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Strommarktes
Kraft-Wärme-Kopplung
Neuer Streit um Förderung
Köln - Die Debatte um die Förderung umweltfreundlicher Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) wird
heftiger. Der in der vergangenen Woche gegründete Bundesverband
Kraft-Wärme-Kopplung, dem Stadtwerke, Hersteller und Umweltverbände angehören, wirft
den Energiekonzernen Eon, EnBW, HEW, Veag und RWE vor, mit "unseriösen Zahlen"
zu arbeiten.
Die Konzerne hatten am Wochenende in ihrem "Aktionsprogramm
Klimaschutz" argumentiert, zwar komme der gekoppelten Erzeugung von Strom und Wärme
bei einem möglichst umweltschonenden Umgang mit Energie weiterhin eine hohe Bedeutung zu.
Die Kohlendioxid-Bilanz der deutschen KWK-Anlagen falle aber insgesamt "verglichen
mit einer getrennten Strom- und Wärmeerzeugung negativ aus". Das habe eine Studie
des Instituts für Energiewirtschaft der Universität Stuttgart gezeigt. KWK-Anlagen seien
daher "kein Königsweg zur Minderung der Treibhausemissionen".
Der Bundesverband hält dagegen, die Studie basiere auf nicht nachvollziehbaren Zahlen und
komme zu einem "nachweislich falschen" Ergebnis, wie die Resultate aller anderen
Institute zeigten, die sich mit dem Thema befasst hätten. Der Verband fordert die
Bundesregierung auf, das geplante KWK-Ausbauprogramm so zügig auf den Weg zu bringen,
dass es "wie versprochen bis Mitte 2001 verabschiedet werden kann".
Die rot-grüne Koalition in Berlin will durch die Förderung von KWK-Anlagen den Ausstoß
des klimaschädlichen Kohlendioxids bis 2010 um 23 Millionen Tonnen zu verringern. Moderne
Blockheizkraftwerke oder Gas- und Dampfturbinen-Anlagen (GuD) können bis zu 70 Prozent
des eingesetzten Brennstoffs in Strom und Wärme umsetzen. Die Energieausbeute mittels
Kraft-Wärme-Kopplung ist deutlich höher als bei herkömmlichen Kraftwerken.
Seit Mai 2000 sorgt ein "Soforthilfegesetz" dafür, dass der Mehrpreis von drei
Pfennigen je Kilowattstunde Strom aus KWK-Anlagen auf alle Stromverbraucher verteilt wird.
Damit sollen insbesondere KWK-Anlagen älterer Bauart, die von einigen Stadtwerken
betreiben werden, geschützt werden. Dieses Vorschaltgesetz wird hinfällig, sobald das
geplante KWK-Ausbaugesetz in Kraft tritt.
Die Bundestagsfraktionen von SPD und Grünen plädieren hier für eine Quotenregelung: Die
Energierzeuger sollen einen bestimmten Teil ihres Stroms unter Ausnutzung der anfallenden
Wärme produzieren. Haben sie selbst nicht genügende KWK-Anlagen, müssen sie - so die
auf dem Tisch liegenden Vorschläge - Zertifikate von anderen KWK-Betreibern kaufen, und
zwar an einer Börse für Umweltzertifikate.
Dagegen wehren sich Eon, RWE und Co. Durch die Quotenregelung werde die Liberalisierung
auf dem Energiemarkt teilweise rückgängig gemacht, lautet eines der Argumente. Die Quote
fördere alle Anlagen ohne Rücksicht auf ihre Wirtschaftlichkeit und sei ein
"dirigistisches Instrument, das erhebliche Bürokratie und Kontrollinstrumente nach
sich zieht". Außerdem gefährde eine solche Quote "nachhaltig die Einhaltung
der zugesagten Braunkohleverstromung in den neuen Bundesländern. Im "Aktionsprogramm
Klimaschutz" wird unter anderem vorgeschlagen, bestehende Kraftwerke zu
modernisieren, vermehrt regenerative Energien zu nutzen und die Heizungstechnik zu
verbessern. Das führe bis 2010 zur Reduzierung von Kohlendioxid-Emissionen in Höhe von
50 Millionen Tonnen.
Auch der parteilose Bundeswirtschaftsminister Werner Müller lehnt - im Unterschied zum
grünen Umweltminister Jürgen Trittin - eine Quotenregelung ab. Die Bundesregierung
spricht nun davon, dass die Einführung einer Quote "in Konkurrenz zu anderen
Instrumentarien steht". Die Stromkonzerne wurden aufgefordert, ihre Vorschläge zu
konkretisieren.
Die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie und Energie (IGBCE) glaubt, dass der geplante
Ausbau der Kraft-Wärme-Koppelung mindestens 10 000 Jobs kosten könnte. Die von der
Bundesregierung vorgeschlagene Verdoppelung des KWK-Anteils an der deutschen
Energieproduktion gefährde das Kraftwerk-Erneuerungsprogramm des RWE im Rheinischen
Braunkohlerevier mit Investitionen von 20 Milliarden DM. Es würden dann künftig nur noch
Gaskraftwerke errichtet.
Quelle: Kölner Stadt-Anzeiger Wirtschaft
31.1.2001
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