Eine kurze Zeitreise ins Jahr 2020
Wer rettet unseren blauen Planeten?
Die Menschen stehen vor der größten Herausforderung in ihrer Geschichte
Von Christoph Lumme
Die Erde hat Fieber. Der Treibauseffekt zeichnet sich im Jahr 2020 deutlich ab, um ein
Grad hat sich das Klima in Europa schon aufgeheizt.
Die Horrorszenarien des 20. Jahrhunderts haben sich zwar noch nicht bewahrheitet: Weder
ist die Nordseeküste bis vor die Stadtgrenze Kölns vorgerückt noch wachsen in der Eifel
Palmenwälder. Unübersehbar ist aber, dass das Eis der Alpengletscher dahinschmilzt, die
Zahl schwerer Unwetter durch die globale Erwärmung zunimmt und sich die Vegetationszonen
langsam verschieben. Die Schäden, die der Land- und Forstwirtschaft daraus entstehen,
gehen in die Milliarden.
Wenn die Menschen weiterhin so viel Öl, Gas und Kohle verheizen wie bisher, wird nach
Berechnungen von Wissenschaftlern die globale Mitteltemperatur bis zum Beginn des 22.
Jahrhunderts um zwei bis drei Grad steigen _ ein gewaltiger Fieberschub mit kaum
kalkulierbaren Folgen. Gerät das Klima vollends aus den Fugen, könnte etwa der Golfstrom
aussetzen, warnen Forscher. Diese warme Meeresströmung versorgt Westeuropa kostenlos mit
der Heizleistung von Hunderttausenden von Großkraftwerken, und ihr Ausfall hätte
klirrenden Frost zur Folge: In Mitteleuropa herrschten dann Temperaturen wie in Kanada.
Internationale Klimakonferenzen finden in immer kürzeren Abständen statt, und sie nehmen
den Charakter von Krisensitzungen an. Mittlerweile wissen alle Nationen: Nur durch einen
ungeheuren globalen Kraftakt wird unser geplünderter, ausgebeuteter und vergewaltigter
Planet auch für künftige Generationen bewohnbar bleiben.
Das Ziel für die nächsten 100 Jahre ist gesteckt. Der Kohlendioxid-Ausstoß muss um 60
bis 80 Prozent reduziert werden, um noch eine verheerende Klimakatastrophe abzuwenden. Ist
das überhaupt möglich angesichts der Tatsache, dass die Weltbevölkerung bis zum Jahr
2050 auf neun Milliarden Menschen steigen wird?
Viele Hoffnungen ruhen auf Sonnen- Wind- und Wasserkraft. Knapper werdende Reserven haben
den Rohstoff Öl stark verteuert, so dass im Jahr 2020 der Einsatz sauberer Energien
vielfach die billigere Alternative ist. Ausgeklügelte Technologien erhöhen zudem deren
Effizienz. In den Wüsten entstehen solarthermische Großkraftanlagen, und endlich scheint
sich auch der Wasserstoffantrieb für Automobile durchzusetzen.
õDie Zeit drängt. Die Regierungen beginnen zu verstehen, dass das Festhalten an
nationalen Egoismen und die ungezügelte Profitgier der Weltwirtschaft das Raumschiff Erde
akut bedrohen. Eine Zivilisation, die sich gegen das Ökosystem unseres Planeten richtet,
zerstört ihre eigene Lebensgrundlage.
In den Entwicklungsländern herrscht akuter Umwelt-Notstand. So kann die Trinkwasser-
Versorgung nicht mehr gesichert werden, längst hat sich Wasser vom allseits verfügbaren
Grundnahrungsmittel zum raren Wirtschaftsgut gewandelt. Zehn Millionen Menschen sterben
allein im Jahr 2020 durch verschmutztes oder verseuchtes Wasser. Und der Kampf um die
knappen Ressourcen macht Wasserkriege immer wahrscheinlicher.
Auch von der Verödung der Böden sind die armen Länder mit ihrem rapiden
Bevölkerungswachstum am härtesten betroffen: Je weiter sich die Wüsten ins Grün
fressen, desto schwieriger wird die Produktion von Nahrungsmitteln. Fortschritte zeichnen
sich nur langsam ab: Der Kampf gegen die Dürre erfordert einen langen Atem und
ausgeklügelte Technologien.
Wie einfach es sich die Menschen im vergangenen Jahrhundert oft gemacht haben, und wie
kurzsichtig und skrupellos sie dabei vorgingen: Große Teile der Regenwälder vernichteten
sie durch Brandrodung, um für kurze Zeiträume Ackerland zu gewinnen. Land, das jetzt
nicht mehr genutzt werden kann. Erst nach der Jahrtausendwende konnte dieser Wahnsinn
Schritt für Schritt gestoppt werden: Die Reste des Regenwaldes stehen nun als Welt-
Natur-Erbe unter Schutz.
Refugien für seltene Pflanzen und Tiere
Eine Entwicklung, die sich weltweit abzeichnet: Überall auf der Erde entstehen
Biosphärenreservate, die die Natur vor zerstörerischen Eingriffen bewahren. Sie dienen
nicht zuletzt als Refugium für seltene Pflanzen und wilde Tiere, denn viele Arten sind in
den vergangenen 100 Jahren bereits von der Erde verschwunden. Für immer.
Auch in Europa werden derzeit große Regionen unter Naturschutz gestellt, um so die
weitere Zersiedelung der Landschaft zu stoppen. Längst ist bekannt, dass das Auslaufen
der Städte ins Umland den Verbrauch von Luft, Wasser, Land, Energie und Material in die
Höhe treibt. Weil der Energieverbrauch pro Bewohner im Einfamilienhaus doppelt so hoch
ist wie im Geschosswohnungsbau, ziehen bei rapide steigenden Stromkosten ohnehin wieder
mehr Menschen zurück in die Metropolen. Auch der Wunsch nach Unabhängigkeit vom teuren
Auto macht die Stadt mit ihrem funktionierenden öffentlichen Nahverkehr attraktiv.
Je gegenwärtiger die Umweltschäden, desto eher scheinen die Menschen den Wert der heilen
Natur zu schätzen. So lässt sich in den reichen Ländern eine neue Bescheidenheit
erkennen _ hemmungsloser Konsum auf Kosten der Umwelt und verschwenderische Statussymbole
gelten plötzlich als anrüchig. Langsam setzt sich das Bewusstsein durch, dass jeder
einzelne Erdenbürger seinen Beitrag leisten muss, unseren blauen Planeten zu retten.
Quelle: Kölnsche Rundschau 11/01/01