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zurück zum 2001er Pressearchiv Hambach, Autobahn 4 Kohleunternehmen testeten nach Krieg unterirdischen Abbau Es blieb einfach zu viel Kohle im tiefen Schacht Von Heinz-Ludwig Kanzler Elsdorf-Etzweiler. Plötzlich fiel in über 300 Meter Tiefe der Strom aus. Die Kumpel saßen fest, der Förderkorb funktionierte nicht mehr. Nun musste sich Jakob Breuer, der einzige Elektriker in der Schicht, auf den beschwerlichen Weg nach oben machen. Er kletterte den Notaufstieg im Schacht hinauf. Dicke Wassertropfen platschten ihm auf Kopf und Körper. "Immer wenn ich oben ankam, war ich nass bis auf die Haut", erzählt Jakob Breuer, der heute in Esch wohnt. Der Strom fiel öfters aus, denn kurz nach dem Krieg gab es noch Freileitungen, die den Strom von Weisweiler und Fortuna zu den Schachtanlagen im Hambacher Forst transportierten. Vor allem im Winter gingen die Leitungen kaputt. War unter Tage kein Strom, sorgte Jakob Breuer dafür, dass die Kumpel wieder an die Oberfläche kamen. Seit 1927 erste Versuchsbohrungen Nach dem Krieg testete die 1939 gegründete Rheinische Braunkohlentiefbaugesellschaft (RBT) in einer Versuchsschachtanlage den Abbau von Braunkohle unter Tage. Sie lag zwischen Etzweiler und Morschenich auf Dürener Gebiet, jedoch an der Grenze zum Kreis Bergheim. Bei Untersuchungsbohrungen, die seit 1927 gemacht worden waren, hatte man unter dem Hambacher Forst mächtige, aber sehr tief liegende Kohlenflöze entdeckt. Die RBT, ein Gemeinschaftsunternehmen verschiedener Kohlegesellschaften, sollte herausfinden, ob ein Kohleabbau wie im Ruhrgebiet technisch und wirtschaftlich machbar war. Der erste Untersuchungsschacht wurde seit 1941 bei Etzweiler in der Nähe der Bahnlinie Düren-Neuss abgeteuft. Doch die Arbeiten mussten wegen des Kriegs unterbrochen werden, die Anlage wurde bombardiert. Nach Kriegsende setzte die RBT die Arbeiten fort. Es entstand eine Doppelschachtanlage von rund 330 Metern Teufe und einem Gleisanschluss an die Bahn. Die beiden Schächte waren 300 Meter voneinander entfernt und unterirdisch auf der tiefsten Sohle miteinander verbunden. Der Heppendorfer Willi Müller arbeitete von 1949 bis 1955 als Vermessungstechniker in der Markscheiderei. Er berichtet, dass unter Tage vier betonierte Hauptstrecken Richtung Steinstraß in die Kohle getrieben wurden. Von den Hauptstrecken zweigten die Querschläge (Seitenstollen) ab. Zwei Abbaumethoden testeten die Bergleute mit Fachleuten aus Mitteldeutschland und dem Bleibergwerk Mechernich: den Pfeilerbruch- und den Scheibenabbau. "Eine richtige Kohleförderung hat es nie gegeben", sagt Willi Müller. "Aber Leute aus der Umgebung haben sich die Kohle, die wir versuchsweise abgebaut haben, abgeholt." Der Heppendorfer Peter Schütz, der Buchhalter in der Versuchsschachtanlage war, erinnert sich, dass Kohle auch an die Elsdorfer Zuckerfabrik und in den Dürener Raum ging. Jakob Breuer fand Februar 1947 Arbeit in der Schachtanlage. Er war froh, denn dort gab es in der Kantine jeden Tag belegte Brote und eine Suppe. Pro Stunde verdiente er 63 Pfennig, das war pro Schicht sieben bis acht Mark. "Eine Ami-Zigarette kostete damals neun bis zehn Mark", erinnert er sich. Wenn die Strecken weiter in die Kohle getrieben wurden, hatte er die Aufgabe, die elektrischen Leitungen zu verlängern. 1952 wurde er nach Fortuna versetzt. "Druck von oben war riesengroß" Über den mächtigen, 60 Meter starken Flözen, in denen der Kohleabbau getestet wurde, lag ein Deckgebirge von 260 Metern. "Der Druck von oben war riesengroß", berichtet Willi Müller. "Wir Vermessungstechniker hatten die Aufgabe, den Streckenvortrieb zu beobachten, da es durch den Druck sehr starke Bewegungen in der Kohle gab." Sobald eine Strecke vorgetrieben worden war, begann die stehen gebliebene Kohle zu "arbeiten", es krachte heftig in den Stollen. Daran erinnert sich auch der Berrendorfer Matthias Schlang, der damals als Hauer unter Tage war. "Wenn es richtig knallte, gingen unsere Karbidlampen aus", berichtet er. "Wenn gerade Bosse unten waren, dann waren die schnell wieder oben." Matthias Schlang erinnert sich an lose Kohle, die gelegentlich von oben herunterstürzte. "Dann mussten wir schnell Abstützungen aufbauen." Es dauerte einige Zeit, bis die Kohle nicht mehr arbeitete und wieder zur Ruhe gekommen war. Um die Hauptstrecken zu stabilisieren, hatte man sie betoniert. Die RBT stellte ihre Versuche in der Schachtanlage 1954 ein. Sie hatten gezeigt, dass zu viel Kohle beim Abbau unter Tage stehen bleiben würde. Die Fördermengen, die man sich als Ziel für einen regulären Förderbetrieb gesetzt hatte, waren nicht zu erreichen. Wie es in dem Rheinbraun-Buch "Unternehmen Kohle" außerdem heißt, wären die Leistungen selbst bei höchstmöglicher Mechanisierung zu gering und die Gewinnungskosten zu hoch ausgefallen. Auch seien die Sicherheitsprobleme für die Tagesoberfläche beim Abbau unter den wasserführenden, lockeren Gebirgsschichten nicht lösbar gewesen. Das heißt, beim Abbau der mächtigen Flöze hätte es an der Oberfläche zu Senkungen kommen können. Peter Schütz berichtet, dass in der Versuchsanlage ein Drittel der Kohle nicht abgebaut werden konnte. Mitte der fünfziger Jahre wurde nach seinen Angaben auch klar, dass durch das Absenken des Grundwasserspiegels die Böschungen eines offenen Tagebaus stehen bleiben würden. Die Kohlegesellschaften entschieden sich damals also für den Abbau der Braunkohle in wenigen großen Tagebauen. Laut Heimatforscher Johannes Mausbach waren 1948 311 Angestellte in der Versuchsschachtanlage beschäftigt, 1952 nur noch 34. Peter Schütz arbeitete seit 1947 dort. Nachdem die Anlage aufgegeben worden war, hatte er die Aufgabe, die noch brauchbaren Maschinen, das ganze Inventar an umliegende Werke zu verkaufen. "Der Rest wurde verschrottet", sagt er. Damit die Schächte nicht einstürzten, wurde die ganze Anlage mit Wasser gefüllt. Der Tagebau Hambach wird die ehemalige Versuchsschachtanlage wohl 2008 erreichen. Laut Rheinbraun sickert das Wasser allmählich aus den Schächten. Das Unternehmen misst mit einem Pegel in der Schachtanlage und vergleicht das Ergebnis mit einem Referenzpegel in der Natur. "Beide Pegel fallen gleichmäßig", so Guido Steffen von der Pressestelle. Der Grund: Die Kohle sei in den letzten 40 Jahren poröser geworden. Eine generalstabsmäßige Entwässerung der Schächte sei daher nicht notwendig. Quelle: Kölnische Rundschau 11/02/01 |