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zurück zum 2001er Pressearchiv Klimaschutz, Energiepolitik

Die ärmsten Länder am meisten gefährdet Neue Prognose über den Klimawandel im 21. Jahrhundert

Das zwischenstaatliche Expertengremium der Vereinten Nationen »Intergovernmental Panel on Climate Change« (IPCC) präsentierte am 19.Februar in Genf seinen zweiten Bericht über die Folgen des Klimawandels. An der mehrtägigen Abstimmung des Berichts waren über 100 Regierungsdelegationen beteiligt. Unter den Autoren waren auch mehrere Wissenschaftler des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK). Der Bericht zeigt, daß die ersten Folgen des Klimawandels bereits allenthalben zu beobachten sind, obwohl die Erde sich in den letzten hundert Jahren lediglich um 0,6 Grad Celsius erwärmt hat. Dieser Trend soll sich im gesamten Verlauf des 21. Jahrhunderts und darüber hinaus fortsetzen. Der erwartete Anstieg der mittleren globalen Oberflächentemperatur um 1,4 bis 5,8 Grad Celsius wird Mensch und Natur vor enorme Anpassungsschwierigkeiten stellen. Die Experten weisen auf unkalkulierbare Risiken und tiefgreifende Veränderungen im Naturhaushalt der Erde hin. Die Entwicklungsländer werden vermutlich am stärksten von den Folgen betroffen sein. Neben wirksamen Maßnahmen zur Begrenzung des Klimawandels sollten jetzt alle Möglichkeiten der Anpassung an die sich verändernden Umweltbedingungen genutzt werden.

Der Klimawandel wird für Mensch und Natur vorwiegend negative Folgen haben. Bereits jetzt sind in einer Reihe von Ökosystemen Veränderungen zu beobachten, die auf die Erwärmung der Erde zurückgehen: Gletscher ziehen sich zurück, Vögel brüten früher, und die Vegetationsperiode vieler Pflanzen hat sich verlängert. Im Mittelmeerraum haben aufgrund der trockeneren und wärmeren Verhältnisse die Waldbrände zugenommen. Besonders verwundbar durch den Klimawandel sind Ökosysteme, die sich nur langsam anpassen können, wie zum Beispiel Gletscher, Feuchtgebiete, Mangroven, Ökosysteme in der Arktis und den Gebirgen, aber auch die borealen und tropischen Wälder. Die Mehrzahl der Korallenriffe, die durch klimatische Schwankungen wie El Niño schon stark geschädigt sind, werden einen Temperaturanstieg von zwei Grad Celsius nicht überleben. Noch mehr Tiere und Pflanzen als bisher werden vom Aussterben bedroht sein.

Dem Bericht zufolge könnten sich die Probleme der Menschheit durch den Klimawandel gravierend verschärfen. In Teilen Afrikas wird die Wüstenbildung aufgrund geringer werdender Regenfälle und geringerer Bodenfeuchtigkeit verstärkt. In vielen Ländern Asiens wird ein Rückgang in der landwirtschaftlichen Produktivität die Ernährungssicherheit gefährden. Ansteigende Meeresspiegel und heftiger werdende tropische Wirbelstürme könnten Millionen Menschen in den tiefer gelegenen Küstengebieten in Gefahr bringen. In Australien und Neuseeland wird das Wasser wahrscheinlich zu einer zentralen Lebensfrage werden, da für einen Großteil der Region Trockenheit vorausgesagt wird. In Europa wird die Gefahr von Überschwemmungen zunehmen. In Lateinamerika wird es zu häufigeren Überflutungen und Dürrekatastrophen kommen. In Nordamerika muß mit vermehrter Küstenerosion, mit Überflutungen und häufigeren Wirbelstürmen infolge des ansteigenden Meeresspiegels gerechnet werden, insbesondere in Florida und entlang der Atlantikküste.

Hans-Joachim Schellnhuber, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung und koordinierender Leitautor der Studie, schätzt, daß sich die Schäden durch Klimaveränderungen weltweit auf mindestens 100 Milliarden Dollar jährlich belaufen werden. Darunter fielen sowohl Kosten für Küstenschutz und Deichbau als auch Folgekosten für Stürme, Überschwemmungen, Dürrekatastrophen und Hitzewellen. Eine Anpassung könnte die negativen Folgen des Klimawandels deutlich mildern. Schellnhuber: »Obwohl die Industrienationen die Hauptverursacher des Temperaturanstiegs sind, trifft der Klimawandel vor allem die armen Länder der Welt. Doch auch die Industrienationen müssen Anpassungsmaßnahmen entwickeln, wenn ihre Lebensqualität nicht absinken soll. Lediglich im Agrarsektor könnten einige Länder in den höheren Breiten bei einem moderaten Temperaturanstieg mit einer Steigerung der Produktion rechnen«.

Um die Folgen selbst bei optimaler Anpassung noch beherrschen zu können, darf der Kohlendioxidgehalt in der Atmosphäre nach Ansicht von Schellnhuber eine Verdoppelung des vorindustriellen Wertes nicht überschreiten: »Das bedeutet eine Stabilisierung des CO2-Anteils bei 550 ppm (millionstel Volumenanteile). Dies entspricht etwa einem Anstieg der globalen Mitteltemperatur um zwei Grad Celsius gegenüber 1860. Dieses Ziel ist nur mit einer Verringerung des Treibhausgasausstoßes um mindestens 50 Prozent zu erreichen.«

Großskalige Veränderungen sind bei einem Temperaturanstieg von vier bis fünf Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Wert zu befürchten. Hierzu zählen die Abschwächung der warmen Nordatlantikströmung, die Freisetzung von eisgebundenen Treibhausgasen wie Methan, die langfristige Destabilisierung des westantarktischen Eisschelfes und ein damit verbundener Anstieg des Meeresspiegels um vier bis sechs Meter sowie die Änderung des ostasiatischen Monsuns, der mit seinen regelmäßigen Niederschlägen die Lebensgrundlage für Hunderte Millionen Menschen bildet.

(jW/idw)

Quelle: Junge Welt 24/02/‘01

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