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zurück zum 2001er Pressearchiv Klimaschutz, Energiepolitik Punktsieg für Müller im KWK-Streit Entscheidung über Kraft-Wärme-Kopplung frühestens im April - Trittin besteht auf Quotenlösung Von Cornelia Wolber Berlin - Im Streit um den geplanten Ausbau der Energiegewinnung aus Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen (KWK) laufen die Fronten quer durch alle Lager: Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Bündnis 90/Die Grünen) gegen Bundeswirtschaftsminister Werner Müller (parteilos). ÖTV und DAG gegen IG BCE. Energieriesen gegen Stadtwerke. Und allen zusammen läuft die Zeit davon. Immerhin hat die Bundesregierung am 18. Oktober vergangenen Jahres beschlossen, bis Ende 2000 Eckpunkte zum Ausbau der KWK vorzulegen. "Ziel", so heißt es weiter, "ist eine Minderung der Kohlendioxid-Emissionen in einer Größenordnung von 10 Millionen Tonnen bis 2005 und 23 Millionen Tonnen bis 2010". Und: "Das Gesetzgebungsverfahren soll spätestens bis Mitte 2001 abgeschlossen werden." Federführend ist das Wirtschaftsministerium. Höchste Eisenbahn also, mahnt Trittin. Zumal Gutachter festgestellt haben, dass die CO2-Emissionen nach jahrelangem Rückgang wieder angestiegen sind. Mangels Alternative setzt der Umweltminister auf den vom Kabinett bereits beschlossenen Ausbau der umweltfreundlichen Kraftwerks-Technologie. Müller dagegen vertraut auf die Selbstverpflichtung der Konzerne, den Ausstoß des klimaschädlichen Kohlendioxids in genanntem Umfang und Zeitraum zurückzuführen. Das Konzept, welches Eon, RWE, ENBW, HEW, Veag und Ruhrgas dazu am Montag vorgelegt haben, bezeichnete Müller als "echte Alternative zu einer gesetzlichen Regelung" und gab den Konzernen bis zum 1. April Zeit, einen unterschriftsreifen Entwurf auszuarbeiten. "Zu lang", befand der Umweltminister. Zumal nicht nur er, sondern auch der Großteil der Regierungsfraktionen dem bereits einmal überarbeiteten Zahlentableau der Wirtschaft noch immer "höchst skeptisch" gegenüberstehen. "Ich hätte mehr erwartet", sagte Trittin gestern bei einer Veranstaltung des Verbandes Kommunaler Unternehmen in Berlin. Um die beschlossene Einsparung bis zum Jahr 2010 vorweisen zu können, habe die Industrie frühere Verpflichtungen mit eingerechnet, so der Minister. Auch würden milliardenschwere Subventionen zur Modernisierung von Anlagen gefordert, was "nicht sein kann". In einer Unterredung mit den Kontrahenten nach der letzten Kabinettssitzung hat Bundeskanzler Gerhard Schröder gefordert, die Vorwürfe binnen der nächsten zwei Wochen zu überprüfen. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Wolfgang Clement (SPD) meint jedoch schon zu wissen, dass der Kanzler gegen die Quote ist. "Sie widerspricht sowohl den Interessen der Ost-Länder wie auch den Interessen unseres Bundeslandes." Das hören die Konzerne ebenso wie die Industrie-Gewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) gerne. Denn sie alle fürchten um den Fortbestand der Kohlekraftwerke, sollte der Ausbau der KWK-Anlagen gesetzlich vorgeschrieben werden. Daher stärken sie Müller den Rücken. Ganz anders dagegen argumentieren Städte und Kommunen die in der Vergangenheit stark auf KWK-Anlagen gesetzt haben und angesichts des Preisverfalls im Zuge der Liberalisierung des Strommarktes nun fürchten, die Investitionskosten nicht erwirtschaften zu können. Ein weiterer Arbeitsplatzabbau wäre die Folge, wogegen sich ÖTV und DAG wehren und daher Trittin volle Unterstützung zusagen. Ein Ende des Streits ist nicht absehbar. Entsprechend laut wird der Ruf nach dem Kanzler. Quelle: Welt, Die Wirtschaft 15.2.2001 |