der Zersetzung organischen Materials entsteht und von Tieren und Menschen ausgeatmet wird. Der Mensch greift mit seinen industriellen Aktivitäten in dieses delikate Gleichgewicht ein, indem er durch das Abholzen von Wäldern der Biosphäre Kohlenstoff entzieht, das zum Teil als CO2 in der Atmosphäre landet. Der Treibhauseffekt verstärkt sich. Zusätzlich wird CO2 durch die Verbrennung fossiler Energieträger wie Erdöl und Erdgas, sowie Kohle freigesetzt. Die atmosphärische CO2-Konzentration ist daher seit Beginn der Industrialisierung um fast 50 Prozent angestiegen.

Weitere, vom Menschen direkt oder indirekt erzeugte Gase, kommen hinzu, spielen jedoch eine geringere Rolle. Daß wir die Folgen erst jetzt langsam zu spüren bekommen, liegt vor allem am dämpfenden Effekt der Ozeane, die als mächtiger Wärmespeicher die Reaktion des Klimasystems verzögern.

Mangelhafte Maßnahmen

Nach jahrelangen Verhandlungen war es im Dezember 1997 in Kyoto zum ersten Mal gelungen, die Industriestaaten auf eine bescheidene Verminderung ihres CO2-Ausstoßes zu verpflichten. Bis spätestens zum Jahre 2012 sollen sie ihre Emissionen im Vergleich zu 1990 um rund fünf Prozent vermindert haben. Die Verpflichtungen sind für die einzelnen Staaten unterschiedlich: Einige müssen etwas mehr drosseln, andere weniger, Australien, Island und Norwegen dürfen sogar noch zulegen. Die EU- Staaten wurden zu einer achtprozentigen Minderung verpflichtet, dürfen die Last jedoch untereinander aufteilen. Das ist kürzlich geschehen. Deutschland hat mit 21 Prozent den Löwenanteil der EU-Verpflichtungen übernommen, was allerdings angesichts des Deindustrialisierungsprozesses in Ostdeutschland auch nicht allzu schwer sein dürfte. Die DDR hatte Ende der 80er Jahre einen hohen Pro-Kopf-Ausstoß an Treibhausgasen, vor allem aufgrund ineffizienter Energieausnutzung. Eine wichtige Rolle spielte dabei die Energiegewinnung aus Braunkohle. Von allen fossilen Energieträgern hat Braunkohle das schlechteste Verhältnis von Energieausbeute und CO2-Produktion.

Ursprünglich war 1992 auf dem großen UN- Umweltgipfel beschlossen worden, daß die Industriestaaten bis zum Jahre 2000 ihre Emissionen auf das Niveau von 1990 zurückgefahren haben sollten. Doch davon ist inzwischen längst nicht mehr die Rede. Im Gegenteil: Hält der gegenwärtige Trend an, würden im Jahre 2010 die reichen Länder 18 Prozent höhere Emissionen in die Atmosphäre ausstoßen. Angesichts dessen scheint das Ergebnis von Kyoto ein Erfolg. Der damalige Vorsitzende des UN- Wissenschaftlerausschusses IPCC, Bert Bolin, hatte bereits 1996 den Industrienationen ins Stammbuch geschrieben, daß ihre Emissionen um 80 Prozent vermindert werden müßten. Auch ein jüngst veröffentlichter Bericht des UN-Umweltprogramms UNEP weist darauf hin, daß die Kyoto-Verpflichtungen vollkommen unzureichend sind. Sie würden gerade ausreichen, den weiteren Anstieg der Treibhausgas- Konzentration in der Atmosphäre etwas zu verlangsamen.

Aber selbst diese mangelhaften Maßnahmen sind noch lange nicht völkerrechtlich verbindlich. Der Vertrag wird erst wirksam, wenn ihn mindestens 55 Vertragsstaaten - die zusammen für 55 Prozent der Emissionen der Industriestaaten verantwortlich sind - ratifiziert haben. Doch bisher haben erst 14 durchweg sehr kleine Staaten ihre Ratifizierungsurkunden hinterlegt, darunter acht der kleinen Inselstaaten, die vom Klimawandel am stärksten betroffen sein werden. Weder der selbst ernannte »Klimaschutzvorreiter«Deutschland noch die anderen EU-Staaten haben bisher das Kyoto-Protokoll in nationales Recht überführt. Auch die Urkunde der USA steht noch aus. Auf deren Konto gehen alleine 36 Prozent der Emissionen des Nordens, weshalb das Kyoto- Protokoll ohne sie kaum in Kraft treten kann.

Handel mit »heißer Luft«

Als Treibhausgase wurden im Kyotoer Protokoll neben dem meistgenannten CO2, das für etwa die Hälfte des anthropogenen (von Menschen verursachten) Treibhauseffekt verantwortlich ist, auch Methan, Distickstoffoxid und einige andere, industriell erzeugte Gase genannt. Letztere - die in wesentlich geringeren Mengen als CO2 emittiert werden, dafür allerdings auch sehr viel klimawirksamer sind - werden für gewöhnlich in CO2-Äquivalente umgerechnet, so daß auch immer von ihnen die Rede ist, wenn über Verminderungsziele gesprochen wird. Vollkommen unberücksichtigt blieb bisher der internationale Luftverkehr, dessen starkes Anwachsen den Umweltschützern erhebliche Sorgen bereitet. Seine CO2-Emissionen gehen bisher nicht in die nationalen Bilanzen ein und fallen daher nicht unter die Verpflichtungen.

So klein die Zugeständnisse sind, die die Industriestaaten in Kyoto gemacht haben, so schwer war es dennoch, diese überhaupt durchzusetzen. Bis zuletzt hatte sich eine Verweigerungskoalition, bestehend vor allem aus den USA, Japan, Kanada, Australien und Neuseeland, gesträubt. Zuletzt mußte schließlich für die dürftige Emissionsminderung von fünf Prozent ein hoher Preis gezahlt werden: Mit den sogenannten Kyoto- Mechanismen haben sich die Industrienationen - gegen zum Teil erheblichen Widerstand vieler Länder des Südens - diverse Instrumente geschaffen, um sich von ihren Verpflichtungen freizukaufen. Vor allem der Emissionen-Handel hat während der Konferenz in Kyoto und auch danach für viel Aufregung gesorgt. Mit ihm soll es möglich sein, daß diejenigen Staaten, die ihre Verpflichtungen übererfüllen, Verschmutzungsrechte an andere Staaten verkaufen können. Profitieren könnten davon vor allem Rußland und die Ukraine, deren Emissionen bereits jetzt aufgrund der anhaltenden Wirtschaftskrise deutlich unter dem Erlaubten liegen. Besonders die USA hätten großes Interesse daran, sich auf diesem Wege günstig von Umweltschutzmaßnahmen freikaufen zu können.

Die Kyoto-Mechanismen spielen bei den derzeitigen Verhandlungen eine wesentliche Rolle, denn bisher hat man sich noch nicht auf die Details einigen können. So verlangt die EU z. B., daß es für den Emissionen-Handel eine Obergrenze von 50 Prozent geben muß. Das würde bedeuten, daß nur die Hälfte der Verpflichtungen mit dem Kauf von »heißer Luft«, wie es Greenpeace nennt, erfüllt werden dürfte. Den meisten Entwicklungsländern geht das natürlich schon zu weit, während es den USA am liebsten wäre, keinerlei Beschränkungen Folge leisten zu müssen. Auch die Frage, wie die Verrechnung praktisch ablaufen und kontrolliert werden soll, ist noch vollkommen ungeklärt.

Um viele technische Details und Unwägbarkeiten geht es auch bei dem Problem der Anrechnung von Aufforstungen und anderen natürlichen Absenkungsmöglichkeiten von CO2 auf die nationalen Bilanzen. Auf die hatte man sich ebenfalls in Kyoto geeinigt und die genaueren Details dem weiteren Verhandlungsprozeß überlassen. Genau an diesen Fragestellungen haken die Verhandlungen seitdem, trotz einer weiteren Vertragsstaatenkonferenz im letzten Jahr in Buenos Aires und einigen Treffen von Unterausschüssen.

Als Bremser treten vor allem die USA auf, was es für Staaten wie die BRD einfach macht, sich als Saubermann zu präsentieren. »Deutschland wird seine Vorreiterrolle im internationalen Klimaschutz auch in Zukunft weiter aufrechterhalten«, verkündete Umweltminister Jürgen Trittin vor der jetzigen Konferenz. Doch davon kann nicht die Rede sein. Fast zehn Jahre nach den großartigen Ankündigungen der alten Bundesregierung, die sich ursprünglich noch auf die westdeutschen Zahlen bezogen, ist praktisch nichts geschehen. Um 25 Prozent sollten die Emissionen Deutschlands bis zum Jahre 2005 reduziert sein, doch die bisherigen knapp zwölf Prozent gehen fast ausschließlich auf den industriellen Verfall im Osten Deutschlands zurück.

Gleiche Emissionsrechte

Dabei würde die Bundesrepublik, auch wenn das scheinbar hochgesteckte Ziel erreicht würde, noch immer auf Kosten anderer leben: Zwei Tonnen CO2 pro Jahr und Kopf der Weltbevölkerung kann das Klimasystem verkraften, denn etwa die Hälfte der derzeitigen Emissionen wird von den Ozeanen und der Biosphäre aufgenommen. Alles was über dieses noch verkraftbare Limit hinausgeht, führt zum Anwachsen der Treibhausgas-Konzentration. In Deutschland werden derzeit aber noch rund elf Tonnen pro Kopf und Jahr in die Luft abgegeben. In den USA sind es gar 20 Tonnen. (Die DDR brachte es zuletzt auf 21 Tonnen.) Kein Wunder, daß Länder wie China, wo das Limit von zwei Tonnen gerade erst überschritten wurde, oder Indien, wo die CO2-Emissionen noch weit unter dem Limit liegen, nach gleichen Rechten rufen. Dabei geht es allerdings nicht um das Recht, die Fehler des Nordens zu wiederholen. Sie fordern vielmehr zusammen mit einigen afrikanischen Staaten, daß in den Verträgen die Emissionsrechte auf die Bevölkerungszahl umgerechnet werden. Dies hieße nichts anderes, als daß die Emissionen aller Menschen gleich behandelt würden. Doch dagegen sperrt man sich im Norden. Auch

»Vorreiter« Trittin übergeht dieses Anliegen stillschweigend und fordert statt dessen, daß die Entwicklungsländer in das Kyoto-Protokoll einbezogen werden, d. h. Klimaschutzverpflichtungen eingehen müssen. Angesichts dessen, daß in den meisten dieser Länder die Emissionen noch weit unter dem verträglichen Limit liegen, ist das eine Forderung, die nichts Gutes für die Verhandlungen erwarten läßt. Bisher kannte man solche Argumente nur von den Lobbyorganisationen der Klimaschutzverhinderer.

Quelle: Junge Welt 1.11.1999

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Die Bremser werden immer dreister

Zwischenbilanz der Klimakonferenz in Bonn: Länder suchen Schlupflöcher.
Forscher fordern an Klimakatastrophen angepasstes Bauen. Proteste werden zugelassen

Bonn (taz) - Während die Bonner noch ihren allerheiligsten Tiefschlaf halten, hört man in der U-Bahn ein ungewohntes Sprachengewirr, Französisch, Arabisch, Spanisch. Es sind die befrackten Delegierten, die gestern ihre zweite Arbeitswoche bei der fünften internationalen Klimakonferenz starteten. Es wird langsam spannend, denn seit heute sind die Experten und Unterhändler nicht mehr allein. Minister aus 80 Ländern werden jetzt dabei sein. Sie sollen die Ergebnisse aus den Arbeitsgruppen kommentieren und absegnen.

Die bisherigen Sitzungen waren größtenteils geheim, trotzdem ist Jürgen Maier, Sprecher des Forums Umwelt und Entwicklung, davon überzeugt, dass nicht viel passiert ist. "Was wir beobachtet haben, ist, dass die Bremser in dieser Diskussion immer dreister werden - zum Beispiel Australien." Das Land sei eines der wenigen, die in den vergangenen Konferenzen erreicht hätten, dass sie ihre Treibhausgas-Emissionen nicht zurückfahren müssen, sondern sogar noch steigern dürfen. "Nun versuchen sie sogar, noch mehr herauszuschlagen, indem sie ihre Emissionen im Referenzjahr 1990 hochtreiben", sagt Maier.

Über viele Punkte sind die Delegierten offensichtlich noch zerstritten, oder sie suchen weitere Schlupflöcher. So hat Kanada vorgeschlagen, Atomkraft bei dem Clean-Development Mechanism (CDM; es geht um saubere Entwicklung in anderen Ländern) anrechnen zu lassen. Demnach gälte eine kanadische Firma als Klimaschützer, wenn sie in einem Entwicklungsland ein AKW baut. Das deutsche Umweltministerium stemmt sich allerdings gegen die Option. "Atomkraftwerke sind energetisch ineffizient, ökonomisch nicht wettbewerbsfähig und behindern den Umstieg auf eine an Effizienz und erneuerbaren Energien orientierte Umweltpolitik", so ein Sprecher.

Die Nichtregierungsorganisationen fordern, dass weder große Staudämme noch Kohleprojekte, noch nukleare Energie Bestandteil des CDM werden dürfen. Lautstark machen die Kritiker vor den Türen der Salons auf ihr Anliegen aufmerksam. "Taking action on climate change" heißt ein Bericht der USA. "Faking action on climate change" steht auf den Transparenten, die die Umweltschützer ungehindert entrollen dürfen.

Das Wissenschaftlergremium International Panel on Climate Change (IPCC) hat währenddessen andere Sorgen. Robert Watson, Vorsitzender des Panels und Leiter der Umweltabteilung der Weltbank, malt weiter düstere Bilder an die Wand. Wenn die Temperaturen tatsächlich gemäß den Modellen steigen, werden besonders die Armen darunter leiden. "Heute leben 92 Prozent der Weltbevölkerung mit einer relativ ausreichenden Menge Wasser. Im Jahr 2050 könnte dieser Anteil auf 58 Prozent sinken", so Watson.

"Selbst wenn heute noch die Emissionen gestoppt werden würden, wären die einmal in Gang gesetzten Mechanismen der Klimaveränderung noch lange nicht gestoppt", meint Watson. "Wir müssen uns einfach an die Klimaveränderung anpassen. Wer heute einen Hafen baut, sollte ein Ansteigen des Meeresspiegels mit einbeziehen. Das wird ihn heute weniger kosten als in dem Moment, wenn der Wasserspiegel tatsächlich steigt."

Quelle: TAZ 1.11.1999

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Minikraftwerke im heimischen Keller

Brennstoffzellen-Technik für Haushalte vor Serienreife -Energieeinsparungen bei Strom und Wärme von 25 Prozent

Remscheid - Der Gasverbrauch so niedrig wie nie, und anstelle hoher Stromrechnungen vielleicht sogar die eine oder andere Erstattung des Energieversorgers als Dankeschön für in das öffentliche Netz eingespeisten Strom - auf die Betreiber von Heizungsanlagen könnten ab 2001 goldene Zeiten zukommen. Ab dann soll die vom Remscheider Heizgeräte-Hersteller Joh. Vaillant entwickelte Brennstoffzellen-Technologie serienreif sein und mittelfristig den Heiztechnikmarkt komplett verändern.

In Kombination mit einem intelligenten Lastmanagement könnten die Minikraftwerke im Keller beispielsweise in einer Wohnsiedlung zusammengeschaltet und nahezu verlustfrei bedarfsgerecht für die Warmwassererzeugung bzw. Stromversorgung angesteuert werden.

Quelle: Welt, Die 29.10.1999

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Land unter am Wüstenrand

Das Weltklima verändert sich, im Trockengürtel Afrikas regnet es mehr als früher. Eine Wohltat? Nicht für die Bewohner der Slums von Saint-Louis, einer Stadt in Senegal am Rande der Sahelzone. Seit sechs Wochen leben sie unter Wasser

Es stinkt. Bis über die Knöchel reicht die blassgrüne Brühe aus Regen, Grund- und Abwasser. Auf Steinen aufgebockt, knapp über der Oberfläche, steht das Bett von Sérigne Elimane Khouma. Seit fast sechs Wochen lebt er im Wasser.

Während senegalesisches und französisches Militär mit großem Einsatz versuchen, die Kolonialvillen im historischen Stadtkern von Saint-Louis vor den Fluten zu schützen, wartet Khoumas Familie vergeblich auf Hilfe. Die rund 50-köpfige Großfamilie lebt in Pikine, einem Vorort an der Ortseinfahrt der einst als "afrikanisches Venedig" gerühmten Stadt im Senegal. Rund 60.000 Menschen wohnen hier, doch auf den Karten existiert Pikine nicht. Offiziell gilt es als "spontane Ansiedlung"; es entstand in den 70er Jahren.

Über einen halben Meter tief steht das Wasser in den Straßen. Neben einer alten Teekanne schwimmt ein kleiner Fisch kieloben. An den Mauern der Häuser haben sich Abfälle im grünen Schaum angesammelt. Dazwischen spielen die Kinder von Khouma. Aus Angst vor Plünderern will er sein Haus nicht verlassen. "Wir haben schon fast alles verloren. Wir wollen nicht, dass uns auch noch der Rest gestohlen wird."

Und selbst wenn, wüsste er nicht, wohin. Die wenigen Schulen im Ort sind schon überfüllt. Zelte gibt es nicht. So schlafen Khouma und seine Verwandten an der "Route Nationale", der erhöhten Einfahrtstraße nach Saint-Louis, unter freiem Himmel.

Zahlreiche Matratzen liegen hier am Straßenrand oder auf Autowracks. Nur wenn es regnet, kehrt die Familie nachts in ihr Haus zurück. Gekocht und gegessen wird jedoch meist in den überfluteten Räumen. "Fast alle Kinder sind krank", erzählt Khouma. Malaria, vermutet er. Machen kann er dagegen nichts. Er hat kein Geld für Medikamente.

Auch andere Epidemien können sich hier ausbreiten. Khouma zeigt seine Füße. Schon an mehreren Stellen hat er sich an spitzen Gegenständen in der undurchsichtigen Brühe geschnitten. Die Wunden entzünden sich sofort.

Einmal, in den ersten Tagen der Überflutung, wurden Insektizide versprüht. Doch da ständig neues Wasser nachkommt, müsste es eigentlich alle zwei bis drei Tage desinfiziert werden. Gemacht wird dies nicht. So können sich Moskitos, Bakterien und Mikroben ungestört vermehren.

Die zweijährige Fatou hat hohes Fieber. Die Tochter von Ibrahima Dioup wohnt auf der anderen Seite der "Route Nationale". Hier sind die meisten Wege trocken. Doch in dem Haus von Dioup steht das Wasser knöcheltief. "Jeden Morgen schöpfen wir das Wasser raus, aber es fließt immer wieder nach, aus dem Boden", erläutert er und zuckt mit den Achseln. Der Grundwasserspiegel ist so stark angestiegen, dass die tiefer gelegen Häuser förmlich von unten überflutet werden.

Hilfe vom Staat erwartet Dioup nicht. "Die Regierung ist doch schuld an dem ganzen Desaster." Schließlich sei die Katastrophe absehbar gewesen, spätestens seit 1994, als Pikine zum ersten Mal nahezu komplett überflutet wurde. Zwar seien am Anfang einige Sandsackbarrieren errichtet worden und die Feuerwehr habe Wasser abgepumpt, "dort hinten, hinter der Moschee", doch Dioup hält davon nichts. "Die machen das nur, um die Leute zu täuschen."

Der Augenschein gibt ihm Recht. Die meisten aufgetürmten Sandsäcke sind von Wasser umspült, und auch das Abpumpen hatte wenig Sinn, da das Wasser zurück in den Fluss gepumpt wurde, wo es hergekommen war.

Hauptursache der Überschwemmungen sind die starken Niederschläge in der gesamten Region entlang des Senegal-Flusses. In Saint-Louis sind solche Überschwemmungen nichts Ungewöhnliches. Das Wasser ist der Reiz der Stadt, aber auch ihr Schicksal. Sie liegt auf einer schmalen Landzunge mit einer Breite von teilweise nur 200 Metern zwischen dem Atlantik und dem Mündungsbereich des Senegal-Flusses. Der Strom, der durch das gleichnamige Land fließt, bildet im Norden Senegals die Grenze zu Mauretanien. Während der Regenzeit zwischen Juni und September schwillt er teilweise bis auf eine Breite von 20 Kilometern an.

Seit Anfang der 50er-Jahre gab es in Saint-Louis immer wieder Hochwasser. Es folgte eine lange Trockenperiode zwischen 1970 und 1990. In dieser Zeit flüchteten viele Menschen vor der Dürre aus ihren Dörfern im Norden des Landes in die Stadt. Sie siedelten sich dort an, wo noch Platz war; auch in Gebieten, die zuvor als Überflutungsflächen dienten.

Aber neuerdings regnet es wieder mehr als früher. Dieses Jahr hat es so viel Regen gegeben wie schon seit Jahrzehnten nicht mehr. Eine alte Frau erzählt: "Wir haben immer gebetet, dass Gott uns mehr Wasser schenkt. Jetzt gibt er uns zu viel."

Vor zehn Jahren schon hatten die deutsche Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ) und die Weltbank rund sieben Millionen Mark für die Umsiedlung der in den gefährdeten Regionen lebenden Menschen zur Verfügung gestellt. Aber keiner weiß, wo das Geld geblieben ist.

Die Arbeiten zum Hochwasserschutz, die nach den letzten Überschwemmungen vor fünf Jahren in Angriff genommen wurden, hatten eher symbolischen Wert als einen tatsächlichen Nutzen. Im Februar dieses Jahres wurden sie komplett eingestellt.

Die Maßnahmen erwiesen sich ohnehin als vollkommen unzureichend. Die Kaimauern, die errichtet wurden, sind viel zu niedrig und zu schwach, um dem Druck standzuhalten. Zwei Anfang der 90er-Jahre am Senegal-Fluss fertig gestellte Staudämme sind mit den heranströmenden Wassermassen überfordert. Derzeit müssen sie alle paar Tage ihre Pforten öffnen, um ein Überlaufen zu verhindern.

Ein anderes Projekt ist aus politischen Gründen gescheitert. Die Regierung Mauretaniens verweigert die Umleitung des Wassers aus dem nahe der Mündung gelegenen Diane-Stausee in ein von Dürre geplagtes Tal in Senegal. Sie gönnen ihrem Nachbarland nicht die alleinige Nutzung des wertvollen Guts.

Internationale Hilfe für die Opfer der Fluten blieb bislang fast vollständig aus. Einzig eine Initiative in Mali stellte einige verbilligte Medikamente zur Verfügung. Selbst die lokalen Politiker zeigen sich gleichgültig. "Der Gouverneur hat gesagt, er habe keine Zeit vorbeizukommen", erzählt Demba Diallo, der ebenfalls in dem überfluteten Gebiet wohnt.

Es fehlt an Geld und Durchsetzungswillen. Eine Initiative, die sich anlässlich der aktuellen Lage in Saint-Louis gebildet hat, veröffentlichte in der vergangenen Woche eine Liste von notwendigen Maßnahmen, um die Stadt vor weiteren Überschwemmungen zu schützen. Deiche und Kaie müssten errichtet und stabilisiert und das Flussbett vertieft werden. Die Umstrukturierung von Pikine und der Bau von Kanälen zur Umleitung des Wassers müssten endlich begonnen werden. Kurzfristig benötigten die Menschen vor allem Sandsäcke, Medikamente und Brennstoffe.

Nun hat Senegals Tourismusminister Tidiane Sylla in der vorletzten Woche, rund einen Monat nach den ersten Überschwemmungen, umfangreiche Maßnahmen für eine dauerhafte Lösung des Problems angekündigt. "Wir haben davon im Radio gehört, doch 1994 haben sie dasselbe versprochen", sagt Dioup. "Gesehen haben wir bis heute nichts." Reine Propaganda sei es. Schließlich sind in vier Monaten Präsidentschaftswahlen. "Die haben doch im Moment gar kein Geld", meint Dioup. "Die brauchen doch alles für ihre Wahlkampagne."

Khouma glaubt nicht mehr daran, dass sich seine Situation bessern wird. Ihm und den anderen Menschen dort bleibt nichts anderes, als zu warten, bis das Wasser von alleine zurückgeht. "Vielleicht in einem Monat oder in zwei, niemand weiß es", sagt der resignierte Ibrahima Dioup. Drei seiner sechs Kinder haben Malaria. "Sie werden es schon schaffen. Inschallah - so Gott es will."

Quelle: TAZ 26.10.1999

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Das verlockende Feuer in der Tiefe

In den eisigen Erdgasvorkommen auf dem Grund der Ozeane ruhen die Träume der Wirtschaft. Doch Vorsicht scheint geboten: Der Abbau der Gashydratvorkommen könnte das Weltklima beeinflussen

Unweigerlich wird man an die Geschichte der fantastischen, bisher aber unnutzbaren Manganknollen erinnert, jenen kartoffelgroßen Erzknollen auf dem tiefen Grund der Ozeane: Nach vorsichtigen Schätzungen soll in den untermeerischen Gashydratvorräten doppelt so viel Kohlenstoff gebunden sein wie in allen anderen derzeit bekannten fossilen Lagerstätten (Erdöl, Erdgas, Kohle) zusammen. Und da soll einer noch behaupten können, die Energieversorgung der Zukunft sei gefährdet.

Fossile Brennstoffe sind nach wie vor im Trend. Es sind derzeit die wichtigsten Energieträger für die Strom- und Wärmeerzeugung. Vor allem der Anteil von Erdgas wächst dabei stetig. Falls der Weltverbrauch konstant bleibt, reichen die nachgewiesenen Vorräte noch bis zum Jahr 2040, errechnete der diesjährige Träger des Alternativen Nobelpreises, der Solarexperte und SPD-Politiker Hermann Scheer. Danach wird bei den Verteilungskämpfen um die verbleibenden Ressourcen das "größte Gemetzel der Menschheit" anfangen, so Scheer.

Oder aber es helfen ab Mitte des nächsten Jahrhunderts die gigantischen Mengen auf dem Meeresgrund weiter. Tausend Billionen Kubikmeter Gashydrat können es schon sein, die für ein paar Jahrhunderte reichten. Wenn es eine Fördertechnik gäbe. Aber wie im Falle der Manganknollen befinden sich die Gashydratvorkommen auf dem Grund des Ozeans: Technisch können sie derzeit noch nicht gewonnen werden.

Das "Tiefseegas" ist das Produkt bakterieller Zersetzung von abgestorbenem und auf den Meeresboden gesunkenem Plankton. Unter den besonderen Bedingungen von Kälte und hohem Druck werden die Gasmoleküle in einem Eis-Wasser-Gitter festgehalten - sogenannte "Clathrate". Die Mikroblasen aus der Zersetzung lagern dabei im Schlamm Wasser an und bilden so die mächtigen Hydratlagen. Die meisten Sedimente der Kontinentalränder werden durch solche Eiskristalle zementiert.

Als 1997 das Forschungsschiff "Sonne" erstmals größere Mengen Gashydrate aufsammeln konnte, die wie Brausepulver schäumten und dabei zusehends schmolzen, war die Sensation groß. Heute suchen die Wissenschaftler weltweit nach den Lagervorkommen, wobei die meisten an den Kontinentalrändern liegen, denn nur dort treffen Druck, geringe Temperaturen und ein hoher organischer Gehalt im Sediment zusammen.

Aber auch an den aktiven Subduktionszonen der Kontinentalplatten, dort wo die Platten zusammendrücken, kommen Gashydratfelder vor. Erst Anfang Oktober 1999 beendete das Kieler Forschungsschiff "Sonne" drei Expeditionen zu dem vor der Küste Oregons in Amerika entdeckten "Hydratrücken", einem Unterwassergebirge von der Größe des Harzes. Ziel des mit acht Expeditionen und vier Schiffen bisher größten deutsch-amerikanisch-kanadischen Meeresprojekts mit Namen Tecflux (Tektonische Materialflüsse) war die Langzeitmessung und Quantifizierung der austretenden Gase.

Für Gerhard Bohrmann und die Arbeitsgruppe Umweltgeologie vom Geomar Institut in Kiel verlief dabei die Erforschung der entdeckten Hydratvorkommen äußerst erfolgreich. Insbesondere durch den Einsatz automatischer und videounterstützter Probenahmegeräte wurden Daten zur Verteilung von Methan und Schwefelwasserstoff im Meerwasser und erste Messungen zum Gasfluss gewonnen.

Mit Hilfe des amerikanischen Tauchboots "Alvin", bekannt von der Entdeckung der "Titanic", konnten zum Beispiel eigens konstruierte Unterwasserstationen neben den Gasquellen plaziert werden. "Auf den Gasstellen wären sie glatt abgehoben", so der von den hohen Flussraten überraschte Gerhard Bohrmann, "jetzt müssen wir erst einmal neue Geräte entwickeln, die diesen starken Gasströmen widerstehen können."

Trotz des hohen Aufwandes sind automatische Messungen vor Ort, dass heißt in 600 - 800 Meter Tiefe, unentbehrlich. Denn sobald man versucht, die Proben einzusammeln oder an Deck zu holen, entweichen die Gase aus dem Eisgitter und machen exakte Messungen unmöglich.

Das besonders stabile Glasfaserkabel an Bord des modernsten Forschungsschiffes der Welt ermöglicht auch den Einsatz von Videokameras auf dem Tiefseeboden. Was sich den Wissenschaftlern da auf ihren Monitoren bot, war erstaunlich: Direkt an die Gasblasenfelder grenzten die Rasen von orangefarbenen und fädigen Bakterien und weiße Muschelnester füllten die Senken.

Die hohe Anzahl von Muscheln, bis zu 1.750 Individuen pro Quadratmeter, hat dabei am meisten überrascht. Diese Muscheln dringen mit ihrem Fuß in Spalten ein und nehmen Schwefel auf, den sie symbiontischen Bakterien zur Verfügung stellen. Die erwachsenen Muscheln haben die Benutzung des Verdauungstraktes aufgegeben und beziehen ihre Nahrung nur noch von den Bakterien, die durch Ausnutzung der in den Schwefelverbindungen gespeicherten Energie die Nähstoffe für die Muscheln produzieren. Auch die Bartwürmer brauchen die Bakterien für den Stoffwechsel und leben daher dicht um die Hydrothermalquellen.

Dort, wo die Gase kalt austreten, bilden sich die Eishydrate. Während im Laborversuch diese chemischen Komplexe schwer zu bilden sind, gerinnen unter den besonderen Bedingungen der Tiefsee die Gase sofort zu Hydraten, wie Experimente der amerikanischen Arbeitsgruppe aus Montery um Peter Brewer zeigten. Aber unterschreitet der Außendruck einen bestimmten Wert, verdunstet Methanhydrat sofort. Es muss also so abgebaut werden, dass das darin enthaltene Erdgas aufgefangen wird, eine Technik, die noch zu entwickeln ist.

Einige Prozesse in der Natur sorgen ebenfalls für eine Zersetzung der Gashydrate, mit zum Teil dramatischen Folgen. So führen unterseeische Erdbeben zu einer Lockerung der stabilen Eissande an den Kontinentalhängen, und es kann zu gewaltigen Hangrutschungen kommen.

Ein solches Ereignis war vermutlich vor 8.000 Jahren die Storegga-Rutschung bei Norwegen, bei dem eine enorme Flutwelle bis nach Schottland reichte. Bis zu 30 Meter hohe Flutwellen wären auch bei technisch falsch durchgeführten Bohrungen theoretisch denkbar, meint Hydratforscher Bohrmann. Einige Wissenschaftler vermuten sogar, dass die riesige Tsunami-Flutwelle von Papua-Neuguinea im letzten Jahr auf solchen Ursachen beruhen könnte.

Sicher ist für die Wissenschaftler jedoch, dass bei einem globalen Temperaturanstieg des Meerwassers die Gase ins Meer und nach einer gewissen Verweilzeit in den Ozeanen in die Atmosphäre entweichen können. Dort vermag das Methan als starkes Treibhausgas - es ist 25-mal stärker als Kohlendioxid - einen massiven Beitrag zur globalen Klimaerwärmung zu leisten.

Welche Rolle der Gashydrat-Zyklus als wesentlicher Steuermechanismus im globalen Klima einnimmt, ist derzeit nicht einzuschätzen, da exakte Mengenberechnungen noch fehlen. Eine Klimaerwärmung hätte besonders in den Polarregionen, wo große Mengen in den flachen Permafrostgebieten von Alaska, Grönland, Kanada, Russland und der Antarktis festgehalten werden, enorme Konsequenzen.

In den russischen Permafrostgebieten wird bereits versucht, Gashydrat mit konventionellen Methoden abzubauen. Auch die USA und Japan planen mit Hochdruck die Technik für erste Probebohrungen. Die bisher bekannten Vorkommen liegen meist in unmittelbarer Nähe der Kontinentalränder und lassen bei einigen Nationen den Traum von einer billigen, ewig sprudelnder Energiequelle aufkommen.

Für die Manganknollen, die aus einem hohen Anteil an Eisen und Mangan bestehen, aber auch Wertmetalle wie Nickel, Kupfer, Zinn, Kadmium, Zink, Silber und Kobalt enthalten, wurde eigens ein internationales Regelwerk geschaffen. Da die Manganknollenfelder hauptsächlich in internationalen Gewässern liegen, erklärten die Vereinten Nationen sie 1970 zum gemeinsamen Erbe der Menschheit, das zum Nutzen der gesamten Erdbevölkerung einzusetzen sei, insbesondere jedoch der armen Länder. Die Bemühungen der eigens geschaffenen Meeresbodenbehörde endeten in einem mining code, einer Vereinbarung zum verträglichen Abbau dieser Meeresressourcen.

Aber nur für die Manganknollen sind solche Vorschriften vorhanden. Elisabeth Mann-Borgese, Professorin für Seerecht in Halifax und jüngste Tochter von Thomas Mann, beanstandet daher das Fehlen verbindlicher Regeln für die weiteren im Ozean vorhandenen Ressourcen, zum Beispiel zur Erforschung von Genrohstoffen und zur Erhaltung der Artenvielfalt. Diese ernst zu nehmende Lücke im internationalen Recht sollte ihrer Meinung nach schnellstmöglich geschlossen werden.

Im Falle eines wirtschaftlich nutzbaren Rohstoffs sind die Bemühungen für ein Regelwerk jedoch schneller. Die 1998 im US-Department of Energy eingereichten Gesetzesvorlagen diskutieren die weitere Strategie zur Erforschung der Methanhydratvorkommen und setzen heute schon eine Frist: Ab dem Jahre 2015 soll mit dem Abbau begonnen werden.

Quelle: TAZ 26.10.1999

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Ist unser Klima noch zu retten?

Die Erde erwärmt sich, den Inselstaaten steht das Wasser bis zum Hals. Doch die 1997 in Kioto vereinbarte Schadstoffverminderung hat kaum Folgen. Auf dem fünften Weltklimagipfel, der in Bonn begonnen hat, wird um Details gekämpft Von Maike Rademaker

Die Zeit drängt. Zum Beispiel in Niue, einem 260 Quadratkilometer großen Korallenatoll mit weißen Stränden und einem Taucherparadies. Seine 1.750 Einwohner werden ins nahe Neuseeland umziehen müssen, wenn der Meeresspiegel durch die Klimaveränderungen steigt.

Die Regierung von Niue hat die 1997 beschlossene Verpflichtung zur Verminderung der Schadstoffemissionen, das sogenannte Kioto-Protokoll, verabschiedet. Im Zusatz vermerkte die Regierung, dass sie die Vereinbarung für alles andere als ausreichend hält, um den gefährlichen menschlichen Einflüssen auf das Klima Einhalt zu gebieten. Aber darüber wird auf der fünften Weltklimakonferenz, die gestern in Bonn begann, gar nicht mehr geredet.

Das winzige, nicht gerade zu den führenden Luftverschmutzern zählende Inselreich gehört zu den nur 14 von 84 Unterzeichnerstaaten, die das 1997 ausgehandelte Kioto-Protokoll auch tatsächlich verabschiedet haben. Nicht nur, dass diese Zahl nicht ausreicht, um eine verbindliche Umsetzung des Protokolls zu erwirken, unter den 14 ist auch kein einziges Industrieland, obwohl diese die meisten Treibhausgase mit Autos, Industrie und Heizungen in die Luft blasen. Es sind alles arme Länder, darunter viele Inseln. Sie sind als erste betroffen, wenn eintrifft, was Wissenschaftler mittlerweile für sehr wahrscheinlich halten: Werden weltweit die klimaschädlichen Emissionen nicht reduziert, wird die Temperatur in den nächsten 100 Jahren weltweit um 1 bis 3,5 Grad Celsius, der Meeresspiegel einen halben Meter steigen.

Schuld daran, auch da sind sich die Wissenschaftler einig, ist der Mensch: Vor allem durch das Verbrennen fossiler Brennstoffe werden Treibhausgase wie Kohlendioxid und Methan frei.

Unter den Klima-Veränderungen werden aber nicht nur die Niuianer leiden. Die Wissenschaftler befürchten eine Ausweitung der Wüsten, Veränderungen bei den Niederschlägen und damit bei der Nahrungsmittelproduktion. Hurrikane und Überschwemmungen, wie sie die Welt in den letzten Jahren immer häufiger erlebt hat, können die Folgen sein.

Ob es angesichts dieser Bedrohungen reicht, die im Kioto-Protokoll festgelegten Ziele zu erreichen, ist zweifelhaft. Klaus Töpfer, Chef der UN-Umweltorganisation Unep und früherer deutscher Umweltminister, äußert sich mit seinem Bericht GEO 2000 skeptisch. Alles weise darauf hin, dass es zu spät ist, um die globale Erwärmung zu stoppen.

Die grundsätzliche Frage, ob die Kioto-Ziele reichen, steht auf der gestern begonnenen Konferenz aber gar nicht mehr auf der Tagesordnung. Diskutiert wird nur noch über die technischen Details der ausgehandelten Vereinbarung, besonders die sogenannten "flexiblen Mechanismen". Damit gemeint sind drei verschiedene Verfahren, mit denen Verminderungen erreicht werden können. Die drei sind: Joint Implementation (JI), der Clean Development Mechanism (CDM) und der Handel mit Emissionsrechten. Die JI findet zwischen den Industrieländern statt: Investiert beispielsweise eine deutsche Firma in Spanien in ein Solarkraftwerk, hat sie geholfen, Emissionen zu sparen. Dies könnte dann auf die deutschen Verpflichtungen angerechnet werden.

Nach dem gleichen Prinzip funktioniert Clean Development (saubere Entwicklung), allerdings zwischen Industrieländern und Entwicklungsländern. Bei beiden Mechanismen gibt es Probleme: Wie werden die Einsparungen angerechnet? Sind es die Gesamtemissionen des Landes, in dem das neue Kraftwerk gebaut wurde? Oder ein Kraftwerk der gleichen Leistung, dass aber mit klimaschädlichen fossilen Brennstoffen arbeitet? Ungeklärt ist ebenfalls, wie damit umgegangen werden soll, wenn ein Land neben diesen umweltfreundlichen Maßnahmen anderswo Dreckschleudern baut.

Der dritte Mechanismus ist der Handel mit Emissionsrechten, Danach können beispielsweise Firmen in Entwicklungsländern, die noch viel verschmutzen dürfen, aber mangels Industrie nicht können, diese Rechte an ein Industrieland verkaufen, dass sich nicht mehr viel leisten darf.

Regierungsunabhängige Organsiationen wie World Wide Fund for Nature (WWF), Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) und andere werfen den Industrieländern vor, sich auf diese Weise von eigenen Anstrengungen freikaufen zu wollen. Besonders die USA bestehen darauf, sich umfassend freikaufen zu dürfen.

Die EU vertritt im Gegensatz dazu die Auffassung, dass mindestens die Hälfte der Verpflichtungen über Maßnahmen im eigenen Land erreicht werden müssen. Diese "Deckelung" ist eines der Hauptthemen der diesjährigen Konferenz. Darüber hinaus verhandeln die Konferenzteilnehmer auch über Sanktionsmaßnahmen, wenn ein Land seinen Verpflichtungen nicht nachkommt und darüber, wie eine Umsetzung überhaupt überprüft werden kann.

Sollten sich die Teilnehmer der Konferenz bis zum Ende der nächsten Woche einigen, ist der Weg frei für die zentrale nächste Konferenz, die sogenannte COP6, und damit für die Verabschiedung und das baldige Inkraftreten. Angesichts der harten Position der USA, die massive wirtschaftliche Konsequenzen fürchten, ist ein positiver Ausgang unwahrscheinlich. Schon jetzt ist klar, dass die COP6 wegen der US-Wahlen wohl nicht im November 2000 in Den Haag stattfindet, sondern auf das Frühjahr 2001 verschoben wird.

Quelle: TAZ 25.10.1999

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Windstrom geht die Puste aus

Scharfer Wettbewerb auf dem Strommarkt lässt Preise fallen - Bald Mindestvergütung für Ökostrom?

Hamburg - Eigentlich ist die Situation seit Jahren gleich: Die Windmüller bekommen von den Energieversorgern immer weniger Geld für ihren vergleichsweise teuer produzierten Ökostrom. Doch seit die Preise im Zuge des nun völlig freigegebenen Energiemarktes immer schneller fallen, könnte es bei vielen Betreibern schon bald um die Existenz gehen. Bereits mit der jetzigen Vergütung von 16,5 Pfennig je Kilowattstunde sei die Schmerzgrenze erreicht, sagt Bernd Neddermann vom Bundesverband Wind-Energie (BWE). "Weitere Preisstürze sind für viele nicht zu verkraften."

Obwohl die Windstromproduzenten durch das Stromeinspeisungsgesetz lange vor übermäßigem Konkurrenzdruck geschützt wurden, bläst der Branche jetzt der Wind ins Gesicht. Danach sind die regionalen Energieversorger verpflichtet, einen gewissen Anteil Ökostrom in ihr Netz einzuspeisen und dafür einen festgelegten Preis zu zahlen. Dieser Preis liegt über den sonstigen Einkaufspreisen, die beispielsweise für billigen Atomstrom gezahlt werden.

Doch die Vergütung für Windstrom richtet sich nach den stetig fallenden allgemeinen Marktpreisen. Dabei werden die durchschnittlichen Strompreise zu Grunde gelegt, die die Energieversorger vor zwei Jahren für ihren Strom erzielt haben. Nach dieser Formel bekommen die Anlagenbetreiber in diesem Jahr 16,5 Pfennig pro Kilowattstunde. "Danach würde es angesichts des jetzigen Preisverfalls steil bergab gehen", so BWE-Experte Neddermann mit Blick auf den verschärften Stromwettbewerb. Neue Gutachten haben außerdem gezeigt, dass die Wartung auf lange Sicht viel mehr kostet als bisher angenommen."

Angesichts dieser trüben Aussichten fordert der Windenergieverband eine schnelle Änderung der Gesetzesgrundlagen. Schon jetzt liegt nach Angaben des Verbands Windprojekte ein Investitionsvolumen in Höhe von rund einer Milliarde Mark auf Eis, weil die nötige Planungssicherheit fehlt. "Die Vergütung für Windstrom muss von der Preisentwicklung auf dem Strommarkt abgekoppelt werden."

Genau das soll jetzt geschehen: Geht es nach Bundeswirtschaftsminister Werner Müller, könnten nach einer Gesetzesänderung schon vom kommenden Februar an feste Pfennigpreise je eingespeister Kilowattstunde gezahlt werden.

Die großen Stromerzeuger hingegen sehen die sich abzeichnende Einigung mit Bauchgrimmen. Einige Regionalversorger, in deren Netz viel Windstrom eingespeist werde, müssten dadurch Wettbewerbsnachteile hinnehmen, Preissenkungen würden vereitelt, so der Vorwurf des Chefs der Vereinigung Deutscher Elektrizitätswerke (VDEW), Heinz Klinger.

Sein Vorschlag: Statt staatlich garantierte Festpreise zu kassieren, solle jeder Windstromproduzent seinem regionalen Energieversorger ein Angebot machen, unter denen dann die günstigsten ausgewählt würden. Damit werde auch beim Ökostrom ein Anreiz zur Effizienz geschaffen. (ap)

Quelle: Hamburger Abendblatt 20.10.1999

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Initiative für die Sonne

Neue Förderung für Solarkollektoren - 400 000-Dächer-Programm

Hamburg - In Sachen Umwelt- und Klimaschutz ist Maximilian Gege ein Überzeugungstäter. Ständig führt der Hamburger Gespräche mit Managern, versucht sie zu überzeugen, dass Maßnahmen in Betrieben für eine bessere Umwelt nicht nur Geld kosten, sondern auch den Gewinn erhöhen können. "Der Büroartikelhersteller Herlitz spart zum Beispiel 400 000 Mark im Jahr, weil der Stromverbrauch gesenkt wurde", sagt Gege dem Abendblatt. Andere Firmen geben 50 000 Mark weniger pro Jahr aus, weil sie sich für Energiesparlampen entschieden haben.

"Mehr Umweltschutz kann für Deutschlands Unternehmen Einsparungen von insgesamt weit über 40 Milliarden Mark bringen", predigt Gege unermüdlich. Und er wird immer öfter angehört. Vor 15 Jahren war er Mitbegründer des Bundesdeutschen Arbeitskreises für Umweltbewusstes Management (B.A.U.M.) in Hamburg. Heute sind 400 deutsche Unternehmen Mitglied, darunter namhafte Adressen wie Unilever, Holsten, DaimlerChrysler oder der Otto Versand. Die Zahl der Vereinsmitarbeiter ist auf 60 angewachsen.

Doch Gege als geschäftsführender Vorstand des Vereins will nicht nur die Industrie, sondern zunehmend auch Privathaushalte für Umweltbelange sensibilisieren. Deshalb startet er jetzt eine Kampagne "Solar na klar!" mit der er innerhalb von drei Jahren erreichen will, dass in Deutschland 400 000 Dächer mit Anlagen für die so genannte Solarthermie ausgerüstet werden. Dabei sollen Solarzellen installiert werden, die ausschließlich für die Warmwasserversorgung zuständig sind. Etwa 60 Prozent der gesamten Warmwasserversorgung eines Hauses könnten über diese umweltschonende Energiequelle erzeugt werden. Acht Millionen Mark investiert B.A.U.M. in diese Kampagne. Das Geld dafür hat der 55-jährige als Spende von der Wirtschaft, den 16 deutschen Bundesländern und der Deutschen Bundesstiftung Umwelt eingesammelt.

"Die Energieversorgung mit Solarzellen wird im Hinblick auf steigende Öl- und Gaspreise sowie der zunehmenden Verunsicherung über die Kernkraftwerke immer interessanter", glaubt Gege. "Und es rechnet sich." Installiert werden die Anlagen von extra ausgewählten Betrieben der Innung Heizung und Klimatechnik. "5000 Betriebe haben sich bundesweit schon angeschlossen. Allein in Hamburg sind es mehr als 300." Über ein Service-Telefon (0190-77 07 00) will "Solar na klar!" die entsprechenden Handwerker vermitteln sowie Fragen zu Technik und Kosten beantworten.

Für ein Haus, in dem vier Personen leben, rechnet Gege mit einem Bedarf von sechs Quadratmetern Solarzellen. Bei einem Preis von 1750 Mark pro Quadratmeter entstünden Kosten in Höhe von 10 500 Mark. Davon abgezogen werden Zuschüsse des Bundes je nach Kollektorenvariante in Höhe von 250 oder 325 Mark pro Quadratmeter. In Hamburg gibt es noch eine weitere Geldquelle. Die Umweltbehörde fördert das Handwerk und hat mit etwa 30 Betrieben (Adressen bei der Umweltbehörde und der Innung) eine preisgünstigere Solaranlage zusammengestellt. Sie kostet beim Neubau 7500 Mark und beim Altbau 8900 Mark. Das Angebot gilt jedoch nur bis zum 31. Dezember. "Nach acht bis neun Jahren hat sich die Anlage, die etwa 20 bis 25 Jahre hält, amortisiert", ist Gege überzeugt. "Das Angebot ist nicht nur für Privathäuser, sondern auch für Schulen, Turnhallen und Gewerbebetriebe interessant."

"Mit unserer Initiative könnten im deutschen Handwerk und in der Solarzellenindustrie mehr als 7000 Arbeitsplätze geschaffen oder gesichert werden", schwärmt Gege. Und zwar langfristig. Denn wenn B.A.U.M. sein Ziel erreicht hat, innerhalb von drei Jahren 400 000 Dächer mit zwei Millionen Quadratmeter Solarzellen auszurüsten, startet der Verein seine nächste Aktion. "Dann werben wir verstärkt für Solardächer für die Photovoltaik", sagt Gege. Diese Technik dient zur Stromversorgung.

B.A.U.M. verdiene an der Kampagne keinen Pfennig, versichert Gege. Der Verein finanziere sich aus Mitgliedsbeiträgen und Forschungsaufträgen, die B.A.U.M. unter anderem von Ministerien erhält. Allein der Umweltschutz treibe ihn an, so der ehemalige Industriemanager.

Quelle: Hamburger Abendblatt 18.10.1999

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Steife Brise in 140 Meter Höhe

Zwei von vier geplanten Windrädern sollen im nächsten Jahr auf Urfelder Acker entstehen

Wesseling. Wenn er von Ernteradius spricht, meint er nicht den Ausleger seines Kartoffel-Treckers. Ernteradius ist für Karl-Heinz Weißbarth ein Begriff von weitaus substantiellerer Bedeutung, der trotz der landwirtschaftlichen Begrifflichkeit das Wesentliche eines High-Tech-Produkt umschreibt: die Leistungsfähigkeit eines Windrads.

Vier davon will der gebürtige Wesselinger in die heimatliche Krumme pflanzen und damit den etablierten Stromriesen eine kleine, aber feine Konkurrenz machen. Nämlich die der erneuerbaren Energie. 130 Meter hoch sollten die Türme werden, weil Wesseling halt nicht an der Nordsee liegt und man hoch hinaus muss auf der Suche nach lukrativem Gebläse. Doch das sind Pläne vom letzten Jahr. Jetzt gebe es neue Anlagen, erzählt Weißbarth, deren riesige Rotoren einen weitaus größeren Ernteradius bestreichen. Und diese Dinger fallen ein bisschen höher aus, "so um die 140 Meter".

Ein Bauvorantrag jedenfalls hat die entsprechenden städtischen Gremien bereits passiert. Von den geplanten vier Windkraftanlagen wurden zwei vorläufig genehmigt. "Das bedeutet, ich habe einen Rechtsanspruch auf die Baugenehmigung", sagt Weißbarth. Die beiden anderen Windräder scheiterten an diversen Widerständen, unter anderem daran, dass in einem kleinparzellierten Raum wie der Wesselinger Kommune die Abstandsflächen von teilweise 70 Meter nicht immer einzuhalten gewesen seien.

Er habe zwar nicht alles bekommen, was er sich gewünscht hatte, sagt Weißbarth, dennoch sei er zufrieden. Die Stadt jedenfalls habe ihm keine Steine in den Weg gelegt. Was man von den Anrainern seiner künftigen Stromtürme nicht eben behaupten könne.

Die beiden genehmigten Windräder will Weißbarth im Laufe des Jahres 2000 bauen. Allerdings vermeidet er es, sich auf ein verbindliches Datum festzulegen. "Das hängt von vielen Faktoren ab, unter anderem von Bundeswirtschaftsminister Werner Müller", so Weißbarth. Der habe in den letzten Wochen zwar mehrfach davon gesprochen, die alternativen Energien vom allgemeinen Strompreis "abzukoppeln", passiert sei aber bislang noch nichts. Hintergrund ist die Liberalisierung des Energiemarktes und die damit einher gehenden Preissenkungen.

Falle der Strompreis noch weiter, könnten die machtvollen Energieriesen auf die Idee kommen, den nach wie vor teuren Windstrom nicht mehr zu kaufen, fürchtet Weißbarth. Oder zu einem so niedrigen Preis, dass er die Windmüller wegbläst. Abhilfe könnte geschaffen werden: Das Zauberwort heißt Subventionen. "Wenn es der Regierung ernst ist mit der Förderung von regenerativen Energien, muss sie uns unterstützen", sagt Weißbarth.

Das Prinzip heißt folglich Hoffnung. "Ich weiß von Windradherstellern, die haben volle Bücher", erzählt Weißbarth, "aber die Unsicherheit der Betreiber ist so groß, dass die Aufträge massenweise storniert werden". Er selbst will sich davon nicht beirren lassen und seine beiden Räder aufstellen. Nur eines bereitet ihm noch schlaflose Nächte: Soll er den großen Rotor nehmen oder doch den kleinen?

Quelle: Kölnische Rundschau 15/10/'99

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Mehr Rückenwind für sauberen Strom

Eine weitreichende Novelle des Stromeinspeisungsgesetzes soll Biogas, Erdwärme und Solarstrom stärker fördern und Windkraft-Betreibern die dringend notwendige Planungssicherheit geben Von Bernward Janzing

Berlin (taz) - Eine Erfolgsgeschichte steht vor ihrem zweiten Akt: Das seit 1991 gültige Stromeinspeisungsgesetz soll noch in diesem Jahr novelliert werden. Die Überarbeitung des weltweit erfolgreichsten Programms zur Markteinführung regenerativer Energien soll speziell dem Solarstrom und der Bioenergie den Weg zum Massenmarkt ebnen und zudem erstmals auch die Erdwärme berücksichtigen.

"Wir möchten auf dem Markt der Biogas- und Biomassenutzung eine ähnliche Dynamik schaffen, wie sie die Windkraft seit Anfang der Neunzigerjahre erlebt", sagte Michaele Hustedt, energiepolitische Sprecherin der Grünen, in diesen Tagen vor Vertretern der deutschen Ökostrom-Wirtschaft in Berlin. Dies werde mit geringen Mitteln möglich sein: Geplant ist eine um etwa zwei Pfennig je Kilowattstunde erhöhte Einspeisevergütung für Biomasse-Strom.

Neben landwirtschaftlichen Biogasanlagen, für die es in Deutschland ein riesiges Ausbaupotenzial gibt, fallen auch Biomasse-Kraftwerke - zum Beispiel mit Holzfeuerung - unter diese Förderung. Als wahrscheinlich gilt, dass die bislang bestehende Leistungsobergrenze von fünf Megawatt ersatzlos gestrichen wird.

Auch für Solarenergie ist eine deutliche Verbesserung im Gespräch, die das 100.000-Dächer-Programm ergänzen soll. Umweltverbände fordern eine Vergütung für Solarstrom von etwa einer Mark, womit bei gleichzeitiger Nutzung der bestehenden Investitionszuschüsse ein wirtschaftlicher Betrieb von Solarstromanlagen möglich würde. Nach dem aktuellen Diskussionsstand ist auch für diesen Vorschlag eine Mehrheit im Bundestag realistisch. Gegenargumente gibt es kaum: Selbst bei der Installation von 300 Megawatt, wie sie das 100.000-Dächer-Programm bis 2004 vorsieht, wird es nur einen Aufschlag auf den Strompreis von gerade 0,04 Pfennig je Kilowattstunde geben, wenn die Stromversorger die erhöhte Vergütung auf ihre Kunden umlegen.

Ein weiterer Eckpunkt des neuen Gesetzes: Die Vergütung für eingespeisten Ökostrom soll abgekoppelt werden vom Preisverfall auf dem liberalisierten Strommarkt. Bisher wird Windkraft zu einem Tarif vergütet, der 90 Prozent des mittleren Strompreises entspricht. Künftig soll es Festbeträge geben. Nur so erhalten die Anlagenbetreiber die notwendige Planungssicherheit.

Neu wird auch sein, dass die Vergütung für Windstrom je nach Standort differenziert wird. An windreichen Orten soll es geringere Beträge geben, an Orten im Binnenland höhere. Zwischen 13 und 19 Pfennig soll die Vergütung künftig liegen. Zum Vergleich: Haushalte bezahlten im vergangenen Jahr durchschnittlich 24,84 Pfennig je Kilowattstunde an ihren Stromversorger.

Die garantierten Einspeisevergütungen für Ökostrom sollen keine Dauersubventionen sein, sondern allein eine Anschubfinanzierung, wie sie auch die nicht regenerativen Energien erhielten. Nachdem in den vergangenen Jahren die Erzeugung des Windstroms bereits um 50 Prozent billiger wurde, sieht der Bundesverband Windenergie durch den expandierenden Markt noch weitere Potenziale zur Preissenkung.

Hermann Scheer, Träger des Alternativen Nobelpreises und Präsident der europäischen Sonnenenergievereinigung Eurosolar, hofft nun, die notwendige Novelle des Einspeisungsgesetzes einstimmig durch den Bundestag zu bringen. Dies wäre ein deutliches Signal für die erneuerbaren Energien, nachdem schon die erste Fassung des Gesetzes im Herbst 1990 mit den Stimmen aller Bundestagsfraktionen verabschiedet wurde. Inzwischen gibt es auch schon Erklärungen von Vertretern der Opposition, die sich wieder für die regenerativen Energien stark machen wollen. Schließlich kann an einer Blockade niemandem gelegen sein - aus ökologischen wie aus ökonomischen Gründen. Denn allein die Windkraft-Industrie hat in den vergangenen acht Jahren 20.000 Arbeitsplätze in Deutschland geschaffen. Zwei Milliarden Mark setzt die Branche in diesem Jahr um. Und nachdem deutsche Hersteller im eigenen Land viel Erfahrung sammeln konnten und auf dem Weltmarkt einen exzellenten Ruf genießen, steigt der Exportanteil stetig.

Quelle: TAZ 12.10.1999

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Schröders offenes Ohr

Umweltschutz: Wie Hans-Olaf Henkel Lobbypolitik macht

Kioto 1997, Buenos Aires 1998, Bonn 1999 - die Tagungsorte für die Weltklimakonferenzen wechseln, der BDI-Präsident bleibt der gleiche: Hans-Olaf Henkel. Früher stellte er Umweltministerin Angela Merkel für Kioto ein Zeugnis erster Klasse aus ("Frau Merkel hat Deutschland hervorragend vertreten"). Doch heute möchte er bei den Quoten, die als Konsequenz aus der Kioto-Vereinbarung ausgehandelt wurden, doch lieber nachbessern.

Henkel scheint sich vom New-Labour-Kanzler Schröder ein offeneres Ohr zu erhoffen als von Kohl. Wie sonst ist es zu erklären, dass er erst kürzlich zur Feder griff, um anzumahnen, dass die "unverhältnismäßige Belastung Deutschlands im Rahmen der EU-Lastenverteilung revidiert wird".

Die EU-internen Quoten wurden 1998 ausgehandelt. Damals einigten sich die Mitgliedsstaaten verbindlich auf eine interne Lastenverteilung. Um durchschnittlich acht Prozent muss die EU ihre Emissionen reduzieren, Deutschland verpflichtete sich auf 21 Prozent und übernimmt damit den Löwenanteil des EU-Beitrags zum Klimaschutz.

Henkels Brief weckt in Brüssel unangenehme Erinnerungen. Dass die rot-grüne Bundesregierung bei Umweltabsprachen weniger verlässlich ist als die konservativen Vorgänger, haben die EU-Umweltminister schließlich schon bei der Altautorichtlinie erfahren müssen. Nach Intervention von VW-Chef Piäch und auf Anweisung des Bundeskanzlers sah sich Jürgen Trittin genötigt, im Umweltrat Nachbesserungen im Sinne der deutschen Autolobby zu verlangen. Nun hat Henkel den Bundesumweltminister mit dem Autrag zum Umweltrat nach Luxemburg geschickt, über das so genannte "Burden-Sharing", die Lastenverteilung bei der Erfüllung des Kioto-Protokolls, noch mal ganz neu zu verhandeln. In Brüssel glaubt man an ein Missverständnis. Gewiss wolle Herr Henkel mit dem Brief an den Bundeskanzler nur eine bessere Position für die deutsche Industrie beim Emissionshandel herausschlagen. Bis zur 6. Vertragsstaatenkonferenz in Den Haag soll nämlich geklärt sein, nach welchen Spielregeln der Ablasshandel mit Treibhausgasen ablaufen wird. Länder, die ihre Reduktionsquote übererfüllen, sollen an Klimasünder Emissionszertifikate verkaufen können.

Es geht also um sehr viel Geld. Geringere Quoten kämen die deutsche Industrie allemal billiger als teure Zertifikate. Und Schröder, da kann der BDI-Präsident zuversichtlich sein, hat ein Herz für die notleidende deutsche Industrie.

Quelle: TAZ 11.10.1999

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Zurück zur Ökologie

Die Grünen sollten auf Verbraucherschutz setzen. Denn ein Blick nach Europa zeigt: Umweltpolitik kommt beim Wähler an

Nur mit einer Rehabilitierung der Ökologie, so unsere Hypothese, können die Grünen wieder Wahlen gewinnen. Die Ausgangslage ist gewiss nicht einfach. Die Öko-Partei steht vor einem Paradox: Die umweltpolitische Erwartungshaltung ihrer Stammwähler ist groß, die Enttäuschung für das jüngste Stimmungstief mitverantwortlich. Gesamtgesellschaftlich hingegen hat Ökologiepolitik an Bedeutung verloren und wird von ökonomischen Fragen, insbesondere der Lage auf dem Arbeitsmarkt, verdrängt.

Zudem ist es schwieriger geworden, Umweltpolitik ins Zentrum zu rücken. Die Problemlage ist weniger thematisier-, wahrnehm- und politisierbar geworden. Keine Kraftwerksbauten, die polarisieren. Filter haben sichtbare Rauchschwaden verdrängt, durch den Bau von Kläranlagen sind Fische in viele Flüsse zurückgekehrt. Die neue Problemlage ist komplexer und komplizierter: Klimawandel, Ozonloch, Artenschwund und Flächenverbrauch vollziehen sich schleichend, sind weniger sichtbar und eher von globaler Natur.

Die Grünen stehen in dieser Gemengenlage vor der Herausforderung, ein emotionalisierbares Thema zu finden, das zugleich ihre Stammklientel mobilisiert und auch wieder andere gesellschaftliche Schichten ansprechen kann. Dabei kann ein Blick über die europäischen Grenzen helfen, siegen zu lernen.

In Großbritannien landeten die Grünen mit einer Kampagne gegen Gen-Food, die sogar Prinz Charles unterstützte, bei der Europawahl einen Überraschungscoup: Sie erzielten 6,3 Prozent - nach 0,2 Prozent bei den nationalen Wahlen 1997. In Belgien brachte den beiden grünen Parteien die Problematisierung des Dioxinskandals ein zweistelliges Ergebnis bei der Europawahl (15,8 Prozent) und zwei Ministerposten in der neuen Mitte-Links-Regierung ein. Und während in Deutschland bereits 79 Freisetzungsstandorte für gentechnisch veränderte Pflanzen genehmigt wurden, setzte die grüne Umweltministerin in Frankreich ein Moratorium für den Anbau transgener Pflanzen durch. Ihre Partei verdreifachte auch deshalb bei den Europawahlen ihr vormaliges Ergebnis und erzielte 9,7 Prozent.

Der wirtschaftsliberale Economist widmete den europäischen Grünen jüngst eine größere anerkennende Geschichte: "Greens grow up". Nur die Deutschen (und Italiener) scheren aus dem europäischen Aufwärtstrend aus. Dabei dürfte eine stärkere Orientierung auf den Verbraucherschutz und gesunde Lebensmittel fast ein Selbstläufer sein. In den Umfragen sind 85 Prozent der Deutschen dafür, Veranstaltungen sind überdurchschnittlich besucht, grüne Schwesterparteien haben so bereits Wahlkämpfe gewonnen und gerade jene jüngere Klientel, die den Grünen abhanden gekommen ist, kann so gezielt angesprochen werden (insbesondere die mit kleinen Kindern).

Für die Grünen kommt es auf die Erkenntnis an, dass die umweltpolitische Performance der Bundesregierung die entscheidende Messlatte für ihr parteipolitisches Überleben ist. Kompetenzzuweisung und Erwartungen der grünen Wähler sind, wie Umfragen zeigen, auf das Umweltthema fokussiert. Nur die grünen Wähler gestehen ihrer eigenen Partei die höchste Umweltkompetenz zu, während andere Wähler ein geringeres ökologisches Zutrauen zur eigenen Partei haben.

Sollte die Öko-Partei nun nach vier Jahren gerade im umwelt- und verbraucherorientierten Politikfeldern nur eine magere Bilanz vorlegen, wäre die Überlebensfrage wahrscheinlich beantwortet - negativ. Im ersten Jahr der rot-grünen Koalition war Umwelt- und Gesundheitspolitik bislang vornehmlich auf den für Grüne identitätstiftenden Atom-"Ausstiegs"-Diskurs, die zarte Ökologische Steuerreform sowie die Gesundheitsreform fixiert.

Die Handlungsspielräume bezüglich eines Verbraucherschutzes blieben weitgehend ungenutzt - obwohl das grüne Gesundheitsministerium Regulierungsinstanz für die Gentechnik ist. So lehnte die Bundesregierung ein Moratorium für den Anbau transgener Pflanzen ab, obwohl zahlreiche Mitgliedstaaten einzelne Vermarktungsverbote bereits erlassen haben. Von der EU-Umweltkommissarin bekam die Bundesregierung wenig Schmeichelhaftes bei der Novellierung der EU-Freisetzungsrichtlinie ins Stammbuch beschrieben - in der Öffentlichkeit fast untergegangen. Die deutschen Vorschläge hätten den EU-Kommissionsvorschlag "verwässert" und seien "extrem besorgniserregend". Konkret: Verfahrensbeschleunigung und -vereinfachung, Verlängerung der von der Kommission vorgeschlagenen Genehmigungsbefristung (von 7 auf 12 Jahre), Ablehnung des Vorsorgeprinzips in der Zweckbestimmung der Richtlinie und der Verbleib des Entscheidungsrechts bei der Kommission statt mehr Mitsprache der Mitgliedstaaten bei der Entscheidung über die Vermarktung gentechnisch veränderter Organismen, so die Kritik des Umweltverbands BUND.

Auch die erhoffte administrative Kompetenzverlagerung der Gentechnik vom Gesundheitsministerium zum Umweltministerium, wodurch etwa die Freisetzungsentscheidungen nicht mehr vom Robert-Koch-Institut, sondern vom Umweltbundesamt getroffen würden, ist ausgeblieben. Und ein wirklicher Wandel im Forschungsetat von gentechnologischer Forschung, deren Projektmittel Ministerin Bulmahn sogar noch erheblich aufstockte, hin zur verstärkten Förderung des ökologischen Landbaus hat nicht stattgefunden. Einzig die Blockade der alten Bundesregierung für ein Biosafety-Protokoll zur völkerrechtlichen Regelung der Gentechnik wurde durchbrochen, und die Forderung bei der Kennzeichnung von Gentech-Lebensmitteln bei Aromen und Lebensmittelzusatzstoffen unterstützt.

"Von grüner Akzentsetzung in diesem Politikbereich kann höchstens andeutungsweise die Rede sein", bilanzierte Ex-MdB Manuel Kiper, Grünen-Forschungspolitiker in der vergangenen Legislaturperiode, jüngst in der Kommune. Stattdessen würde die Koalition wie ihre Vorgängerregierung der Gen- und Biotechnologie "die Rolle einer strategischen Schlüsseltechnologie" zuweisen.

Die Bündnisgrünen sollten den Verbraucherschutz zu einem ihrer Schwerpunktthemen machen, dem sich nicht nur engagierte Fachpolitiker verpflichtet fühlen. Dabei dürfen sie auch kalkulierte Konflikte nicht scheuen. In einzelnen Fragen standhaft zu bleiben, auch wenn bisweilen der Erfolg ungewiss ist, kann der Partei dennoch helfen. Vor allem aber kommt es drauf an, sich auch tatsächlich einmal durchzusetzen. Ökologie ist nicht alles. Aber ohne sie ist für die Bündnisgrünen alles nichts.

Quelle: TAZ 10.10.1999

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Windenergie-Messe ohne Wirtschaftsminister Werner Müller

Branche dennoch zuversichtlich - Bis zum Jahresende werden bundesweit schon über 8000 Anlagen installiert sein

Die Windkraftindustrie blickt zuversichtlich in die Zukunft. Zur Eröffnung der weltgrößten Messe für alle Bereiche der Windenergie am Mittwoch in Hususm berichtete der Wirtschaftsverband Windkraftwerke e.V. voller Stolz, dass bis Ende des Jahres in Deutschland mehr als 8000 Anlagen mit etwa 4000 Megawatt Leistung installiert sein werden. Damit betrage der Anteil von Windenergie an der Stromerzeugung fast zwei Prozent. Opitmistisch erklärte der Verband: "Ein Ende des Wachstums ist nicht abzusehen."

Die Husumer Ausstellungsmacher Wellmann & Klein sind mehr als zufrieden. Auf über 6000 Quadratmetern Fläche in der neuen Ausstellungshalle sowie auf dem angrenzenden Freigelände zeigen über 120 in- und ausländische Produzenten ihre neuesten Entwicklungen von Windgeneratoren, Komponenten sowie Elektronik. Für Ausstellungsleiter Peter Wellmann ist das ständig wachsende Ansehen der Husumer Windmesse, die ohne jede staatliche Unterstützung auskommt, ein klarer Beweis für die Innovations- und Wirtschaftskraft dieser Branche. Seit Inkrafttreten des Stromeinspeise-Gesetzes vor acht Jahren wurden im Windenergiebereich 10 000 neue Arbeitsplätze geschaffen.

Nicht ohne Sorge verfolgt der Wirtschaftsverband Windkraftwerke die Folgen der Liberalisierung des Strommarktes. Denn krasse Preissenkungen würden auch die Einspeisevergütungen der von Windkraft erzeugten Elektrizität in die Stromnetze treffen. Noch vor 18 Monaten hätten die nordeutschen Energieversorger ihre Strompreise wegen der Belastungen durch die Einspeisevergütungen um acht Prozentpunkte erhöht, kritisierte der Verband gestern auf der Husumer Messe. Jetzt aber würden die ehemaligen Monopolisten Preissenkungen ankündigen, die ihre Strompreis-Erhöhungen vom letzten Jahr um ein Vielfaches übertreffen. Auf dem am Nachmittag eröffneten Kongress "Windwirtschaft 2000 plus" erinnerte der schleswig-holsteinische Energieminister Claus Möller an die frühere Zielsetzung seiner Landesregierung. "Als wir Anfang der 90er Jahre das Ziel formulierten, bis 2010 ein Viertel des Stromverbrauchs in Schleswig-Holstein aus Windenergie zu decken, rief das bei vielen ein ungläubiges Lächeln hervor." Der SPD-Politiker fügte hinzu: "Wir erreichen dieses Ziel deutlich früher."

Staatssekretär Wilfried Voigt vom Kieler Energieministerium nannte gegenüber der WELT konkrete Zahlen. Danach waren Ende letzten Jahres im nördlichsten Bundesland mehr als 800 MW installiert, inzwischen sind es 835, Ende des Jahres werden es 900 MW sein. Zur Jahreswende 2000/2001 wird mit 1200 MW gerechnet, Ende 2003 dürften allein aus Windkraft 1350 MW Strom produziert werden.

Neben dem Ersatzbedarf für kleine und ältere Anlagen an genehmigten Standorten rechnen die deutschen und ausländischen, vornehmlich dänischen Hersteller mit guten Aussichten im Offshore-Bereich. Mit Bedauern wurde jedoch registriert, dass Bundeswirtschaftsminister Werner Müller, der bei der Kongress-Eröffnung sprechen sollte, seine Teilnahme kurzfristig abgesagt hat. Seine Ausführungen besonders zur Liberalisierung des Strommarktes mit möglichen Schutzklauseln für Stadtwerke waren mit besonderem Interesse erwartet worden.

Quelle: Welt, Die 22.9.1999

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Windpark in Hallschlag

Verwaltungsgesellschaft Umweltkontor

Hallschlag (boß). Mit dem "Windpark Hocheifel I" entsteht in den Gemeinden Hallschlag und Scheid nahe der B 421 das neueste Projekt der Verwaltungsgesellschaft Umweltkontor.

Baldiger Baubeginn

Bei einer Gesamtinvestition von 10,74 Millionen Mark werden hier vier Anlagen des Typs DeWind 62 mit einer Leistung von jeweils 1000 kW errichtet. Mit dem Bau soll noch in diesem Monat begonnen werden.

Günstige Windprognose

In diesem für Windenergieanlagen ausgewiesenen Vorranggebiet mit seiner günstigen Windprognose von 6,2 Metern pro Sekunde wird mit einer jährlichen Stromproduktion von rund 7,8 Millionen Kilowattstunden gerechnet, das entspricht dem Bedarf von rund 2200 Vier-Personen-Haushalten.

Den erzeugten Strom speist der Windpark Hocheifel in das Umspannwerk der Energieversorgung Eifel GmbH (EVE) in Hallschlag-Kehr ein - das erste von einem privaten Betreiber errichtete Umspannwerk im RWE-Netz.

Bürgerwindpark

Das Projekt ist als Bürgerwindpark konzipiert. Bürger aus der Eifel können mit 5000 Euro einsteigen. Derzeit wird für die Abnahme des erzeugten Stroms ein Preis von 16,52 Pfennig pro Kilowattstunde gezahlt.

Atommüll einsparen

Bei einer Laufzeit der vier Anlagen von 20 Jahren gehen die Betreiber davon aus, dass gegenüber konventionell erzeugem Strommix in Deutschland über 100 Millionen Kilo Kohlendioxyd und mehr als 200 Kilo Atommüll eingespart werden.

Das Umweltkontor hat seit der Gründung 1996 seinen Umsatz auf 60 Millionen Mark (Hochrechnung für 1999) und die Zahl der Mitarbeiter auf 30 gesteigert.

Quelle: Aachener Nachrichten 20.9.1999

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Verbraucher wollen mehr Öko-Strom

Preise sinken

Berlin/Frankfurt/Hamburg - "Öko-Strom" aus erneuerbaren Energiequellen gewinnt Marktanteile und sollte auf Wunsch der Verbraucher noch stärker genutzt werden. Bei einer Umfrage sprachen sich mehr als 80 Prozent der Befragten für eine stärkere Anwendung umweltfreundlicher Energien aus. 92 Prozent der Bundesbürger wünschen sich danach eine ver¦stärkte Nutzung der Sonnenenergie. Bei Wasserkraft waren es 86 Prozent, bei Windkraft 83 Prozent.

Die Zahl der Regenerativ-Kraftwerke von Stromversorgern und privaten Betreibern ist 1998 um 19 Prozent auf 21 700 gestiegen. Den größten Zuwachs erreichte Strom aus Sonnenenergie. Die Zahl dieser Anlagen nahm um 30 Prozent auf 9100 zu. Insgesamt wurden 25,3 (21,7) Milliarden Kilowattstunden ins Stromnetz eingespeist. Der Beitrag der erneuerbaren Energien zur Deckung des Stromverbrauchs in Deutschland stieg um 0,6 Prozentpunkte auf 5,2 Prozent. Von den Stromversorgern stammten 70 Prozent des gesamten Ökostroms. Die bis 2010 geforderte Verdoppelung der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien sei in Deutschland jedoch nur umsetzbar, wenn der Anteil von Windkraft, Biomasse und Photovoltaik bis dahin verfünffacht werde, sagte der Präsident der Vereinigung Deutscher Elektrizitätswerke (VDEW), Heinz Klinger.

Shell und die Hamburgischen Electricitäts-Werke (HEW) senken ihren Preis für Ökostrom um 23 Prozent. "newpower"-Strom, der zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien erzeugt wird, kostet künftig bei einem Jahresverbrauch von 2000 Kilowattstunden nur noch 763 DM pro Haushalt. Der Normaltarif liege bei 714 DM, teilten die HEW am Montag in Hamburg mit. Ziel der Aktion sei es, dass Ökostrom auch im umkämpften Strommarkt ein Erfolg werde. (dpa)

Quelle: Kölner Stadt-Anzeiger 21.9.1999

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Strom und Wärme aus der Zelle

Vaillant: Neue Technik

Bergheim - In Zukunft könnte so manches Kraftwerk stillgelegt werden. Nämlich dann, wenn sich die Brennstoffzellen-Technologie durchsetzt. Die Brennstoffzelle produziert gleichzeitig Wärme und Strom. Auf diesem Markt will sich auch die Firma Vaillant, die in Bergheim-Zieverich ein großes Werk betreibt, einen führenden Platz sichern. Vaillant will mit den beiden US-amerikanischen Unternehmen Plug Power und GE Fuel Cell Systems in Europa Brennstoffzellen entwickeln, produzieren und vermarkten. Die Kooperationsverträge dazu sind unter Dach und Fach. Das bestätigte die Remscheider Firmenzentrale.

In den neuen Bundesländern wurde die erste Brennstoffzelle kürzlich in ein Einfamilienhaus montiert. Sie hat einen Gesamtwirkungsgrad von 80 Prozent - zum Vergleich: Das BoA-Kraftwerk in Niederaußem bleibt trotz moderner Technik unter 50 Prozent. Die günstigere Energieausnutzung erreicht die Zelle dadurch, dass sie Strom und Wärme nicht durch traditionelle Verbrennung, sondern durch chemische Prozesse herstellt. Das Erdgas wird zunächst in ein wasserstoffreiches Gas umgewandelt, das dann im eigentlichen Prozess mit Sauerstoff reagiert. Dabei entsteht nicht nur 80 Grad heißes Wasser, sondern auch Strom.

Einzelteil-Produktion

Noch sei nicht entschieden, in welchem der fünf deutschen Vaillant-Werke die Brennstoffzellen produziert werden, sagte Vaillant-Sprecher Stefan Kubik. Es sei aber wahrscheinlich, dass zumindest Einzelteile der Zelle in Zieverich hergestellt würden, etwa Gehäuse.

Vaillants neue Partner sind in den USA sehr bekannt, so Kubik: "Plug Power war weltweit das erste Unternehmen, das ein Brennstoffzellensystem zur dezentralen Versorgung eines Einfamilienhauses demonstriert hat." GE Fuel Cell Systems (Jahresumsatz 9,5 Milliarden US-Dollar) ist ein weltweit operierender Vermarkter der Brennstoffzellen-Geräte von Plug Power. Vaillant sei als "europaweit führender Hersteller von Gasheizgeräten" als Partner gewählt worden.

Interessant ist die Brennstoffzellen-Technik nicht nur für den Umweltschutz (über 25 Prozent weniger Kohlendioxid-Ausstoß), sondern auch für die Senkung von Heiz- und Stromrechnungen. Mit der ersten Serien-Produktion wird allerdings erst in einigen Jahren gerechnet. Zunächst sollen größere dieser kombinierten Strom-, Warmwasser- und Heizanlagen produziert werden, die in "Vier- bis Sechsfamilienhäusern" betrieben werden und etwa 15 000 bis 20 000 Mark kosten sollen. Später sollen auch kleinere Geräte für den Einsatz in Einfamilienhäusern in Serie gehen - angepeilter Preis: etwa 5000 Mark.

Quelle: Kölner Stadt Anzeiger 20/09/1999

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Das Sagen hat die Siemens AG

taz-Serie "Jeden Tag ein guter Grund für den Atomausstieg": Der Kraftwerkhersteller Siemens treibt den Bau von Atomkraftwerken in Osteuropa voran Von Henrik Paulitz

Würde sich eine Herstellerfirma jemals über die Subventionierung der von ihr hergestellten Produkte beklagen? Nein? Siemens würde nicht nur, der Münchner Kraftwerkhersteller tut es bereits. In der August-Ausgabe der Unternehmenszeitschrift Standpunkt wettert er gegen die "Zwangssubventionierung" für erneuerbare Energien durch das Stromeinspeisegesetz. Der nach eigenen Angaben weltweit führende Produzent von Solarzellen, der auch Komponenten für Wasserkraftwerke, Windkraftanlagen und Biomasse-Kraftwerke herstellt, möchte sein Geld viel lieber mit dem Bau von (ebenfalls subventionierten) Atomkraftwerken und fossilen Großkraftwerken verdienen. Geeignete Abnehmer für Solarzellen sehen die Konzernstrategen in den Herstellern von Parkscheinautomaten sowie in noch nicht mit Stromnetzen erschlossenen Regionen der Dritten Welt.

Siemens/KWU hat alle 19 laufenden Atomkraftwerke in Deutschland gebaut und wehrt sich gemeinsam mit den Atomkraftwerksbetreibern vehement gegen den Atomausstieg. Das Unternehmen wartet die Anlagen regelmäßig, rüstet sie nach und versorgt sie mit Brennelementen - ein Milliardengeschäft.

Weil sich in Deutschland neue Atomkraftwerke derzeit politisch nicht durchsetzen lassen, haben sich Siemens, die Energieversorger und die Großbanken darauf verständigt, Atomkraftwerke im Zuge der Energiemarktliberalisierung künftig im benachbarten Ausland zu bauen und den Atomstrom nach Deutschland zu importieren. Die Regierung Kohl besorgte der Siemens AG 1996 die Finanzierung für die Fertigstellung des Atomkraftwerks Mochovce in der Slowakei.

Die rot-grüne Regierung wird vermutlich in wenigen Wochen ihre Finanzzusage für die Fertigstellung der ukrainischen Atomkraftwerksblöcke Kmelnitzki-2 und Rowno-4 durch Siemens geben.

Wie Greenpeace kürzlich anhand eines Schreibens des ukrainischen Präsidenten Kutschma an die großen Industriestaaten (G7) belegte, wollte die Ukraine 1995 Gaskraftwerke als Ersatz für den Tschernobyl-Reaktor bauen. Die Regierung war dann allerdings gezwungen worden, sich auf Atomanlagen umzuorientieren. Dahinter standen insbesondere die "Bundesrepublik Deutschland und Frankreich", wie aus einem Schreiben des Bundesfinanzministeriums vom 30. März 1999 an die Internationale Vereinigung Ärzte gegen den Atomkrieg (IPPNW) hervorgeht. Ihr besonderes Engagement erklärt sich aus dem Interesse der Reaktorbauer Siemens und Framatome.

Kürzlich nutzte Bundeskanzler Schröder eine Reise nach Kiew dazu, der atomkritischen Öffentlichkeit und seiner eigenen Bundestagsfraktion zu demonstrieren, dass die Ukraine heute auf dem Atomkraftwerksbau beharrt, um an die ersehnten EU-Gelder zu kommen. Dabei wäre das eigentlich kein Grund für die Bundesregierung, hochgefährliche Atommeiler, die seit über 13 Jahren vor sich hinrosten, finanziell zu unterstützen. Doch Schröder will sich nicht mit dem mächtigen Atomkonzern Siemens anlegen - und die Grünen nicht mit Schröder.

Doch nur 13 Prozent der Bevölkerung in Deutschland wollen auch nach den "Verhandlungen" in Kiew, dass der Westen neue Atomkraftwerke in der Ukraine als Ersatz für Tschernobyl finanziert. 79 Prozent plädieren nach einer Forsa-Umfrage im Auftrag der IPPNW für nichtatomare Alternativen. 75 Prozent lehnen es generell ab, dass Siemens in Osteuropa Atomkraftwerke baut, aus denen dann Atomstrom unter anderem nach Deutschland geliefert wird.

Doch Siemens hat sich schon immer nur auf die Position der Bundesregierung berufen, und ein rot-grüner Atomkredit wird die entscheidende Motivation dafür sein, zahllose weitere Atomprojekte im Osten forciert voranzutreiben. Wie in der Ukraine möchte Siemens auch in Russland zwei Atomkraftwerksblöcke des Typs WWER-1000 fertig stellen: Rostow-1 und Kalinin-3. Für den Bau des Prototyp-Reaktors WWER-640, den Siemens gemeinsam mit der russischen Atomwirtschaft entwickelt hat und in der Nähe von Sankt Petersburg errichten möchte, fehlt nur noch das nötige Kleingeld aus den westlichen Staatshaushalten.

Das ambitionierteste Projekt der deutschen Atomschmiede ist der geplante Bau eines "Europäischen Druckwasser-Reaktors (EPR)" mit einer Leistung von 1.750 Megawatt am westrussischen Standort Smolensk. Der superteure Großreaktor soll durch Stromlieferungen nach Deutschland finanziert werden, wie Siemens-Pressesprecher Wolfgang Breyer bestätigte: "Ich kann mir vorstellen, dass Russland, wenn es dann zum Bau eines EPR in Russland kommen sollte, Stromlieferungen in den Westen erbringen möchte, um seinen Anteil an der Investition zu bezahlen."

Ausgerechnet vom möglichen EPR-Standort Smolensk aus hat Siemens bereits den Bau einer Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung (HGÜ) über Warschau bis Berlin und Kassel ins Auge gefasst. Mit der geplanten Übertragungsleistung von 4.000 Megawatt ließe sich dann neben dem EPR-Strom auch noch Strom aus den in Smolensk betriebenen vier Reaktoren vom Tschernobyl-Typ nach Deutschland importieren. Vom litauischen Tschernobyl-Reaktor Ignalina baut Siemens bereits eine Stromtrasse.

Mit seinen Atomgeschäften in Osteuropa stützt Siemens maßgeblich die dortige Atomlobby. Nach Einschätzung der russischen Anti-Atom-Organisation Ecodefense! wäre die russische Atomwirtschaft längst am Ende, wenn der Konzern nicht immer wieder Westgelder für die gemeinsamen Atomprojekte organisieren würde. Umgekehrt aber heißt das: Wenn wir Siemens durch einen Verbraucherboykott vom Atomgeschäft abbringen, wird auch der Atomausstieg in Osteuropa greifbar.

Henrik Paulitz organisiert für die IPPNW den Siemens-Boykott

Quelle: TAZ 09/09/1999

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Der radikale Steuervorschlag

Eine Studie des Umweltbundesamtes

Berlin - Durch eine radikale ökologische Steuerreform könnten in Deutschland binnen zehn Jahren mehr als eine viertel Million neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Außerdem könnte der Verbrauch von Benzin um rund 25 Prozent und der Verbrauch von Dieselkraftstoff um gut 20 Prozent gesenkt werden. Zu diesem Ergebnis kommen Wissenschaftler in einer gestern in Berlin vom Umweltbundesamt (UBA) veröffentlichten Studie.

Die Studie sieht eine kräftige Verteuerung von Energie vor, aber zugleich eine deutliche Senkung der Sozialabgaben sowie den Wegfall der Gewerbesteuer.

Das Werk wurde im Auftrag des UBA von Wissenschaftlern des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung und des Finanzwissenschaftlichen Forschungsinstituts der Universität Köln erstellt. UBA-Chef Andreas Troge erklärte, die Langzeit-Studie zeige, "dass sich ein langfristiges, berechenbares und vor allem aufkommensneutrales Konzept für eine ökologische Steuerreform auszahlt. Die Umwelt wird entlastet, Spielräume für Reformen des Steuer- und Abgabensystems werden geschaffen. Das stärkt die Wirtschaft und bringt neue Arbeitsplätze."

Ziel der Autoren ist es, den Umwelt- und Ressourcenverbrauch durch Verhaltensänderungen der Unternehmen und der privaten Haushalte zu verringern. Deshalb wollen sie Umweltsteuern erheben.

Kernstück ihres Konzepts ist eine "allgemeine Energiesteuer". Fossile Brennstoffe wie Kohle, Öl und Elektrizität sollen nach dem Energiegehalt belastet, regenerative Energien wie zum Beispiel die Solarenergie von der Steuer befreit werden. Die Mineralölsteuer sollte nach ihren Vorstellungen binnen zehn Jahren schrittweise um bis zu einer Mark je Liter Diesel oder Benzin erhöht werden.

Plädiert wird ferner für eine Verteuerung der entfernungsunabhängigen Lastwagen-Vignette auf Autobahnen. Längerfristig sollte eine allgemeine, fahrstreckenabhängige Straßenbenutzungsgebühr eingeführt werden, die für alle Kraftfahrzeuge auf Autobahnen und Fernstraßen gelten sollte. Vorgeschlagen wird eine Gebühr von zehn Pfennig je gefahrenem Kilometer für Personenwagen und 40 Pfennig je Lastwagen.

Weitere Punkte sind eine Abfallabgabe, um die Deponierung von Abfällen und die Entsorgung besonders überwachungsbedürftiger Sonderabfälle beim Erzeuger zu verteuern. Per Anhebung der Abwasserabgabe soll die Einleitung von Schadstoffen in Gewässer verringert werden. Zudem plädieren die Wissenschaftler dafür, längerfristig Abgabe für Flächen einzuführen, die neu versiegelt werden sollen (zum Beispiel Parkplätze), und zwar 100 Mark je Quadratmeter bebauten Bodens.

Die Autoren erwarten "beträchtliche positive Umweltwirkungen"; neben der deutlichen Verringerung des Diesel- und Benzinverbrauchs eine Reduzierung des Energieverbrauchs um gut 13 Prozent. Auf Mülldeponien würden 40 Prozent weniger Sonder- und Siedlungsabfälle anfallen sowie rund 50 Prozent weniger Bauschutt und Massenabfälle aus der Produktion.

Im zehnten Jahr nach Einleitung der ökologischen Steuerreform erwarten die Autoren Öko-Steuereinnahmen von 147 Milliarden Mark. Sie plädieren dafür, dieses Geld für eine Senkung der Sozialversicherungsbeiträge um insgesamt rund 85 Milliarden Mark einzusetzen. Ferner raten sie zur Abschaffung der Gewerbesteuer (48,6 Miliarden Mark) und zur Senkung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes.

Da die Reform die einzelnen Haushalte unterschiedlich be- und entlasten würde, sei es möglich, soziale Härten von Staats wegen auszugleichen. Das Wirtschaftswachstum bliebe nach den Szenarien der Wissenschaftler "nahezu unverändert". Für den Fall, dass die Gewerkschaften wegen der abgabebedingten Preissteigerungen höhere Tariflöhne durchsetzen würden, rechnen die Autoren nicht mit 260 000 neuen Arbeitsplätzen, sondern nur mit etwa 140 000.

Hamburger Abendblatt 3.9.1999

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Umweltfreundlicher Strom aus Bohrinseln

Norwegen will Ölplattformen zu Gezeitenkraftwerken umbauen

Oslo (AP). Die staatliche norwegische Ölfirma Statoil erwägt mit Hilfe von stillgelegten Bohrinseln umweltfreundliche Energie zu gewinnen. Umgebaute Bohrinseln könnten als Gezeitenkraftwerke im Meer arbeiten, sagte am Donnerstag Björn Bekken von Statoil in Stavanger, dessen Unternehmen eine Studie zu dem Thema entwickelt hat.

Die Ölplattformen vor der norwegischen Küste gehören zu den größten Stahlkonstruktion weltweit, ihre Entsorgung würde nach Ansicht von Experten Milliarden kosten. Die nicht mehr benötigten Bohrinseln müssten an Land gebracht und umgerüstet werden. Zurück im Meer könnten die Gezeitenströme Wasserturbinen antreiben, die Elektrizität produzieren. Bereits jetzt ist die Stromversorgung Norwegens fast ausschließlich durch Wasserkraft gedeckt. Bekken betonte, dass die Überlegungen noch in einem Anfangsstadium seien. In der Studie wurde darauf hingewiesen, dass die Bohrinseln aus hochwertigem Stahl gefertigt wurden und noch Jahrzehnte halten könnten. Die Entsorgung von Ölplattformen wurde 1995 mit der Besetzung der Bohrinsel "Brent Spar" durch Greenpeace-Aktivisten zu einem weltweit diskutierten Thema. Damit verhinderten sie die Versenkung der "Brent Spar" im Atlantik.

Quelle: Rheinische Post 3.9.1999

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Strom aus Klärschlamm

Grüne diskutierten über den Einsatz Biomasse bei Energiegewinnung

Erftkreis/Bedburg. Zu einer landesweiten Premiere hatten die Bündnisgrünen an der Erft am Mittwochabend ins Bedburger Schloss eingeladen. "Denn es ist das erste Mal, dass sich eine öffentliche Veranstaltung mit der Biomasse als Energieträger beschäftigt", berichtete die nordrhein-westfälische Umweltministerin Bärbel Höhn. Entsprechend waren auch über 50 Interessierte gekommen, um zu hören, was neben der Umweltministerin der Anlagenbauer Jörg Wendenburg, der Projektentwickler Rolf-Dieter Linden, Georg Wilhelm von den Brühler Stadtwerken und der Sprecher der bündnisgrünen Kreistagsfraktion, Uwe Walter, zu den Chancen von "Bioenergie im Erftkreis" zu sagen hatten.

"Alle Welt redet nur von Solaranlagen"

"Alle Welt" rede nur von Solarenergie und Windkraftanlagen, meinte Bärbel Höhn, keiner aber spreche von der Energiegewinnung durch Biomasse etwa in Form von Holzschnitt oder Klärschlamm. Dabei habe die Biomasse heute schon einen Anteil von 50 Prozent an den erneuerbaren Energieträgern überhaupt. Dennoch stelle Deutschland bei der Gewinnung von Energie durch Biomasse mit einem Anteil von rund einem Prozent an der Gesamt-Energieerzeugung in Europa eher das Schlusslicht dar, sagte die Ministerin.

In Bayern seien es dagegen 3,4 Prozent an der Gesamt-Energiemenge, in Schweden sogar 19 Prozent. Höhn: "Da sieht man, wie weit wir zurückliegen."

Der Preis sei der entscheidende Faktor, befand Georg Wilhelm von den Brühler Stadtwerken. Und dies besonders in einem schärfer werdenden Wettbewerb auch um den privaten Stromkunden. Wilhelm erinnerte daran, dass die Stadtwerke vor einiger Zeit mit der Zustimmung der Mieter für 450 Wohneinheiten eine Anlage zur Kraft-Wärme-Kopplung in Betrieb genommen habe. "Doch im Moment sieht es so aus, dass wir dafür bestraft werden", klagte Wilhelm. "Denn die Preise gehen in den Keller."

Der Kunde dürfe nicht auf den zur Zeit vermeintlich günstigeren Preis schauen, mahnte Grünen-Fraktionssprecher Uwe Walter. Denn in dem Tarif seien etwa die milliardenschweren Kosten für die Entsorgung der Kernkraftwerke nicht enthalten. Der Grünen-Fraktionssprecher berichtete, dass er als Privatkunde zum 1. September den Stromlieferanten gewechselt habe. Walter: "Seit Mittwoch beziehe ich meinen Strom von der Düsseldorfer ,Naturstrom´." Da bezahle er zwar auch etwas mehr, dafür aber habe sich das Unternehmen verpflichtet, nur Strom in das Netz einzuspeisen, der aus regenerativen Energieträgern hergestellt worden sei.

Der Strom aus Biomasse sei durchaus konkurrenzfähig, wenn die anderen fossilen Stoffe entsprechend teuer seien, sagte Umweltministerin Höhn. Das zeige das Beispiel Schweden, Dänemark oder Italien. Gerade in Italien sei die deutsche Technik sehr gefragt, hat der Anlagenbauer Jörg Wendenburg beobachtet. Von daher rechnet sich der Chef der Firma WVT gute Exportchancen für seine Holzhack-Verbrennungsanlagen aus.

Darüber hinaus gebe es Bundes- und Landesprogramme, die die Investition von Anlagen zur regenerativen Energieerzeugung unterstützten, berichtete Umweltministerin Höhn. Projektentwickler Linden machte darauf aufmerksam, dass Bestandteil der Programme nicht nur die Anschaffung der Anlagen sei, vielmehr werde auch der Aufbau der Logistik etwa von der Abfuhr des Holzes aus dem Wald bis zur Verbrennungsanlage finanziell unterstützt.

Quelle: Kölnische Rundschau 03/09/1999

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Einstieg in den Ausstieg

Windpark Schmidt soll weiter wachsen

Schmidt (heid). Im "Windpark" Schmidt sollen weitere Anlagen entstehen. Der Baubeginn ist für den Herbst vorgesehen. Bei einer derzeitigen Einspeisungs-Vergütung von 16,52 Pfennig pro kWh könnte sich ein Jahresertrag von 165.000 Mark ergeben.

Seit den 80er Jahren entstanden in den Eifeler Höhenlagen Windkraftanlagen verschiedener Größenordnung und Leistung. Huppenbroich, Herhahn und Raffelsbrand waren die Vorreiter.

Auch im Höhenort Schmidt drehten sich bald die Rotorblätter von Windrädern, die Strom aus regenerativer Energie erzeugten. Bei einer Windstärke von 5,6 bis 5,9 Meter pro Sekunde im Schnitt konnte man auf ständigen Betrieb hoffen. Die Windverhältnisse sind auch ausschlaggebend bei der Festlegung der Dividende, die zur Zeit 4,5 Prozent beträgt.

Mehr als eine Mio DM

Neben den Anlagen des Milchwirtschaftsbetriebes Beuel & Jansen und Dr. Karlheinz Pässler entstanden bisher zwei Windkraftanlagen einer Betreibergesellschaft Schmidter Bürger. Als weitere Betreiberorganisation hat sich die Regenerative Energien Nideggen (REN) etabliert. Vorsitzende sind Hans Willi Schruff und Hans Gert Müller.

Die Gesamtkosten für die neuen Anlagen beziffert die REN mit 1.082.000 Mark. Die Finanzierung geschieht über Eigenkapital der Gesellschafter, Förderkredit des Landes und Bundesdarlehen.

Die Beteiligung ist bereits mit 1000 Mark möglich, machen die Betreiber den "Einstieg in den Ausstieg" schmackhaft. In Zukunft sind laut Hans gert Müller Windkraftanlagen auch in Höfen, Strauch, Lammersdorf und Mützenich zu erwarten.

Quelle: Aachener Nachrichten 19.8.1999

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Eine Glashülle dient Häusern als Solarkraftwerk

Forum für erneuerbare Energien

MÜLHEIM. Hermann Scheer, Präsident des Vereins Eurosolar e.V. kann zufrieden sein. Ganz langsam kommt der Zug zur wirtschaftlichen Sonnenenergienutzung ins Rollen. Der Kongress "Kultur der Sonne – Von Kohle - zum Solarzeitalter", der kürzlich in der neuen Akademie Mont Cenis in Herne stattfand, bot einmal mehr ein viel beachtetes Forum für erneuerbare Energien. Der Veranstaltungsort ist eines der Großprojekte der IBA EmscherPark: eine Glashalle mit integriertem Solarkraftwerk als Raumhülle für Einzelhäuser (Architektin Françoise-Hélène Jourda, Lyon).

Wie Photovoltaikzellen aktiv Energie produzieren, kann man noch bis zum 13. September in Essen erleben: Ein Stück der langen Dachfläche auf der ehemaligen Kokerei Zollverein wird nach und nach mit PV-Zellen zugedeckt, deren Strom das Riesenrad antreiben soll, das eine der Attraktionen der Ausstellung "Sonne, Mond und Sterne" bildet. Der Anfang ist gemacht, aber es sind noch viele "Stifter" von Sonnenenergie nötig, die für 15 DM ein Watt stiften. Diese Chance zu einer echten Bürgeraktion sollte genutzt werden. Infos.

Um die passive Nutzung von Solarwärme durch Kollektoren geht es bei einer im Frühjahr ins Leben gerufenen Verbundinitiative, die unter dem Schlagwort "Solar – na klar" Beratung anbietet über technische Möglichkeiten, Energie- und Kostenersparnis und Arbeitsmarkt. Weitere Informationen unter der Hotline: 01805-703030 oder der Internet-Adresse.

Für Sonne und Licht in Gebäuden zu sorgen, ist Sache der Glashersteller. Während in Gelsenkirchen unter dem Dach von Plikington Solar und Shell AG die erste deutsche Fabrik für die Fertigung von PV-Zellen im industriellen Maßstab entsteht, setzt der Glaslieferant Interpane in Lauenförde kontinuierlich auf die Verbesserung der passiven Energiegewinnung und propagiert im Einklang mit dem Bundesbauminister einen Energiepass für Altbauten, denn hier sind die größten Einsparungen an Kohlendioxid zu erzielen.

Auf hohe Licht- und geringe Energiedurchlässigkeit hin sind Sonnenschutzgläser ausgerichtet. Für die Glasgalerie über dem neuen "Forum Köpenick" in Berlin wirkten mehrere Spezialisten zusammen: die Architekten Gerkahn, Marg und Partner, Aachen, Glasbau Seele, Gersthofen, und Interpane. Die dreigeschossige Passage wird mit einem gläsernen Tonnendach überdeckt, dessen Tragfähigkeit Stahlseilverspannungen und Verstellung der rechteckigen Glasplatten untereinander gewährleisten. Das Spezialglas lässt 66 % des Sonnenlichts, aber nur 34 % der Sonnenwärme in die Halle hinein.

Quelle: Handelsblatt 13.8.1999

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Sonnenenergie geht im Westen auf

Auf 100.000 Dächer sollen staatlich geförderte Solaranlagen gestellt werden. Bislang leisten sich hauptsächlich Bayern den teuren Strom aus der Sonne

Berlin (taz) - Das 100.000-Dächer-Programm der Bundesregierung hat seit Jahresbeginn Förderzusagen für 2.040 Solarstromanlagen ermöglicht. Damit wird die Anzahl der im Vorjahr errichteten Anlagen deutlich überschritten. Allein in Bayern blickt die Solarwirtschaft zufrieden auf 649 geförderte Aufträge mit einem Umsatzvolumen von rund 20 Millionen Mark.

Seit Juli können sich neben Privatleuten auch kleine Gewerbebetriebe ihre Solaranlage auf dem Dach finanzieren lassen. "Wenn das Programm wie geplant verwirklicht wird, wird sich in den nächsten sechs Jahren die installierte Leistung von Solarzellen verzehnfachen", schätzt etwa Siemens-Solar-Geschäftsführer Gernot Oswald.

Das Förderprogramm wurde auf Bundesebene zum Erfolg, obwohl damit ein kostendeckender Betrieb der Solarstromanlagen bei weitem nicht erreicht wird. An den neuen Bundesländern aber geht das 100.000-Dächer-Programm weitgehend vorbei. Die 103 Anlagen in Ostdeutschland machen nicht einmal fünf Prozent aller Anlagen aus. Das in Berlin erfolgreiche Solarunternehmen P + P Schoenau hat bisher keine einzige Solarstromanlage nach Brandenburg verkauft, obwohl das Unternehmen zahlreiche Ausstellungen in dem an Berlin angrenzenden Land organisiert hat. Die Firmenleitung sieht als Ursache nicht etwa geringer entwickeltes Umweltbewusstsein, sondern fehlendes Geld. "Die Interessenten sind von der Technik begeistert. Zu Hause prüfen sie dann ihr Monatsbudget, stellen das Fehlen freier Mittel für die erhebliche Zusatzbelastung fest und geben ihre Pläne auf." Dabei könnten die Brandenburger noch eine ergänzende Landesförderung erhalten.

Sachsen als bevölkerungsreichstes neues Bundesland verzichtet seit Jahren auf die Förderung von Solarstrom. Der größte ostdeutsche Anbieter Solarwatt Dresden GmbH sieht die Absatzchancen deutlich steigen, wenn das 100.000-Dächer-Programm auf die Bedingungen der neuen Länder zugeschnitten würde. Bayern-ähnliche Einnahmen aus dem Breitengeschäft könnten dann in die Weiterentwicklung der bundesweit bekannten Solarwatt-Sonderanfertigungen gehen.

Die Abkopplung des Ostens von der Zukunftstechnologie Solarstrom wird sich noch weiter ausprägen, weil neben Privatpersonen ab sofort auch mittelständische Unternehmen das 100.000-Dächer-Programm nutzen und ihrer Firma einen Solarstromanteil verschaffen können. In welchen Bundesländern das hauptsächlich zum Tragen kommt, ist sonnenklar. Uwe Hartmann, Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie (DGS), erhofft sich angesichts dieser Situation positive Impulse vom Regierungsumzug: "Durch den Ortswechsel wird sich die Wahrnehmung der Noch-Bonner Politiker für die neuen Länder schärfen. Damit das 100.000-Dächer-Programm auch dort greift, muss der Fördersatz deutlich erhöht werden."

Bislang deckt der Betrieb von Solaranlagen noch längst nicht die Kosten. Eine typische Solaranlage mit 2 Kilowatt Höchstleistung kostet mindestens 24.000 Mark und erzeugt pro Jahr 1.600 Kilowattstunden Strom, wenn sie gut eingerichtet ist. Diese Anlage hält rund 20 Jahre und bringt im Mittel 320 Mark im Jahr an Stromkostenersparnis. Das 100.000-Dächer-Programm finanziert die Anlage zinslos über 10 Jahre und schenkt dem Anlagenbesitzer ein Achtel der Tilgungsraten. Dieser muss also 21.000 Mark in 10 Jahren aufbringen - die Anlage bringt aber nur 6.400 Mark in 20 Jahren ein.

Dabei wird das Prinzip der kostendeckenden Föderung etwa bei der defizitären Steinkohle seit Jahren wie selbstverständlich befolgt: Dafür stehen in den Haushalten 1998 und 1999 jeweils 7,6 Milliarden Mark zur Verfügung. Das 100.000-Dächer-Programm dagegen soll über 6 Jahre nur mit 1 Milliarde Mark auskommen.

Die deutsche Steinkohle wird mit 7,6 Milliarden Mark im Jahr kostendeckend gefördert, der Solarstrom muss mit 1 Milliarde Mark auskommen

Quelle: TAZ 5.8.1999

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Strohfeuer soll die Stuben wärmen

"Null-Energie-Dorf Borr"

Vom Landwirt zum Energiewirt - Bundesweites Pilotprojekt stößt bei Bauern aber auf Skepsis 

Erftkreis/Erftstadt - Vorbei sind die Zeiten, als Bauern im Erftkreis sich vornehmlich mit dem Anbau von Getreide und Zuckerrüben ihre Einkommen sicherten. Sinkende Preise durch Subventionsabbau in Brüssel und zuletzt die Streichung der Gasölverbilligung für Landwirte durch die Bundesregierung lassen die knapp 700 Bauern im Kreis immer mehr nach zweiten und dritten Standbeinen für ihre Betriebe suchen. Doch weil Pensionspferde, Direktvermarktung und Kartoffelanbau längst keine Marktnischen mehr bieten, unterstützt die Landwirtschaftskammer in Köln nun auch für Bauern bisher ungewöhnliche Projekte. Die Aktion "Null-Energie-Dorf Borr" in Erftstadt soll der Kammer Erfahrungswerte für eine neuen Berufszweig bringen. Das Motto: vom Landwirt zum Energiewirt.

Borr, ein kleiner Ort am Rande des Erftkreises, könnte für ganz Deutschland durch dieses Projekt eine Vorreiterrolle bekommen: Bauern könnten in Zukunft dafür sorgen, daß die etwa 400 Einwohner Borrs warmes Wasser und wohltemperierte Wohnstuben haben.

Ohne Gas, Heizöl und Kohle soll das funktionieren. Nachwachsende Rohstoffe sollen stattdessen in kleinen Kraftwerken verfeuert werden. Und dabei denken die Organisatoren neben Holzhackschnitzeln, die beim Schneiden von Bäumen an Straßen anfallen, vor allem an ein ganz typisches Erzeugnis der Region: Stroh.

Spätestens hier ist die Mitarbeit der elf neben- und hauptberuflichen Bauern aus Borr gefragt. Denn was bald in einem Gutachten überprüft werden soll, ist, ob auf ihren insgesamt 700 Hektar Ackerfläche genug Stroh übrigbleibt, um den Energiebedarf des Ortes zu decken, berichtet Hans Joachim Kühlborn, von der Stadtverwaltung Erftstadt.

"Für uns ist die Untersuchung interessant, weil die Landwirte sich in ihrer Feldproduktion nicht großartig umstellen müßten", sagt Dr. Wilhelm Nesselrath von der Kammer. Sie erzeugten weiter wie bisher ihr Getreide und nutzten das ohnehin anfallende Stroh zum Heizen.

Erftstadt selber betreibt das Projekt im Rahmen der Lokalen Agenda 21 und des Klimabündnisses europäischer Städte. Ziel ist es in beiden Fällen, von lokaler Ebene aus den Ausstoß von Kohlendioxid drastisch zu reduzieren. Stroh oder andere nachwachsende Stoffe sind deshalb bei diesem Projekt interessant, weil bei deren Verbrennung nicht mehr Kohlendioxid freigesetzt wird, als die Pflanzen vorher aufgenommen haben.

Kein Energieimport

Hinzu kommt, daß nur Brennstoffe verfeuert würden, die in der Region um Borr anfallen. "Null Energie" müßte importiert werden. Borr würde sich selber versorgen.

Was in Borr entstehen könnte, wäre eine überdimensionale Heizung. Entweder mehrere oder ein zentraler Brenner erhitzen Wasser, das über Leitungen von einem Haus ins andere fließt und so die nötige Energie für die Heizkörper transportieren würde. Doch von der Umsetzung ist die Idee noch weit entfernt, bestätigt Kühlborn: "Borr bietet sich für dieses Vorhaben an, weil das Dorf eine kleine, überschaubare Siedlungseinheit mit einem hohen Anteil an Landwirtschaft ist." Aber bei den etwa 130 Wohnungen handele es sich schließlich um Altbauten in Privathand, die bereits über Heizungen verfügen. Und niemand könne dazu gezwungen werden, sich an dem Null-Energie-Dorf zu beteiligen. Für viele Häuser stünden auch zusätzliche Wärmedämmungen an. Noch im August will die Stadt die Borrer über ihr Vorhaben genauer informieren.

Die Landwirte selber stehen dem Projekt eher skeptisch gegenüber. Helmut Schmitz, dessen Hof zwei Kilometer entfernt von Borr liegt, heizte seinen Hof bis vor einigen Jahren mit Stroh. Aber das sei einfach zu teuer im Vergleich zu Gas und Heizöl, sagt er und verheizt im Winter nur noch das anfallende Holz. Bei seiner zugegebenermaßen alten Anlage gab es bei Gerstenstroh zudem Probleme mit dem Teergehalt, der für Ablagerungen im Brenner und Schornstein verantwortlich gewesen sei.

Viele seiner Borrer Kollegen sind außerdem nicht bereit, sich für dem Bau von kleinen Kraftwerken und großen Hallen, in denen das Stroh trocken gelagert werden müßte, hoch zu verschulden. Vielen erscheinen die langjährigen Verträge mit holländischen und belgischen Firmen da sicherer, denn die kaufen die Getreidehalme in großen Mengen auf.

Kühlborn hält dem Preisvergleich entgegen, daß die Ökosteuer die fossilen Brennstoffe noch weiter verteuern werde. Dagegen seien Förderprogramme für nachwachsende Rohstoffe "auf dem Wege" - sicherlich auch für größere Investitionen. Klar sei aber auch: "Es muß sich schon selber tragen. Sonst geht es nicht."

Quelle: Kölner Stadt Anzeiger 26/07/1999

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Solarzellen für das Dach des Präsidenten

Vierter Teil der taz-Serie: EU unterstützt Produktion von umweltfreundlicher Stromquelle in Kreuzberg. Fördermittel waren Voraussetzung für Bankdarlehen

Wer als Anrufer bei der Solon AG in die Warteschleife gerät, den stimmt zumindest eines sonnig: Dort nämlich dudelt George Harrisons "Here Comes The Sun". Sehr passend, dieser optimistische Ausblick, für eine Firma, die auf umweltfreundliche Energie spezialisiert ist. In einer lichtdurchfluteten Halle am Kreuzberger Spreeufer montiert die Firma, unterstützt durch EU-Gelder, Solarmodule . Zum Beispiel für das Dach des Bundespräsidialamtes.

"Kreuzberger Visionäre" gründeten die Firma 1996. Daß sie mittlerweile rund 60 Menschen Arbeit geben, wurde möglich durch Zuschüsse der Zukunftsinitiative Ökologisches Wirtschaften (ZÖW). Diese wiederum speist sich aus Mitteln des Landes sowie des Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (Efre). "Die Fördermittel haben eine große Rolle gespielt", so Finanzvorstand Birgit Flore. "Darauf fußt das gesamte Konzept." Die ZÖW schießt maximal 80 Prozent zu. Es muß also immer ein Eigenbeitrag geleistet werden. Doch Fördermittel sind offenbar nicht nur Ergänzung zu, sondern geradezu Voraussetzung für Darlehen. Bei der Kreditvergabe für Projekte innerhalb Berlins erwarteten die Banken solch öffentliche Hilfe, berichtet Flore.

Ursprünglich hatte Solon eine Gesamtinvestition von mehr als 14 Millionen Mark veranschlagt. Für ihr Projekt wurde laut "Zuwendungsbescheid" ein Zuschuß von gut 6 Millionen Mark bewilligt. Davon hat Solon bislang etwa 700.000 Mark abgerufen. Probleme gab es laut Flore anfänglich, da die Mittel nicht wie angenommen als Vorschuß gezahlt wurden, sondern zur Erstattung bereits beglichener Rechnungen - angesichts der hohen Anschaffungskosten der Maschinen ein erhebliches Hemmnis für das junge Unternehmen.

Auch im laufenden Betrieb gibt es nicht nur eitel Sonnenschein: Der Geschäftsbericht weist für 1998 noch einen Verlust in Millionenhöhe aus. Angesichts mehrerer Großaufträge hofft Solon allerdings auf eine sonnige Zukunft. Bei Projekten wie dem Paul-Löbe-Haus zeige sich die Stärke von Solon, "maßgeschneiderte Lösungen" zu liefern, ist sich Unternehmenssprecher Thomas Keup sicher. "Solon bietet als Systemhaus alles aus einer Hand, von der ersten Beratung bis zur Montage der Solaranlage vor Ort." Als Beispiele für den Erfindergeist der Solon-Ingenieure verweist er auf eine 1,2 Kilometer lange Strecke an der A 6 bei Mannheim, wo die Solarmodule zugleich als Schallschutz dienen, oder auf ein Insitut der Universität Erlangen, bei dem die Zellen nicht nur Strom produzieren, sondern nach Art einer Markise auch Schatten spenden.

Eine besondere Herausforderung stellte das Bundespräsidialamt dar. Wegen des elliptischen Grundrisses mußten 144 Module verschiedener Krümmung hergestellt werden. Damit ist klar: Wie des Kanzlers Kleider kommt auch des Präsidenten Solarstom nicht von der Stange.

Quelle: TAZ 9.6.1999

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Leck in der Leitung

Fernseher und PCs fressen Strom - auch wenn sie aus sind

Wenn er ein elektrisches Gerät kauft, achtet der Bundesbürger auf jede Mark. Doch wenn er daheim seinen neuen Videorecorder an die Steckdose anschließt, bedenkt er nicht, daß das vermeintliche Schnäppchen im Lauf seines zwölfjährigen Lebens still und heimlich Strom für 450 Mark frißt. So verdoppelt das Gerät nachträglich seinen Preis. Mit den permanent gezapften 15 Watt Leistung nimmt der Recorder nicht etwa Filme auf oder spielt sie ab, er verbraucht sie allein für seinen ständigen Bereitschaftsdienst. 11 Prozent des Stromverbrauchs gehen in deutschen Haushalten und Büros für diesen sogenannten Stand-by-Betrieb von Fernsehern oder Computern drauf. Das sind 4,3 Prozent des gesamten Strombedarfs der Republik.

Der Durchschnittshaushalt läßt sich das international als "auslaufende Elektrizität" bekannte Phänomen 130 Mark im Jahr kosten. Die Nation insgesamt könnte zwei Milliarden sparen, wie das Umweltbundesamt kürzlich vorrechnete.

Langsam finden die Mahner Gehör. So wünschte sich im vergangenen Jahr der Bayerische Landtag von den Geräteherstellern eine Abschalt-Automatik, der Bundesrat verlangte Verbrauchsgrenzwerte für den Stand-by-Betrieb. Und gerade widmete die zur OECD gehörende Internationale Energieagentur dem Problem einen großen Workshop in Paris. Dort schlug der vom Wirtschaftsministerium entsandte deutsche Vertreter vor, ein Watt als maximale Leerlauf-Leistung anzustreben. Auch bei der EU macht sich die Bundesregierung für die Ein-Watt-Grenze stark.

Bislang vergeuden Fernseher noch das Achtfache, Computer sogar leicht das Dreißigfache. Doch das Ziel ließe sich durchaus erreichen. Der Fachmann Alan Meier vom kalifornischen Lawrence Berkeley National Laboratory hat einen "globalen Ein-Watt-Plan" vorgeschlagen. Er kalkuliert, daß im Jahr 2005 die Hälfte der Geräte diese Grenze einhalten könnte, der Rest fünf Jahre später. Denn bislang haben sich die Konstrukteure bei vielen Apparaten kaum um den Dauerverbrauch gekümmert, so daß sie noch enorme Sparpotentiale bergen. Da zapft das Netzteil beispielsweise auch dann noch zehn Watt, wenn nur ein paar elektronische Speicher für einige Einstellungsdaten aktiv sind. Eine quadratzentimetergroße Solarzelle könnte das nötige bißchen Elektrizität ganz ohne Stromnetz liefern, argumentiert Christoph Mordziol, Stand-by-Spezialist beim Umweltbundesamt.

Zahllose Apparate bedienen sich sogar dann noch aus der Leitung, wenn sie eigentlich überhaupt keinen Strom mehr brauchen und vermeintlich abgeschaltet sind. Denn ihr Hauptschalter sitzt nicht zwischen Steckdose und Netzteil, wo er hingehört, sondern zwischen Netzteil und restlichem Gerät.

Beim Treffen der Internationalen Energieagentur stieß der Ein-Watt-Vorschlag von Deutschland und einigen kleinen Ländern dennoch auf den Widerstand von Vereinigten Staaten, Japan und EU-Kommission. An welche Grenzen die Industrie sich tatsächlich halten muß, wird sie voraussichtlich in Selbstverpflichtungen festlegen dürfen. Bringt sie die nicht zuwege, könnte ein maximaler Stand-by-Verbrauch vorgeschrieben werden, drohte bereits der deutsche Regierungsvertreter in Paris.

Bislang ließen sich die Hersteller lediglich das Versprechen abringen, den Dauerhunger von Fernsehern und Videorecordern vom Jahr 2000 an auf sechs Watt im Durchschnitt zu begrenzen. "Geradezu lachhaft", kommentiert Birgit Siemen, die Energieexpertin des Bundes für Umwelt- und Naturschutz. Mit dem Blauen Engel ausgezeichnete TV-Geräte begnügen sich schon heute mit vier Watt. Solche Fernseher sind häufig teuer - aber nicht, weil die Energiespar-Technik so viel kosten würde, sondern weil diese meist nur in der Oberklasse eingebaut wird.

Bei Standardmodellen dagegen werden auf Kosten der Umwelt lächerliche Beträge eingespart. Ein nach dem Netzteil eingebauter Hauptschalter etwa kommt bei der Produktion zwei Mark billiger. Dafür schluckt er hinterher für ein Vielfaches zusätzlich Strom, was die Firmen aber wenig kümmert. Die Kunden müßten sich halt vorher über den Verbrauch informieren, meint der Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie. "In allen Betriebsanleitungen ist das ausführlich beschrieben", sagt Sprecher Gotthard Graß.

Wer in Tübingen wohnt, hat Glück gehabt. Dort haben die Stadtwerke eine Liste sparsamer Fernseher und Videorecorder erstellt und steuern zu jedem Kauf auch noch 50 Mark bei. Die Stadtwerke Hannover verkaufen stark verbilligte Energiesparboxen, die bereits vorhandene Stromfresser wie Drucker, Monitor und Fax knapphalten. So dreht der "Powersafer" der untätigen Glotze den Saft ab, gibt ihn aber sofort wieder frei, sobald die Fernbedienung gedrückt wird. Ein Powersafer spart für 28 Mark Strom im Jahr. Beim subventionierten Preis von 20 Mark macht er sich nach neun Monaten bezahlt. Selbst zum regulären Preis hätte er seine 57 Mark nach zwei Jahren wieder eingespielt.

Doch noch immer werden selbst High-Tech-Geräte ohne Rücksicht auf den schleichenden Stromverbrauch entworfen. Die Briten entdeckten vergangenes Jahr, daß die zur Einführung anstehenden digitalen Fernsehgeräte bei dunklem Bildschirm weit mehr Strom brauchen als die alten. Am Ende könnte allein dafür ein neues 500-Megawatt-Kraftwerk nötig werden.

Quelle: DIE ZEIT 1999 Nr. 23

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Die Brennstoffzelle - später Siegeszug des kalten Feuers

Energie möglichst umweltfreundlich zu erzeugen, ist das eine Problem der Zukunft. Sie auch jederzeit verfügbar zu halten, das andere. Hier könnte einem «alten Hut der Physik» eine große Karriere bevorstehen: der Brennstoffzelle.

Das Prinzip der «kalten Verbrennung» entdeckte der britische Physiker Sir William Robert Grove schon im Jahre 1839. Es fristete aber über anderthalb Jahrhunderte ein Schattendasein. Bisher diente die Brennstoffzelle nur recht exotischen Anwendungen, etwa dem Betrieb von Satelliten oder von U-Booten. Doch jetzt kommen neue Anwendungen hinzu, vor allem im Verkehr. Die Brennstoffzelle ist ökologisch attraktiv, denn sie liefert Strom, ohne Abgase zu produzieren.

Das Verfahren ist von der Elektrolyse bekannt: Mit elektrischem Strom wird Wasser in seine gasförmigen Bestandteile Sauerstoff und Wasserstoff getrennt. In der Brennstoffzelle läuft dieser Prozeß in umgekehrter Richtung ab. Sie besteht aus zwei Elektroden, denen getrennt Wasserstoff und Sauerstoff zugeführt wird. Kämen die beiden Gase direkt in Berührung, gäbe es eine Knallgas-Explosion. Um das zu verhindern, befindet sich zwischen beiden Elektroden eine Folie, die Polymer-Elektrolyt-Membran (deshalb PEM-Brennstoffzellen). Sauerstoff und Wasserstoff reagieren in einem verlangsamten Prozeß auf Atomebene miteinander, die freiwerdenden negativen und positiven Ladungen lassen an den Elektroden elektrische Spannung entstehen. Strom fließt und als Reaktionsprodukt entweicht Wasserdampf. Die Elektrolyten sind Lösungen von Säuren, Laugen und Polymeren, die den Ionentransport bei der chemischen Reaktion übernehmen. Sie bestimmen auch die Arbeitstemperatur. Dabei unterscheidet man zwischen Nieder-, Mittel- und Hochtemperatur-Brennstoffzellen.

Verbesserte Technik macht jetzt einen enormen Leistungsschub möglich: Der Wirkungsgrad moderner Brennstoffzellen liegt zwischen 40 und 75 Prozent. Benzinmotoren bringen dagegen im Durchschnitt lediglich 30 Prozent der im Kraftstoff enthaltenen Energie auf die Straße. Eine einzige vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme in Freiburg entwickelte kleine Patrone reicht aus, um einen handelsüblichen tragbaren Computer zehn Stunden mit Strom zu versorgen. Die Kosten sollen bei größeren Stückzahlen deutlich unter denen herkömmlicher Lithium-Akkus liegen. Und die Umweltbilanz ist besser.

Herzstück der Mini-Brennstoffzelle ist eine sogenannte Streifenmembran, die eine flache Bauweise erlaubt. Damit erreicht die Brennstoffzelle auf kleinstem Raum die nötige Spannung für den tragbaren Computer. Als Wasserstofftank wird ein Metallhydridspeicher benutzt, der unter geringem Überdruck steht. «Der Wasserstoffspeicher kann Zuhause mit einem Miniatur-Elektrolyseur aufgeladen oder wie eine Batterie einfach ausgewechselt werden», erklärt Fraunhofer-Projektleiter Roland Nolte die einfache Handhabung.

Neben der deutlich längeren Laufzeit bietet die neue Technik zwei Vorteile: Die Brennstoffzelle hat prinzipiell eine längere Lebensdauer als Akkus. Und: Für den Wasserstoffspeicher ist Selbstentladung ein Fremdwort. Auch nach einem Jahr Lagerung ist der Speicher noch voller Energie.

Quelle: Berliner Morgenpost 6.6.1999

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Photovoltaik Die Zukunft auf Sand gebaut

Für Solarzellen-Hersteller lacht die Sonne - Umsatz-Zuwächse prognostiziert

Alzenau - Sand ist sprichwörtlich eine schlechte Basis für Zukunftspläne. Nicht so bei der Solartechnik: Hier baut eine ganze Branche auf Quarzsand, wie er an jedem Strand zu finden ist. Bei 1410 Grad Hitze schmelzen die Sandkristalle zu Silicium. Das schwarzgraue Halbleitermetall ist der Grundstoff für Solarzellen, mit deren Hilfe Sonnenlicht in elektrischen Strom umgewandelt werden kann.

Seit der Entwicklung der ersten sogenannten Photovoltaik-Anlage im Jahre 1958 hat sich das Verfahren zu einem Industriezweig mit einem weltweiten Jahresumsatz von 1,6 Milliarden DM gemausert. In den kommenden 30 Jahren wird der Umsatz der Solarzellenbranche weltweit auf 100 bis 200 Milliarden DM prognostiziert.

Den Herstellern wie etwa der Nukem-Tochter Angewandte Solarenergie GmbH (ASE) in Alzenau in Unterfranken lacht, so scheint es, zunehmend die Sonne. "1999 wird die Kapazität der bisher auf der Welt installierten Solarzellen erstmals ein Gigawatt (1000 Megawatt) überschreiten", sagt der ASE-Geschäftsführer Winfried Hoffmann. Ein Megawatt liefert den Jahresstrombedarf von rund 330 energiebewußten Vier-Personen-Haushalten.

Seit der Nutzung der Sonnenenergie zur Stromerzeugung in den 70er Jahren wurde eine Fläche von 1000 Hektar mit den bläulich schimmernden Solarzellen ausgelegt, um die Strahlen der Sonne einzufangen. Allein 1997 erreichte der weltweite Branchenabsatz von Solarzellen mit insgesamt 115 Megawatt und einer Zuwachsrate von 40 Prozent einen Rekordwert in der Geschichte dieser Technik.

Die Branche rechnet nun mit jährlichen Wachstumsraten von gut 20 Prozent. "Auch in Deutschland zieht der Markt deutlich an", sagt Hoffmann. Mit einem Absatz von 4,4 Megawatt 1998 deckte ASE als größter deutscher Produzent von Photovoltaik-Anlagen (Jahresumsatz 1997/98: 77 Millionen DM) ein Viertel des Inlandsmarktes ab.

Mit einem Anteil am Weltmarkt von derzeit fünf Prozent liegt ASE nach Hoffmanns Angaben hinter Unternehmen wie der angloamerikanischen BP Solarex, der japanischen Kyocera und der deutschen Siemens AG, die ihre Solaranlagen jedoch nicht in Deutschland produziert. "Mittelfristig wollen wir unseren Anteil auf zehn Prozent steigern", sagt Hoffmann. Die 1994 gegründete Firma sieht sich "technologisch mit an der Spitze der Photovoltaik".

Doch die Konkurrenz ruht nicht. Vor allem die USA und Japan setzen auf die umweltfreundliche Energiegewinnung. Nach dem Vorbild des deutschen 1000-Dächer-Programms Anfang der 90er Jahre zum Einbau von Solaranlagen hat das japanische Inselreich ein Programm mit 70 000 Einheiten aufgelegt und rund 230 Millionen DM Fördermittel bereitgestellt. In der Bundesrepublik seien dagegen die Rahmenbedingungen ungeachtet des neuen 100 000-Dächer-Programms der Bundesregierung nicht ausreichend, meint Hoffmann. "Wir brauchen eine massive Zusammenarbeit zwischen Industrie und Politik."

Mit riesigen Stromerzeugungszentren in den Wüsten könnte nach einer Vision Hoffmanns in 100 Jahren der gesamte Energiebedarf der Welt über die Sonne gedeckt werden. Auch alltägliche Geräte wie Handys würden eines Tages mit Sonnenlicht aufgetankt. Schon heute ersetzen in Uhren, Taschenrechnern oder Küchenwaagen die kleinen Solarzellen die Batterien. Dennoch werden die Möglichkeiten zu Hoffmanns Bedauern kaum ausgeschöpft. Neue Produkte benötigten viel Zeit am Markt.

Neben der ASE stünden in Deutschland mindestens drei weitere Photovoltaikfirmen "in den Startlöchern", sagt der Geschäftsführer des Bundesverbandes Solarenergie (BSE), Frido Flade. In Thüringen und Schwaben wurden neue Fabriken errichtet. In Gelsenkirchen baut die Shell Solar Deutschland GmbH derzeit für 50 Millionen DM eine der größten Solarzellenfabriken der Welt mit einer Jahreskapazität von 25 Megawatt. 

Quelle: Kölner Stadt-Anzeiger 27.5.1999

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Europaweite Energiesteuer
EU-Kommissarin fordert stärkeres Engagement für Klimaschutz

dpa BRÜSSEL. Ohne stärkeres Engagement der EU-Staaten beim Klimaschutz kann die Gemeinschaft die zugesagte Verringerung von Treibhausgasen nicht erreichen. "Die Situation ist alarmierend, und wenn wir nicht mehr tun, droht sie zu entgleisen", sagte die amtierende EU-Umweltkommissarin Ritt Bjerregaard am Mittwoch in Brüssel. Das Ziel der EU, die Kohlendioxid-Emissionen bis zum Jahr 2000 auf dem Stand von 1990 zu stabilisieren, werde zwar annähernd erreicht. Bis zum Jahr 2010 würden die Emissionen aber ohne weitere Anstrengungen im Vergleich zu 1990 um sechs Prozent ansteigen.

Als wesentlichen Schritt zur Reduzierung von Treibhausgasen forderte Bjerregaard die EU-weite Einführung einer Energiesteuer, für die bereits ein Kommissionsvorschlag vorliegt. "Es wird sehr schwierig, unser Klimaschutzziel ohne Energiesteuer zu erreichen", sagte sie. Die EU hat sich im Kyoto-Protokoll verpflichtet, den Ausstoß von Treibhausgasen von 2008 bis 2012 im Vergleich zu 1990 um acht Prozent zu verringern.

Bonn will noch während der deutschen EU- Ratspräsidentschaft die Weichen für eine Harmonisierung der Energiebesteuerung in der Europäischen Union stellen, sagte der Staatssekretär im Bundesumweltministerium, Rainer Baake, am Mittwoch bei einem Besuch in Brüssel. Beim Rat der EU-Finanzminister am kommenden Dienstag in Brüssel soll dafür ein Kompromißvorschlag vorgelegt werden. Grundelement sei eine gemeinsame Mindestbesteuerung auf alle Energieträger, ausschließlich der erneuerbaren Energiequellen.

Quelle: Handelsblatt 20.5.1999

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Zuwenig für zuviel

Solaranlagen trotz 100.000-Dächer-Programm zu teuer

Zum 1. Januar trat das "100.000-Dächer-Solarstrom-Programm" in Kraft. Der Titel klingt stolz, denn bei der alten Bundesregierung hatte es nur für 1.000 Dächer gereicht. Nun blicken die verantwortlichen Politiker erwartungsvoll auf die Bewegungen am deutschen Solarmarkt.

Um sich Enttäuschungen zu ersparen, hätten sie die neuen Bundesländer besser gleich von der Förderung ausschließen sollen. In ihrer jetzigen Form geht das Dächer-Programm an deren Realität vorbei: Eine Einfamilienhausanlage bringt 2 kW Spitzenleistung und kostet 30.000 Mark. Das Förderprogramm will den Freunden der Sonnenenergie eine Brücke bauen, indem es eine zinslose Komplettfinanzierung anbietet - aber die Rückzahlung hat es in sich.

Die ersten zwei Jahre herrscht noch sonnige Tilgungsfreiheit, dann muß acht Jahre lang getilgt werden. Die letzte Rate wird erlassen, falls die Anlage noch immer in Betrieb ist. Läuft alles gut, lassen sich so gut 300 Mark an Stromkosten sparen. Die jährlichen Kosten während der Tilgungszeit sind nicht wesentlich unter 3.000 Mark zu drücken. Das Geld wird auch nicht vollständig wieder zurückfließen, weil die Lebensdauer der Anlage rund 20 Jahre beträgt. Dafür, daß die Bewohner über diese Zeit umweltfreundlichen Strom produzieren müssen sie alles in allem 20.000 Mark hervorzaubern. Einige wenige Bundesländer helfen mit zusätzlichen Fördermitteln, ein paar Stromversorger zahlen höhere Einspeisevergütung - die meisten Haushalte können darauf nicht zurückgreifen. Das Programm baut also eine prächtige Brücke ins Solarzeitalter, die mitten über dem Fluß aufhört. Trotzdem ans Ziel kommt nur, wer ein abbezahltes Haus und ein langfristig sicheres Einkommen besitzt. Ostdeutsche Solarfirmen sind mit der Lampe des Diogenes unterwegs und suchen diese Bevölkerungsgruppe vergeblich. Die rot-grüne Koalition hat den Anspruch, das Klima zu schützen und den Arbeitsmarkt zu fördern. Dieser Anspruch wird mit dem Programm nicht eingelöst. Dabei könnte die Regierung beim Solarstrom einem leistungsfähigen Wirtschaftszweig den Weg ebnen. Also: Nachbessern! Teile der Politik sind dafür offen. Sie benötigen die Unterstützung der Solarlobby. Was an öffentlichen Geldern wirklich einzuwerben ist, zeigt das Beispiel Brandenburg: Allein im Jahr 1998 erkämpfte die Wassertourismus-Lobby 130 Millionen Mark für Yachthäfen und Bootshäuser. Die Solarvereine konnte dort seit 1991 nur 11 Millionen Mark erstreiten. Sie müssen sich insgesamt organisatorisch stärken.

Das scheint schwer zu sein. Seit vielen Jahren erzielt die Branche unterdurchschnittliche Gewinne. Strom aus der Sonne hat vordergründig nicht einen Deut mehr Gebrauchswert als anderer Strom, der viel kostengünstiger ist. Solaranlagen sind also im Zweifel verzichtbar, was die Lieferfirma unter großen Preisdruck setzt. Zahlreiche Vertreter der Branche haben eine 70-Stunden-Woche, da der Beratungsaufwand für jeden einzelnen Kunden sehr hoch ist. In dieser Situation kann helfen, was Solarfirmen und Vereine immer wieder am Leben gehalten hat: Begeisterung für die Sache. Unter der rot-grünen Regierung besteht jetzt die Chance, den wirklichen Einstieg beim Solarstrom zu schaffen. Für die Vereine und Firmen gilt es, dafür zu streiten. Wenn die kleinen Solarfirmen nicht wachsen, werden sie bald von kapitalstarken Neueinsteigern vom Markt gefegt. Wird das Einstiegsziel im schlimmsten Fall nicht einmal längerfristig erreicht, droht die bunte Welt der Firmen mit ihrer Technikerfahrung und internationalen Kontakten zu verschwinden.

Bis jetzt ist das 100.000-Dächer-Programm mit 1 Milliarde Mark für sechs Jahre ausgestattet. Die nächsten Bonner Energiegespräche nach Ostern könnten die Kulisse für eine Demonstration für stabile günstige Bedingungen für erneuerbare Energieträger sein: Schön wäre eine Aufstokkung, entscheidend aber ist eine bessere Finanzierung: Lieber eine tragfähige Förderung für 50.000 Solaranlagen, als eine magere für 100.000, mit der sich am Ende doch kaum jemand eine Anlage kauft. Die Brücke muß über den Fluß reichen.

Das Beispiel Windkraft sollte das Vorbild sein. Ungeachtet der durchschnittlichen natürlichen Voraussetzungen haben wir es weltweit zum Windenergieland Nr.1 gebracht. Während der ersten Runde bei den Energiegesprächen hat die Atomindustrie Unterstützung durch 35.000 Demonstrationsteilnehmer erfahren. Mindestens ebensoviele sollten doch für die erneuerbaren Energien zu mobilisieren sein.

Quelle: TAZ 14.5.1999

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Kraftwerk liefert 1200 Haushalten Strom

Bayrischer Investor erweckt alte Anlage an der Mulde zu neuem Leben


Klosterbuch. Auf Hochtouren laufen die Bauarbeiten am neuen Wasserkraftwerk in Klosterbuch. Der Bauherr, Bernhard Mader aus Bayern, investiert dort 5,8 Millionen Mark. Das Kraftwerk soll Ende Juni in Betrieb genommen werden. Unermüdlich gräbt sich der Bagger seinen Weg, um den alten Flußarm von Erde und Unrat zu befreien. Auf einigen Pfützen schwimmt Öl, ein altes Haus muß der Abrißbirne weichen. Unbeeindruckt zieht die Mulde noch an der Baustelle vorbei. Schon Ende Juni soll in Klosterbuch ein neues Wasserkraftwerk in Betrieb gehen. "Es gab an der gleichen Stelle ja schon mal eins", weiß Bauherr Bernhard Mader aus Bayern. Der damals künstlich angelegte Flußarm, in dem die Wasserkraft gewonnen werden soll, ist seit der Stillegung vor «zig Jahren heimlich mit Müll zugekippt worden. Doch langsam kehrt Ordnung ein. Daß der 43jährige Bayer ausgerechnet an der Mulde baut, sei eher Zufall: "Ich bin ein fanatischer Fan von Wasserkraftwerken", erzählt Mader, "aber in Bayern sind alle Wasserrechte längst vergeben." So sei er nach der Wende im Osten alle möglichen Flüsse abgefahren, habe sich umgeschaut und schließlich das Gelände in Klosterbuch erworben. In Tragnitz betreibt er schon einige Zeit ein Wasserkraftwerk. Die Anlage in Klosterbuch läßt sich der Unternehmer aus Bischofsmais 5,8 Millionen Mark kosten. 580 Kilowatt sollen ab Juni ins Stromnetz der Wesag eingespeist werden. Damit können pro Jahr etwa 1200 Haushalte mit Energie versorgt werden. Walter Hofmann, der seit 35 Jahren in Klosterbuch lebt, stört der Baulärm vor seinem Fenster nicht. "Wir sind froh, daß hier endlich Ordnung reinkommt", sagt der Rentner und freut sich, daß die alten Bäume stehen bleiben können. "Von dem Kraftwerk selber wird man dann gar nicht viel sehen", meint der 79jährige. Deutschlandweit werden 4,8 Prozent der Energie aus Wasserkraft gewonnen. Zum Vergleich: In Österreich sind es knapp 70 Prozent.

Quelle: Leipziger Volkszeitung 16.5.1999

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Holzheizwerk für Nahwärme ?

Simmerath. Die Nahwärmeversorgung der Gemeinde Simmerath wird eine wichtige Aufgabe des neuen Rates sein. Allerdings, so sieht es das mit der Voruntersuchung beauftragte Aachener Ingenieurbüro, könnte daraus ein Vorzeigeprojekt in der Region werden. In einem Zwischenbericht erfuhren die Mitglieder des Hochbau- und Denkmalausschusses jetzt die Ergebnisse einer Initialberatung.

Die Ingenieure haben herausgestellt, daß eine Biomasseanlage, in der Holzschnitzel verbrannt werden, die beste Lösung für das Nahwärmekonzept in Simmerath ist. Gleichzeitig könnte auch ein Blockheizkraftwerk, angetrieben durch einen Dieselmotor, errichtet werden. Diese laufen meist durch und dienen der Grundlastabdeckung.

In ihrer Studie hat das beauftragte Unternehmen den Energieverbrauch einiger Objekte untersucht. Dazu gehörten die Berufsschulen, das Krankenhaus, die Turn- und Schwimmhalle sowie das Rathaus und das BGZ. In diesen Gebäuden wären Einzelsanierungen erforderlich, bevor mit der Installierung eines Nahwärmenetzes begonnen werden könnte. Lediglich im Katastrophenschutzzentrum und in der Hauptschule wäre der Sanierungsaufwand sehr gering.

Einen attraktiven Wärmepreis zu erreichen ist das Ziel des Projektes. Deshalb dürfen die Investitionskosten nicht zu hoch sein. Fakt sei, so die Ingenieure, daß für den Bau von Biomasseanlagen eine Reihe von Fördergeldern in Aussicht stünden. So unterstützt das Landesprogramm Fernwärme die Holz-Wärmeversorgung ebenso wie das sogenannte REN-Projekt, durch das niedrigere Zinssätze vereinbart werden können.

Zuschüsse sind ebenso aufgrund der geltenden Holzabsatzförderrichtlinie zu erwarten. Im Holzpreis sei derzeit außerdem soviel Bewegung, daß auch hier günstige Beträge möglich seien. Für die Errichtung von Blockheizkraftwerken gibt es derzeit nur geringe Förderungen.

Die Senkung des Wärmepreises auf sechs Pfennig pro Kilowattstunde erscheint den Planern dennoch realistisch. Möglicherweise könnte das neue Kraftwerk am BGZ gebaut werden.

Das Ingenieurbüro wird weitere Gespräche mit Holzhändlern und Finanzgebern führen, um die Rentabilität des Projektes noch besser beurteilen zu können. Außerdem soll in einer Potentialabschätzung geklärt werden, wer sich an das Nahwärmenetz anschließen würde. RWE und EWV haben der Gemeinde zugesagt, sich an den Kosten zu beteiligen.

Quelle: Aachener-Zeitung 16.5.1999

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Erste Nahwärmeversorgung der Stadtwerke in Betrieb
Um rund 2000 Mark billiger als Einzelanlage
Blockheizkraftwerk bringt Ökologie und Ökonomie in Einklang

HERBRECHTINGEN (ha). Am Mittwoch abend wurde ein von außen unscheinbares Gebäude beim Neubaugebiet "Familienfreundliches Bauen" im Wiesental eingeweiht, das jedoch in seinem Innern eine interessante Technik verbirgt: Zwei Aggregate, die mit Gas betrieben werden, versorgen die Häuser mit Wärme und erzeugen gleichzeitig auch Strom, der in das öffentliche Netz eingespeist wird.
Bei der offiziellen Übergabe des Blockheizkraftwerks (BHKW) erinnerte Stadtwerkechef Hermann Mader noch einmal an die Anfänge dieser im Sinne
der Ökologie sinnvollen Technik, die man vor über acht Jahren erstmals in Biberach angeschaut habe. Inzwischen wurde ein großes BHKW beim Hallenbad in die ehemalige Heizzentrale installiert, das sämtliche Turnhallen und das Bibrisschulzentrum mit Wärme versorgt. Außerdem wurde vorsorglich auch ein Leerrohr in Richtung Rathaus eingelegt, so daß das kommunale Gebäude irgendwann ebenfalls angeschlossen werden kann.
Die Idee, ein ganzes Neubaugebiet mit Nahwärme zu versorgen, wurde dann beim Projekt "Familienfreundliches Bauen" konkreter und war diesbezüglich Neuland für die Stadtwerke, so Mader. Er sagte vor dem Ausschuß, der Preis pro Hausbesitzer werde zwar noch exakt berechnet, aber "ich gehe davon aus, daß der mit etwa 9600 Kilowattstunden und damit etwa 2000 Mark unter den Kosten einer Einzelanlage liegt". Ingenieur Schuler vom gleichnamigen Büro in Bietigheim erläuterte dem Gremium die technischen Daten. Bei der Berechnung für die insgesamt 23 Reihenhäuser, von denen bereits sieben stehen, gingen die Fachleute von einem Wärmebedarf von insgesamt 190 Kilowatt aus, die zunächst von den beiden BHKW-Modulen abgedeckt werden. Schuler erklärte, dies sei bis ungefähr null Grad der Fall. Wenn die Temperaturen bis minus 15 Grad sinken würden, werde zusätzlich der Gas-Brennwertkessel eingeschaltet.
Ohne ihn kommt ein BHKW nicht aus, wenn es wirtschaftlich arbeiten soll. Unterm Strich jedenfalls sollen 250 000 Kilowattstunden Wärme jährlich erzeugt werden und 78 000 Kilowatt Strom. Durch die Koppelung von Strom und Wärme werden letztlich nicht nur "39 Tonnen weniger Kohlendioxid frei", ergänzte Mader, sondern er rechne auch mit zehn Pfennig weniger an Heizkosten pro Kilowatt. Gleichzeitig äußerte er die Vermutung "daß auch andere Stadtwerke diesen Weg gehen wollen". Nicht zuletzt deshalb, weil ja der Atomstrom in der Diskussion sei und dezentrale Anlagen davon unabhängig machten.
Die Versorgungsleitungen werden im übrigen durch eine Öffnung in der Bodenplatte ins Haus geführt. Dies ist deshalb notwendig, weil die Häuser keinen Keller haben. Diese Tatsache gehört zum Konzept des Architekten dazu, der dafür "Kellerersatzräume" konzipiert hat, die nicht zuletzt durch eine zentrale Lage dafür sorgen sollen, daß außerhalb des Hauses eine rege Kommunikation und damit eine Art dörfliches Leben entsteht. Ob dieses Konzept aufgeht, wird sich jedoch erst dann herausstellen, wenn die komplette Siedlung erstellt ist. Bislang
jedenfalls hielt sich die Nachfrage in Grenzen und sind die zum Preis von rund 350 000 Mark angebotenen Häuser noch längst nicht alle verkauft. Die Stadt bietet allerdings auch ein Erbbaurecht und damit die Überlegung für Häuslesbauer, ob sich diese Form der Finanzierung nicht ebenfalls rechnet.

Quelle: Heidenheimer Presse 13.5.1999

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Das Kleinkraftwerk im Keller

Brennstoffzellentechnik für privaten Bereich in fünf Jahren serienreif

Das Prinzip der Brennstoffzellentechnik klingt einfacher als es sich zumindest momentan in der technischen Realität darstellt: Wasserstoffreiches Gas wird durch Reaktion mit sauerstoffreicher Luft in Energie umgewandelt. Vor dem Hintergrund des begrenzten Vorrats an fossilen Brennstoffen wie Kohle und Erdöl eröffnet diese Technologie nicht nur im Automobilbau Perspektiven.

Bis die Brennstoffzelle allerdings im Bereich der Hausenergieversorgung den Kinderschuhen entwächst und zur ernsthaften Konkurrenz für die konventionelle Strom- und Wärmeerzeugung werden kann, ist noch etwas Geduld gefragt. Mindestens fünf Jahre soll es nach Ansicht jener Experten noch dauern, die in Ludwigshafen das gemeinsame Pilotprojekt der Technischen Werke, der BASF-Erdgastochter Wingas und der Wohnungsbaugesellschaft Gewoge betreuen. Ab dem Jahr 2000 soll im Brunck-Viertel ein Mehrfamilienhaus mit einem Blockheizkraftwerk auf Basis von Brennstoffzellentechnik mit Energie versorgt werden. Kostenpunkt: 500.000 DM. "Der Preis kann natürlich noch kein Maßstab für den Endverbraucher sein. Eine genaue Summe kann zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht genannt werden", erläutert Burkhard Genge, Sprecher der Wingas-Geschäftsführung.
Die Vorteile der Brennstoffzellentechnik liegen auf der Hand: Als Spezialanwendung in der Raumfahrt und im militärischen Bereich fristete die elektrochemische Reaktion von Wasser- und Sauerstoff ein Schattendasein. Erst das wachsende Umweltbewußtsein und die globale Klimaschutzdiskussion ebneten der Brennstoffzelle den Weg zum kommerziellen Einsatz.
Höhere Wirkungsgrade, geringere Luftschadstoffemissionen und einen wartungsärmeren Betrieb sind die Vorteile der Technologie. Das Experiment, ohne Absicherung durch konventionelle Energiezulieferung auszukommen, wird allerdings auch beim Ludwigshafener Testlauf noch nicht gewagt.
Der Kunde soll nach Einschätzung von Manfred Vogt, Technischer Vorstand der Technischen Werke Ludwigshafen, in naher Zukunft vor allen Dingen auf der Kostenseite profitieren: Geringere Gebühren bei gleichzeitig höherer Effizienz. Außerdem bietet ein Kleinstkraftwerk mit Brennstoffzellentechnik die Option, relativ einfach die Vorteile der Solarenergie in ein Gesamtsystem zu integrieren.
Die größte Stärke der Brennstoffzelle sehen die Erdgasunternehmen zunächst nicht unbedingt in großtechnischen Anlagen. Dieser Markt wird von den hochentwickelten Dampf- und Gasturbinenkraftwerken beherrscht. Die Stärke liegt auch nach Ansicht der Wingas speziell bei kleinen, dezentralen Betriebseinheiten.

Quelle: Rheinpfalz Online 14.5.1999

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Freiburg hat mit der Solarfabrik ein neues Aushängeschild

Europas erste Fabrik ohne Emissionen - Versorgung erfolgt ausschließlich mit erneuerbaren Energien

Freiburg - Georg Salvamoser hat der heimlichen Umwelt-Hauptstadt Freiburg ein neues Aushängeschild geschenkt. Der Träger des deutschen Umweltpreises baute für acht Millionen Mark eine einmalige Solar_fabrik.

Das architektonisch auffällige Gebäude bezieht seinen Strom nur aus Sonnenenergie und Pflanzenöl. Damit können die für unser Klima so giftigen Kohlendioxid-Schadstoffe vermieden werden.

Überdies besteht die vom Freiburger Architekten Fred Rolf geplante Solarfabrik nur aus umweltfreundlichen Baumaterialien, aus vielen Pflanzen, einem Biotop vor der Tür und einer überdimensionalen, nach Süden ausgerichteten Glasfront. Sie versorgt das saubere Gebäude mit so viel Licht, daß sich die rund 40 Mitarbeiter wie im Urlaub an einem Strand fühlen könnten.

Die Solarfabrik besitzt Modellcharakter vor allem für die Klimaschützer, weil sie nur von erneuerbaren Energien angetrieben wird. Bauherr Salvamoser: ¸¸Es ist europaweit die erste Null-Emissions-Fabrik, das heißt, die gesamte Wärme und elektrische Energie, die wir in Produktion und Verwaltung brauchen, wird aus Sonne und Pflanzenöl gewonnen.'' Trotzdem ist auch die Solarfabrik ans Netz des städtischen Energieversorgers FEW angeschlossen - falls der Ökosaft einmal ausbleiben sollte.

Bei dem Gebäude wurden nur PVC-freie Materialien und Wärmedämmungsmaterialien, die aus Zellulose-Materialien bestehen, verwendet. Ein sauberes Gebäude wie die Solarfabrik kostet laut Rolf nicht mehr Zeit und nicht mehr Geld als herkömmliche Funktionsbauten.

Offiziell eingeweiht wird das neue Fertigungs- und Verwaltungsgebäude der Solarfabrik am heutigen Freitag. Die Produktion läuft schon seit Jahresbeginn auf Hochtouren. 40 Beschäftigte arbeiten im Zwei-Schicht-Betrieb. ¸¸Wir stellen im Jahr fünf Megawatt her oder etwa 50000 Quadratmeter Solarstrom-Module'', erklärt Salvamoser. Mit den Solarmodulen kann Strom aus Sonnenlicht gewonnen werden. Besonders stolz ist der Fabrikant darüber, daß seine Mitarbeiter im höchsten Maße motiviert sind. Er führt das auch darauf zurück, daß das neue Solarhaus von viel Licht, Luft und Sonne durchflutet ist.

Die Auftragsbücher des Freiburger Unternehmers sind bis zum Jahresende voll. Bundesweit, so Salvamoser, seien viele neue Solardächer geplant, zum Beispiel auf dem Dach von neuen Messehallen und vielleicht auch auf der neuen Osttribüne des Dreisamstadions. Wegen dieser sonnigen Voraussetzungen rechnet Georg Salvamoser mit Produktionszuwächsen von 50 Prozent pro Jahr, und das trotz namhafter Konkurrenten und eines harten Wettbewerbs im Inland.

¸¸Die Wettbewerber sind Konzerne wie Shell, Siemens, BP oder ASE'', sagt er. Dennoch könne sich ein mittelständischer Betrieb wie die Solarfabrik mit Qualitätsarbeit und Beweglichkeit im Konkurrenzkampf behaupten.

Das in Freiburg angesiedelte Öko-Institut sieht in der Solarfabrik den ¸¸ersten solaren Brüter'' und einen zentralen Baustein für den Umbau der Energiequellen und der Energieversorgung. OB Rolf Böhme meint, Salvamoser sei es gelungen, zum ersten Mal die Wirtschaftlichkeit von umweltfreundlichen Energien sichtbar zu gestalten.

Die Fachleute sind sich einig: Von Freiburg aus kann die Solarenergie ihren Siegeszug antreten - bundesweit, vielleicht sogar europa- und weltweit; nicht nur wegen der Solarfabrik, vielmehr wegen der vielen hier angesiedelten Solareinrichtungen wie das Fraunhofer Institut für solare Energien, die Solarstrom AG, Solararchitekt Rolf Disch und die International Solar Energy Society (ISES). Salvamosers nächstes Solarprojekt ist übrigens eine Zweigniederlassung in Südafrika, weil dort die Sonne noch besser scheint als in Freiburg.

Quelle: Stuttgarter Nachrichten 14.5.1999

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EU will Stromverbrauch von Elektrogeräten drosseln

Einigung mit Industrie angestrebt

ap BRÜSSEL. Elektronikgeräte wie Videorecorder und Mikrowellenöfen sollen im Standby-Betrieb künftig weniger Strom verbrauchen. Die EU-Mitgliedstaaten setzten sich beim Energierat in Brüssel am Dienstag dafür ein, die Industrie zur Entwicklung stromsparender Geräte anzureizen und den Verbrauchern Entscheidungshilfen beim Kauf von Heimelektronik an die Hand zu geben. Nach Erkenntnissen der EU-Kommission entfallen fünf bis zehn Prozent des jährlichen Stromverbrauchs in EU-Haushalten auf Elektrogeräte im Leerlauf-Modus.

Die EU-Staaten setzen darauf, mit der Industrie freiwillige Vereinbarungen über die Normung der Geräte zu erzielen. Falls dies nicht greift, erwägen sie besonders im Hinblick auf stromfressende Netz- und Ladegeräte auf dem Verordnungswege für die Senkung des Energieverbrauchs im Bereitschafts-Modus zu sorgen. Die Wirtschaftsminister beauftragten die EU-Kommission am Dienstag, einen entsprechenden Aktionsplan auszuarbeiten.


Quelle: Handelsblatt 11.5.1999

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Energieverbrauch in Deutschland sinkt

Hamburg (rtr) - Der Energieverbrauch in Deutschland wird in diesem Jahr nach Branchenangaben um 1,7 Prozent geringer ausfallen als im Vorjahr. Mit einem Minus von 7,5 Prozent sei der Rückgang bei der Atomenergie besonders kräftig, teilte der Mineralölwirtschaftsverband (MWV) mit. Wasser- und Windkraft könnten ein Plus von 4,5 Prozent verbuchen - sie machen allerdings nur 0,5 Prozent des Verbrauchs aus, während die Atomkraft auf einen Anteil von zwölf Prozent komme. Wichtigster Energielieferant sei hierzulande nach wie vor das Mineralöl mit einem Anteil von gut 40 Prozent, gefolgt von Erdgas (21 Prozent), Steinkohle (14,5 Prozent) und Braunkohle (10,6 Prozent).

Quelle: TAZ 30.11.1998

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