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Zwei Rheinbraun-Bagger kreuzten ihre Wege
"288" und "259" beim Rendezvous der Riesen

Von Birgit Lehmann

Ein Bagger der RWE Rheinbraun.

Bergheim - Geisterstunde. Dröhnend schiebt sich der Koloss vorwärts, im Schneckentempo rollt er auf riesigen Raupen auf einem Kiesbett über die Autobahn. Einem Dinosaurier gleich, monströs und furchterregend, aber auch majestätisch und imposant ragt er mit seinen Stahlarmen in den schwarzen Himmel.

"Wie im Horrorfilm", findet ein älterer Herr und vergleicht das Ungetüm mit dem Filmmonster Godzilla. "Der ist ja noch größer, als ich dachte", sagt ein kleiner Junge. "Riesen-Wahnsinn", entfährt es einem jungen Mann.

Ein wenig gespenstisch ist es schon. Es ist kurz nach Mitternacht, als sich in der Nacht von Samstag auf Sonntag der erste der beiden Schaufelradbagger in Bewegung setzt. Der "288" ist der immer noch größte Bagger der Welt - er wird von RWE Rheinbraun von einem Tagebau zum anderen über Land transportiert, von Hambach nach Garzweiler.

Und auch ein zweiter Bagger wechselt den Arbeitsplatz und wandert vom fast ausgekohlten Tagebau Bergheim nach Hambach. 15 Millionen Mark kostet der Transport. Ein Treffen der Giganten, bei Bergheim überqueren sie in dieser Nacht die Autobahn. Der "288" hat ein Gewicht von 13 000 Tonnen, eine Länge von 240 Metern und eine Höhe von 96 Metern.

Sein Schaufelrad misst im Durchmesser mehr als 21 Meter, mehr als ein achtstöckiges Haus. Sein kleinerer Kollege, der Bagger "259", ist immerhin noch 8000 Tonnen schwer, 210 Meter lang und 70 Meter hoch.

Tausende von Menschen sind an diesem Wochenende unterwegs, um dem Spektakel "Autobahn-Überführung" zuzusehen. 5000 bis 10 000 Zuschauer werden es um Mitternacht sein. Aus dem Ruhrgebiet, Belgien und den Niederlanden sind die Schaulustigen angereist, die mit ihren Wagen kilometerweit die Straßen zuparken. Zeitweise herrscht Chaos.

Pünktlich um 22 Uhr wird die Autobahn 61 zwischen den Anschlussstellen Bergheim/Elsdorf und Bedburg gesperrt. An der Überquerungsstelle bei Paffendorf strömen beiderseits der Drängelgitter Hunderte von Menschen auf der Fahrbahn zusammen, einige klettern auf Autobahnschilder und Bäume, um mehr zu sehen.

Zwischen ihnen verwandelt sich die Autobahn in einen riesigen Sandkasten. Auf einer Breite von 60 Metern schieben Planierraupen Sand- und Kiesmassen zu einem zwei Meter dicken Polster zusammen. Sirenen ertönen, Männer vom Werkschutz laufen hin und her, in den ersten Reihen stehen viele Kinder, eingepackt in dicke Jacken und Wollmützen.

Auch der Direktor des Tagebau Garzweiler, Helmut Beißner, ist zu dieser späten Stunde auf den Beinen. Er wird den Bagger "288" in zwei Wochen an seinem neuen Arbeitsplatz im Tagebau Garzweiler in Empfang nehmen. Beißner wird ein wenig nostalgisch. 1978 habe er den "288" von seinem Montageplatz zum Tagebau Hambach gebracht, am Nachmittag sei er mit im Führerhaus des Baggers zur Überquerungsstelle gefahren.

"Ein tolles Bild, über die Autobahn hinweg die Kraftwerke zu sehen." Auch für ihn sei das nach so vielen Jahren "immer noch faszinierend". Nun kommt der "288" im Gerätepark des Tagebau Garzweiler zum Einsatz. "Und auch in Garzweiler II werden wir ihn noch brauchen", setzt er hinzu. Das ist als politisches Statement gemeint für den politisch umstrittenen Abbau.

Es bleibt das einzige in dieser Nacht. Am Nachmittag hat es bei einer kleinen Demonstration mehr davon gegeben. Rund 50 Tagebaugegner sind mit Transparenten vor den Bagger gezogen. "Zukunft schützen - Bagger stoppen" lautet ihre Forderung, die Schilder tragen die Namen der Ortschaften, die dem Tagebau weichen müssen. Fast 8000 Menschen in 18 Dörfern werden noch voraussichtlich bis zum Jahr 2045 ihre Heimat verlieren.

"Die Betroffenheit der Menschen ist o. k.", sagt Rheinbraun-Betriebsratsvorsitzender Erwin Winkel dazu. "Aber für uns stehen die Arbeitsplätze im Vordergrund."

Doch die Menschen an diesem Wochenende interessieren sich weniger für politische Argumente als für die Technik. Männer studieren auf den Schautafeln die technischen Daten der Bagger, Rheinbraun rührt kräftig die Werbetrommel, Poster für die Kinder finden reißenden Absatz, und auch der Bergheimer, der inmitten der Imbissbuden auf den Feldwegen seine handgravierten Gläser mit Baggermotiv zum Preis für zehn Mark verkauft, spricht von einem guten Geschäft. Allmählich reicht's ihm aber. "Meine Frau kann keine Bagger mehr sehen."

Doch davon ist bei den vielen Schaulustigen am Abend nichts zu spüren. Im Gegenteil, es herrscht Partystimmung. Jugendliche mit Bierdosen sind unterwegs, eine Gruppe Erwachsener zieht gar einen Böllerwagen mit dem Kölschfässchen hinter sich her.

Gegen 1 Uhr hat der "288" die Autobahn überquert, die beiden Riesen stehen sich Schaufelrad an Schaufelrad gegenüber: Es sind diese Bilder, die die Menschen mit nach Hause nehmen, wenn sie müde und mit eingefrorenen Füßen über die matschigen Wege zurück zu ihren Autos laufen.

Quelle: Kölner Stadt Anzeiger 19/02/01

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