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Big Bagger schaufelt Zuschauer ran

Wenn zwei Ungetüme der Tagebau-Technik auf Reisen gehen, gibt es kein offenes Ohr für kritische Demonstranten. Was zählt, ist die Show
von MARCUS MEIER
Bergheim taz -
An der A61 herrscht Volksfeststimmung. Schon nachmittags sind Tausende ins rheinische Bergheim geströmt, um das große Happening nicht zu verpassen: Bagger meets Bagger. Rheinbraun hat Sonderbusse eingesetzt, um ein Verkehrschaos zu verhindern. Trotzdem haben viele den eigenen PKW vorgezogen. Auf den Zufahrtsstraßen setzen sich Schaulustige wild über die Verkehrsordnung hinweg. "So möchte ich auch mal parken", schimpft ein Polizist. An Ständen werden Würstchen, Reibekuchen und Glühwein feilgeboten. Und gravierte Gläser mit Baggermotiv. Die finden reißenden Absatz. Ein Zehn-Mark-Schein nach dem anderen wechselt den Besitzer. "Ich mache ein gutes Geschäft", reibt sich Karljosef Junggeburth die Hände. Nicht alle sind in Feierstimmung. "Zukunft schützen - Bagger stoppen" steht auf den Pappschildern des kleinen Häufleins, das sich zum Protest versammelt hat. Die rund dreißig Braunkohlegegner haben in sicherer Entfernung zu Bagger "288" eine kleine Landschaft aus Pappmache aufgebaut. Ortsschilder sollen die Dörfer symbolisieren, denen durch das Tagebaugebiet Garzweiler II Zerstörung droht. "Die sollen alle weggebaggert werden", erläutert Dirk Jansen. Der Landesgeschäftsführer des Bundes für Umwelt- und Naturschutz (BUND) warnt vor der drohenden Absenkung des Grundwasserspiegels. Er befürchtet irreparable Schäden für den Naturpark Schwalm-Nette. Doch das interessiert die Bagger-Touristen nicht. Nur ein einziger von ihnen verirrt sich zu den Protestierenden, lässt sich ein Flugblatt reichen. Irgendwie erinnert die kleine Gruppe an Don Quichottes aussichtlosen Kampf gegen die Windmühlen. Besonders wohl gelitten sind die Umweltschützer hier nicht. "Das sind alles Fahrradfahrer und so", klärt ein Familienvater seinen Sohn auf, und seine Stimme verrät Abscheu. Ein paar Meter weiter, am Imbissstand, diskutieren zwei Schweinswurstesser. "Mensch, man kann die Zeit doch nicht zurückdrehen wollen", philosophiert der eine. "Aber die müssen doch demonstrieren dürfen", sagt der andere jovial. Noch stehen sie friedlich im Matsch, die beiden stählernen Giganten der RWE-Braunkohle-Tochter Rheinbraun. Zur Rechten: Bagger "259". 40 Jahre alt. 70 Meter hoch. 8.000 Tonnen Lebendgewicht. Zur Linken der 23-jährige "288": 13.000 Tonnen schwer, 240 Meter lang, 96 Meter hoch - der größte Schaufelradbagger der Welt. Und in der Mitte: Die Autobahn 61, die beide in der Nacht zu Sonntag überqueren werden. Schon seit dem 3. Februar ist "288" unterwegs. 22 Kilometer können ganz schön lang sein, wenn man gerade zwei bis zehn Meter pro Minute voran kommt und neben der A 61 noch mehrere Straßen und einen Fluss überqueren muss.
Ein 82-Quadratkilomter-Loch hat "288" im Tagebaugebiet Hambach hinterlassen, das bis zu 450 Meter tief ist - das größte Loch Europas. Seit 1978 hat er täglich Kohle und Abraum in der Größenordnung von bis zu 2.400 Kohlewaggons losgebuddelt. Nun hat er dort seine Schuldigkeit getan, soll durch "259" aus Bergheim ersetzt werden (siehe Kasten). "288" soll jetzt im Tagebau Garzweiler I seine Schaufelräder kreisen lassen. Und ab 2006 in Garzweiler II. Wenn denn dort jemals Kohle abgebaut wird. SPD, CDU und die Bergbaugewerkschaft IG BCE plädieren zwar vehement dafür. Wegen der Arbeitsplätze und der angeblichen Unverzichtbarkeit der Braunkohle für die Energieversorgung. Bis zur Mitte dieses Jahrhunderts soll Garzweiler nach ihrer Vorstellung den Braunkohlebedarf Westdeutschlands decken. Die grüne NRW-Umweltministerin Bärbel Höhn glaubt derweil, dass es nicht so weit kommt. Denn Garzweiler sei für Rheinbraun schlicht zu teuer - wegen der von ihr verhängten Auflagen. "Den Rest", meint Höhn, "regelt der Markt". Die Protestierenden haben sich zum Gruppenbild mit Bagger aufgestellt. Die Verschlüsse der Fotoapparate klicken. Nein, auf die Landesregierung sei er nicht gut zu sprechen, sagt Dirk Jansen. Die konterkariere ihre Klimaschutzziele, wenn sie auf Braunkohle setze. "Braunkohle ist der Klimakiller schlechthin und zementiert die bundesweite Spitzenstellung NRWs bei den energiebedingten Kohlendioxid-Emissionen." Ein Feuerwehrwagen bahnt sich seinen Weg durch die kleine Schar der Aufrechten. Nur unter Murren weichen sie zur Seite. "Passen Sie doch wenigstens auf die Kinder auf", ruft eine Frau. Leicht touchiert das Spritzenfahrzeug einen der Demonstranten. Der lässt sich theatralisch in die Böschung fallen. Aber keiner der rund zwanzig Kameraleute und Fotografen nimmt von dem Vorfall Notiz. Enttäuscht blickt der Schnauzbart auf, wischt sich den Schmutz von der Hose. Ein Mann stellt sich dem Fahrzeug wütend in den Weg. "Wenn Sie das nicht sofort unterlassen, werden Sie von der Kundgebung ausgeschlossen!", fährt ein Ordner den Renitenten an. Der gehorcht sofort. Das Feuerwehrauto kommt 100 Meter weiter zum Stehen. Und verbleibt dort den Rest des Tages, denn benötigt wird es nicht. Skeptisch beobachtet Erwin Winkel die Braunkohlegegner. Gewiss: Er könne deren Betroffenheit nachvollziehen, sagt der Gesamtbetriebsratsvorsitzende von Rheinbraun. Aber: "Wir als Rheinbraun-Belegschaft stellen die Arbeitsplatzsicherheit in den Vordergrund." Winkel wettert: Deutschland dürfe auf die Braunkohle nicht verzichten, denn das würde nur zum "Export von Wertschöpfung" führen. Stattdessen müssten "deutsche Arbeitsplätze" erhalten bleiben. Zumal "wir die Braunkohle brauchen, vor allem im Grundlastbereich". Die Gewerkschaftsbasis macht sich währenddessen über die Ortsnamen auf den Schildern der Demonstranten lustig: "Boh, guck mal, Otzenrath", sagt ein junger Mann mit Glühwein-Fahne und RWE-Helm. Und lacht: "Votzenrath!" Kurz nach Mitternacht setzt sich "288" in Bewegung. Im Schneckentempo überquert der Koloss die eigens aufgeschüttete Rampe, rollt über die A 61, die durch ein 2 Meter dickes Polster aus Sand und Kies geschützt wird. Jetzt ist erst recht Party angesagt: Sektkorken knallen, Bierdosen zischen. Auf einem Bollerwagen steht ein Kölsch-Fässchen, das seines Inhaltes schnell verlustig geht. Bei den Rheinbraun-Arbeitern dürfte die gute Stimmung bald wieder verfliegen: Bis 2004 wird der Weltmarktführer ein knappes Drittel seiner 16.000 Mitarbeiter entlassen. Nein, um die deutschen Arbeitsplätze ist es nicht gut bestellt. Im Juli letzten Jahres wurde ein Vorruhestandsplan für Über-51-Jährige beschlossen. Er trägt die Unterschrift von Betriebsratsboss Erwin Winkel.

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Von Loch zu Loch: Von Bergheim nach Hambach - von Hambach nach Garzweiler
Weil es sich ausgebaggert hat im Tagebau Bergheim, soll die Braunkohleförderung im benachbarten Hambach langfristig von 30 auf 40 Millionen Tonnen Kohle pro Jahr hochgefahren werden. Damit soll nicht zuletzt das Kohlekraftwerk Niederaußem befeuert werden, das 2003 ans Netz gehen soll. So lauten die offiziellen Pläne des Tagebaubetreibers Rheinbraun. Doch warum wird der Bagger "288" dann in Hambach nicht mehr benötigt? Warum soll er durch den kleineren "259" ersetzt werden? "Durch technische und betriebliche Maßnahmen wurde die Geräteauslastung im Tagebau Hambach erheblich gesteigert", sagt Rheinbraun-Pressereferentin Felicia Sigglow.
Doch das ist allenfalls die halbe Wahrheit. Denn eine Erhöhung der Fördermenge würde sich in Hambach nicht lohnen. Das geplante Kraftwerk Niederaußem wird nicht für Hambach- sondern für Garzweiler-Kohle optimiert werden. Das glaubt zumindest Peter Inden, Sprecher der tagebaukritischen Bürgerinitiaven vor Ort. "Die in Hambach geförderte Kohle ist einfach zu schlecht für Niederaußem", sagt Inden. "Deswegen geht der Bagger nach Garzweiler!" Dort wird "288" offenbar dringend benötigt. Der Tagebau Garzweiler I soll nach Rheinbraun-Darstellung 2006 vollständig leergebaggert sein und dann durch Garzweiler II ersetzt werden. "288" soll, sagt Rheinbraun-Sprecherin Sigglow, zunächst die Kohleförderung steigern und langfristig ältere Geräte ersetzen, um dann in Garzweiler II zum Einsatz zu kommen. Doch Dirk Jansen vom Bund für Umwelt- und Naturschutz NRW glaubt nicht, dass Rheinbraun diesen Zeitplan wird einhalten können. "Rheinbraun ist jetzt schon im Zeitverzug", sagt er. Weswegen das Unternehmen bemüht sei, effizienter zu arbeiten und die Förderergebnisse zu steigern. "Und da braucht´s den Riesenbagger 288", so Dirk Jansen. Der kann mit den 18 Eimern seines Schaufelrades 240.000 Tonnen Kohle oder Kubikmeter Abraum pro Tag fördern. Eine Menge, mit der 16.000 Laster gefüllt werden können. Bagger "259" schafft nur knapp die Hälfte dieser Fördermenge: 110.000 Kubikmeter pro Tag. Kein Wunder, ist er doch nicht nur 17 Jahre älter als "288", sondern schneidet auch in punkto Schaufelraddurchmesser und mittlerem Bodendruck deutlich schlechter ab als der "große Bruder". Dafür ist "259" wendiger: Sein Kurvenradius ist mit 50 Metern nur halb so groß wie der von "288". mme

Quelle: 22/02/01 taz-ruhr

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