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Aktuelle Presse Mülltourismus

 

 

 


Hausmüll 2005 in die Verbrennung
Landrat und Bezirksregierung einigen sich
Von Achim Hermes

Erftkreis. Zum Schluss gab es Donnerstagnachmittag nur Gewinner. Landrat Werner Stump (CDU) feierte "einen Bombenerfolg: Es hat eine intelligente Verschiebung der Müllmengen gegeben". Der CDU-Fraktionschef im Kreistag, Willi Zylajew, bescheinigte Stump, dass sein hartnäckiger Widerstand gezeigt habe, "dass es sich lohnt zu kämpfen".

Die Sozialdemokraten dagegen kürten ihren Kreisumweltdezernent Manfred Kohlmann "zum Sieger des Tages" (Edgar Moron) und lobten Regierungspräsident Jürgen Roters (SPD). Moron: "Er hat in letzter Minute den Landrat gestoppt und so ein abfallpolitisches Chaos im Erftkreis abgewendet."

Noch eine halbe Stunde vor der Sondersitzung des Kreisausschusses am Donnerstagnachmittag hatte alles nach dieser Art Diskussion mit anschließender Kampfabstimmung ausgesehen. Die öffentliche Ausschreibung zur Verbrennung von Müll ab kommenden Januar stand auf der Tagesordnung.

Dies hatte die SPD stets abgelehnt mit dem Hinweis auf be~stehende Vertragsverhältnisse mit der Entsorgungsfirma Trienekens und darauf, dass eine öffentliche Ausschreibung die für den Erftkreis günstigen Müllgebühren verteuere. Landrat und CDU verwiesen dagegen darauf, dass sie nach EU-Recht dazu verpflichtet seien, öffentlich auszuschreiben.

Doch 20 Minuten vor Beginn der Sitzung kam die entscheidende Nachricht von der Kölner Bezirksregierung. Was sie enthielt, berichtete Landrat Stump zu Beginn des Kreisausschusses: "Heute habe ich erreicht, dass die bislang enge Auffassung der Bezirksregierung Köln zum Umstiegskonzept in Bezug auf Mengengerüste, Abfallarten und Zeitabläufe flexibler gesehen wird.

Damit kann der vorhandene Entsorgungsvertrag mit der Firma Trienekens güns~tig in das Umstiegskonzept integriert werden."

Ausschreibung erst in zwei Jahren

Das bisherige Konzept sah vor, dass bestimmte Müllmengen aus dem Erftkreis in die Anlagen nach Köln oder Weisweiler gebracht werden müssen. Hauptsächlich sollte es sich dabei um Gewerbemüll handeln, während der Hausmüll im Wesentlichen noch auf der billigen Deponie landen durfte. Allerdings war auch schon ein Anteil an Hausmüll zur Verbrennung vorgesehen. Auf dieses Kontigent wird jetzt verzichtet.

Nach der jetzt gefundenen Einigung muss der Hausmüll insgesamt erst ab Anfang 2005 in den teuren Anlagen verbrannt werden. "Erst ab dann haben wir also einen ausschreibungspflichtigen Sachverhalt", sagt Stump. Das Verfahren dafür werde der Kreis in 2003 in Angriff nehmen.

Quelle: Kölnische Rundschau 25/09/00

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Karneval im Sommer Wahlkampf in Köln um den Posten des Oberbürgermeisters

»Von OB verstehen Frauen mehr«, lautete ein Slogan der SPD- Kandidatin Anke Brunn. Er wurde auf Druck einiger Genossen wegen der Anspielung auf die Tamponmarke wieder zurückgezogen. CDU-»Fritze« Schramma posiert stadtweit mit Zapfpistole und will anscheinend Sprit im Rathaus verkaufen, denn »bei diesen Benzinpreisen werfen wir das Geld doch wirklich auf die Straße«, verkündet er breit grinsend.

Barbara Moritz von den Grünen beeindruckt auf einem Plakat mit einem ihrer Babyfotos, doch durch den deutlichen Grünstich gleicht sie darauf eher einem Alien. Ihr Spruch: »Zukunft braucht Spielraum«. Erhofft sie sich ihre Stimmen aus dem All?

Der FDP-Mann Ralph Sterck eifert seinem Vorbild Jürgen Möllemann nach. In einem durchsichtigen Container in der Innenstadt versuchte er tagelang, die Passanten auf sich aufmerksam zu machen. So konnte man ihn rund um die Uhr beobachten - Zladdi läßt grüßen.

Eigentlich war schon im September 1999 wie in ganz Nordrhein-Westfalen die Wahl des Oberbürgermeisters. Erstmals nach 43 Jahren SPD-Herrschaft gewann die Kölner CDU mit ihrem Kandidaten Johannes Jakob »Harry« Blum am 12. September die Kommunal- und OB-Wahlen. Die CDU gewann 43 Sitze (+10 Sitze gegenüber der Kommunalwahl 1994), die SPD kam dagegen nur noch auf schwache 29 (-13), die Grünen erreichten 15 (-1), die FDP 4 (+4), die PDS war erstmals im Kölner Rat mit zwei Sitzen vertreten, und die Republikaner gewannen einen Sitz. In der Hauptwahl für den OB verfehlte Blum mit 48,1 Prozent nur knapp die benötigte absolute Mehrheit vor der Grünen Anne Lütkes mit 32,1 Prozent. In der folgenden Stichwahl gewann Blum mit fünf Prozentpunkten Unterschied. Die Wahlbeteiligung war von 79 (1994) auf katastrophale 45,8 Prozent gesunken.

»Mitschuld« an dem miserablen Wahlausgang für die SPD trug die kleine alternative Zeitung Kölner Woche, die einen illegalen Aktien-Deal von Klaus Heugel (SPD), dem klaren Favoriten auf das höchste Kölner Amt, aufgedeckt hatte. Deshalb mußte Heugel kurzfristig zurücktreten, die SPD stand ohne Kandidaten da. Doch Harry Blum blieb nur ein knappes halbes Jahr in seinem Amt, bis er mit Herzrhythmusstörungen ins Krankenhaus kam und kurz darauf starb.

Hinter dem jetzigen Wahlkarneval verbirgt sich eine knallharte und korrupte Politik der großen Parteien. Im März dieses Jahres (junge Welt berichtete) stimmte der Kölner Rat einem dubiosen Leasing-Deal mit den städtischen Klärwerken und Kanälen zu. In dem umstrittenen Geschäft wurden die »Kloaken« im Wert von 1,2 Milliarden DM für 25 Jahre von einer Briefkastenfirma auf den Cayman-Islands/Karibik geleast und dann sofort wieder von der Stadt zurückgemietet. Das Vertragswerk selbst bekamen die Ratsmitglieder nicht zu Gesicht. Es gab weder eine öffentliche Ausschreibung noch eine öffentliche Diskussion. Auf Grund eines offenen Briefes vom Kölner Netzwerk gegen Neoliberalismus an die Ratsmitglieder, stimmten immerhin einige der Grünen gegen die Verträge, ein SPD-Mitglied und der Republikaner enthielten sich. Die PDS hatte sich von vornherein gegen den Vertrag ausgesprochen. Jörg Detjen (PDS) begründete dies mit dem »totalen Ausschluß der Öffentlichkeit und fehlender Ausschreibung«.

Letzte Woche hat der Rat in einer Sondersitzung die Privatisierung kommunaler Betriebe weiter vorangetrieben. Die Firma Trienekens bekam den Zuschlag für den Kauf von 49,9 Prozent der neugegründeten Abfall-Wirtschaftsbetriebe GmbH (Müllabfuhr und Straßenreinigung), den Rest der Anteile hält die Stadt Köln. Unterstützung erhielten CDU und FDP von der SPD: Obwohl deren OB-Kandidatin Brunn das Vertragswerk mehrfach in Frage gestellt hatte, verhalf die SPD dem schwarz-gelben Bündnis zu den entscheidenden Stimmen. Grüne und PDS forderten, die Privatisierungspläne aufzugeben. Es sei nicht klar, so Barbara Moritz (Grüne), »ob der Verkauf nicht doch ausgeschrieben« werden müsse. Sie schlug vor, eine rein kommunale Abfallgesellschaft unter dem Dach der Stadtwerke zugründen.

CDU-Chef Bietmann besteht darauf: »Der Verkauf der Anteile an Trienekens ist eine Entscheidung zugunsten der kleinen Leute, weil die Gebühren stabil bleiben.« Das aber ist schlichtweg falsch. Schließlich sind die Gebühren seit der Privatisierung - an der Müllverbrennungsanlage ist Trienekens zu einem Viertel beteiligt - um insgesamt 60 Prozent gestiegen. Zudem bot mit der Firma Rethmann ein anderer Interessent 100 Millionen DM - immerhin 40 Millionen DM mehr als Trienekens. Trotz einer EU-Richtlinie gab es auch in diesem Fall keine Ausschreibung. FDP-Chef Sterck warb weiter für Trienekens: »Wenn man sich nach acht Jahren Verlobung entscheidet zu heiraten, sucht man sich keine neue Braut.«

Trienekens, ein Tochterunternehmen der RWE, ist innerhalb der letzten Jahre vom mittelständischen Unternehmen in Köln und im Rheinland zum Müllmonopolisten aufgestiegen. Überall versucht sich die Firma einzukaufen - meist erfolgreich. Angesichts dieser Konstellation verspricht Anke Brunn: »Mit mir als OB wird es keinen Verkauf des Tafelsilbers geben.« Damit allerdings steht sie gegen die Politik der eigenen Partei.

Quelle: Junge Welt 29/08/00

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Müll-Streit - Hardy Fuß: Politisch einwandfrei

Erftkreis - "Solange Herr Fuß auf der Gehaltsliste von Trienekens steht, kann die SPD kein guter Ratgeber sein." Dieses Zitat der Vorsitzenden der FDP-Kreistagsfraktion Anne Schmitt-Sausen im "Kölner Stadt-Anzeiger" brachte gestern den Vorsitzenden der SPD-Kreistagsfraktion Hardy Fuß gehörig auf die Palme. Fuß, der Geschäftsführer bei einer Tochter des Entsorgungsunternehmens ist, stellte fest: "Es gibt keine Zusammenhänge zwischen meiner beruflichen Tätigkeit und Entscheidungen der SPD-Kreistagsfraktion in Sachen Müllverbrennung."

Die Beratungswege und die Zuständigkeiten in der SPD-Fraktion stellten dies sicher. Er, Fuß, stelle seit mehr als fünf Jahren "in glasklarer Transparenz meine Befangenheit zum Thema »Abfallwirtschaft im Erftkreis« fest, was bisher zu keinerlei rechtlichen Beanstandungen führte". Diese "rechtlich, politisch und hygienisch einwandfreie Praxis wird auch in Zukunft fortgeführt".

Schmitt-Sausen "möge sich prüfen", erklärte Fuß, "ob sie die völlige Transparenz, die in meinem Fall vorliegt, auch für die Schnittstellen zwischen dem wirtschaftlichen Interesse der Familie Schmitt-Sausen und den politischen Mandaten der Familie Schmitt-Sausen herstellen will. Falls Frau Schmitt-Sausen darüber eine öffentliche Debatte wünscht, stehe ich mit Freuden zur Verfügung". Nähere Angaben zu besagten Schnittstellen wollte Fuß auf Nachfrage nicht machen. Zum Hintergrund: Ehemann Peter Schmitt-Sausen ist unter anderem Bauunternehmer und Unternehmensberater und sitzt - für die CDU - im Hürther Rat.

Auf die FDP Erftkreis schoss sich gestern auch der SPD-Kreisvorsitzende Klaus Lennartz ein. "Was stört mich das Geschwätz von gestern?", überschrieb er eine Pressemitteilung, in der er auf die aus seiner Sicht verloren gegangene Glaubwürdigkeit der FDP hinweist. Schmitt-Sausen habe sich vor der Kommunalwahl 1999 ausdrücklich gegen die Einstellung eines Dezernenten beim Kreis ausgesprochen, inzwischen sei Sozialdezernent Dr. Volker Kregel auch mit Stimmen der FDP gewählt worden. Eine Reduzierung der Personalkosten beim Kreis um 500 000 Mark habe die FDP Ende 1999 beantragt, dann habe sie einem Beförderungspaket zugestimmt, das den Kreis 2000 und 2001 mindestens eine Million Mark koste.

Den Grund für das Verhalten der FDP glaubt Lennartz zu kennen: "So viele Kröten schluckt niemand freiwillig. Schon bald wird der Verlust der politischen Glaubwürdigkeit der FDP mit der Besetzung der Geschäftsführerstelle bei der Wirtschaftsförderung Rhein Erft oder der Rhein Erft Verkehrsgesellschaft belohnt werden."

Quelle: Kölner Stadt Anzeiger 24/08/00

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Müllentsorgung kostete 43,8 Millionen Mark
Bilanz liegt vor


he Erftkreis. Die Müllentsorgung hat den Erftkreis im vorigen Jahr insgesamt 43,8 Millionen Mark gekostet. Das ergibt sich aus der Festsetzung der Müllsatzung für 1999, die der Kreistag auf seiner Sitzung am Donnerstag einvernehmlich beschloss. Dem standen Einnahmen in Höhe von 42,8 Millionen Mark gegenüber. Das Defizit soll in die Gebührenkalkulation für das kommende Jahr einfließen und dann durch die Einnahmen wieder ausgeglichen werden.

Dickster Brocken bei den Ausgaben waren im vorigen Jahr die Kosten für die Deponierung des Mülls, die mit 15,6 Millionen Mark zu Buche schlugen. In der Summe enthalten sind allerdings auch die Finanzmittel, die für Rekultivierung und Nachsorge in die Rücklage gestellt wurden. Der größte Posten auf der Einnahmenseite waren mit 33,5 Millionen Mark die Müllgebühren. An das Unternehmen Trienekens, dass den Müll entsorgt, überwies der Erftkreis im vorigen Jahr laut Vorlage 34,1 Millionen Mark.

Quelle: Kölnische Rundschau 17/06/00

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Trienekens und Landrat verhandeln
SPD sieht günstige Müllgebühren gefährdet

 Erftkreis. Die Spitzen des Müllentsorgungsunternehmen Trienekens und die Verwaltungsspitzen aus dem Bergheimer Kreishaus haben sich gestern Vormittag zu einer ersten Verhandlungsrunde getroffen. Auf Kreisseite nahmen dabei Landrat Werner Stump (CDU) und Kreisumweltdezernent Manfred Kohlmann (SPD) teil, das Unternehmen wurde von Hellmut Trienekens vertreten.

Ab dem Jahr 2005 muss der Erftkreis seinen gesamten Restmüll in den Verbrennungsanlagen Köln oder Weisweiler entsorgen. So schreibt es der Abfallwirtschaftsplan des Regierungspräsidenten vor. Bis zu diesem Datum gilt ein Umstiegskonzept. Danach muss der Kreis in den kommenden Jahren nur bestimmte Müll-Kontingente verbrennen lassen. Dank dieses Umstiegskonzept sind die Müllgebühren im Erftkreis niedrig im Vergleich zu Kreisen, die bereits ihren gesamten Müll verbrennen lassen.

Der Landrat setze mit seiner Müllpolitik das Umstiegskonzept und damit die günstigen Gebühren aufs Spiel, klagten dagegen gestern der SPD-Unterbezirksvorsitzende Klaus Lennartz und die Vize-Vorsitzenden der SPD-Kreistagsfraktion, Hans-Günter Eilenberger und Wilfried Effertz. Sie verwiesen dabei auf Stumps Anweisung vom 31. Mai dieses Jahres, vorerst keinen Müll mehr zur Verbrennung zu schicken. Stump hatte das damit begründet, er wolle die Müllverbrennung auf eine "gesicherte rechtliche Grundlage stellen".

Mit Datum vom 7. Juni habe Trienekens in einem Schreiben an den Landrat sein Unverständnis über diese Entscheidung geäußert, berichtete Eilenberger, der auch umweltpolitischer Sprecher seiner Fraktion ist. Dabei habe Trienekens darauf hingewiesen, dass der Stopp der Müllverbrennung das Umstiegskonzept ernsthaft gefährde. Und weiter heißt es in dem Schreiben: "Dies könnte einen wesentlich früheren Volleinstieg in die Verbrennung und damit eine enorme Kostenbelastung für die Bürger des Erftkreises zur Folge haben." Eilenberger: "Wir fragen uns, warum macht der Landrat das?"

"Wir wissen, dass wir ein gutes Umstiegskonzept haben und werden es nicht gefährden", betont Kreisumweltdezernent Manfred Kohlmann. Das Aussetzen der Müllverbrennung habe aber den Zweck, "die Verhandlungen zu beschleunigen".

Quelle: Kölnische Rundschau 15/06/00

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Abfall-Verbrennung gestoppt
SPD: Landrat riskiert höhere Gebühren
Kreis weist Vorwürfe zurück - Kohlmann: Es geht um eine günstige Verhandlungsposition

Erftkreis - Streit um die Müllentsorgung gibt es zwischen Landrat Werner Stump und der SPD-Kreistagsfraktion. Denn Stump hat zum 31. Mai verfügt, die Entsorgung von Gewerbemüll aus dem Erftkreis in Verbrennungsanlagen vorerst zu stoppen.

Wie Kreisumweltdezernent Manfred Kohlmann an seiner Stelle erläuterte, verhandele man zur Zeit mit Entsorgungsunternehmen darüber, zu welchen Konditionen auch Hausmüll verbrannt werden kann. In diesem Zusammenhang könne es sinnvoll sein, erstmal die Verbrennung zu stoppen, um eine günstige Verhandlungsposition zu haben.

Wie auch immer: Die SPD wirft Stump vor, mit seinem "Alleingang" eine zusätzliche Gebührenbelastung der Bürger im Erftkreis von circa 50 Millionen Mark jährlich zu riskieren. Da die Müllverbrennung gestoppt ist, sei das 1997 zwischen Kreis und Bezirksregierung vereinbarte "Müll-Umstiegskonzept" gefährdet. Danach soll der Kreis bis zum Jahr 2005 nur schrittweise und mit vereinbarten Quoten in die teure Müllverbrennung einsteigen. Bis dahin darf Abfall auch noch deponiert werden.

"Jetzt wird die günstige Position des Erftkreises vom Landrat aufgekündigt", so die SPD-Kreistagsmitglieder Klaus Lennartz, Günther Eilenberger und Wilfried Effertz. Dies könne dazu führen, dass aller anfallender Hausmüll "sofort" verbrannt werden müsse. Das aber lasse die Abfallgebühren der Privathaushalte steigen. Zum Beleg verweist die SPD auf ein entsprechendes Schreiben der Firma Trienekens an den Kreis.

In dem Brief äußert sich das Unternehmen auch "mit Besorgnis" über die innerhalb der Kreisgremien diskutierte europaweite Ausschreibung der "Entsorgungsdienstleistung Abfallverbrennung", auf die die EU-Kommission in einem Schreiben an den Landrat gepocht hat. Dieses Votum der EU könne nur in Unkenntnis "bestehender Vertragsverhältnisse" erfolgt sein, so Trienekens. Schließlich sei mit dem Kreis "die Andienung aller Abfälle" an die betriebseigenen Entsorgungsanlagen vereinbart.

So sieht es auch die SPD: Stump habe diese Vertragsdetails der EU-Kommisson bewusst vorenthalten um diese gegen "Bezirk und Kreis" zu mobilisieren. Über seine Gründe hierfür könne man nur spekulieren. Möglicherweise versuche er, ein anderes Entsorgungsunternehmen anstelle von Trienekens ins Spiel zu bringen. "Wir werden jetzt Akteineinsicht beantragen", kündigte Lennartz an.

Kohlmann weist die Vorwürfe zurück: Das Umstiegskonzept sei nicht gefährdet, da der Kreis die von der Bezirksregierung vorgeschriebene Quote von 24 000 Tonnen Erftkreis-Müll, die dieses Jahr in Verbrennungsanlagen der Region landen sollen, trotz des momentanen Stopps erreichen würde. Denn die Quote habe man schon in der ersten Jahreshälfte zum Teil erfüllt. Der Rest sei trotz der jetzt angeordneten Pause leicht zu schaffen.

Wie Kohlmann betonte, strebe der Kreis keine Entsorgung des Mülls außerhalb der Region an und und halte an dem vereinbarten Umstiegskonzept fest. Das Votum der EU-Kommission sei auch aus Sicht des Kreises angesichts der Vorbedingungen nicht haltbar. Allerdings wolle man nun nicht nur mit Trienekens, sondern auch mit anderen Unternehmen über die Müllentsorgung verhandeln.

Quelle: Kölner Stadt Anzeiger 15/06/00

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Landrat stoppt Müllverbrennung

Stump will "gesicherte rechtliche Grundlage"
Erftkreis. Landrat Werner Stump (CDU) hat zum 31. Mai die Entsorgung eines Teils des Erftkreis-Mülls in Müllverbrennungsanlagen vorerst gestoppt. Das berichtete Stump gestern dem Kreisausschuss. "Was ich damit anstrebe", sagte er, "ist, eine gesicherte rechtliche Grundlage für die Müllverbrennung zu erreichen."

Bedenken des umweltpolitischen Sprechers der SPD-Kreistagsfraktion, Hans-Günter Eilenberger, der Erftkreis gefährde damit den regionalen Müllkonsens und setze obendrein das für den Kreis günstige Umstiegskonzept aufs Spiel, trat Stump entgegen. "Das Umstiegskonzept ist nicht gefährdet", betonte der Landrat. "Ich halte mich an Recht und Gesetz." Doch es sei seine Pflicht als Behördenchef und den Bürgern des Erftkreises gegenüber, alle Möglichkeiten zu prüfen. "Es geht hier immerhin um Millionen."

Nicht durchsetzen konnten sich im Kreisausschuss die Bündnisgrünen mit einem Antrag, bei der Abfallentsorgung nur einen Vertrag bis zum Jahre 2005 zu schließen. Nach dem vom Erftkreis mit dem Regierungspräsidenten vereinbarten Umstiegskonzept muss der Kreis erst ab 2005 seinen Müll vollständig in den Anlagen in Weisweiler oder Köln verbrennen lassen.

Bis dahin gilt eine Übergangsfrist. Denn in fünf Jahren könne sich die Situation auf dem Müllentsorgungsmarkt und damit auch die Verhandlungsposition des Erftkreises geändert haben, meinte die bündnisgrüne Sprecherin im Kreisausschuss, Marion Renzenbrink.

CDU-Fraktionschef Willi Zylajew signalisierte zwar, dass er dem "viel abgewinnen" könne. Der Kreis sei in seiner Entscheidung aber nicht frei, sondern verwiesen auf die Anweisungen der Bezirksregierung, wie sie im Abfallentsorgungsplan festgelegt seien.

Quelle: Kölnische Rundschau 12/06/00

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Sack in die Tonne

Das Duale System der Abfallverwertung ist teuer und bringt ökologisch nur wenig. Verpackungsmüll lässt sich auch intelligenter verwerten Von Fritz Vorholz

Merkwürdig: Manchmal mausern sich Errungenschaften, die ungestraft als "wahn- und widersinnig" gebrandmarkt werden dürfen, zu wahren Exportschlagern der Deutschland AG. Zu diesen Errungenschaften zählt der Grüne Punkt, der hierzulande Cola-Dosen, Pizza-Schachteln und Jogurtbecher ziert. Doch während der Bochumer Innovationsforscher Erich Staudt der Duales System Deutschland AG (DSD) das unschöne Attribut verpasst, freut sich der DSD-Vorstandsvorsitzende Wolfram Brück über immer mehr Freunde seines Grünen Punktes, auch jenseits der deutschen Grenzen. Als zehnte Nation kopiert gerade Lettland die hiesigen Paragrafen zur getrennten Sammlung und Verwertung von Verpackungen, das "weltweit komplizierteste Müllsystem", wie die Financial Times urteilt. Eine "positive Entwicklung", gratuliert Wolfram Brück den Balten zu ihrem Nachahmungseifer.

Brück hat allen Anlass, Gelassenheit zu demonstrieren. Denn daheim in Deutschland könnte die Luft für den Müllmonopolisten bald dünn werden. Der Grund dafür trägt einen Namen: Karl Ihmels, Landrat des Lahn-Dill-Kreises in Hessen. Seit Jahren liefert sich der promovierte Jurist, der seine Karriere als einfacher Postbediensteter begann, mit Brück und dessen Grünem Punkt einen erbitterten Streit um den Verpackungsmüll. "Wenn der Ihmels zu mir ins Büro kommt, fliegt er sofort wieder raus", zitierte das Handelsblatt schon vor längerer Zeit den Müllmanager. Ihmels wiederum, der gerade seinen 59. Geburtstag feierte, erklärt die Nervosität in der Kölner DSD-Zentrale so: "Das geht jetzt in die Weichteile von denen." Ihmels zeigt dem Grünen Punkt die rote Karte. Deshalb geht es zwischen ihm und Brück deftig zu.

Die Schlacht um den Müll ist mehr als eine Posse, bei der ein Provinzpolitiker eine umweltpolitische Institution ankläfft. Jüngst nämlich hat die höheren Weihen der Wissenschaft erfahren, womit Ihmels die Grüne-Punkt-Verwalter seit Jahren ärgert. Nicht nur, weil der Sachverständigenrat für Umweltfragen in seinem kürzlich präsentierten Umweltgutachten 2000 einen "erheblichen Reformdruck" für das Duale System erkannt hat. Nicht nur, weil beim Bundeskartellamt mittlerweile acht Beschwerden gegen das DSD eingegangen sind und die Wettbewerbshüter ungeschminkter als früher erkennen lassen, dass ihnen die DSD-Alleinzuständigkeit für Verpackungen nur "schwer nachvollziehbar" sei. Vor allem hat das Umweltbundesamt dem alternativen Müllkonzept des hessischen Landrates einen bösen Makel genommen. Bisher galt es nämlich als ökologisch nicht ganz koscher, das Darmstädter Öko-Institut prognostizierte sogar, dass bei dem Verfahren krebserregende Stoffe entweichen. Doch das Umweltbundesamt hat mittlerweile dem Konzept seine Absolution erteilt. "Grundsätzlich als Endglied einer nachhaltigen Stoffwirtschaft geeignet", heißt es in einem Bericht des Amtes über die Umweltverträglichkeit verschiedener Methoden der Abfallbehandlung.

Seit Jahren tobt der Streit um den gelben Sack

Gelingt es dem Müllrevoluzzer Ihmels, mit dieser Unbedenklichkeitsbescheinigung Juristen und Politiker zu überzeugen, wäre das Duale System "erledigt", prophezeit Jürgen Hahn, Leiter der Abfallabteilung des Umweltbundesamtes. Er hält Ihmels Konzept nicht nur für "ökonomisch und ökologisch vertretbar", sondern geradezu für "modellhaft".

Diese Anerkennung verweigert so mancher Müllexperte dagegen der DSD AG, die ihre Existenz der Verpackungsverordnung des früheren Umweltministers Klaus Töpfer verdankt. Seit Jahren tobt der Streit vor allem um den Gelben Sack, in dem der ökologisch korrekte Deutsche 24,9 Kilogramm so genannte Leichtverpackungen sammelt - Blechdosen, Milchkartons und Jogurtbecher zum Beispiel, in der Terminologie des hiesigen Abfallrechts freilich keineswegs einfach nur Müll, sondern "Abfall zur Verwertung". Allerdings setzt dieses Recycling die Trennung und Sortierung der Ingredienzien des Gelben Sackes voraus; und das verursacht immense Kosten ausgerechnet bei der eigentlichen Neuerung des Dualen Systems, der Erfassung von zuletzt rund 600 000 Tonnen Verpackungen aus Plaste.

Für die Sammlung, Sortierung und Verwertung von einer Tonne Kunststoffverpackungen treiben die DSD-Verwalter bei den mittlerweile rund 18 500 Lizenznehmern des Grünen Punktes fast 2700 Mark pro Tonne ein. Die Hersteller und Abfüller von Konsumgütern reichen dies wiederum an die Verbraucher weiter, die am Ende - fast unbemerkt über die Produktpreise - um rund 1,6 Milliarden Mark pro Jahr ärmer sind. Doch dabei geht es nur um einen Bruchteil ihres Mülls. Am gesamten Hausmüllaufkommen von schätzungsweise 24 Millionen Tonnen haben die Plastikverpackungen einen Anteil von weniger als 3 Prozent. Würden die restlichen 97 Prozent genauso teuer entsorgt, wären die Haushalte ein Vermögen los.

Dem kleinen Müllanteil von Plastikverpackungen mit hohem Aufwand hinterherzujagen halten selbst Umweltschützer für kaum gerechtfertigt. Wegen der Beimischung unzähliger Additive sind Kunststoffe höchst unterschiedliche Chemieverbindungen, weshalb sich nur schwer sortenreiner und deshalb hochwertiger Sekundärrohstoff aus ihnen gewinnen lässt. Am Ende der als ökologisch besonders wertvoll geltenden "werkstofflichen" Verwertung stehen - selbstverständlich außer vielen neuen Gelben Säcken - nicht selten "Sargfüße und Parkbänke", wie der Experte Hahn vom Umweltbundesamt abschätzig bemerkt. Den dafür betriebenen Aufwand bezeichnet er als "völlig unverhältnismäßig".

Wird aber der Plastikmüll "rohstofflich" verwertet, beispielsweise als Reduktionsmittel in Hochöfen oder zur Methanolerzeugung, erweist sich der Sammel- und Sortieraufwand als übertrieben. Zwar würden durch den Verwertungsmix des Dualen Systems durchaus einige hunderttausend Tonnen Rohöl eingespart, haben Fachleute ausgerechnet, aber zu Kosten, die einem Heizölpreis von sage und schreibe zehn Mark pro Liter entsprächen. "Außer Spesen nichts gewesen", lautet deshalb das Verdikt von Johannes Brandrup, dem mittlerweile pensionierten Umweltfachmann beim Verband der Kunststofferzeugenden Industrie.

Mit solch akademischer Kritik müssen die Grüne-Punkt-Verwalter schon seit längerem leben - und sie geloben Besserung. Eine Weltneuheit namens SORTEChnology 3.0 - die Maschine wird bei der Expo 2000 der Weltöffentlichkeit präsentiert - soll in Zukunft den Sortieraufwand erheblich senken und das Duale System billiger machen. Überdies verspricht das DSD sinkende Kosten, wenn in einigen Jahren die Verträge mit den beauftragten Entsorgungsunternehmen erneuert werden könnten.

Der hessische Landrat Ihmels nervt die Müllverwalter trotzdem, weil er behauptet, schon heute viel billiger erledigen zu können, was für den Grünen Punkt noch Zukunftsmusik ist. "Nach dem jetzigen Stand unserer Technik gibt es keinen Grund mehr, den Gelben Sack beizubehalten", sagt der Landrat nicht unbescheiden. Kein Wunder, dass der SPD-Politiker, der demnächst wiedergewählt werden möchte, sich von den DSD-Juristen regelrecht verfolgt fühlt.

Tatsächlich exerziert Ihmels in seinem Sprengel bereits vor, was nach seiner Meinung landauf, landab mit dem Plastikmüll passieren sollte: rein in die graue Restmülltonne. Mit deren Inhalt wird im Lahn-Dill-Kreis bereits eine raffinierte Fabrik gefüttert, die eher an eine Klinik als an einen Müllverarbeitungsbetrieb erinnert. In dieser mechanisch-biologischen Anlage, von dem Kasseler Universitätsprofessor Klaus Wiemer ersonnen und von dem mittelständischen Unternehmen Herhof errichtet, wird der Müll getrocknet und fast vollautomatisch von Metallen und Schwerstoffen wie Keramik, Porzellan oder Batterien befreit; diese Stoffe werden in den Wirtschaftskreislauf zurückgeschleust. Übrig bleibt die Hälfte des "Urmülls", eine staubtrockene Mixtur aus Plastik, Papier, Textilien, Holz, Essensresten und anderen meist biologischen Bestandteilen. Sie hat einen hohen Heizwert und wurde auf den Namen Trockenstabilat getauft. Die Abfallsubstanz lässt sich wie Kohle oder Öl lagern, vor allem aber gut verfeuern - und zwar nicht nur in Müllöfen mit geringer Stromausbeute, sondern auch in Kraftwerken, wo sie dank ihres hohen Biomasseanteils klimaschonend verbrennt. Probeweise kommt sie heute bereits in den energiehungrigen Zementöfen der Firma Readymix im brandenburgischen Rüdersdorf zum Einsatz und wird in einem Blockheizkraftwerk mit dem schönen Namen EVA verbrannt, einer im hessischen Aßlar eigens errichteten Energetischen Verwertungsanlage. Ein Teil des Trockenstabilats gelangt auch in das ehemalige DDR-Kombinat Schwarze Pumpe, wo es zu Methanol vergast wird - übrigens genauso wie rund 100 000 Tonnen Plastik vom Dualen System, die allerdings zuvor teuer gesammelt und sortiert wurden.

Die Deutschen sind begeisterte Müllsortierer

Zwar kostet auch die Herstellung und Verwertung von Ihmels Trockenstabilat Geld - mit weniger als 200 Mark pro Tonne sind die Kosten allerdings viel niedriger als die des Grüne-Punkt-Systems. Der DSD-Müll ließe sich nach der Methode Ihmels locker für die Hälfte der heute üblichen Kosten mitverarbeiten, heißt es in der Wetzlarer Kreisverwaltung: für 20 Mark pro Jahr und Bürger statt der jetzt veranschlagten rund 44 Mark. Preisfrage: Geht die Einsparung auf das Konto der Umwelt?

Über die Trockenstabilat-Fabrik in Aßlar verliert der Abfallexperte Hahn vom Umweltbundesamt nur anerkennende Worte: "Tolle Abluftreinigung, abwasserfreier Betrieb." Ob die Verbrennung im Zementofen oder im Blockheizkraftwerk zu bedenklichen Emissionen führt, ist noch nicht endgültig geklärt. Obwohl das Trockenstabilat weit weniger giftige Schwermetalle als Hausmüll enthält, werden bei seiner Verbrennung die hierzulande gültigen strengen Vorschriften für Müllöfen zur Auflage gemacht - es sind die weltweit mit Abstand schärfsten Emissionsvorschriften für Feuerungsanlagen. Abschließende Messungen stehen allerdings noch aus. Unbestritten ist jedoch die ökologische Verträglichkeit der Methanolherstellung im Werk Schwarze Pumpe. Einziger Makel des Sekundärrohstoff-Verwertungszentrums, das mittlerweile den Berliner Wasserbetrieben gehört: Gerade weil es ein umweltunschädlicher "Allesfresser" ist, könnten die Bürger wieder zu ökologischer Bedenkenlosigkeit veranlasst werden und mit den Rohstoffen asen.

Wegen solch möglicher mentaler Wirkungen hat auch der Sachverständigenrat für Umweltfragen Skrupel, trotz der erkannten Defizite für eine radikale Reform des Dualen Systems zu plädieren. In der Tat haben sich die Deutschen als begeisterte Müllsortierer erwiesen. Neun von zehn Bürgern trennen brav ihren Müll. Würde die Fragwürdigkeit ihres Tun publik, könnten sie womöglich ihr ansonsten ohnehin schwindendes Ökobewusstsein ganz über Bord werfen. Deshalb legt man in der Kölner DSD-Zentrale auch Wert auf die Feststellung, dass die "popeligen Verpackungen" ja schließlich nur die "Vorreiter der Kreislaufwirtschaft" seien, wie der DSD-Sprecher Achim Struchholz erklärt.

Trotz "Wahn- und Widersinn": Die Chancen stehen nicht schlecht, dass deswegen und wegen der Hoffnung auf sinkende Kosten der Grüne Punkt "auch langfristig beibehalten" wird, wie die Deutsche Bank Research kürzlich in einer Studie über die Entsorgungswirtschaft mutmaßte. Tatsächlich hält sich bisher der Reformeifer von Umweltminister Jürgen Trittin in Grenzen. Zwar hat die rot-grüne Regierung in ihrem Koalitionsvertrag schon vor eineinhalb Jahren versprochen, das Duale System "ökologisch und ökonomisch sinnvoll" umzugestalten. Doch Trittin offenbarte bereits der DSD-Hauszeitschrift punkt, der Grüne Punkt sei "besser als sein Ruf". Bei seinen Reformbemühungen will sich der grüne Umweltminister nun durch ein Gutachten inspirieren lassen, das er ausgerechnet bei dem Aachener Ingenieurbüro HTP bestellt hat - es hat die Sortieranlage erfunden, mit der die Grüne-Punkt-Manager bei der Expo glänzen wollen. Dabei hätte der Umweltminister doch "was vorzuweisen, wenn er unser Angebot annähme", sagt Karl Ihmels aus dem Dill-Kreis. Manchmal fällt es ihm schwer, den Lauf der Dinge zu begreifen.

Allerdings hat der Landrat in der Berliner Regierung zumindest einen Förderer: Finanzminister Hans Eichel. Als der Grundstein für das Blockheizkraftwerk EVA gelegt wurde, erklärte Eichel, damals noch Ministerpräsident in Hessen: "David hat den Punkt bei Goliath ausgespäht, wo er ihn treffen kann" - und sicherte Ihmels seine Unterstützung zu.

Quelle: Die Zeit 2000 Nr. 16



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Haus Forst Kreis will für Region deponieren

 Erftkreis - Vom Jahr 2005 an darf der Erftkreis Haus- und Gewerbemüll - zur Zeit rund 130 000 Tonnen jährlich - nicht mehr deponieren, sondern muss sämtlichen Abfall in Köln und Weisweiler verbrennen lassen. Und zu diesem Zeitpunkt sollte auch die Deponie Haus Forst, auf der heute noch rund 100 000 Tonnen landen, geschlossen werden. Nun aber zeichnet sich ab, dass auch in der Zeit danach Mülll auf die Kippe bei Kerpen-Manheim gekarrt wird - und zwar mineralische Abfälle wie verunreinigte Böden und Schlacke aus Verbrennungsanlagen.

Müll aus der Region westlich des Rheins - aus dem Erftkreis, den Kreisen Aachen, Düren und Heinsberg sowie aus der Stadt Aachen - würde der Kreis gern in Haus Forst deponieren, erklärte Dezernent Manfred Kohlmann im Ausschuss für Kreisentwicklungsplanung. Dessen Mitglieder erklärten sich damit grundsätzlich einverstanden. Nun muss nur noch die Bezirksregierung mitspielen, die den Standort Haus Forst in ihrem Entwurf für die künftige Abfallplanung neben den Deponien Leppe (Oberbergischer Kreis) und Vereinigte Ville (Hürth) bereits aufgenommen hat.

Laut Kreis hätte eine "Mineralstoffdeponie für die Entsorgungsregion West" in Haus Forst einige Vorteile. So könnte die dort vorhandene Infrastruktur - unter anderem die Anlagen zur Aufbereitung des Sickerwassers und der Vorbehandlung von Müll - genutzt werden. Auch ein Schienenanschluss wäre beim Weiterbetrieb von Haus Forst denkbar. Und schließlich, so der Kreis, könnte man die Deponie "technisch einfacher" rekultivieren und die anderen Nutzer der Regional-Deponie an den Kosten für die Nachsorge der Kippe beteiligen. Dann sei es unter Umständen auch möglich, die finanziellen Vorteile an die Gebührenzahler im Erftkreis weiterzugeben.

Dass der Kreis die Müllaufbereitung in Haus Forst technisch so verfeinert, um die ab 2005 geltenden strengen Auflagen für eine Deponierung erfüllen zu können, hält Kohlmann für utopisch. Dafür wären Investitionen in der Größenordnung von 50 Millionen Mark erforderlich, beantwortete der Dezernent eine Frage des grünen Kreistagsabgeordneten Uwe Walter.

Quelle: Kölner Stadt Anzeiger 25/03/00

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Müllverbrennung Millionen am Kreistag vorbei ?

Erftkreis - "Das ist der dickste Hund, den ich in 25 Jahren Kreistag erlebt habe." Schwere Vorwürfe gegen die Kreisverwaltung erhob am Freitag der CDU-Kreistagsabegeordnete Karl Engelskirchen, nachdem er Akten im Bergheimer Kreishaus eingesehen hatte. Engelskirchen hegt seit längerem den Verdacht, dass der Kreis 1998 und 1999 Aufträge für die Müllverbrennung in Millionenhöhe an das Entsorgungsunternehmen Trienekens vergeben hat, ohne dafür die Zustimmung des Kreistages eingeholt zu haben. Der Verdacht sei nach Einsicht der Akten bestätigt worden, erklärte der Christdemokrat.

Der Regierungspräsident hatte dem Kreis 1997 aufgegeben, 10 000 Tonnen Müll 1998 verbrennen zu lassen und 20 000 im Jahr 1999. Der Auftrag ging an die Firma Trienekens. Das Unternehmen betreibt für den Erftkreis die Rohstoffrückgewinnungsanlage Haus Forst, die dortige Deponie und ist an den Verbrennungsanlagen in Köln und Weisweiler beteiligt.

"Keine Peanuts"

Er habe, so Engelskirchen, bereits in den Unterlagen zu den Haushalten '98 und '99 keinen Hinweis auf eine "Position Verbrennung" gefunden. Dabei sei es beim Geschäft mit Trienekens "keineswegs um Peanuts gegangen", sondern um Aufträge in Höhe von vier Millionen Mark (1998) und "fünf bis sechs Millionen" im Jahr 1999. Nach der Vergabeordnung handele es sich "keinesfalls um ein Geschäft der laufenden Verwaltung", sondern um eine Angelegenheit, die nur vom Kreistag genehmigt werden könne. Dies sei aber nicht geschehen. Mehr noch: "Ich habe bei der Akteneinsicht keine Aktenvermerke gefunden, so dass ich annehmen muss, dass der Auftrag vielleicht sogar mündlich vergeben wurde", sagte Engelskirchen dem "Kölner Stadt-Anzeiger".

Landrat Werner Stump, den Engelskirchen mit einem Fragenkatalog konfroniert und um Akteneinsicht gebeten hatte, trug am Freitag nichts zur Aufklärung bei. "Der Landrat kann dazu im Moment nichts weiter sagen", ließ Stump über seinen Sprecher Erich Nikodemus mitteilen. Der Landrat gehe davon aus, so Nikodemus, "dass Herr Engelskirchen sich mit ihm in Verbindung setzen wird". Und Abfalldezernent Manfred Kohlmann war am Freitag für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. "Der ist den ganzen Tag über in Köln", hieß es aus seinem Büro.

Quelle: Kölner Stadt Anzeiger 25/03/00

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Bahnanschluss der Verbrennungsanlage wird nicht benutzt

Nach wie vor bringen nur Lkw den Müll

Eschweiler. Von der Politik aus ökologischen Gründen gewollt, erwacht der Bahnanschluss der Müllverbrennungsanlage nur einmal im Jahr zum Leben: Beim Tag der offenen Tür hält hier der Nostalgie-Dampfzug. Für den Mülltransport per Bahn fehlen Voraussetzungen.

Aller Müll, der in den heißen Schlünden verschwindet, wird von Lkw angeliefert. Dabei gibt es einen direkten Bahnanschluss für die Müllöfen. "Wir würden nichts lieber tun, als unseren Bahnanschluss zu benutzen", sagt Andreas Fries, Geschäftsführer der MVA Weisweiler. Dass die Müllzüge nicht kommen, kann er nicht beeinflussen. Fries: "Es gibt einen ganzen Katalog von Gründen, warum der Müll nicht per Eisenbahn zu uns kommt."

Die Umladestellen fehlen

Der erste Grund ist wohl, dass bei der Planung der MVA der Gedanke der Bahnanlieferung aus der Region nicht konsequent zu Ende gedacht wurde. So gibt es zwar den Bahnanschluss, aber weit und breit keine Sammelstelle, an der Müllfahrzeuge nach kürzeren Wegen ihre Fracht auf Eisenbahncontainer umladen könnten. "Die Stadt Köln hat solche Umladestellen, und der Bahntransport zur Kölner Müllverbrennungsanlage klappt hervorragend." Gäbe es ein klar gegliedertes Müllkonzept - zum Beispiel für den Regierungsbezirk -, könnten die MVAs in Bonn, Köln, Leverkusen und Weisweiler zusammenarbeiten und dies dann auch über die Bahn abwickeln, gibt Fries zu bedenken.

Einiges im Argen

Aus Fries' Sicht stimmen auch weiterhin die politischen Rahmenbedingungen nicht. Da werde Müll zweifelhaft als Wertstoff deklariert, Deponien verschleuderten ihre Kapazität zu Dumpingpreisen, Spediteure stünden in einem gnadenlosen Kampf um die billigsten Frachtraten. Auf der Strecke bliebe die Umwelt, denn Müll werde nicht nur durch die Republik, sondern durch halb Europa gekarrt und dann in Anlagen ohne Filter verheizt.

"Wir versuchen mit der Politik immer wieder darüber ins Gespräch zu kommen. Wie schwierig das ist, zeigt, dass Umweltministerin Höhn bis heute auf einen Gesprächswunsch in keiner Weise reagiert hat."

Quelle: Aachener Nachrichten  5.3.2000

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Abfallwirtschaft AWA bietet Fahndern Zusammenarbeit an 

Millionen-Schmiergeld auch bei MVA-Bau? 

Eschweiler (fe). Die Abfallwirtschaft Stadt und Kreis Aachen will an der Aufklärung der Schmiergeld-Vorwürfe für die Bauphase der Müllverbrennungsanlage Aachen mitwirken. Den Fahndern des Bundeskriminalamtes wurde volle Information zugesichert. Auch in der Kreisverwaltung nahm die Staatsanwaltschaft Akteneinsicht.
Bundeskriminalamt ermittelt
Beim Bau mehreren Müllverbrennungsanlagen in Deutschland, darunter auch der Weisweiler Anlage, soll ein Berater - damals Teilhaber einer Ingenieurfirma aus Hamburg - von den Anlagenbau-Firmen für den Zuschlag Millionen kassiert haben. Diesem Verdacht geht derzeit das Bundeskriminalamt nach. Eingeschaltet sind ebenfalls diverse Staatsanwaltschaften und Steuerfahnder. 
Millionen-Provisionen
Die Rede ist von Provisionen, die zwei Prozent der Auftragssumme betragen haben sollen. Sie sollen jeweils dann gezahlt worden sein, wenn der Auftraggeber die erste Rate an die Herstellerfirma gezahlt hat.
Sollten sich die Vorwürfe als wahr erweisen, dann käme im Fall der MVA Weisweiler der Anlagenbauer Babcock ins Visier, der das Herzstück der Anlage für den Kreis Aachen gebaut hat. Von 288 Millionen auf 590 Millionen Mark stiegen die Baukosten der ab 1994 gebauten Müllverbrennungsanlage. Davon entfallen allein 340 Millionen Mark auf den Anlagenteil.
Der Berater, gegen den sich jetzt die Vorwürfe richten, beriet in der Planungsphase der MVA Weisweiler das RWE. Dort wurden ab 1989 die Grundlagen für die MVA-Anlage gleich neben dem Weisweiler RWE-Kraftwerk vorbereitet, für die dann der Kreis Aachen Bauherr war. Damals waren sechs Anlagenbauer im Wettbewerb. Der Zuschlag ging an die Babcock. 
Vermerk über 3,4 Millionen
Ob tatsächlich für den Großauftrag eine Provision an den Berater geflossen ist, ist vorerst nur Verdacht und nicht bewiesen. Immerhin soll sich in den beschlagnahmten Notizen des Mannes ein Vermerk befinden, der sich auf den Eingang von 3,4 Millionen Mark im Oktober 1994 bezieht, unter dem Stichwort "Weisweiler-Kassel". Der Bau der Weisweiler Anlage wurde Ende Juni 1994 begonnen. 
"Nur ein Puzzlestückchen"
Für die MVA Weisweiler ist seit Jahren die Abfallwirtschaft Stadt und Kreis Aachen GmbH (AWA) zuständig. Deren Aufsichtsrat wurde vor wenigen Tagen über die Ermittlung unterrichtet. Am 8. Februar hatten das Bundeskriminalamt (BKA) und die Hamburger Steuerfahndung eine Hausdurchsuchung in der AWA-Zentrale starten wollen. Dort sicherte man volle Unterstützung bei der Aufklärung zu. AWA-Geschäftsführer Ulrich Koch: "Wir sind nur ein kleines Puzzlestückchen in dem Bild, das die Staatsanwaltschaft gerade erstellt."
Regressforderung möglich
Landrat Carl Meulenbergh bestätigte gestern: "Das Thema war nichtöffentlicher Gegenstand einer Aufsichtsratssitzung." Er sei deprimiert, "dass es offensichtlich auch in diesem Bereich solche Vorkommnisse gibt". Er bestätigte zudem, dass das Bundeskriminalamt in der Kreisverwaltung gewesen sei, "um etliche Unterlagen zu sichten". 
Wenn das Ergebnis der Prüfungen vorliegt, werde man beim Kreis "über eventuelle Regressforderungen - an wen auch immer - nachdenken", so der Landrat.

Quelle: Aachener Nachrichten 3.3.2000


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Die Müllmenge ist gewachsen
Steigerungen um 462 Tonnen Abfall

 Elsdorf. Laut Abfallbericht der Gemeindeverwaltung Eldorf ist die Gesamtmenge der abgefahrenen Abfälle im vergangenen Jahr im Vergleich zum Vorjahr um knapp 462 Tonnen auf 9954 Tonnen gestiegen. Von 1997 auf 1998 betrug die Erhöhung nur 6,5 Tonnen. Die Abfallmenge hat sich in der Gemeinde Elsdorf im vergangenen Jahr vor allem bei Grünabfällen, Altpapier und Sperrmüll stark erhöht.

Die Hausmüllmenge war dagegen laut Bericht im vergangenen Jahr leicht rückläufig und machte mit 4770 Tonnen fast die Hälfte der Gesamtmenge aus. Das Sperrmüllaufkommen erhöhte sich von 659 auf 785 Tonnen. Laut der Elsdorfer Gemeindeverwaltung betrug das Sperrmüllaufkommen 1994 noch 20 Kilogramm pro Einwohner, 1999 waren es bereits 36 Kilogramm.

Die Grünabfallmenge wuchs im vergangenen Jahr von 962 auf 1087 Tonnen. Diese Abfallfraktion hat sich laut Elsdorfer Gemeindeverwaltung seit 1992 versiebenfacht. Erstmals wurde im abgelaufenen Jahr der Bioabfall erfasst, das waren 125 Tonnen kompostierbare Abfälle aus der neu eingeführten Biotonne. Diese Menge wurde in rund 200 Behältern gesammelt. Der Bioabfall war früher teilweise im Hausmüll enthalten.

Während sich Altglas und Leichtverpackungen nur leicht erhöhten, gaben die Bürgerinnen und Bürger wieder deutlich mehr Altpapier in die Tonnen als 1998. Die Menge erhöhte sich im vergangenen Jahr gegenüber dem Vorjahr von 1621 auf 1759 Tonnen. Seit 1992 hat sich die Altpapiermenge damit mehr als verdoppelt. Ein Viertel der Altpapierfraktion bestand aus Verpackungsmaterial, der Rest vor allem aus Zeitungen, Zeitschriften und Werbebroschüren.

Die Menge des Sondermülls sank im vergangenen Jahr auf 15 Tonnen, dies ist die günstigste Zahl seit dem Jahr 1992, in dem 11 Tonnen an Sonderabfällen im Elsdorfer Gemeindegebiet anfielen.

Laut Gemeindeverwaltung hat die Entwicklung der letzten Jahre gezeigt, dass sich der Hausmüll bei jährlich rund 4800 Tonnen (220 Kilogramm pro Einwohner) eingependelt hat. Eine weitere Reduzierung der Müllmenge sei vermutlich nur noch in geringem Maße möglich, meint die Gemeindeverwaltung.

Verbrennung läßt Gebühren steigen

Das bedarfsorientierte Behälterentleerungs- und Gebührenabrechnungverfahren der Gemeinde Elsdorf bezeichnete die Verwaltung als erfolgreich. Es habe Anreize geliefert, Hausabfälle zu vermeiden und zu verringern. Diese Aufgabe habe es jetzt jedoch weitgehend erfüllt. Die Elsdorfer Gemeindeverwaltung ist skeptisch, dass mit dem System in Zukunft ähnliche Einspareffekte wie bisher erzielt werden können.

Um steigende Gebühren, wie sie die Verbrennung des Restmülls zu Folge habe, zu vermeiden, so die Verwaltung in ihrem Abfallbericht, müsse die Restmüllmenge unbedingt deutlich verringert werden. Denn Müllverbrennung sei die teuerste Form der Abfallentsorgung, gibt die Verwaltung zu bedenken.

Schon die freiwillige Nutzung weniger Biotonnen habe einen positiven Einfluss auf den Hausmüll gehabt, berichtet die Verwaltung. Es müsse dringend diskutiert werden, wie die Biotonne möglichst flächendeckend in die Abfallentsorgung der Gemeinde integriert werden könne.

Quelle: Kölnische Rundschau 01/03/00

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Freier Wettbewerb gefordert
 Müllverbrennung

Erftkreis - Um rund 43 Mark pro Einwohner und Jahr könnten die Abfallgebühren im Erftkreis niedriger liegen, wenn der Müll nicht wie von der Bezirksregierung festgelegt in den Verbrennungsanlagen in Köln oder Weisweiler beseitigt werden müsste. Dies hat die Firma Schönmackers errechnet, die einen Entsorgungspreis von 235 Mark einschließlich Logistikleistungen - etwa für Transport - in ihrer Anlage im Kreis Wesel anbietet.

Dagegen müsse Schönmackers in den Verbrennungsanlagen in Köln und Weisweiler, an denen auch das Konkurrenzunternehmen Trienekens beteiligt sei, rund 413 Mark pro Tonne nur für die Verbrennung zahlen. Trienekens dagegen bekomme in denselben Anlagen einen "Vorzugspreis" eingeräumt und könne dem Erftkreis dort eine Entsorgung inklusive Logistik zum Preis von 440 Mark pro Tonne Restmüll anbieten.

"Da können wir nicht mithalten, das ist Wettbewerbsverzerrung", beklagt Schönmackers-Geschäftsführer Rudolf Alsdorf. Die Zuweisungspraxis der Bezirksregierung und die Beteiligung von Trienekens an den Verbrennungsanlagen in Köln und Weisweiler schränke den Wettbewerb ein.

Sein Unternehmen setze deshalb darauf, dass der Kreis in einem öffentlichen Ausschreibungsverfahren auch Nebenangebote zulasse, die nicht im Einklang mit dem Abfallwirtschaftsplan der Bezirksregierung stehen. Daneben müsse der Kreis im Interesse seiner Gebühren zahlenden Bürger die Rechtslage der derzeitigen Zuweisungs- und Ausschreibungspraxis überprüfen lassen und zu rechtlichen Schritte gegen die Bezirksregierung bereit sein.

Zumindest eine kurze juristische Expertise zum Thema hat der Kreis indes schon eingeholt: Die kommt zu dem Ergebnis, dass "mögliche Bestrebungen des Erftkreises, seine Abfälle im freien Wettbewerb an den billigsten Verbrenner abzugeben, nicht mit dem geltenden Recht vereinbar" seien.

Der Gesetzgeber habe sich bei der Abfallbeseitigung gegen den freien Markt und für die staatlich regionale Monopolwirtschaft entschieden. Nach Meinung Alsdorfs indes ist diese Expertise nicht haltbar, so dass man es auf eine Klage ankommen lassen könnte: Er verweist dabei auf ein Gutachten des Professors Dr. Wolfram Höfling, das dieser zu einem ähnlich gelagerten Fall im Kreis Heinsberg erstellt habe. Demnach verstoße die Zuweisungspraxis gegen europäisches Wettbewerbsrecht.

Quelle: Kölner Stadt Anzeiger 26/02/’00

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Giftmüll als Baustoff

Wie deutsche Salz- und Kohlegruben teuren Sondermüll billig verbuddeln Von Matthias Brendel

Tief unter der Erde geht es bergan. Die Lampen des Wagens werfen ihr Licht auf Wände und Decke, Salzkristalle glitzern zurück. Das Grubenfahrzeug, ein Kleinlaster mit abgesägtem Dach, nimmt eine leichte Kurve. Das Salz wechselt seine Farbe, von schwarzgrau zu schmutzigweiß und zurück. Bisweilen streifen die Lichtkegel kräftige, orange-braun irisierende Adern aus Carnallit, kali- und magnesiumhaltigem Salzgestein. Hunderte Millionen Jahre ist kein Sonnenstrahl darauf gefallen. Nur ab und zu durchbricht ein Scheinwerferpaar die Dunkelheit. Ein Transporter, mit blauen Fässern beladen, nähert sich aus der Tiefe der Grube.

Die Unterwelt in der ehemaligen Kaligrube Herfa-Neurode erstreckt sich über 20 Quadratkilometer. Eine Stadt im Salz mit breit angelegtem Straßengeflecht, Wegweisern, Aufenthaltsräumen, 800 Meter unter der Erdoberfläche. Beidseits der Straße stehen rote Ziegelmauern. Dahinter lagert, was die Konsumgesellschaft als gefährlich ausgesondert hat. Herfa-Neurode bei Kassel in Nordhessen ist eine Untertagedeponie, eine Giftkammer der Zivilisation.

"Das Gefährdungspotenzial der gesamten chemisch-toxischen Abfälle ist größer als das der radioaktiven Substanzen", behaupten die anerkannten Endlagerexperten und Fachbuchautoren Albert Herrmann und Helmut Röthemeyer. Die beiden schätzen "die Masse der in unterirdischen Hohlräumen zu deponierenden Sonderabfälle" auf 300 000 bis 1 000 000 Tonnen jährlich. Von dieser Giftmüllration schlucken die drei deutschen Untertagedeponien Heilbronn, Zielitz und Herfa-Neurode nur die Vorspeise - etwa 160 000 Tonnen pro Jahr. Davon stammt ein knappes Drittel aus der Schweiz. Wo blieb der Rest?

"Unterwegs bitte nicht von den Sitzen erheben", mahnt Betriebsleiter Ralf Boppert. Die Deckenhöhe der Strecke folgt der Mächtigkeit einstiger Kalischichten und schwankt zwischen 2,50 und 2,90 Metern. Nicht umsonst hat die Kali und Salz Entsorgung GmbH das Wagendach entfernen lassen. Manchmal passt kaum mehr ein Schuhkarton zwischen Besucherhelm und Salzdecke. Deren regelmäßige Struktur zeugt von maschinellem Abbau. Im vergangenen Jahrhundert, zu Beginn der industriellen Nutzung von Kali als Düngemittel, haben hier Zehntausende Arbeiter ihr Brot verdient. Der heutige Endlagerbetrieb wird in zwei Schichten von 71 Mitarbeitern erledigt. In einer flächigen Ausbuchtung im Salz hebt ein Gabelstaplerfahrer blaue Fässer von einem Spezialtransporter. Palette um Palette wuchtet er zur gegenüber liegenden Wand und schichtet sie bis zur Decke auf. Die Fässer sollen nun für unabsehbare Zeit im Salz lagern.

Das Archiv der eingelagerten Gifte befindet sich nahe dem Fahrstuhl zum Tageslicht. Dort sind Tausende Proben in luftdichten Schraubgläsern auf meterhohen Regalreihen verwahrt. Hellblaue, rosafarbene, tiefgelbe Pulver stehen dort, grobkörnige Substanzen, Metallteile, auch ein kontaminierter Arbeitshandschuh, dessen Artgenossen nun hinter Ziegeln eingemauert sind. Insgesamt zwei Millionen Tonnen toxischer Abfälle, sagt Hartmut Behnsen, Geschäftsführer der Kali und Salz Entsorgung GmbH, wurden hier in den vergangenen 27 Jahren deponiert. 1998 waren es 80 000 Tonnen. Wie viel im Einzelnen an Quecksilber, Cyaniden, Arsenaten, Destillationsrückständen, PCB-kontaminierten Reststoffen, Dioxinen oder alten Pflanzenschutzmitteln wie DDT endgelagert ist, lässt sich schwer ermitteln. Die spezifische Konzentration der Gifte in den angelieferten Fässern oder Weichcontainern, den Big Bags, bleibt im Ungefähren.

Fest steht: Rund 95 000 Tonnen quecksilberhaltige Stoffe liegen unter Tage, 80 000 Tonnen arsen- und 120 000 Tonnen cyanidhaltiges Material und 490 000 Tonnen Filterstäube aus Verbrennungsanlagen. Gut zu wissen, was wo steht. "Um die Reaktionspotenziale gering zu halten", sagt Behnsen, wird das Endlagergut nach 20 Stoffgruppen getrennt verwahrt. Entsprechend wird die Endlagerstätte auf den Etiketten der Probengläser vermerkt. Codiert sind Herkunft des Giftmülls, Ankunftsdatum, der vom Anlieferer deklarierte Inhalt und ein hauseigener Laborbericht. Alles mit dokumentenechten Stiften. Bisher achtmal habe man Abfälle wieder ausgelagert, mal wenige, mal bis zu 1000 Tonnen, sagt Behnsen, darunter Dinatrium-Cyanamid, Calciumformiat und Arsentrioxid. "Diese Substanzen ließen sich sinnvoll und wirtschaftlich in Produktionsabläufe einbinden."

Für ferne Zeiten ist das Erfassungssystem allerdings nicht gemacht. Gleiches gilt für die Ziegelmauern um das endgelagerte Material. Die Wände werden verfallen. "In mehreren hundert Jahren", sagt Wolfgang Beer, Chefgeologe von Kali und Salz, "wird das Salz die Gebinde vollständig umschlossen haben." Der Berg lebt. Das unaufhaltsame Verpacken im Salz ist eingeplant. Schließlich geht es darum, das Gift für immer von der Biosphäre zu trennen.

Die Betreiber sehen sich dabei auf der sicheren Seite. Oberhalb der ehemaligen Kaliflöze liegt eine 100 Meter starke Salzschicht, darüber eine Reihe Tonschichten von gleicher Mächtigkeit. Unterhalb der Deponie liegen weitere 100 Meter Salz. Vor rund 240 Millionen Jahren haben sich diese Schichten aus verdunstendem Meerwasser gebildet, seitdem herrscht hier Ruhe. Zumindest fast: Wolfgang Beer, Mitglied der kleinen Expedition unter Tage, zeigt auf einen etwa 30 Zentimeter starken Ring aus braunem Basalt, der das Salz durchzieht. Vor rund 20 Millionen Jahren hatte dieser Basalt glühend flüssig das Salzgestein durchschlagen. Es kam aus der Tiefe, hat auch den über dem Ton liegenden Buntsandstein durchschnitten und ist schließlich über der Erde zu Kuppen erstarrt. Solcher Basalt könnte eines Tages erneut hochdrücken und das Gift mitreißen. "In den nächsten 10 Millionen Jahren sind hier keine vulkanischen Aktivitäten zu erwarten", beruhigt Beer. Prognosen über 10 Millionen Jahre sind schwierig. Und schwer zu widerlegen.

Rascher, als den Menschen lieb ist, könnte jedoch eindringendes Wasser die gefährliche Fracht zurück in die Biosphäre befördern. Wasser ist, geologisch gesehen, ein Sprinter, der sich schnell durch die Erde bewegt. Die Millionen Jahre währende Trockenheit des Salzstocks hat keine Ewigkeitsgarantie. Das eigentliche Sicherheitsproblem in Herfa-Neurode ist jedoch weniger geologischer Natur, sondern Menschenwerk. Gerade hat Ralf Boppert das Lkw-Cabrio vor einer torgroßen Ziegelwand geparkt. "Sie sehen das nicht", sagt Boppert und weist auf die Mauer hinter sich, denn die Erklärung ist ihm wichtig, "aber in diesem Bauwerk steckt das, worauf wir stolz sind."

Die Wand scheidet die Deponie von der in Betrieb befindlichen Kaligrube auf der anderen Seite und versperrt damit einen künstlich geschaffenen Weg. Das riesige Grubengelände unter Tage hat eine Fläche von 400 Quadratkilometern, und längst nicht alle Teile davon sind vor Wassereinbrüchen so gut geschützt wie der genehmigte Deponieteil. Die Mauer, auf die Boppert weist, muss darum gegen eventuell andrängendes Wasser halten. 48 Meter ist das Bollwerk tief. 4645 Kubikmeter gegen die Ewigkeit.

Weitere potenzielle Schwachstelle des Endlagers ist der 800 Meter lange Transport- und Belüftungsschacht zur Oberfläche. Er ist für eine reibungslose Beförderung von Mensch und Material konstruiert. Nach Stilllegung der Deponie muss aber genau dies verhindert werden. "Wir werden deshalb wohl ein Tonpaket als Dichtungselement in die Schachtröhre einbauen", kündigt Behnsen an. Auch das muss ewig halten. Endgültig gelöst ist das Problem bislang nicht, es wird weiter geforscht.

Und dann, nach dem vollständigen Abschluss? Wer wird Explorateure in ferner Zukunft davon abhalten, hier nach Salz zu bohren? Immerhin ist das verbleibende Steinsalz ein förderfähiges Produkt. Seine Erschließung könnte irgendjemandem in zigtausend Jahren attraktiv erscheinen. Was wird diese Kreaturen warnen? Die Weitergabe des Wissens um Herfa-Neurode ist ein Problem. "Wir haben schon ernsthaft überlegt, ob wir die Dokumentation in Stein meißeln", sagt Behnsen. "Auch wir haben die Pyramiden erforscht und ihre Funktion erkannt", wirft der Geologe Wolfgang Beer ein, "nachfolgende Generationen werden ebenso in der Lage sein, Herfa-Neurode als Deponie zu erkennen."

Noch ist die Erkundung nicht beendet. Durch eine offene Verbindung fährt der Cabrio-Laster nach Hattorf. Hier gleich nebenan läuft der Abbau noch, wird Kali aus dem Berg gesprengt. Gleichzeitig, in einem stillgelegten Feld, wird der Berg versetzt.

Bergversatz bezeichnet das Verfüllen abbaubedingter Hohlräume mit bergfremden Stoffen und ist manchmal schlicht Endlagerung von Gift - verpackt in anderes Vokabular. Auch in Hattorf werden Filterstäube aus Haus- und Sondermüllverbrennungsanlagen und andere Trockengifte wie Rauchgasreinigungssalze in Big Bags eingelagert. Die Zusammensetzung der Stäube entspricht jener der endgelagerten in Herfa-Neurode. Allerdings werden die Anlieferungen erst nachträglich auf ihre Inhaltsstoffe geprüft, ein Probenarchiv existiert nicht. Die Big Bags werden auch nicht eingemauert, sondern direkt im Salz verpackt. In einer Ecke der Grube ist der Versatz im Gange. In drei Reihen hat ein Stapler die Gebinde übereinander gesetzt. Davor liegt ein Haufen gemahlenes, angefeuchtetes Salz. Von der Seite nähert sich ein gelbes Spezialgerät. Wie eine Schneefräse frisst es die weiße Masse und schleudert sie auf die Giftbehälter. Das grobe Salz hat die Konsistenz von feuchtem Kies, nur pappt es besser. Nach kurzer Zeit erstarrt die Masse, die Big Bags sind verschwunden. Darauf wird die nächste Lage angefahren.

Hier werden also Hohlräume luftdicht verfüllt und damit vor Einsturz gesichert, weshalb in Hattorf eine "Verwertung" des Giftmülls stattfindet. Mehr als 300 000 Tonnen wurden bereits versenkt, jährlich über 60 000 Tonnen. Die geologischen Bedingungen sind exakt die gleichen wie in der Untertagedeponie Herfa-Neurode. Wesentlich unterscheiden sich beide Anlagen nur im Genehmigungsverfahren. Für eine Untertagedeponie dauert es zwei bis zehn Jahre, den Betriebsplan für einen Versatz stellt das zuständige Bergamt in drei bis sechs Monaten aus, da umständliche abfallrechtliche Verfahren und viele Kontrollen entfallen. "Ich persönlich habe kein Problem mit einer einheitlichen Betrachtung von Verwertung und Beseitigung im Salz", erklärt Entsorgungsleiter Hartmut Behnsen, "das Sicherheitsniveau beider Verfahren ist aus unserer Sicht identisch."

Mit dem Bergwerk Hattorf konnte die Kali und Salz ihr Entsorgungsangebot erweitern. Vor allem kostet die Endlagerung in Herfa-Neurode mit etwa 470 Mark pro Tonne deutlich mehr als der Versatz in Hattorf mit 250 bis 300 Mark für das gleiche Gut im gleichen Salz. Das Auffüllen von Hohlräumen ist oft notwendig, um obertägige Absenkungen zu verhindern. Im schlimmsten Fall können sich Gebirgsschläge ereignen. Ein solches menschenverursachtes Beben geschah zuletzt am 13. März 1989 in Völkershausen.

Nirgendwo anders als in Deutschland allerdings dient Sondermüll zum Versatz. Rund 650 000 Tonnen Giftmüll, darunter auch Lieferungen aus der EU, sind 1998 so im deutschen Berg verschwunden. Die EU hat die Bundesregierung am 30. April abgemahnt und fordert für jedes Versatzbergwerk die gleichen Umweltprüfungen wie für jede andere Deponie auch. Am 23. August hat die Bundesregierung geantwortet, es handele sich um eine Maßnahme aus "bergbausicherheitlichen Gründen", die weniger der "Verfüllung von Hohlräumen", sondern vor allem der "Stabilisierung des Gebirges" diene. "Hierzu werden die Abfälle als Baumaterial eingesetzt." Der Versatz von Sonderabfällen sei in Deutschland überdies nur erlaubt, wenn diese sich möglichst vollständig vom Grundwasser abschirmen ließen. Hierfür kämen als Wirtsgesteine Steinsalz, zum Beispiel Kali, oder Fels, etwa Tongestein, in Betracht.

Hattorf wäre damit rechtlich gedeckt, doch ein Versatzbergwerk wie Walsum in Nordrhein-Westfalen dürfte es nach dieser Definition nicht geben. 1998 wurden in diesem aktiven Kohlebergwerk 90 000 Tonnen verbaut, überwiegend Filterstäube. Man vermischt Stäube oberirdisch mit Wasser zu einer Paste und pumpt sie über kilometerlange Rohrleitungen in den untertägigen Bruchhohlraum. Bruch ist Nebengestein, das bei maschinellem Kohleabbau entstandene Hohlräume füllt. Nach kurzer Zeit erstarrt das in den Bruchhohlraum gepumpte Material und erhöht so dessen Dichtigkeit. Genaue Messwerte dazu gibt es nicht. "Wir folgen dem Atmen der Kohlegewinnung", sagt Herbert Klee, Geschäftsführer der für den Versatz zuständigen UTR Umwelt GmbH. Die Möglichkeit unvorhergesehener Bergsenkungen bestehe dadurch jedoch sicher nicht.

Die UTR in Gladbeck ist auch für die Herstellung von Bergbaustoffen zuständig. Auch dem Baumaterial werden Filterstäube untergemischt, allerdings in einer Menge, die dem marktüblichen Schadstoffgehalt für Untertagebaustoffe entspricht. Für den Versatz bestimmte Filterstäube aus Müllverbrennungsanlagen werden auf ihren Bleigehalt bemessen. Der darf fünf Gramm je Kilo in der pumpfähigen Paste nicht übertreffen.

Eines Tages, wenn Walsum geschlossen ist, werden die Grubenwässer in dem Bergwerk zwangsläufig steigen und den Bruchhohlraum unter Wasser setzen. "Eine Gefahr besteht aber nicht", sagt Klee, "denn die Wegsamkeiten sind rund um das eingelagerte Material wesentlich günstiger." Das Wasser werde also den Giftmüll umfließen und praktisch keine Schadstoffe lösen, erklärt Klee, auf entsprechende Gutachten und Gerichtsurteile verweisend.

Während die Bundesregierung den Bergversatz gegenüber der EU verteidigt, arbeitet das Umweltministerium an einer neuen Verordnung. Künftig sollen an ihn nahezu die gleichen Anforderungen gestellt werden wie an die Untertagedeponie. Das ist sinnvoll angesichts der toxischen Gleichwertigkeit der Abfälle. Walsum wird angezählt.

Quelle: Die Zeit 05/2000

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Neues Gift in alten Stollen

Sondermüll aus Verbrennungsanlagen landet zunehmend in Bergwerksstollen statt auf Deponien. Besonders die Ablagerung in alten Kohleschächten ist gefährlich 

Unten ist es stockduster, nur die Lichtkegel der Kleinlaster lassen die grauroten Wände und Decken aufleuchten. Die Luft wird immer wärmer. Dicke, salzige Staubwolken legen sich auf Haut und Kleidung. "Hier machen wir auch von Zeit zu Zeit Mountainbike-Rennen", erklärt einer der Fahrer seinen Mitreisenden.

Hier, das ist 800 Meter unter der Erdoberfläche im Kalibergwerk in Thüringen, in Sondershausen. 200 Kilometer Strecke ziehen sich unter dem Ort hindurch: rund fünf Meter hohe und zehn Meter breite, rot glitzernde Bergwerksstollen. Die reinste James-Bond-Strecke. 1991 wurde das Bergwerk im Zuge der Vereinigung wegen Unwirtschaftlichkeit geschlossen. Eine "harte Abbruchkante" nennt der Bergmann, wenn ein Bergwerk ohne Übergang stillgelegt wird und einsturzgefährdete Stollen nicht mit Material aus neuen Stollen gefüllt werden. 3.600 Menschen verloren damals ihren Job und der Berg über den verwaisten Stollen begann sich millimeterweise zu senken.

Mittlerweile geht es den Sondershausenern besser. 1.800 haben eine Arbeit im neuen Gewerbegebiet auf dem Bergwerksgelände gefunden, davon 90 im Bergwerk selbst. Sie sorgen dafür, dass die einsturzgefährdeten Stollen direkt unter dem Ort "versetzt", also gefüllt werden, damit der Berg gestützt wird. Würde das nicht geschehen, drohte Sondershausen ein ähnliches Schicksal wie Halle im September 1996. Dort wackelten um halb sechs Uhr morgens die Häuser. Ein Stolleneinsturz im Bergwerk, in der 15 Kilometer entfernten Grube Teutschenthal, hatte ein vergleichsweise schweres Erdbeben ausgelöst, immerhin mit 5,5 auf der Richterskala.

Jetzt sind die Arbeitsplätze der Sondershausener Bergleute wieder bedroht. Denn der Stoff, mit dem die Stollen gefüllt werden, ist brisant. Es ist hoch giftiger Sondermüll, gepackt entweder in tonnenschwere weiße Plastiksäcke, die "big bags", oder nach einer speziellen Rezeptur zusammengemixt zu einer braunen Brühe. Und Sondermüll, findet die Europäische Union, muss fachgerecht beseitigt werden. Das Bundesumweltministerium (BMU) argumentiert dagegen, bei der Füllung der Stollen mit Müll handele es sich um Verwertung ("Nutzung der stofflichen Eigenschaften von Abfall zu baulichen Zwecken"). Nun hat die Bundesregierung auf europäischer Ebene ein Verfahren wegen Verletzung des Abfallrechtes am Hals. Behält die EU Recht, muss der Bergversatz dort gestoppt werden, wo es sich nicht um Sonderdeponien handelt. Erst nach zeitraubenden Prüfungen darf dann an einigen Stellen wieder verfüllt werden.

Das Füllen der Höhlen mit Müll lohnt sich. Müll im Berg bringt den Betreibern des Bergwerkes Geld, und für die Müllverbrennungsanlagen (MVA), die ihre Reststoffe loswerden müssen, ist es eine relativ billige Entsorgungsmöglichkeit. Für die MVA wäre die Müllentsorgung in regulären Sondermülldeponien mit ihren scharfen Umweltauflagen bis zu zehnmal teurer.

Hinzu kommt, dass Deutschland mit der Umdefinition von Müll in Wertstoff als EU-Müllhalde dienen kann. Wertstoffe dürfen als Ware gehandelt werden. Also landet in den Stollen nicht nur der einheimische Sondermüll, sondern auch ausländischer aus den Niederlanden, aus Spanien.

Aus Kohlestollen kann Gift ins Grundwasser sickern

Die Müllentsorgung in den deutschen Bergwerken ist ein gutes Geschäft geworden. Nach Informationen des Umweltbundesamtes wurden 1997 rund 1,7 Millionen Tonnen bergbaufremde Abfälle in den 30 Bergwerken untergebracht, die dafür bundesweit zur Verfügung stehen. 676.000 Tonnen davon "überwachungsbedürftige Abfälle", sprich Sondermüll. In den drei speziell für Sondermüllbeseitigung ausgerichteten Untertagedeponien Heilbronn, Herfa-Neurode und Zielitz sind dagegen weniger als ein Drittel, nur rund 172.000 Tonnen, Sondermüll gelandet. Dabei suchen diese Deponien Hände ringend Abfall. Den zu Beginn der Neunzigerjahre prognostizierten Deponienotstand gibt es nicht. Trotzdem nimmt der Anteil des Sondermülls beim Bergversatz zu: Laut Umweltministerium landeten 1994 nur 20 Prozent des Abfalls in Bergwerken, 1997 schon doppelt so viel.

Richtig heikel wird die Angelegenheit, wenn auch Kohlebergwerke verfüllt werden. Diese verfügen im Gegensatz zu Salzbergwerken über keinen Abschluss zur umgebenden Biosphäre. Ein Kontakt zwischen den abgelagerten Giftstoffen und dem Grundwasser ist hier durchaus möglich. 1992 etwa platzten in einem Bergwerk der Ruhrkohle AG zwei Schläuche, als Abfälle aus einer Hausmüllverbrennungsanlage in die Stollen gepresst wurden. Die Analyse des Grubenwassers ergab später "auffällige Ergebnisse".

Davon hat Dirk Jansen, Abfallexperte beim Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND), nur durch Zufall erfahren. Jansen setzt sich seit Jahren gegen diese Art des Versatzes ein. Erst dieses Jahr erhielt die Deutsche Steinkohle-AG die Erlaubnis, im Schacht Altendorf-Ulfkotte, einem Steinkohlebergwerk in Nordrhein-Westfalen, 110.000 Tonnen bergbaufremder Abfälle abzulagern. Gemäß der Richtlinien enthalten die Rückstände aus der Klärschlammverbrennung aber viel größere Mengen an Zink, Cadmium, Blei und Chrom, als für die Einlagerung in Bergwerken erlaubt sei, erklärt Jansen.

Was genau allerdings in die Stollen gekippt, wann damit begonnen wird, erfährt Jansen nicht: "Angeblich habe ich ein gesetzliches Recht auf Informationen. Aber jedesmal, wenn ich wissen will, was genau versetzt wird, verschanzt sich das Landesoberbergamt hinter dem Betriebsgeheimnis", sagt der Umweltschützer. "Mit dem Bergversatz werden abfallrechtliche Bestimmungen unterlaufen."

Auch das BMU sieht den Versatz in den Kohlebergwerken zunehmend kritisch. Bis zum Frühjahr will es in Zusammenarbeit mit den Umweltministern der Länder deswegen eine bundeseinheitliche Verordnung verabschieden, die die "umweltschädliche Billigentsorgung unter Tage" verhindert. Die giftigen Abfälle dürfen danach zukünftig ausschließlich in Salzbergwerke eingelagert werden.

Auch dort aber sollen nach der neuen Verordnung keine metallhaltigen Stäube mehr vergraben werden dürfen. Immerhin landeten 24.000 Tonnen Stahlwerkstäube 1997 in Bergwerksstollen - obwohl aus ihnen wertvolle Metalle wie Zink herausgeholt werden können. Teilweise enthält der Müll genauso viel Metall wie das Erz, aus dem es gewonnen wird. Recyclingfirmen wie die Berzelius Umwelt Service (BUS) setzen sich dafür ein, dass das Abkippen unter Tage verboten wird.

Mit der neuen Verordnung soll die Koalitionsvereinbarung erfüllt werden. Grundsätzlich gegen den Bergversatz mit Sondermüll will sich das Umweltministerium aber nicht stellen. Der Versatz sei, so Experte Rüdiger Wagner vom BMU, eine sichere und obendrein ökonomische Umgangsweise mit Sondermüll. Ob die EU sich diese Sichtweise zu Eigen macht, wird man sehen.

Quelle: TAZ 27.12.1999

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Technik für die Tonne

Wie der denkende Müllbehälter rücksichtslose Entsorgung fördert Von Nadine Oberhuber

In mancher Mülltonne steckt mehr, als man denkt. Neben ein paar Kilo Abfall nämlich auch ein Gedächtnis. Mit einem Mikrochip am Tonnenrand merkt sich der moderne Behälter, wem er gehört, wie oft er geleert wird und wann. "Identifikationssystem" nennt sich die Technik, mit der in Zeiten der Wohlstands- und Wegwerfgesellschaft selbst die Mülltonne das Denken lernt. Dahinter steckt ein Umweltkonzept, das eine "verursachergerechte Gebührenabrechnung" ermöglichen und Müll reduzieren soll. So wünschen es sich die Kommunen: Wer viel wegwirft, zahlt auch viel und beginnt früher oder später zu sparen. Doch trotz mehrjähriger Testphase geht das neue Konzept der Abfallwirtschaft nicht auf. Die Müllmenge ist die Gleiche geblieben - sie wird nur anders entsorgt, weshalb die Gebühren steigen.

Die Chips funktionieren. Mit einer Fehlerwahrscheinlichkeit von weniger als 0,01 Prozent sei die Erkennungssicherheit der Transponder enorm hoch, erläutert der Dresdner Professor für Abfallwirtschaft Bernd Bilitewski. Außerdem seien die Chips nicht zu manipulieren, dafür sorge die Dreifach-Sicherung: In ein Glasröhrchen verpackt, das von einer Plastikschicht ummantelt wird, sind die letztlich markstückgroßen Transponder unter der Schüttungskante in die Mülltonnen eingeschweißt. Im Verborgenen arbeiten die Datenträger wie Minifunkgeräte. Beim Lesevorgang am Müllwagen werden sie aufgeladen und geben dann über einen Kondensator Energie und Daten ab. Das klappt berührungslos und macht das Behältergedächtnis "absolut wartungsfrei".

Weil die Technik so sicher ist, wie Abfallwissenschaftler, Hersteller und Stadtreinigung übereinstimmend feststellen, rüstete eine Reihe von Kommunen um. Bisher sind bundesweit mehr als eine Million merkfähiger Mülltonnen im Umlauf: in Ludwigsburg, Viersen oder Offenbach etwa. Dresden und Bremen sind bereits flächendeckend versorgt. Allein 190 000 schlaue Tonnen rollen in der Hansestadt. Vor fünf Jahren hat Bremen das 20 Millionen Mark teure Codierte System eingeführt - und sich damit ganz schön verrechnet.

Wo die Chips Einzug halten, landet der Müll vor den Haustüren der Nachbarn

Denn die Chips funktionieren zwar, die Menschen aber nicht. Schon bei der Umstellung liefen die Wohnungsbaugesellschaften gegen das Projekt Sturm, weil die Code-Tonne nicht mehr auf das Prinzip der solidarischen Kostenteilung setzt, sondern auf die Einzelabrechnung. Wo sich aber viele Personen einen Müllcontainer teilen müssen wie in Wohnanlagen, krankt das System, weil nicht "individuell erfasst" werden kann. Wohnungsbaugesellschaften müssen also weiterhin personen- oder quadratmeterbezogen abrechnen.

Auch bei den Privathaushalten ging die städtische Rechnung nicht auf. In kürzester Zeit hatten sich die Bürger heruntergespart, ließen ihre Tonnen nur noch ein Dutzend Mal im Jahr leeren. Für die Stadt wurde die Abfallwirtschaft dadurch unberechenbar, sie nahm viel weniger Geld ein, musste aber Verbrennungsanlagen und Deponien bei konstanten Fixkosten unterhalten. Die Folge für die Verbraucher waren steigende Müllgebühren, obwohl sich das Restmüllaufkommen laut Statistik ständig verringerte.

Die Dresdner Zahlen wirken auf dem Papier überzeugend: Die Einführung des Identsystems für die 480 000 Einwohner erfolgte von 1996 auf 1997. Statt vorher 178 Kilo Restmüll pro Einwohner fielen im Jahr 1997 nur noch 30 Kilo an. Dafür füllten sich die übrigen Müllbehälter. In den Transponder-Städten landet der Abfall nicht mehr in den schlauen Tonnen, sondern in Gelben Säcken, Biotonnen - oder vor den Haustüren der Nachbarn.

"Zu den Papierkörben der Innenstadt oder zu Rastplätzen hat sich ein regelrechter Mülltourismus entwickelt", sagt Reinhard Holtin von den Bremer Entsorgungsbetrieben. So schaffen es einige Bürger, mit drei Tonnenleerungen jährlich auszukommen. Das "Amt für Schiet und Dreck", wie Wagenfahrer Jürgen Lange es nennt, hat dennoch mehr zu tun als vorher, weil es die elektronische Datenpflege am "Trash-Rechner" besorgen muss. Die Bilanz des Bremer "Wahnsinnsvorhabens", das mit 40 Müllfahrzeugen, 50 Mitarbeitern, 2 Gigabyte Datenaufkommen und 20 Millionen Mark Einsatz mehr Gebührengerechtigkeit schaffen wollte, zieht Holtin: "Ein gerechtes System, das aber Trittbrettfahrern das kostenlose Mitfahren ermöglicht." Und eine Werteveränderung - von der geregelten Müllentsorgung zum Sankt-Florians-Prinzip.

Quelle: DIE ZEIT 1999 Nr. 24

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Konzert der schlauen Chips

Winzige Schaltkreise sollen auch den letzten Jogurtbecher vernetzen

Er war einmal schwarz-weißes Symbol für Datenerfassung und Überwachungsstaat, Emblem für Horrorvisionen vom gläsernen Menschen: der Strichcode. Inzwischen prangt das Streifenmuster, vor 50 Jahren vom Amerikaner Douglas Young erfunden, auf jedem Produkt, das wir kaufen. Die Kasse im Supermarkt scannt den Code und weiß nicht nur, wie teuer ein Artikel ist, sie meldet auch ins Lager, dass sich der Bestand im Regal verringert.

Doch die Ära des Strichcodes neigt sich dem Ende zu. Denn die Welt, von der Forscher der Fraunhofer-Gesellschaft träumen, ist bevölkert von vernetzten Zahnpastatuben, e-mailenden Kühlschränken und Armani-Krawatten, die heimlich die Lebensgewohnheiten ihrer Besitzer ausplaudern. Mit Balken sind solch kühne Ziele nicht zu erreichen. Geht es nach den Fraunhofer-Forschern, soll der "Zebrastreifen" daher von smart labels abgelöst werden - "intelligenten Etiketten", die in fast jedes Produkt eingearbeitet werden können. Diese unsichtbaren Winzlinge werden die Dinge des Alltags mit dem Tausendfachen der Information ausstatten, die heute noch mit Printtechnik an Banane und Kaffeetasse angebracht wird.

Modernen Anforderungen genügen die alten schwarzen Streifen längst nicht mehr: Der Barcode auf der Titelseite der ZEIT verbraucht 7 Quadratzentimeter, um gerade einmal 15 Ziffern darzustellen. Das Auslesen der Information per Laserscanner ist umständlich und fehleranfällig. Vor allem aber: Der Code ist nicht veränderbar - die Ware kann der Kasse etwas mitteilen, aber umgekehrt nicht. In der schönen neuen Netzwelt aber sollen alle Gegenstände miteinander kommunizieren. Die smart labels sind das ideale Mittel, um noch den letzten Jogurtbecher zu vernetzen: "Mit dünnen, flexiblen, robusten und billigen Systemen gelingt es, Elektronik in alle Dinge des täglichen Lebens zu bringen", sagt Joachim Pelka vom Fraunhofer-Verbund Mikroelektronik.

Die neuen Etiketten sind so genannte Transponder - integrierte Schaltkreise, versehen mit Spulen, die als Antennen wirken. Wenn ein solcher Transponder in das elektrische Feld gerät, das von einem Lesegerät erzeugt wird, spuckt er seine Daten aus. Er funkt also nur dann, wenn er darum gebeten wird. Zudem kann er neue Daten speichern. Die Energie für seine Aktionen bezieht er aus dem Feld, er braucht keine eigene Energieversorgung.

Transponder gibt es schon seit geraumer Zeit. Sie werden als elektronische Hundemarken Haustieren ans Ohr geklemmt oder helfen bei der individuellen Berechnung der Müllgebühren (s. Technik für die Tonne, S. 32). Die neuen Winzlinge vereinen nun Chip und Spule auf einer Fläche von nur zwei mal zwei Millimetern. Und wer sich unter "Chip" etwas Hartes, Starres vorstellt, muss umdenken: Die neuen Halbleiterplatten sind so dünn und biegsam, dass man sie in gewöhnliches Papier einarbeiten kann.

Möglich wurden die neuen Chips, weil das Grundmaterial Silizium mit abnehmender Dicke seine Eigenschaften verändert: Ist das Plättchen dicker als 100 Mikrometer (1 Zehntelmillimeter), so ist es steif und stabil. Macht man es dünner, so wird es zunächst brüchig und spröde. Unterhalb von 30 Mikrometern aber lässt es sich plötzlich biegen: Einen 10-Mikrometer-Wafer kann man um einen Bleistift wickeln. Die Forscher vom Münchner Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration (IZM) haben es nun geschafft, derart dünne Chips in Serie zu ätzen. Zum Vergleich: Gewöhnliches Schreibpapier ist etwa 80 Mikrometer dick. Das zweite Kunststück: Will man auf die dünnen Chips eine Spule aufbringen, so kann man nicht mehr löten - das würde zu dick auftragen. Deshalb mussten so genannte anisotrop leitende Klebstoffe entwickelt werden, die an genau definierten Stellen elektrischen Kontakt herstellen.

Zusammen mit Industriepartnern haben die Münchner das Verfahren bis zur Serienreife gebracht - sie sind weltweit die Einzigen, die derart dünne 6-Zoll-Wafer herstellen können, von denen jeder mehrere Tausend der kleinen Etiketten liefert. Und sie entwickelten auch ein industrietaugliches Verfahren, die Winzchips unsichtbar und unfühlbar zwischen zwei Papierschichten einzubetten. "Das Ganze muss so robust und flexibel sein, dass es alle nachfolgenden Bearbeitungsprozesse wie Färben und Bedrucken ohne Schaden übersteht", beschreibt Karl Haberger vom IZM die Herausforderung.

Die neue Technik kann unser Alltagsleben auf vielfältige Weise verändern. Beispiel Supermarkt: Weil die Chips aus der Entfernung gelesen werden können, erübrigt sich das mühselige Einscannen an der Kasse. Man braucht nur den vollen Einkaufswagen vorbeizuschieben - und schon funken alle Waren ihren Preis an die Kasse. Wenn im Wagen ein Lesegerät eingebaut ist, kann der Kunde selbst überprüfen, für wie viel Geld er bereits Waren im Korb hat. Angenehmer Nebeneffekt für den Ladenbesitzer: Langfinger haben kaum noch eine Chance.

Das alles kann sich natürlich nur durchsetzen, wenn der Preis der smart labels in einem sinnvollen Verhältnis zum Warenwert steht. "Das Produkt darf nicht wesentlich teurer werden", sieht auch Franz Ansorge vom IZM ein. Für den Supermarkt würde das bedeuten: Zehn Pfennig pro Chip wären die Obergrenze, um die Technik flächendeckend einzuführen.

Weil die Entwicklung noch nicht so weit ist, wollen die Fraunhofer-Forscher ihr Konzept zunächst an teuren Produkten ausprobieren, konkret an Kofferanhängern und Bordkarten von Fluglinien. Die Koffer könnten so automatisch sortiert werden und sich gleichzeitig "merken", welchen Weg sie genommen haben. Auch der Passagier mit Bordkarte wird von einer Kontrollstelle zur nächsten elektronisch "durchgereicht". Und selbstverständlich stellt der Computer sofort fest, wenn ein Koffer an Bord ist, der Besitzer aber nicht - und löst Alarm aus.

In den Visionen der Forscher können die smart labels aber weit mehr, als den Barcode zu ersetzen: Weil sie auf winzigstem Platz mehrere Schreibmaschinenseiten an Informationen erfassen können, lassen sich auf ihnen noch ganz andere Dinge speichern als eine Produktnummer. Ein Fertiggericht könnte sein "Rezept" mit sich herumtragen, und das entsprechend ausgerüstete Mikrowellengerät wüsste gleich, wie lange es mit wie viel Watt zu strahlen hätte.

Oder die digitale Visitenkarte: Ein unsichtbarer Chip im Pappkärtchen könnte viele Informationen über den Besitzer enthalten - und der Empfänger könnte sie sich über das Display seines Handys ansehen.

Smart Labels stecken vielleicht bald in jedem Produkt. Im Supermarkt verraten die Minichips der Kasse den Wageninhalt. Die Milch erzählt, ob sie sauer ist. Und der Kühlschrank bestellt Nachschub

 

Richtig spannend werden die dünnen Chips, wenn ihre Funktionen noch erweitert werden - etwa durch Minisensoren. Pflanzt man einen Halbleiter mit eingebautem Thermometer einer Kuh unter die Haut, so kann der Bauer nicht nur seine Tiere identifizieren, sondern auch feststellen, ob die Kuh fruchtbar ist oder auch krank. Menschen dürften vor der Implantation eines solchen Chips noch zurückschrecken, aber natürlich wäre auch für unsereins der kontinuierliche Gesundheitscheck technisch möglich - vielleicht sogar ein handliches Gerät, das der Frau Auskunft über ihre fruchtbaren und unfruchtbaren Tage gibt. Weniger umstritten dürften Anwendungen im Auto sein: Die berührungslose Datenübertragung macht es etwa möglich, während der Fahrt den Druck der vier Reifen zu überwachen.

Eine weitere Möglichkeit ist ein Chip, der kontinuierlich Umweltdaten aufzeichnet. Beim Transport von Lebensmitteln, aber auch von chemischen Substanzen müssen bestimmte klimatische Bedingungen eingehalten werden. Für diese Aufzeichnung braucht der Chip allerdings eine eigene Stromversorgung. Die entsprechenden Folienbatterien dafür gibt es bereits.

Das ultimative Ziel, das Franz Ansorge vor Augen hat, ist die totale Vernetzung der Gegenstände unseres täglichen Lebens. Die Waschmaschine, die ein chipbestücktes Wäschestück zurückweist, weil es bei 60 Grad einliefe. Die Milchtüte, die aufgrund von Sensordaten meldet: "Ich bin sauer." Der elektronische Einkaufszettel, vom leeren Kühlschrank erstellt, der per Internet ins Auto übertragen wird und das Navigationssystem anweist, den nächsten Supermarkt anzufahren - wo die gewünschten Waren zur Abholung bereitstehen.

Was die Ingenieure schon wegen der technischen Eleganz faszinierend finden, löst bei anderen nur Kopfschütteln aus - und die fast reflexhafte Frage nach dem Datenschutz. Denn eines ist sicher: Jedes Mal, wenn ein Lesegerät den Transponder anfunkt, werden elektronische Informationen erzeugt und natürlich auch gespeichert. Der Lebensmittelhändler kann heute schon aus den Daten seiner Registrierkassen interessante Schlüsse ziehen: dass etwa - banales Beispiel - der Kauf von Bier mit dem Kauf von Chips (die essbaren sind gemeint) korreliert und die Waren demnach nahe beieinander zu platzieren sind. Wenn immer mehr Kunden per Karte bezahlen, weiß der Händler, dass abends um zehn vor acht noch regelmäßig ein Kunde in den Laden stürmt und zwei Tiefkühlpizzen kauft. Heikel wird es für Datenschützer, wenn diese Informationen personalisiert sind - der Händler also weiß, wie dieser Kunde heißt und wo er wohnt.

Im Moment kümmern sich die Datenschützer vor allem um die Chipkarten, die als digitale Geldbörse immer mehr Verbreitung finden. Die neuen Minitransponder leisten im Prinzip dasselbe - mit dem heiklen Unterschied, dass der Datenaustausch berührungslos passiert. Bei der Chipkarte führt der Benutzer jeden Übertragungsvorgang bewusst aus. Die smart labels dagegen können auch ausgelesen werden, ohne dass der Benutzer es weiß oder überhaupt will. Die Waren, die wir kaufen, die Kleidung, die wir tragen, die Visitenkarten in unserer Tasche - alle versehen mit geschwätzigen Chips, die ohne unser Wissen Auskunft geben über unser Leben?

Die einstige Horrorvision vom Menschen mit Strichcode ist in amerikanischen Krankenhäusern längst Wirklichkeit geworden, weil die automatische Identifikation vor fatalen Verwechslungen schützt. Die Moderne ist auf ein wahrnehmbares Mal nicht mehr angewiesen - das Etikett der Zukunft ist unsichtbar.

Quelle: DIE ZEIT 1999 Nr. 24

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Müllmenge sinkt: Lage der MVA dramatisch

Aachen. «Es ist ein Stück dramatisch», sagt Hellmut Trienekens, der als Vorstandsvorsitzender seines Entsorgungsunternehmens das «Müllgeschäft» bestens kennt. «1000 Tonnen weniger Müll pro Jahr machen vier Mark mehr Gebühren aus», rechnet Carl Meulenbergh vor, der als AWA-Aufsichtsratsvorsitzender und als Landrat doppelt gefordert ist, daß die Gebühren nicht steigen. «Die derzeitige Abfallpolitik ist volkswirtschaftlich schädlich», legt RP Franz-Josef Antwerpes nach, entschiedener Verfechter der Müllverbrennung. Auf der Müllverbrennungsanlage in Weisweiler schlugen die drei zusammen mit den MVA-Geschäftsführern Ulrich Koch und Andreas Fries Alarm: Die MVA braucht Abfall - sinnvollerweise aus der Region.

Absurde Verhältnisse auf einen Blick, am Montag gegen 12.15 Uhr: Am MVA-Müllbunker liefert ein Großtransporter aus Radolfzell Abfall aus der Bodenseeregion an. Durchaus wahrscheinlich, versichern die Experten, daß zur selben Zeit in Dresden ein Lkw seine Ladung Aachener Müll abkippt. Der Name «Kreislaufwirtschaftsgesetz» bekommt so eine völlig andere Bedeutung. Es geht dabei um Geld, um viel Geld. Zwar stinkt Müll in der Tonne, aber rein als Wirtschaftsgut zur Verwertung oder Beseitigung ist er Gold wert. Die Wege, die er nimmt, stinken übrigens immer öfter zum Himmel . . .

Zahlen muß der kleine Mann, sinnvollerweise deshalb Gebührenzahler genannt, weil er sich als Füller der grauen Tonne dem Anschlußzwang für Hausmüll nicht entziehen kann. Derweil ist bei der MVA der Gewerbemüll aus Kreis und Stadt Aachen von 140 000 Tonnen im Jahre 1994 auf etwa 25 000 Tonnen im letzten Jahr gesunken. Statt der prognostizierten 148 000 Tonnen Abfall aus beiden Gebietskörperschaften rechnet man dieses Jahr mit höchstens noch 135 000 Tonnen. Natürlich: Trienekens füllt vertragsgemäß und -treu die Löcher, damit die Müllöfen in Weisweiler nicht ausgehen - aber erstens zahlt er nur rund 240 Mark pro Tonne statt der gut 630 Mark, die der Gebührenzahler für die gleiche Menge bei der MVA berappen muß, und zweitens akquiriert der private Entsorger quer durch Deutschland. Zum Beispiel auch in Radolfzell . . .

Dabei, versichern die Fachleute, gibt es in der Region Aachen genug Müll «zur Beseitigung», also zur Verbrennung in der MVA. Daß er nicht dort angefahren wird, liege an den Rahmenbedingungen. Die TaSi (Technische Anleitung Siedlungsabfall) ist für Trienekens ein Grund dafür, daß Abfall weiter den Billigweg geht. Sie erlaubt, daß Deponien bis Juli 2005 betrieben werden können - zwar mit unabsehbaren Folgen für die Umwelt, aber konkurrenzlos billig.

«Das Kreislaufwirtschaftsgesetz ist eine Mißgeburt», sagt Antwerpes, weil es zu einer «exzessiven Verwertung» von Abfall geführt habe - zum Beispiel in belgischen Zementöfen, bei denen niemand messe, was aus dem Schornstein kommt. Demgegenüber bewegen sich bei der MVA in Weisweiler die Emissionswerte bei Bruchteilen der zulässigen Höchstwerte. Die Umwelttechnik, die das möglich macht, hat 100 Millionen Mark zusätzlich gekostet, und auch dafür müssen Zinsen gezahlt werden.

Außerdem braucht diese Technik Strom, und der ist teurer geworden: Die Ökosteuer, rechnet Koch vor, belaste die MVA mit 900 000 bis 1,2 Millionen Mark zusätzlich pro Jahr. Absurdes Detail: Die MVA liefert heißen Dampf, mit dem nebenan beim RWE Strom erzeugt wird. Und weil sie diesen Strom von dort zurückbezieht, zahlt sie auf dieses im Grunde eigene Produkt Steuern.

Trotzdem: Es gibt genug Müll in der Region, mit dem die MVA zu erträglichen Gebühren gefahren werden könnte, aber die Nachbarkreise Heinsberg und Düren setzen so lange es geht auf das, was sie haben: Deponien - und Düren zusätzlich die kalte Rotte. Der Kreis Düren kommt bei Antwerpes besonders schlecht weg: Zwar könne die Deponie Horm «das Wasser nicht halten», aber Düren werde wahrscheinlich klagen, um Zeit zu gewinnen. Daß Heinsberg jetzt nolens volens mit dabei sei im Entsorgungsgebiet West, sei auch nicht einfach zu erreichen gewesen. Nebenbei bemerkt: Der Abfall aus dem Selfkant «gehört» Trienekens und wird zu dessen Preis angeliefert.

Antwerpes, Meulenbergh, Trienekens und die MVA-Chefs sind sich einig: Die Rahmenbedingungen sind falsch. Der Regierungspräsident verspricht, NRW-weit auf eine einheitliche Anwendung der TaSi-Fristen zu drängen, damit wenigstens hier gleiche Bedingungen herrschen. Er selber appelliert an den Gesetzgeber, die «Durststrecke bis 2005» erträglicher zu machen. Von da an sei die Müllbeschaffung für die vier MVA im Regierungsbezirk Köln kein Problem mehr.

Koch fordert strengere Kontrollen für Gewerbemüll: Die Firmen wüßten meist nicht, wo ihr Abfall am Ende landet, obwohl sie bis zuletzt dafür die Verantwertung trügen. Auch daß ein 400-Mann-Betrieb mit einer 35-Liter-Hausmültonne zur Beseitigung bei 14tägiger Leerung auskomme, sei ein Witz, aber möglich, weil bisher niemand nachprüfe, was stattdessen alles als Gewerbemüll zur Beseitigung deklariert werde.

Und die Preise des nächsten Jahres: «Die Gebühren dürfen nicht weiter steigen», macht Meulenbergh sich und anderen Mut. Fragt sich nur, ob die Gebühren sich auch daran halten.

Die Trienekens-Recycling-Abfallwirtschaft-Aachen GmbH (Trawa):

Zur Sicherung der Auslastung der MVA in Weisweiler werden die AWA und Trienekens die TRAWA (Trienekens-Recycling-Abfallwirtschaft-Aachen GmbH) gründen, an der die AWA 25,1 Prozent der Anteile hält. Diese Gesellschaft soll vor allem dafür sorgen, daß nicht länger fast aller Gewerbeabfall aus der Region an der MVA vorbeigeschleust wird. Dazu wird unter anderem eine Sortieranlage gebaut.

Auf der Grundlage der neuen gesetzlichen Möglichkeiten will die AWA außerdem bei der Industrie eine Grundgebühr nach der Größe des Gewerbegrundstücks erheben. Begründung: Auf der Deponie Warden fallen jährlich sechs bis sieben Millionen Mark Kosten für die Sickerwasserreinigung an, an deren Begleichung die Industrie nach dem Verursacherprinzip beteiligt werden soll. Da bei der AWA kaum Gewerbemüll ankommt, werden diese Kosten derzeit ausschließlich über die Gebühren für die graue Tonne beglichen.

Quelle: Aachener-Zeitung 7.6.1999

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