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zurück zum 2001er Pressearchiv Klimaschutz, Energiepolitik ABB formt jetzt Wind Bei Asea Brown Boveri hat man die Zeichen des Wandels erkannt und setzt nun auf den Ausbau dezentraler Energiesysteme, was die Börse "belohnt" von MICHAEL FRANKEN Mit vielen Vorschusslorbeeren hat der neue ABB-Boss Jörgen Centermann seinen Job in der Kommandozentrale in Zürich-Oerlikon angetreten. Als ehemaliger Elektronikchef von ABB kennt der 49-Jährige die Schwächen und Stärken des Konzerns. "Neue Technologien sind unser wichtigster Wachstumsfaktor", meint der Konzernlenker. In den kommenden zweieinhalb Jahren will Centermann ABB umbauen. Aus dem Geschäft mit großen Kraftwerken, vor allem der Nutzung der Atomenergie, hat sich ABB endgültig verabschiedet. "Das Management hat erkannt, dass den kleinen Versorgungseinheiten die Zukunft gehört und das nur dort noch zweistellige Wachstumschancen bestehen", meint Andrew Murphy, Analyst von Murphy & Spitz Umwelt Consult in Bonn. Mit dezentralen Energiekonzepten will ABB bis zum Jahr 2005 einen Jahresumsatz von rund 2 Milliarden Mark erreichen, der bis 2010 auf mindestens 5 Milliarden steigen soll. Die Stromversorger, so glaubt man in der Züricher Konzernzentrale, werden in den nächsten Jahren weltweit unter Druck geraten, den steigenden Bedarf an elektrischer Energie mit umweltfreundlichen Produktionsmethoden zu decken. "Erneuerbare Energien werden eine immer wichtigere Rolle spielen, da die Folgen der globalen Erwärmung für jedermann erkennbar sind", meint Sune Karlsson, bei ABB für Forschung und Technologieentwicklung zuständig. Vor allem beim Ausbau der Windenergie will ABB künftig neben den großen Herstellern Vestas, NEG Micon und Enercon in der ersten Reihe mitspielen. Die Analyse im eigenen Haus stützt sich auf statistische Größen: Mit einem jährlichen Zuwachs von 40 Prozent in den letzten fünf Jahren ist die Windenergie wachstumsstärkste Energiequelle der Welt. "Wenn ökologische Fragen den Bau neuer Stromerzeugungsanlagen weiterhin so stark mitbestimmen wie derzeit, wird die Nachfrage nach erneuerbaren Energiequellen stärker steigen, als wenn nur wirtschaftliche Gesichtspunkte eine Rolle spielten", meint Harry Frank, bei ABB für die Entwicklung einer neuen Superwindturbine mitverantwortlich. Der so genannte Windformer soll eine Leistung zwischen 3 und 5 Megawatt (MW) haben. Die Turbine wird mit einem Ringgenerator geplant, das heißt, sie läuft ohne Getriebe ähnlich wie die Propeller des deutschen Herstellers Enercon. Im Sommer 2001 soll die erste Pilotanlage im schwedischen Näsudden aufgebaut werden. Obwohl das Riesenrad als Offshore-Version geplant ist, also im Meer platziert werden soll, wird der erste Windformer an Land gebaut, um die Testverfahren leichter abwickeln zu können. "Die Leistung des Generators beträgt zunächst nur 3 MW, später für den Offshore-Einsatz soll sie auf 5 erhöht werden", sagt Projektplaner Frank. Seit der offiziellen Verkündung des neuen strategischen Weichenstellung des Konzerns im Sommer vorigen Jahres zieht die ABB-Aktie an den Börsen wieder an. "Äußerst ausschüttungsstark präsentiert sich bislang die Aktie", urteilt die Fachpublikation Energie & Management. Sie bleibe haltenswert und komme bei Kursen um 300 Euro auch noch für Neuengagements in Frage. "Wer nach unserer Analyse vom September 1999 zugegriffen hat, kann sich - einschließlich Dividendenzahlung - über einen Kapitalzuwachs von rund 50 Prozent freuen." ABB, derzeit bereits Lieferant von elektronischen Anlagen für rund ein Viertel aller weltweit installierten Windturbinen, will mit dem High-Tech-Windformer die Energieausbeute um 20 Prozent steigern. Die Wartungskosten sollen während der gesamten Betriebszeit halbiert werden. Außerdem will ABB mit der Superturbine die Stromproduktionskosten auf unter 8 Pfennig pro Kilowattstunde senken. Ein ehrgeiziges Ziel, das von anderen Turbinenbauern angezweifelt wird. "Unser Anlagenkonzept erlaubt den Bau von Windfarmen mit mehr als 300 MW und relativ wenigen Einzelanlagen. In Kombination mit der ABB-Gleichstrom-Hochspannungs-Übertragung wird eine kostengünstige Energieproduktion vor den Küsten der Nord- und Ostsee möglich", meint ABB-Technologie-Chef Karlsson. Der Konzern sorgte Mitte Januar bereits für Schlagzeilen. "ABB baut in Zukunft auf Wind", meldeten zahlreiche deutsche und Schweizer Tageszeitungen. Im Auftrag der niederländischen Firma Zephyros entwickelt die ABB Industrie AG einen Stromrichter und die Leittechnik für sechs Windturbinen. Der Konzern tritt damit erstmals als Systemanbieter für die gesamte elektrische Anlage einer Windturbine auf. Die erste von sechs Zephyros-Anlagen soll im Frühsommer im Hafen von Rotterdam errichtet werden. Novum: Bei der Anlage in Holland wird ein Generator in der Leistungsklasse von 2 MW eingesetzt, der ohne das empfindliche Getriebe auskommt. Dieselbe Technik will auch ABB in seinem Windformer einsetzen. Mit den ersten Gehversuchen in Sachen Windenergie ist es aber nicht getan: ABB wird die Kooperation mit den Holländern nutzen, um eine kleinere Turbine für den Schweizer Markt zu entwickeln. "Auch in der Schweiz hat die Windenergie noch ein riesiges Entwicklungspotenzial", meint Karlsson. Wesentlich aktiver ist ABB bereits als Komponentenlieferant für die Windkraftbranche. Die deutsche Tochter ABB Calor Emag Schaltanlagen GmbH in Mannheim hat den Auftrag erhalten, einen Windpark auf der griechischen Ferieninsel Rhodos zu errichten. ABB hat das Finanzierungskonzept erarbeitet und wird den Park als Generalunternehmer errichten. "Das weltweite Interesse an Windkraftprojekten ist weiterhin groß und beschränkt sich nicht nur auf Europa. ABB wird das Geschäft weiter ausbauen", meint Michael Stadler, ABB-Vorstand für Stromübertragung und -verteilung. Derzeit ist Stadlers Mannschaft mit der Abwicklung von Windparkprojekten in Marokko und im brandenburgischen Thyrowberg beschäftigt. Stephan Wulf, Analyst für Energieversorger bei M. M. Warburg in Hamburg, sieht gute Chancen für Windmühlenbauer: "Anlagen in umweltfreundliche Technologien werden sich auszahlen." Davon will auch ABB profitieren. taz Nr. 6370 vom 12.2.2001, Seite 8, 202 Zeilen TAZ-Bericht MICHAEL FRANKEN Quelle: TAZ Vermischtes 11.2.2001 |