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Die Nacht der Giganten

VON UNSEREM KORRESPONDENTEN KAI VON SCHOENEBECK

Bergheim. Die Erde bebt. Bagger 288 stöhnt und rasselt und ächzt. Langsam, ganz langsam setzt sich der größte Schaufelradbagger der Welt in Bewegung. Die Ketten kreischen, doch unbeirrt nimmt das Ungetüm die Steigung über die Autobahn 61 bei Bergheim. In der Nacht zu Sonntag bewältigte der Braunkohle-Bagger das schwierigste Hindernis einer ungewöhnlichen Dienstreise. Und 10.000 Neugierige sahen ihm dabei zu.

"Das Spektakel zieht einen ja regelrecht an", sagt Friedel Poestjes, Landwirt aus dem 30 Kilometer entfernten Grevenbroich. In Gummistiefeln und dicker Jacke steht er mit Frau und Tochter auf einem Acker im Nirgendwo. "Gigantisch", sagt er nur. Wenige Meter entfernt knirschen haushohe Antriebsketten über die eigens angelegte Baggertrasse. "Die Vorarbeiten für den Transport beobachte ich schon seit September", berichtet Poestjes. "Seit Monaten schüttet Rheinbraun hier Sand und Kies in die Gegend."

22 Kilometer muss Bagger 288 über Land rollen, sonst wäre er bald arbeitslos. Im Braunkohle-Tagebau Hambach bei Köln wird seine gewaltige Kraft nicht mehr benötigt, zukünftig soll er weiter nördlich im umstrittenen Abbaugebiet Garzweiler schuften.

Seine Demontage jedoch wäre zu teuer gewesen, ein Neubau erst recht. Also entschied sich die RWE-Tochter Rheinbraun für die 15 Millionen Mark teure Reise über Stock und Stein, über Bahnlinien, den Fluss Erft und die Autobahn. Ganz gemütlich, denn Nummer 288 schafft gerade 600 Meter in der Stunde. Mit drei Wochen Fahrzeit hatte Einsatzleiter Joachim Witzel gerechnet. Getriebeprobleme und die rheinische Zwangspause Karneval sorgen inzwischen für beträchtliche Verzögerung.

Dafür soll es nun an der Autobahn 61 ganz flott gehen. "Das größte Hindernis", hatte Witzel prophezeit. Und auch der Höhepunkt der Extremtour. Denn auf der anderen Seite der Schnellstraße wartet ein Bruder des weltgrößten Baggers, der nur wenig schmächtiger ist. Ihre Wege kreuzen sich hier, Nummer 259 zieht weiter nach Westen. Wie kampfbereite Dinosaurier stehen sich die Kolosse gegenüber, die Zuschauer wähnen sich bei Dreharbeiten für einen Science-Fiction-Film. Die Nacht der Giganten.

Zwei Stunden vor Mitternacht gibt Joachim Witzel das Signal. Polizisten sperren die A 61 komplett, Planierraupen bedecken die Fahrbahn in Windeseile mit anderthalb Metern Kies. 60 Meter breit ist die Trasse, die den Asphalt vor Schäden bewahren soll. Die nahen Stromleitungen sind bereits am Morgen gekappt worden, Bäche umgeleitet. Freie Bahn für den stählernen Riesen. "Vorsicht am Hauptgerät, Vorsicht am Fahrwerk", scheppert die Stimme von Ralf Schmitz wenige Minuten nach Mitternacht aus den Lautsprechern. Routiniert checkt der Pilot des Baggers die Instrumente, greift zum Joystick. Mehr benötigt er in seiner gläsernen Kanzel nahe der Schaufeln nicht, um das Gerät auf Kurs zu halten. Auch die Kollegen mit dem schlauchdicken Kabel stehen bereit. "Der Bagger fährt elektrisch", erläutert Rheinbraun-Sprecherin Felicia Sigglow. "Jeden Kilometer muss er stoppen und auf die neue Verbindung zur Stromleitung warten."

"Spür mal, wie der Boden bebt"

Spannung vor dem Start. Unten schicken die Männer vom Werksschutz Zuschauer zurück, die sich den Ketten zu weit genähert haben. Oben legt Schmitz den Hebel um, und Bagger 288 kriecht rasselnd voran. Schnell hat er sein Höchsttempo erreicht – zehn Meter pro Minute. 40 Minuten wird er für die Überquerung der Autobahn benötigen.

Auf den matschigen Äckern ringsum herrscht Volksfeststimmung. Pendelbusse haben 10.000 Menschen aus Rheinland und Ruhrgebiet an die Strecke gebracht, die nahen Landstraßen sind zugeparkt. An der Baggertrasse kreisen Sektflaschen, Pommesbuden sind dicht umlagert. "So was erlebt man nicht oft in seinem Leben", sagt Nadja Cizmowski aus dem benachbarten Elsdorf freudestrahlend: "Das ganze Dorf ist auf den Beinen." Und ihre Schwester Marianne quietscht vergnügt: "Spür mal, wie der Boden bebt."

Bagger 288 in Zahlen

  • Bagger 288, der größte Schaufelradbagger der Welt, ist 240 Meter lang, 96 Meter hoch und wiegt 13.000 Tonnen. Mit seinem Schaufelrad von fast 22 Metern Durchmesser – entspricht einem achtstöckigen Wohnhaus – kann er pro Tag 240.000 Tonnen Erde bewegen. Einen Fußballplatz hätte er in wenigen Stunden um 30 Meter ausgeschachtet. Nummer 288 läuft mit Strom und ist seit 1978 für die RWE-Tochter Rheinbraun in Betrieb. Er wird von fünf Mann Besatzung bedient. Der Bau eines Nachfolgers im Tagebau Garzweiler hätte 200 Millionen Mark gekostet und drei bis vier Jahre gedauert.

Quelle: Lippische Landes-Zeitung Lokales 18.2.2001

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