Klimaerwärmung:
Dürre und Inselsterben drohen
Von Jürgen Hein
Neu Delhi. (dpa) Auch sonnenhungrigen Touristen bleibt in Indien nicht länger verborgen,
wie katastrophal sich Regenmangel und Hitze auswirken. Im Vogelnationalpark Bharatpur im
Bundesstaat Rajasthan finden Besucher in diesem Jahr ein trostloses Bild vor. Wo sonst
zahllose Zugvögel in riesigen Wasserflächen nach Fischen und Krebsen suchten, ist alles
trocken. "Der Monsun hat fast völlig versagt, die Flächen hier wurden nicht wie
sonst überflutet", sagt Jagdish Kumar, ein Führer im Park.
Auch der Winterregen fiel in dieser Region wieder viel knapper aus als sonst. Trotzdem
blühen in der Gegend um den Park die Senffelder leuchtend gelb wie immer. Überall
knattern Dieselpumpen und holen Wasser aus der Erde. An der Oberfläche ist kaum zu sehen,
dass im Untergrund eine Zeitbombe tickt. "Der Grundwasserspiegel sinkt fast überall
in Indien um einen bis drei Meter jährlich", warnte David Seckler vom
Internationalen Bewässerungsinstitut in Sri Lanka schon vor zwei Jahren.
Die Regenfälle während des Monsuns von Juni bis Oktober haben immer schon geschwankt,
ebenso die Niederschläge im Winter. Welchen Einfluss die Klimaerwärmung darauf haben
könnte, ist unklar. Schon heute aber zeigt sich, wie gefährlich die Abhängigkeit von
ergiebigen und regelmäßigen Regenfällen in Indien ist.
Der Westen und Süden Indiens wurde zuletzt von der schlimmsten Dürre seit 100 Jahren
heimgesucht. Auch in Pakistan und Afghanistan hatte sie verheerende Auswirkungen. Allein
in Indien litten 100 Millionen Menschen unter der Wassernot, der Grundwasserspiegel fiel
auf bis zu 70 Meter unter der Oberfläche. Regierungschef Atal Behari Vajpayee warnte
schon vor Unruhen wegen Wassermangels in den nächsten 25 Jahren.
Ein weiterer Grund für das Absinken des Grundwassers ist der steigende Verbrauch. Indien
kann seine eine Milliarde Menschen selbst mit Lebensmitteln versorgen, hängt dabei aber
immer mehr von Bewässerung ab. Der Anteil der Ackerflächen, die künstlich bewässert
werden, stieg seit 1950 von 17 auf fast 40 Prozent. Experten warnen schon seit langem,
dass mehr Wasser hochgepumpt wird, als unterirdisch nachfließt.
Es wäre schon viel geholfen, wenn das Wasser besser genutzt würde, durch gezielte
Bewässerung der Pflanzenwurzeln statt der Flutung ganzer Felder zum Beispiel. Außerdem
hoffen Gentechniker, Arten von Senf, der vor allem als Öllieferant dient, sowie Reis
entwickeln zu können, die mit weniger Wasser auskommen.
Schon jetzt aber wird die Klimaerwärmung als Bedrohung für den Ganges gesehen, den
mächtigsten Fluss Indiens, der auch Bewässerungssysteme speist. Der Gangotrigletscher im
Himalaya, aus dessen Schmelzwasser sich der Ganges in den trockenen Monaten speist, geht
zurück. Auch jedes Grad, um das die Temperaturen steigen, ist für viele Menschen
lebensbedrohend. Jedes Jahr sterben mehr als 1000 Menschen an Kreislaufversagen, wenn es
im Mai und Juni bis zu 50 Grad heiß wird.
Auch die Malediven südwestlich von Indien schlagen seit langem Alarm. Von den etwa 1200
Inseln ragen viele nur wenige Meter aus dem Ozean. Sie drohen zu den ersten Opfern
ansteigender Meeresspiegel zu werden. Präsident Maumoon Abdul Gayoom fordert von den
Industriestaaten seit langem, den Ausstoß von Treibhausgasen zu vermindern. "Jede
Sekunde ist ein Verlust im Kampf ums Überleben", warnt er.
Quelle: Kölnische Rundschau 20/02/01